Franz
09-02-2005, 12:07
Autofahren unter Drogeneinfluss:
Keine Gnade für „Kiffer“
Sonntagabend gemütlich einen Joint mitrauchen, Montag morgen selbstverständlich mit dem Auto zur Arbeit — eigentlich legal, weil konsumieren nicht strafbar ist, oder? Keinesfalls. Denn was die meisten Gelegenheitskiffer nicht ahnen, ist, dass THC, die Substanz, die Cannabis zur Droge macht, mindestens 24 Stunden im Blutkreislauf unterwegs ist, ehe es vollständig abgebaut wird.
Das subjektive „Nüchternheitsgefühl“ am Morgen spielt für die Fahrtüchtigkeit in den Augen von Polizei, Justiz und Verwaltung dabei ebenso wenig eine Rolle wie beim Alkohol.
Jeder dritte Verkehrssünder, den die Polizei berauscht am Steuer erwischt, hat mittlerweile nicht mehr dem Alkohol im Übermaß zugesprochen, sondern Drogen konsumiert - meistens Cannabis.
Diese hohe Zahl lässt nicht unbedingt auf eine Zunahme des Drogenkonsums schließen, da erst in den vergangenen drei Jahren Kontrollen auf die verbotenen Substanzen via Schnelltest möglich sind und Polizeibeamte gezielt geschult werden, Drogenfahrer sofort zu erkennen. Dennoch ist vor allen Dingen Cannabis alles andere als ein subkulturelles Phänomen. Zwei Drittel der erwischten Drogenfahrer sind älter als 21 Jahre.
485 Drogenfahrten registrierte die Polizei heuer schon im Nürnberger Stadtgebiet, über 200 Fahrerlaubnisse — Offizielle unterscheiden zwischen dem „Lappen“ und der tatsächlichen Berechtigung — wanderten zurück in die Hände der Führerscheinstelle der Stadt Nürnberg. 58 Drogenfahrern entzog zudem das Gericht die Fahrerlaubnis - bei diesen Fällen kamen Ausfallerscheinungen hinzu, was in der Regel zu einer Verurteilung führt.
Bleiben knapp 200 Fälle, die „nur“ mit einem einmonatigen Fahrverbot, vier Punkten in Flensburg, einer Geldstrafe von 250 Euro und den Kosten für Blutentnahme und -analyse davonkamen. „Wer zum ersten Mal bei einer Drogenfahrt im Rahmen einer Routinekontrolle erwischt wird, ist in der Regel mit mehr als 1.000 Euro Kosten und mindestens einem Monat Fahrverbot dabei“, erläutert Georg Hopfengärtner, Suchtbeauftragter der Stadt Nürnberg.
Meistens kommt es aber noch dicker. Denn bei jedem Drogendelikt — Besitz oder Autofahrt — schickt die Polizei sofort eine Mitteilung an die Führerscheinstelle. Die Führerscheinstelle interessiert sich bei Cannabis in erster Linie für die Konzentration der Drogen im Blut.
Nach deren Höhe entscheidet sie, ob jemand als Dauerkonsument eingestuft wird oder nicht. Dauerkonsumenten dürfen nach Ansicht der Ordnungsbehörde keine Fahrerlaubnis besitzen. Der Grund ist einfach: Die psychoaktiven Substanzen der Drogen wirken sehr viel länger im Körper als beispielsweise Alkohol. Die Gefahr ist deshalb äußerst groß, dass Dauerkonsumenten eben irgendwann nicht nüchtern am Steuer sitzen. Die Folge ist klar — der Führerschein ist weg, und zwar für immer. Bei allen Substanzen außer Cannabis ist sogar die Konzentration im Blut egal für den konsequenten Entzug der Fahrerlaubnis.
„Mit Strafe hat das nichts zu tun“, erklärt Oberstaatsanwalt Reinhard Lubitz, Leiter der Jugendabteilung der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth. „Das Ordnungsamt hat vielmehr die Aufgabe, Gefahren für die Allgemeinheit von vornherein auszuschließen, und kann daher nicht anders handeln. Es geht nie darum, Konsumenten zu maßregeln.“
Subjektiv empfunden fühlt sich das natürlich schon wie eine Strafe an, sogar als der schwerere Brocken. „Die Betroffenen haben davon meistens überhaupt keine Ahnung“, weiß Marco Stürmer, Berater bei enterprise, dem „Partydrugsproject“ der Mudra. Die Überraschung ist deshalb so groß, weil die Betroffenen ihre echte juristische Strafe schon erhalten haben, wenn das Ordnungsamt zur Rückgabe der Fahrerlaubnis auffordert.
Manchmal ist der Führerschein aber auch ohnehin gleich weg. Immer dann, wenn zum Nachweis der Drogen im Blut Ausfallerscheinungen hinzukommen, gilt die Drogenfahrt nicht mehr als Ordnungswidrigkeit, sondern als Vergehen, das zur Anzeige gebracht wird. Für die Klassifizierung der Ausfallerscheinungen hält sich die Polizei an einen genauen Katalog. Fahrfehler wie eine zu hohe Geschwindigkeit, Vorfahrtsverletzungen oder Fahren ohne Licht zählen dazu ebenso wie körperliche Ausfallerscheinungen, träge reagierende Pupillen oder Versagen beim Finger-Nase-Test. In der Praxis findet eine Überprüfung der Funktionen zwei Mal statt: Auf der Straße und anschließend beim Arzt auf der Polizeidienststelle.
„Drogenrausch vollzieht sich in Intervallen“, erklärt Polizeioberrat Bernd Wolf, Sachgebietsleiter Verkehr des Polizeipräsidiums Mittelfranken. „So stellen wir sicher, dass wir jemand nicht ausgerechnet in einer ‚hellen‘ Phase testen“, sagt er. Schnelltests führt die Polizei in Nürnberg mit Urinproben durch, logistisch sei das kein Problem, da die nächste Dienststelle höchstens zehn Minuten entfernt sei. Ein Entrinnen gibt es also praktisch nicht. „Und das ist gut so", sagt Suchtbeauftragter Hopfengärtner, „denn schließlich ist Fahren unter Rauschmitteln ein großes Risiko für Leib und Leben aller Verkehrsteilnehmer.“
Mit der Strafe ist per Definition eine jede Tat gesühnt, dennoch sind die Hürden auf dem Weg zur neuen Fahrerlaubnis extrem hoch. Denn auch wenn viele das glauben, man erhält nicht automatisch eine Fahrerlaubnis irgendwann zurück. Wer nichts unternimmt, erhält sein Leben lang keinen Führerschein mehr.
Und wer als Jugendlicher eines Besitzdelikts überführt wurde, das genauso wie eine Drogenfahrt gemeldet und zehn Jahre gespeichert wird, muss erst die Zweifel, die die Führerscheinstelle per se an seiner Fahrtauglichkeit anmeldet, mit teuren Gutachten ausräumen. Üblicherweise führt man den Nachweis der Drogenfreiheit über die Haaranalyse, Kostenpunkt: mehrere hundert Euro.
„Von Fahrerlaubnisverlust Betroffenen empfehle ich, schon etwa einen Monat vor Ablauf der Sperrfrist, einen Antrag auf Neuerteilung bei der Führerscheinstelle zu stellen“, sagt dazu Oberstaatsanwalt Lubitz, „so erfahren sie, was von ihnen verlangt wird, und können sich darauf vorbereiten“.
In der Regel wird der Nachweis der Drogenabstinenz für mindestens ein halbes Jahr verlangt, in vielen Fällen zusätzlich die so genannte medizinisch-psychologische Untersuchung.
Diese kostet in der Regel etwa 500 Euro, sie zu bestehen ist schwierig, aber machbar. Drogenberater Stürmer weiß, worauf es ankommt. „Viele kommen zu uns in dem Glauben, wir hätten sozusagen den ‚Text‘ vorrätig, mit dem man den Gutachter überzeugt“, sagt er. Den gibt‘s natürlich nicht.
„Entscheidend ist die Auseinandersetzung mit der Geschichte des eigenen Konsumverhaltens“, erklärt er. Das „enterprise — partydrugsproject“ der Mudra bietet für diese Aufarbeitung Beratung mit mehreren Terminen an. Und dabei ist klar: Der „Lappen“ ist die eine Sache, das Ziel aber ist die stabile Abstinenz.
Alexandra Meyerhöfer
9.2.2005 0:00 MEZ
Quelle:http://www.nz-online.de/artikel.asp?art=300663&kat=317
Keine Gnade für „Kiffer“
Sonntagabend gemütlich einen Joint mitrauchen, Montag morgen selbstverständlich mit dem Auto zur Arbeit — eigentlich legal, weil konsumieren nicht strafbar ist, oder? Keinesfalls. Denn was die meisten Gelegenheitskiffer nicht ahnen, ist, dass THC, die Substanz, die Cannabis zur Droge macht, mindestens 24 Stunden im Blutkreislauf unterwegs ist, ehe es vollständig abgebaut wird.
Das subjektive „Nüchternheitsgefühl“ am Morgen spielt für die Fahrtüchtigkeit in den Augen von Polizei, Justiz und Verwaltung dabei ebenso wenig eine Rolle wie beim Alkohol.
Jeder dritte Verkehrssünder, den die Polizei berauscht am Steuer erwischt, hat mittlerweile nicht mehr dem Alkohol im Übermaß zugesprochen, sondern Drogen konsumiert - meistens Cannabis.
Diese hohe Zahl lässt nicht unbedingt auf eine Zunahme des Drogenkonsums schließen, da erst in den vergangenen drei Jahren Kontrollen auf die verbotenen Substanzen via Schnelltest möglich sind und Polizeibeamte gezielt geschult werden, Drogenfahrer sofort zu erkennen. Dennoch ist vor allen Dingen Cannabis alles andere als ein subkulturelles Phänomen. Zwei Drittel der erwischten Drogenfahrer sind älter als 21 Jahre.
485 Drogenfahrten registrierte die Polizei heuer schon im Nürnberger Stadtgebiet, über 200 Fahrerlaubnisse — Offizielle unterscheiden zwischen dem „Lappen“ und der tatsächlichen Berechtigung — wanderten zurück in die Hände der Führerscheinstelle der Stadt Nürnberg. 58 Drogenfahrern entzog zudem das Gericht die Fahrerlaubnis - bei diesen Fällen kamen Ausfallerscheinungen hinzu, was in der Regel zu einer Verurteilung führt.
Bleiben knapp 200 Fälle, die „nur“ mit einem einmonatigen Fahrverbot, vier Punkten in Flensburg, einer Geldstrafe von 250 Euro und den Kosten für Blutentnahme und -analyse davonkamen. „Wer zum ersten Mal bei einer Drogenfahrt im Rahmen einer Routinekontrolle erwischt wird, ist in der Regel mit mehr als 1.000 Euro Kosten und mindestens einem Monat Fahrverbot dabei“, erläutert Georg Hopfengärtner, Suchtbeauftragter der Stadt Nürnberg.
Meistens kommt es aber noch dicker. Denn bei jedem Drogendelikt — Besitz oder Autofahrt — schickt die Polizei sofort eine Mitteilung an die Führerscheinstelle. Die Führerscheinstelle interessiert sich bei Cannabis in erster Linie für die Konzentration der Drogen im Blut.
Nach deren Höhe entscheidet sie, ob jemand als Dauerkonsument eingestuft wird oder nicht. Dauerkonsumenten dürfen nach Ansicht der Ordnungsbehörde keine Fahrerlaubnis besitzen. Der Grund ist einfach: Die psychoaktiven Substanzen der Drogen wirken sehr viel länger im Körper als beispielsweise Alkohol. Die Gefahr ist deshalb äußerst groß, dass Dauerkonsumenten eben irgendwann nicht nüchtern am Steuer sitzen. Die Folge ist klar — der Führerschein ist weg, und zwar für immer. Bei allen Substanzen außer Cannabis ist sogar die Konzentration im Blut egal für den konsequenten Entzug der Fahrerlaubnis.
„Mit Strafe hat das nichts zu tun“, erklärt Oberstaatsanwalt Reinhard Lubitz, Leiter der Jugendabteilung der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth. „Das Ordnungsamt hat vielmehr die Aufgabe, Gefahren für die Allgemeinheit von vornherein auszuschließen, und kann daher nicht anders handeln. Es geht nie darum, Konsumenten zu maßregeln.“
Subjektiv empfunden fühlt sich das natürlich schon wie eine Strafe an, sogar als der schwerere Brocken. „Die Betroffenen haben davon meistens überhaupt keine Ahnung“, weiß Marco Stürmer, Berater bei enterprise, dem „Partydrugsproject“ der Mudra. Die Überraschung ist deshalb so groß, weil die Betroffenen ihre echte juristische Strafe schon erhalten haben, wenn das Ordnungsamt zur Rückgabe der Fahrerlaubnis auffordert.
Manchmal ist der Führerschein aber auch ohnehin gleich weg. Immer dann, wenn zum Nachweis der Drogen im Blut Ausfallerscheinungen hinzukommen, gilt die Drogenfahrt nicht mehr als Ordnungswidrigkeit, sondern als Vergehen, das zur Anzeige gebracht wird. Für die Klassifizierung der Ausfallerscheinungen hält sich die Polizei an einen genauen Katalog. Fahrfehler wie eine zu hohe Geschwindigkeit, Vorfahrtsverletzungen oder Fahren ohne Licht zählen dazu ebenso wie körperliche Ausfallerscheinungen, träge reagierende Pupillen oder Versagen beim Finger-Nase-Test. In der Praxis findet eine Überprüfung der Funktionen zwei Mal statt: Auf der Straße und anschließend beim Arzt auf der Polizeidienststelle.
„Drogenrausch vollzieht sich in Intervallen“, erklärt Polizeioberrat Bernd Wolf, Sachgebietsleiter Verkehr des Polizeipräsidiums Mittelfranken. „So stellen wir sicher, dass wir jemand nicht ausgerechnet in einer ‚hellen‘ Phase testen“, sagt er. Schnelltests führt die Polizei in Nürnberg mit Urinproben durch, logistisch sei das kein Problem, da die nächste Dienststelle höchstens zehn Minuten entfernt sei. Ein Entrinnen gibt es also praktisch nicht. „Und das ist gut so", sagt Suchtbeauftragter Hopfengärtner, „denn schließlich ist Fahren unter Rauschmitteln ein großes Risiko für Leib und Leben aller Verkehrsteilnehmer.“
Mit der Strafe ist per Definition eine jede Tat gesühnt, dennoch sind die Hürden auf dem Weg zur neuen Fahrerlaubnis extrem hoch. Denn auch wenn viele das glauben, man erhält nicht automatisch eine Fahrerlaubnis irgendwann zurück. Wer nichts unternimmt, erhält sein Leben lang keinen Führerschein mehr.
Und wer als Jugendlicher eines Besitzdelikts überführt wurde, das genauso wie eine Drogenfahrt gemeldet und zehn Jahre gespeichert wird, muss erst die Zweifel, die die Führerscheinstelle per se an seiner Fahrtauglichkeit anmeldet, mit teuren Gutachten ausräumen. Üblicherweise führt man den Nachweis der Drogenfreiheit über die Haaranalyse, Kostenpunkt: mehrere hundert Euro.
„Von Fahrerlaubnisverlust Betroffenen empfehle ich, schon etwa einen Monat vor Ablauf der Sperrfrist, einen Antrag auf Neuerteilung bei der Führerscheinstelle zu stellen“, sagt dazu Oberstaatsanwalt Lubitz, „so erfahren sie, was von ihnen verlangt wird, und können sich darauf vorbereiten“.
In der Regel wird der Nachweis der Drogenabstinenz für mindestens ein halbes Jahr verlangt, in vielen Fällen zusätzlich die so genannte medizinisch-psychologische Untersuchung.
Diese kostet in der Regel etwa 500 Euro, sie zu bestehen ist schwierig, aber machbar. Drogenberater Stürmer weiß, worauf es ankommt. „Viele kommen zu uns in dem Glauben, wir hätten sozusagen den ‚Text‘ vorrätig, mit dem man den Gutachter überzeugt“, sagt er. Den gibt‘s natürlich nicht.
„Entscheidend ist die Auseinandersetzung mit der Geschichte des eigenen Konsumverhaltens“, erklärt er. Das „enterprise — partydrugsproject“ der Mudra bietet für diese Aufarbeitung Beratung mit mehreren Terminen an. Und dabei ist klar: Der „Lappen“ ist die eine Sache, das Ziel aber ist die stabile Abstinenz.
Alexandra Meyerhöfer
9.2.2005 0:00 MEZ
Quelle:http://www.nz-online.de/artikel.asp?art=300663&kat=317