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Thorre
18-06-2002, 19:41
Gedanken zur Philosophie in den Kampfkünsten

Nachdem die verschiedenen Teilnehmer der begonnenen Philosophie-Debatte sich in höchst engagierten Grundübungen der gegenseitigen Zurechtweisung, der Argumenationsführung und dem Stellen von psychologischen Ferndiagnosen aufeinander zubewegt haben, scheint es mir möglich, eine Diskussion zu Basisfragen der Philosophie in den Kampfkünsten einzuleiten.

Ich würde eine rege Beteiligung an dieser Debatte auch von jenen Forumsteilnehmern begrüßen, die die Verknüpfung von Philosophie und Praxis ablehnen, denn ich denke, daß die meisten Streitigkeiten weniger auf inhaltlichen Aspekten beruhen, sondern vielmehr von Begriffen ausgehen, die so benutzt werden, als hätten sie allgemeingültige Bedeutung, obwohl sie eigentlich von jedem anders interpretiert werden. Allein der Begriff "Philosophie" wird sehr unterschiedlich gedeutet, für den einen ist es eine praxis- und lebensfremde geistige Aktivität, für den anderen die mentale Durchdringung und Auseinandersetzung mit ganz konkreten Fragen des täglichen Lebens.

Ein für mich wesentlicher Aspekt der asiatischen Geisteskultur liegt in der Auffassung, daß die Realität nicht exakt mittels wissenschaftlicher Methoden dargestellt oder beschrieben werden kann. Der moderne Aberglaube vieler Menschen innerhalb der westlichen Zivilisation besteht darin, daß man durch "exakte" Wissenschaft etwas über das Universum, den Menschen oder das menschliche Leben ansich aussagen könne.

Eine wissenschaftliche Abhandlung - beispielsweise zum Thema: "Wie funktioniert das Universum?" - operiert jedoch zwangsläufig mit Größen, die lediglich gewisse isolierte Aspekte der tatsächlichen Realität aus- und bewerten. Obwohl heute jedem Wissenschaftler absolut klar ist, daß er an einem Modell der Realität forscht, das mit eigentlichen Wirklichkeit nicht viel zu tun hat - und auch gar nicht viel zu tun haben kann -, ist den meisten wissenschaftlichen Laien diese Tatsache nicht bekannt. Die Ära der Aufklärung, in der religiöse oder spirituelle Vorstellungen beherzt über Bord geworfen wurden, führte dazu, daß sich die Mehrheit der modernen Zivilisation mit der vermeintlich objektiven Wissenschaft im Besitz des Schlüssels zur Wahrheit wähnte, selbst wenn immer mehr prominente Wissenschaftler dies zunehmend auch öffentlich bestritten.

Das Ganze läßt sich an einem konkreten Beispiel sehr leicht illustrieren. Das Wort "Baum" weist auf etwas, das mit speziellen Merkmalen ausgestattet ist, die wir wahrnehmen können (Form, Größe, Oberflächenbeschaffenheit etc.) und dann im Wort "Baum" zusammenfassen. Eine Kategorie weiter kann man dann speziellere Merkmale erfassen, wie z.B. die Blattform und benennt Gruppen mit einer Ähnlichkeit in diesen spezielleren Merkmalen dann "Laubhölzer" oder "Nadelgehölze" etc. Noch einen Schritt weiter klassifiziert man "Tannen", "Fichten", "Eichen" etc. Doch egal wie weit man all diese Klassifizierungen treibt, der Name (also das Wort), ist immer nur ein Deuten auf etwas, das in der Wirklichkeit viel mehr ist. Auch wenn ich einen Baum in einem Wald nach allen botanischen Regeln klassifiziert habe, kann ich mir nicht einbilden, ich hätte dieses Ding nun in seiner ganzen Wirklichkeit erfaßt. Dies ist unmöglich, denn wir ordnen die von uns wahrgenommene Wirklichkeit lediglich in einem System, das Unbekanntes mit Bekanntem vergleicht und dann Ähnlichkeiten oder Unterschiede feststellt. Inhalte, für die wir keine Worte haben, können nicht identifiziert werden - jedenfalls in der Wissenschaft nicht. Wenn die Wissenschaft auf Phänomene trifft, die ihr bislang unbekannt waren, erfindet sie neue Worte, um diese Phänomene in das bestehende System einzugliedern. Das ist nicht nur legitim, sondern auch äußerst praktisch, hat aber mit der tatsächlichen Wirklichkeit nicht viel tun.

Dieser Exkurs schien mir wichtig, um den Unterschied zur asiatischen Geisteskultur - so wie ich sie verstehe - deutlich zu machen. Im Gegensatz zur analytischen Tradition Europas verwendet man in Asien Bilder, um auf komplexe Zusammenhänge zu deuten und eine Auseinandersetzung zu ermöglichen, die Theorie und Wirklichkeit nicht miteinander verwechselt. So ist beispielsweise das Yin - Yang Modell des altchinesischen Daoismus eine Annäherung an die Gesetzmäßigkeiten der Wirklichkeit aus der Perspektive des Menschen, der seinen Platz in diesem Universum sucht.

Die Lehre (Philosophie) von Yin und Yang ermöglicht es dem Individuum, sich im Chaos der alltäglichen Begebenheiten zu orientieren und zwar im Hinblick auf die Frage, was zu tun ist, um das zu erreichen, was man erreichen will. Philosophie ist immer zweckgebunden, der Zweck asiatischer Philosophie ist in der Regel, den Menschen zu einer Lebensweise anzuregen, die eine Harmonie zwischen den Menschen (sozialer Lebensraum), zwischen Mensch und Universum (natürlicher Lebensraum), zwischen Geist und Körper (individueller Lebensraum) etc. fördert.

Neben der Lehre von Yin und Yang existieren viele weitere Modelle (z.B. die Lehre der Fünf Elemente), die das Wirken der Realität zwar nicht exakt beschreiben, aber einen intuitiven Zugang, eine Orientierung ermöglichen. So verhält es sich auch mit den Philosophien, die den Hintergrund vieler traditioneller Künste darstellen. Als Beispiel möchte ich das Go-Spiel nennen, ein dem Schach in seinen kombinatorischen Möglichkeiten weit überlegenes Spiel, das sich in China aus einer Orakeltechnik entwickelt hat und dann zur umfassenden Analogie militärischer und spiritueller Zusammenhänge ausgebaut wurde. Die Prinzipien, die ein Spieler des Go erlernen muß, um siegreich zu spielen, sind Prinzipien des vernünftigen menschlichen Verhaltens in einer komplexen, letztlich nicht erklärbaren Welt.

Eine wesentliche Eigenschaft all dieser Philosophien besteht für mich darin, daß sie nicht durch ein lediglich theoretisches Studium angeeignet werden können, sondern in der bewußten Auseinandersetzung, die alle Bereiche des Lebens umfaßt, verinnerlicht werden müssen, um wirksam, d.h. nützlich zu sein.

An dieser Stelle will ich nocheinmal diejenigen ansprechen, die Philosophie in den Kampfkünsten für ein theoretisches Beiwerk halten, das am eigentlichen Leben vorbeigeht. Ein rein theoretisches Befassen mit dieser von uns Europäern als Philosophie bezeichneten geistigen Schule, hat nichts mit der eigentlichen Intention asiatischer Philosophen zu tun, sondern ist wiederum lediglich für Wissenschaftler (z.B. Kulturhistoriker) von Interesse, die jenes ALTE WISSEN beschreiben, kartographieren und verwalten, nicht jedoch selbst leben.

Im Gegensatz zur Lebendigkeit der asiatischen Philosophie, die den Menschen immer auch als Teil dessen, was er beobachtet begreift, trennt die Tradition der westlichen Philosophie den Menschen (Beobachter) vom Universum (dem Beobachteten), gerade so, als könne man bei genügender Distanz soetwas wie eine objekte Wahrheit resümieren. Kennzeichnend für diese Haltung ist die bereits in der griechischen Antike exzessiv betriebene Suche nach der sogenannten ERSTEN URSACHE. Nach chinesischem Denken ist die Suche nach der ersten Ursache jedoch zweitrangig, denn es begreift die Entfaltung von Ereignissen und Erscheinungen als induktiven Vorgang, der nicht Folge eines äußeren Impulses ist, sondern aus der Tatsache resultiert, daß allen Phänomenen eine bestimmte Funktion innerhalb des universellen Kreislaufs zukommt.

Diese Funktion determiniert die Erscheinung, nicht die vorangegangenen Aktivitäten und Impulse anderer Phänomene. Die Bewegung des Universums ist nicht von einer ersten Ursache, einem Schöpfer abhängig, sondern stellt die dynamische Entwicklung zyklischer Muster dar. Deshalb geht es in der Suche nach Erkenntnis auch nicht um eine Art höheres Wissen, nicht um die Schau einer abstrakten Wahrheit, die man in einer Erkenntnislehre mit wissenschaftlichen Methoden zusammenfassen könnte, sondern um die authentische Wahrnehmung von Mustern und dem Verständnis ihrer Wechselwirkungen.

Selbstverständlich wird die Intelligenz dieser Auffassung in der Neuzeit von westlichen Philosophen anerkannt, denn mittlerweile hat sich auch hierzulande die Erkenntnis durchgesetzt, daß jede Beschreibung der Welt immer eine subjektive sein muß und die Frage nach der ersten Ursache eine Frage danach ist, was wir wir als erste Ursache zu definieren bereit, willig und in der Lage sind.

Vereinfacht zusammengefaßt: Asiatische Geisteskultur benutzt Bilder und Analogien um auf die Wirklichkeit in all ihren manifesten aber auch potentiellen Erscheinungsformen zu deuten, europäische Geisteskultur nutzt wissenschaftliche Formeln, um die Wirklichkeit möglichst exakt zu beschreiben.

ENDE TEIL I

Thorre
18-06-2002, 19:42
TEIL II

Kommen wir jetzt mal zur Philosophie in den Kampfkünsten. Richtig, dies ist der Augenblick, wo man beginnen sollte, mitzulesen, wenn man sich an der Debatte beteiligen möchte.

Cdobe schrieb irgendwo, daß er gegen eine Verknüpfung von Philosophie und Kampfkunst sei, sofern die der Kampfkunst innewohnenden Prinzipien nicht zur Philosophie erhoben werden. Genau dies ist der springende Punkt.

Erst wenn diese Prinzipien zur Philosophie (man könnte auch sagen zu Leitsätzen bei der persönlichen Gestaltung des Lebens) erhoben werden, haben wir es mit einer Kunst zu tun, die den Menschen bei der schwierigen Aufgabe unterstützt, Sinn und Platz in diesem Leben zu finden. Sicher mag es Zeitgenossen geben, die sich ihrer selbst so sicher sind, daß sie keiner Unterstützung bedürfen, aber ich glaube behaupten zu dürfen, daß es zumindest nicht schaden kann, wenn man seine persönliche Weltsicht mit dem vergleicht, was Generationen von Menschen in den Kampfkünsten zusammengetragen haben.

An dieser Stelle möchte ich auch Bokuto widersprechen, wozu ich sonst keinen Anlaß habe, der geäußert hat, daß die Idee, Kampf und Philosophie miteinander zu verbinden nicht mal so alt, wie unser Christentum sei und die einzige Philosophie, die vorher zählte, sterben oder sterben lassen war. Die Verbindung von kämpferischen Verfahren mit philosophischen Anschauungen hat beispielsweise in China schon allein deshalb eine sehr lange Tradition, weil - wie bereits beschrieben - Philosophie dort nicht als eine theoretische Disziplin verstanden wurde, sondern vielmehr als ein Mittel die universellen Gesetze in einer Weise zu interpretieren, die von praktischem Nutzen sind.

So praktiziert ein daoistischer Meister einer inneren Kampfkunst hart und weich in der Manier der daoistischen Philosophie nicht, weil er sein Handeln unbedingt mit einer schicken Theorie in Deckung bringen will, sondern weil er davon ausgeht, daß das Befolgen dieser Lehre ihn befähigt, ganz praktische Ziele zu erreichen. Das ist ein enormer Unterschied. Bokutos Bemerkung kann insofern recht gegeben werden, als daß die zeremonielle Einbindung kämpferischer Verfahren in eine Praxis der ganzheitlichen Erziehung in den japanischen Do´s erst sehr viel später perfektioniert wurde, was vor allem auch soziokulturelle Ursachen haben mag.

Die Prinzipien der alten Kampfkünste sind also aus den philosophischen Anschauungen einer Zeit und einer Kultur heraus entwickelt worden, die davon ausging, daß die in der Natur beobachteten Phänomene auf die Notwendigkeiten des Kampfes übertragen werden können: Wenn ein Baum hart und unflexibel ist, so bricht er unter großer Spannung eher als ein weicher, flexibler Baum --> wenn ein Kämpfer hart und unflexibel ist, kann er auf die Gegebenheiten des Kampfes nicht adäquat reagieren und "bricht" eher als ein flexibler Kämpfer.

Das Bild (die Analogie) vom starren Baum wird hier zu einer ganz konkreten Handlungsdirektive. Genauso verhält es sich mit den anderen philosophischen Grundsätzen.

Und jetzt kommt der Knaller: Ein Meister der Kampfkunst, der also einer so pragmatischen Philosophie folgt, überträgt diese früher oder später auch auf andere Bereiche seines Lebens. Zunächst mag sich das in der Art, wie jemand die Kampfkunst trainiert widerspiegeln. Wir alle kennen die Geschichte von einem Schüler der von seinem Meister beauftragt wird, jeden Morgen über einen frischgepflanzten Baum zu springen. Im Laufe der Jahre wächst der Baum und der Schüler muß immer höher springen, um ihn zu überwinden. Da sich diese Veränderung jedoch sehr langsam vollzieht, merkt der Schüler eigentlich gar nicht, wie sich seine Kräfte steigern. Diese Legende ist für die asiatische Anschauung von einem sinnvollem Training kennzeichnend: nicht die kurzzeitige, intensive Beschäftigung mit einer Aufgabe führt zum Ziel, sondern die harmonische, schrittweise Auseinandersetzung, das natürliche Wachstum sind letztlich Sinn und Zweck der Übung.

Schließlich strebt der Meister danach, die Grundsätze seiner Kunst - so er gelernt hat, sie wirksam anzuwenden - auf sein ganzes Sein zu übertragen. Es gab hier im Forum eine harte Debatte zum Thema Online - Präsentation von Kampfkunst - Schulen. Ich bleibe dabei, daß eine Schule, die die eigenen philosophischen Grundsätze nicht auf die Gestaltung der Website anwendet damit ausdrückt, daß diese Philosophie nur im Rahmen des Trainings Gültigkeit besitzt, außerhalb des Trainings wird jedoch geschludert und auf Schlichtheit und Effizienz keinen Wert gelegt. Dies ist in meinen Augen das falsche Signal, wenn man darauf aus ist, Kampfkunst und ihre Philosophie als eine praktische Angelegenheit begreifen zu wollen.

Abschließend möchte ich dazu anregen, die Alltagstauglichkeit der "eigenen" Kampfkunst in einem kritischen Licht zu betrachten. Eine Kampfkunst, die zwar effektives Kämpfen lehrt, jedoch keine Methoden enthält, das tatsächliche Leben zu reflektieren, ist eine dekadente, abgehobene Disziplin, die mit unseren realen Sorgen, Nöten und Notwendigkeiten nichts zu tun hat, sondern allenfalls unserem Ego dient, weil wir uns einbilden "stark" zu sein. In der Wirklichkeit unserer modernen Zeit werden Konflikte nicht mehr mit der Faust ausgetragen, wer durch seine Kampfkunst nicht lernt - weil sie eben keine Grundlagenphilosophie beinhaltet - einen mentalen Schwerthieb auszuführen, bleibt in der Konfrontation mit den Erfordernissen des Lebens ohne wirksamen Unterstützung durch sein Training.

Es ist doch ein mehr als deutliches Zeichen innerhalb der vergangenen Diskussionen, daß nicht wenige der hervorragenden Kämpfer dieses Forums sich in der harten sachlichen Debatte überhaupt nicht wehren können und bereits von einem minderbegabten Denker wie mir aufgespießt werden. Ich denke, daß eine philosphische Grundlage der Kunst zumindest den Ansatz bietet, den alltäglichen Herausforderungen dieses Lebens mit einiger Aufmerksamkeit und entsprechenden Fähigkeiten entgegenzutreten.

So, auch ich habe jetzt genug "gehirnt", wie Pai Lee es nannte und muß erst mal ein paar Bretter zerschlagen gehen...

Herzliche Grüße
Thorre

SQ
18-06-2002, 20:41
schlabber-di-babber-di-duddel-di-sabber.........

ich bin einer meinung mit dir (siehe meinen post in deinem anderen thema)...

aber ich glaube, ich habe es mehr auf den punkt gebracht...

hihihi........

mfg christian

Thorre
18-06-2002, 21:34
hi christian,
schon gesehen, naja, da warst Du wohl schneller. vielleicht gibt´s ja trotzdem noch reibungsfläche zum einen oder anderen gedanken...

herzliche grüße
thorre

Nino
19-06-2002, 19:01
Tach auch,

sicherlich schadet es nie sich ein wenig mehr Zeit zum nachdenken zu nehmen, aber die Frage ist doch ob die Missionierung der Westler zur Asiatischen Philosophie wirklich so den ultimativen Kick bedeutet. Ich meine für manche die es (wie du, Torre) erfahren haben mag es ja ganz wunderbar sein und sicherlich kommt da auch der Wunsch auf es anderen Näherzubringen.
Aber ich für meinen Teil gehöre zu den Personen die in ihrem KK Training einfach keine Verbindung zu philosophischen Dingen sehen oder bzw. wollen.
Liegt daran das ich z.B. diesen Anspruch an das Training einfach nicht habe, sondern mich andere Gründe antreiben.

""Eine Kampfkunst, die zwar effektives Kämpfen lehrt, jedoch keine Methoden enthält, das tatsächliche Leben zu reflektieren, ist eine dekadente, abgehobene Disziplin, die mit unseren realen Sorgen, Nöten und Notwendigkeiten nichts zu tun hat, sondern allenfalls unserem Ego dient, weil wir uns einbilden "stark" zu sein""

Muss sie denn unbedingt etwas mit unseren "realen" Sorgen und Nöten zu tun haben? Kann man nicht einfach Trainieren gehen, verschwitzt nach hause kommen und damit hat es sich?
Sicher kann eine gewisse Philosophie hinter dem ganzen nicht schaden, aber ich meinte da einen gewissen Zwang bei dir zu erkennen als ob dies praktisch so sein müsse.
Ansonsten interessante Gedanken von dir, deren Ausführung allerdings nichts für mich wäre.

Gruß
Nino

Thorre
19-06-2002, 19:48
hi nino,

vielen dank, daß Du Dich erbarmst und auf den thread antwortest. mir schien es schon so, als hätte ich die höchstzulässige wortanzahl (gemessenen an den lesegewohnheiten in diesem forum) überschritten.

Du schreibst:
"Kann man nicht einfach Trainieren gehen, verschwitzt nach hause kommen und damit hat es sich?"

vielleicht denkst Du, daß meine argumentation auf eine art moralisches dogma hinausläuft, denn mein engagement könnte so verstanden werden. aber um moral geht´s mir nicht.

ob man das training der kampfkunst mit oder ohne philosophischen hintergrund praktiziert, ist eine frage des bewußtseins. jeder, den die moderne als "künstler" bezeichnet, reflektiert über "seine" kunst. ob er sich dazu öffentlich äußert ist eine andere frage. aber eine kunst, die lediglich im erlernen und anwenden von techniken besteht, existiert nicht, jedenfalls nicht nach den gängigen auffassungen über "kunst".

die haltung von der Du sprichst "trainieren, schwitzen und fertig" ist die haltung eines sportlers. das ist absolut legitim, hat aber (in meinen augen!) nichts mit kampfkunst zu tun, allerhöchstens mit einer phase in dieser kunst (den ersten 4 schülergraden vielleicht).

versteh mich bitte nicht falsch, meine kritik sagt nicht, daß Du kein kampfkünstler sein kannst, sie behauptet aber, daß Du nach - meiner auffassung - einen kleinen (mentalen) schritt machen, eine entscheidung für das geistige treffen müßtest, um über den status des sportlers hinauszugehen.

herzliche grüße
thorre

Nino
19-06-2002, 20:57
Ja, sicherlich hast du recht, aber wie genau ich mich jetzt bezeichne, ist in meinen Augen eher untergeordnet.
Der eine dreht gerne an Begriffen, der andere eher nicht, worauf es für mich eher ankommt ist das ich in der Sache Erfüllung finde, so das es doch irgendwo eine Art zu leben geworden ist, auf die ich nicht so ohne weiteres verzichten wollte.

Aber mal eine Zwischenfrage, es gibt ja bestimmte Meditative "Vorgänge" bei denen man sich versucht völlig auf eine Sache zu "konzentrieren" bzw. zu versenken. Ich kenne nicht den genauen Begriff dafür aber ein passendes Beispiel wäre das fertigen von Mandalas wie es Buddhistische Mönche zum Zwecke der Meditation zu tun Pflegen.
Wäre so etwas in deinen Augen Kunst?

Cu

Thorre
19-06-2002, 21:50
hi nino,

das fertigen von mandalas und thangkas ist mit sicherheit zum bereich der religiösen / spirituellen künste zu rechnen. die zielsetzungen mögen von fall zu fall verschieden sein, aber aus meiner sicht lassen sich diese formen des kreativen schaffens unter dem begriff "transformative kunst" zusammenfassen.

das heißt, das künstlerische schaffen dient der transformation, der veränderung des bewußtseins desjenigen, der die kunst praktiziert. ich zähle auch die traditionellen kampfkünste zu dieser form der schöpferischen auseinandersetzung mit der welt und allem drum und dran.

obwohl man vielleicht nicht alles in einen topf werfen sollte, kann man zu diesen künsten bestimmt auch ikebana (kado), die teezeremonie (chado), die kalligraphie (shodo), die dichtkunst des haiku etc. rechnen.

für mein persönliches verständnis stellt go ebenfalls eine "transformative" kunst dar. die wirkungsweise besagter künste ist im grunde identisch: man erlernt techniken, setzt sich geistig mit den hintergründen dieser techniken auseinander und wendet sie kreativ in einer bestimmten geistigen haltung an. der sinn dieser künste ist es, etwas zu erfahren, das über den eigentlichen, strengen rahmen der kunst hinaus geht.

kung fu hat mich dinge gelehrt, die mit kampfkunst im engeren sinne nichts zu tun haben. darin liegt für mich die eigentliche bedeutung dieser an sich so weltfremden disziplin.

malst Du mandalas? wenn ja, würde ich gern mal welche von Dir sehen. ich finde mandalas nämlich auch sehr spannend...

herzliche grüße
thorre

calimero
20-06-2002, 08:32
Hi Thorre,

danke für den schönen Beitrag.

Im Prinzip sehe ich das folgendermaßen, so jemand eine der asiatischen Kampfkünste verstehen möchte, muß er auch das zugrunde liegende Denkmodell verstehen und anwenden können (er muss es nicht mögen).

So jemand nur an effektiver SV interessiert ist, benötigt er das wohl kaum, dann "reichen" Grundkenntnisse in Physik, Anatomie & Strategie, gewürzt mit hartem und häufigem Training.

Für 'nen Kampfsportler reicht es sich auf seinen Trainer zu verlassen und den entsprechenden Workouts mit viel Engagment zu folgen.

Persönlich würde ich nicht soweit gehen den Philosophen die Kampffähigkeit abzusprechen, dennoch wird häufig ein Mangel an hartem Training mit Philosophie, unschlagbarem System u.ä. weggeredet.

Als Beispiel mag hier vielleicht das Tai Chi gelten. Eigentlich ein extrem effektives Kampfsystem (sorry Kampfkunst), heute zumeist eine philosophisch verbrämte Gesundheitsgymnastik.
Hey, stop nicht alle. - Aber doch zu häufig.

Und zum Thema der Realität (oder Wahrheit) sei angemerkt, daß diese immer subjektiv ist.
Und jedwede Philosophie (Liebe zur Wahrheit) ist nur ein Denkmodell.

Also ist die pro & contra Diskussion über den Nutzen der Philosphie nicht entscheidbar.

Pai Lee hat meiner Ansicht nach schon recht, wenn er (sinngemäß) sagt: "Klappe halten und hart trainieren !"

Du allerdings auch.

Subjektive Realitäten eben !

Und was den Begriff Kunst anbetrifft ... ? - Na, was denkst Du ?

So, letzte Anmerkung.
Die philosophischen und künstlerischen Aspekte der asiatischen Kampfkünste haben immer in Zeiten des Friedens einen Aufschwung erlebt. - Teilweise hat das solche Blüten getrieben:
"Wenn Du zwischen Leben und Tod wählen kannst, wähle immer den Tod". - Sinngemäßes Zitat aus dem Hagakure. - Sowohl Musashi Miyamoto, als auch SunTzi, würden da wohl in ihren Gräbern rotieren (im Übrigen fallen mir immer die beiden ein, wenn ich an Pai-Lee und die anderen "Nichtphilosophen" denke.
Übrigens kann man ja nicht nicht-kommunizieren, ich denke ein denkendes Wesen kann ´nicht nicht-philosophieren.

So, genug geschwallt.

Schöne Grüße an alle von

Calimero, der lieber nach dem Training philosophiert.


PS.: Pflegt eure Meinungen, wenigstens habt ihr welche.

Thorre
20-06-2002, 11:38
hi calimero,

ich stimme Dir in fast allen punkten zu. allerdings halte ich folgendes für eine falsche schlußfolgerung:

"Und zum Thema der Realität (oder Wahrheit) sei angemerkt, daß diese immer subjektiv ist.
Und jedwede Philosophie (Liebe zur Wahrheit) ist nur ein Denkmodell.

Also ist die pro & contra Diskussion über den Nutzen der Philosphie nicht entscheidbar."

über die "richtigkeit" einer philosophie im sinne der absoluten wahrheit ist nicht zu urteilen, aber den nutzen in bezug auf die persönliche lebensgestaltung kann man sehr wohl einschätzen.

wenn das training der kk keine anderen effekte als den physischen hat, weil die philosophie - das heißt die geistige auseinandersetzung - nur geringe beachtung findet, ist der nutzen für den menschen eben beschränkt. jemand, der es versteht, seine trainingserfahrungen in den kontext seines lebens zu setzen, eben weil die philosophie ihn dazu ermuntert und ihn dabei führt, dann ist der nutzen viel größer...

wenn wir auf die allgemeine geistige haltung in diesem land (und auch anderswo) blicken, eine haltung also, die sich an der oberfläche der dinge orientiert, so scheint es doch zumindest erstrebenswert, den disziplinierten einsatz der geistigen fähigkeiten mal wieder in den mittelpunkt der diskussion zu rücken...

herzliche grüße
thorre

calimero
20-06-2002, 12:59
Hi Thorre,

ob die Welt eine bessere wäre, ich weiss es nicht. Allerdings weiss ich sehr wohl, daß es eine unglaubliche Menge an Ideen zur "Weltverbesserung" gegeben hat.
Bei manchen hatten wir Glück, die gingen sang und klanglos wieder unter, bei manchen nicht, die kosteten Millionen von Leben.

Von daher distanziere ich mich von allen diesen Modellen, inklusive Kant.

Allerdings gebe ich zu, daß philosophien, auch die der asiatischen KK, die Lebensqualität eines Individuums erhöhen können.

Können heißt nicht müßen, was den Geist des Einen befreit, kann einem Anderen das Gefühl der Knechtschaft geben.

In meinem Fall ist es wohl so, daß der Daoismus meine "Grundlebensphilosophie" darstellt, ich jedoch den Konfuz. gnadenlos ablehne. Das wiederum hat aber nichts mit KK zu tun.

Ebenso behaupte ich einfach mal, daß manch eine Phil., wird sie aus Ihrem gesellschaftl. Kontext gelöst, sinnentleert wird.

Sprich, was einen Asiaten erleuchten mag, mag vielleicht einem Europäer nur verwirren. - Andersherum gilt dies genauso.

Zweifellos, hat dir das Verständnis, der deiner KK zugrundeliegenden Phil. , deine Lebensqualität erhöht.

Für einen anderen mag diese Phil. aber nur Ablenkung von (für Ihn persönlich) wichtigen Dingen wie z.B. Überlebensstrategien sein.

Eine buddh. Grundeinstellung würde mich zum Beispiel stark in meiner Fähigkeit Schaden zu zufügen behindern (ich weiss, daß ist eine Religion - aber verstehe mal Shotokan oder Shaolin-KF ohne Zen-Buddh.).
Allerdings ist dieses Verständnis aus dem Blickwinkel des Überlebens in einem Kampf auch nicht notwendig.

Die nächste Frage ist, was fällt unter Phil. ? - Sun Tzu's vom Krieg ? Oder ist das "nur" Strategie ? - Ich jedenfalls integriere es in mein Leben.

Und jetzt stell Dir mal vor, wir würden nach diesem Klassiker leben (nein nicht einzelne Individuen - sondern alle) ?

UUps, ob auf dem Mars noch ein Grundstück frei ist ? - Das würde ich dann gerne kaufen.

Mein Tip, lasse dies jeden für sich selbst entscheiden, denke für Dein Leben, nicht für andere.

CU
Calimero

PS.: Funakoshi Gichin hat mal etwas ähnliches postuliert wie Du, daß nämlich Karate, so es sich verbreiten würde, es sich positiv auf das gesellschaftl. Verhalten des Indiv. auswirken, und so die ganze Geselschaft verbessern könnte. - Er wollte damit den Teno dazu bringen das Karate zu legalisieren und es in den Schulbetrieb bringen. Der Teno hat das Karate zugelassen. Die Veränderung blieb leider aus.

PPS.: Äh nicht falsch verstehen. - Ich hab nix gegen das Karate oder seinen Gründer.

Thorre
20-06-2002, 20:05
hi calimero,

na das ist ja mal ein thread nach meinem geschmack.

vorab sollten wir uns über den begriff "philosophie" verständigen, d.h. auf die bedeutungsgleiche verwendung dieses terminus einigen. eine philosophie, die als dogma fungiert, lehne ich ebenso ab, wie Du es tust.

mein grund für diese ablehnung ist weniger die angst vor einem gesellschaftlichen kollaps (wie er z.B. der "philosophie" der nazis folgte), denn ich glaube, daß soetwas nicht mehr möglich ist. meine befürchtung ist eher, daß solche dogmatischen philosophien ihren eigentlichen dienst nicht leisten können, nämlich den menschen zum systematischen, selbstständigen denken zu erziehen. dogmatische philosophien, werden allenfalls auswendig gelernt, nicht jedoch wirklich durchdrungen.

eine undogmatische philosophie formuliert keinen kategorischen imperativ, sondern verweist auf das wechselspiel von ursache und wirkung. z.B. "nein, an und für sich mußt Du diesen faustschlag nicht tausend mal üben. wenn Du ihn allerdings beherrschen willst, dann wäre es gut, es doch zu tun."

unter philosophie innerhalb der praxis der kk verstehe ich die basis für das einordnen und übertragen der erfahrungen, die ein praktizierender im dojo macht auf die gegebenheiten des tatsächlichen lebens.

z.B. "eine niederlage als nur negativ zu begreifen, bedeutet die potenz dieser erfahrung für das weitere lernen zu mißachten." oder "wer sich in seinem handeln primär von seinen verletzten gefühlen leiten läßt, kann nicht wachsen." (an dieser stelle einen herzlichen gruß an klaus.)

eine solche philosophie ist doch gerade eine äußerst effektive überlebensstrategie. in meiner kritik bin ich doch nicht müde geworden, auf die impotenz einer kampfkunst hinzuweisen, der es an grundlagenphilosophie fehlt. wenn meine kk mir nicht dabei helfen kann, mein leben zu reflektieren, wozu dann der ganze aufwand? um mit 40 nicht mehr kriechen zu können? um auf den statistisch gesehen unwahrscheinlichen fall zu hoffen, auf der straße angegriffen zu werden, damit ich endlich mal einen faustschlag im wirklichen leben anwenden darf?

ich bin ein pragmatisch denkender mensch. meine kk soll mir im realen leben helfen. und das tut sie - ich lerne schnell, kann taktische manöver meiner mitmenschen erkennen, bin flexibel in der nutzung von möglichkeiten, die mir situationen offerieren etc. all dies kann man auch ohne kk erlernen, sicher, aber traditionelle kk ist sehr effizient in dieser schulung - zumindest kann sie es sein, wenn man sie versteht.

hey, wieso würde Dich eine buddhistische grundeinstellung behindern? verstehe ich nicht.

zur bemerkung, "was würde wohl passieren, wenn das alle machen" ist aus meiner sicht zu sagen, daß eine solche argumentation deshalb unzulässig ist, weil sie voraussetzt, was unmöglich ist und deshalb keine relevanz besitzt.

"stell Dir vor, alle menschen würden plötzlich vegetarier, die gesamte fleischproduzierende industrie würde zusammenbrechen, die märkte und die börse kollabieren, millionen menschen arbeitslos, die folge wären soziale not, aufstände vielleicht, ein absolutes chaos." heißt das dann, daß man den sinn einer vegetarischen ernährung widerlegt hat, indem man aufzeigt, daß das im weltweiten maßstab katastrophale folgen hätte? das müßte ja dann auch auf den konsum von tabak und alkohol zutreffen.

ich wende mich nicht an die gesellschaft, sondern an den einzelnen. allerdings trägt die genaue beobachtung der gesellschaft zur geistigen klarheit bei, aber das ist eine andere frage.

mich würde interessieren, wie Du sunzi konkret auf Dein leben überträgst, kann man da beispiele hören?

herzliche grüße
thorre

ps: hey, calimero - KANT widerlegte den pseudologischen gottesbeweis des anselm von canterbury - schulden wir ihm nicht allein deshalb respekt? :)

Kaishaku
21-06-2002, 00:52
Hallo,calimero!

>>>Teilweise hat das solche Blüten getrieben:
"Wenn Du zwischen Leben und Tod wählen kannst, wähle immer den Tod". - Sinngemäßes Zitat aus dem Hagakure. - Sowohl Musashi Miyamoto, als auch SunTzi, würden da wohl in ihren Gräbern rotieren>>>

Hier möchte ich Dir wiedersprechen:
Hagakure,wie bekannt ist, bedeutet in Übersetzung so viel wie"von Blättern verborgen".Und genau so muss Du dieses Buch auch lesen.Wie eine Poesie des Kriegers und nicht als Anleitung zum Kampfkunst oder Training.

In Satz denn Du zitiert hast geht´s um die Ehre,um eine Situation die nicht mehr rückgängich zu machen ist, wo du kämpfen muss und darfst nicht dabei um Deine Leben fürchten.Denn diese Gedanke wird Dich schwach machen.

Wenn Du Tod wählst bedeutet das noch lange nicht das Du wirklich sterben willst,aber durch das dass Du den Tod nicht fürchtest,wirst Du stark sein,und den Rest als Resultat,Ausgang von dieses Duell ist die Frage deines Könnens und Becherschung des Schwert.

Wenn aber Du sterben muss,weil Dein Gegner überlegener sein sollte,dann ist das besser als Krieger Tod zu wahlen,als mit eine Schande wie Feigling zu leben.So ist das,halt Bushido.

Andere Sache das Du solche Situationen besser vermeiden solltest,aber wenn schon dazu kam,zum diese Wahl,dann solst Du Tod wählen.

Ich hoffe das Du mich richtig verstanden hast.

Gruss

calimero
21-06-2002, 08:19
Hi Kaishaku,

mag sein das Du recht hast. - Ich bin wahrhaftig kein Experte für den Bushido.

Ich würde übrigens fliehen, Krafte und Unterstützung sammeln und dann erneut angreifen. - Oder, so ich noch über weiter versprengte Truppen verfüge zum Partisanenkampf übergehen.
Für ein Duell würde mir ähnliches gelten.

Denn erst wenn ich tot bin, habe ich wirklich verloren.

Und außerdem geht mir Leben vor Ehre.

Allerdings meine ich mich zu erinnern (leider komme ich nicht drauf wo ich den Artikel gelesen habe - Ich glaube in einem Geschichtsmagazin), daß das Hagakure eine ähnlich verheerende Wirkung gehabt haben soll wie "Die Leiden des jungen Werter".

Aber vielleicht könenn ja auch Asiaten Ihre Philosophien fehlinterpretieren. - Und darum ging es ja auch. ... um den Nutzen von Philosophie.

Also nix für ungut, was den Ritterweg angeht, habe ich nahezu null Ahnung.

CU
Calimero

calimero
21-06-2002, 09:09
Hi Thorre,

ja sowas macht Spass. - Ich hab' nur immer wenig Zeit, deshalb brauchen meine Antworten manchmal etwas länger. - Sorry.

"ps: hey, calimero - KANT widerlegte den pseudologischen gottesbeweis des anselm von canterbury - schulden wir ihm nicht allein deshalb respekt?" - Leider ist mein Philounterricht seit rund 15 Jahren vorbei. - Ich kenne leider den entspr. Gottesbeweis nicht. - Aber ich mach mich demnächst mal schlau.

Philosophie -> Die Liebe zur Wahrheit ;-).

Für mich ist eine Philosophie ein Denkmodell, egal ob zum Erkenntnissgewinn (wie z.B. Taoismus) oder zum gesellschaftlichen Zusammenleben (z.B. Konfuz.). Auch Strategien zählen für mich zum Bereich der Phil. allerdings grenze ich hier, völlig willkürlich, Religionen aus.

Der soz. Kollaps war auch nur ein Bonus.

Zum nichtdurchdringen von dogm. Phil. bitte ich dich, Dir den Konfuzianismus "mal reinzutun". - Ist zum einen dogm. durchdringt aber selbst heute noch viele asiat. Gesellschaften und vor allem die Kampfkünste und letzlich auch die Menschen, die diesen tragen.
Warum suchen sonst noch soviele nach dem urspr. System und beharren darauf es so zu machen, wie es die "alten Meister" bereits taten. Anstatt die Weiterentwicklungen zu suchen ?
(Klar manchmal waren die alten Systeme tats. effektiver aber eben nur manchmal).

"z.B. "eine niederlage als nur negativ zu begreifen, bedeutet die potenz dieser erfahrung für das weitere lernen zu mißachten." oder "wer sich in seinem handeln primär von seinen verletzten gefühlen leiten läßt, kann nicht wachsen." "

Kann ich Dir nicht wiedersprechen aber ließ mal was Kaishaku dazu geschrieben hat. - Der sich ja mit dem Bushido auszukennen scheint.

Tote haben irgendwie Schwierigkeiten mit dem Wachstum (ich meine mit dem eigenen. - Als Dünger... ;-))

"eine solche philosophie ist doch gerade eine äußerst effektive überlebensstrategie. in meiner kritik bin ich doch nicht müde geworden, auf die impotenz einer kampfkunst hinzuweisen, der es an grundlagenphilosophie fehlt. wenn meine kk mir nicht dabei helfen kann, mein leben zu reflektieren, wozu dann der ganze aufwand? um mit 40 nicht mehr kriechen zu können? um auf den statistisch gesehen unwahrscheinlichen fall zu hoffen, auf der straße angegriffen zu werden, damit ich endlich mal einen faustschlag im wirklichen leben anwenden darf? "

Also mir wurde aufgrund von genet. Knie- und Hüftschäden durch meine Ärzte prophezeit, dass ich spätestens mit 25 (damals war ich 16) eine künstliche Hüfte oder einen Rolli bräuchete. Mittlerweile bin ich 34 und von meiner Ausdauerkondition abgesehen (kein Lauftraining möglich) recht fit.

Manchmal lügt die Statistik ich hatte ungefähr 12 mal üble Action.
Das letzte mal ist allerdings schon etwas länger her (da war ich 29). - Und ich hätte jedesmal gerne verzichtet. - Egal ich lebe noch.

"hey, wieso würde Dich eine buddhistische grundeinstellung behindern? verstehe ich nicht." - Würde mich genauso behindern wie eine christliche Grundeinstellung !

Wie ich Sun Tzu integriere ? In meiner Entscheidungsfindung, im gewinnen von Verbündeten ("Freunden"), im Beruf, in meiner Ehe.

Das Problem bei den MA-Philosophien liegt, denke ich, darin daß sie Nullsummenorientiert sind. Also prinzipiell auf Sieg ausgelegt sind und das sie leicht fehlinterpretiert werden können (selbsteverständlich auch durch mich).

Dadurch sind sie m.E. nicht massentauglich.

Und ob jemand diese Prinzipien, wie auch immer er sie interpretieren mag, in sein Leben integriert, sollte ihm selbst überlassen werden.
Und Kunst kann durchaus von können kommen, und PL kann durchaus ein guter KK'ler sein auch wenn er die spez. Phil's ablehnt.
Übrigens halte ich auch eine Ablehnung von bestimmten Ideen bereits für einen phil. Ansatz.

So, mir rauchts Hirn.

CU
Calimero

Thorre
21-06-2002, 11:44
hi calimero,

wir haben ja zeit, kein grund zum hetzen...

nicht wahrheit, sondern weisheit sollte - in meinen augen - das ziel seriöser philosophischer betätigung sein. ich kenne die prinzipien des konfuzianismus recht gut. vieles daran ist problematisch, wenn man es unreflektiert auf unsere verhältnisse überträgt, aber das gilt wohl für jede philosophie.

die praxis der martial arts ist ohne konfuzianismus kaum denkbar, denn dieser begründet die autoritären strukturen der schule. in unserer kung fu gruppe herrscht z.b. eine recht strenge hierarchie - nach konfuzianischem vorbild, könnte man sagen.

mich würde interessieren, worin genau Deine einwände gegen den konf. bestehen.

ich stimme kaishaku zu, das verhältnis des bushido zum tod wird im westen immer wieder fehlinterpretiert, oft bewußt, um den sinn des bushido zu diskreditieren. in meinen augen hat die sogenannte todesverachtung des bushido einen spirituellen kern. auch in europa wurden menschen geehrt, die ihr eigenes leben für "höhere werte" geopfert haben. wie diese höheren werte definiert werden, ist eine andere frage. jedenfalls kann festgestellt werden, daß auch im westlichen kulturkreis das individuelle leben nicht als das definitiv höchste gut verstanden wird, sondern daß es durchaus situationen geben kann, in denen nicht nur geduldet, sondern sogar erwartet wird, daß der einzelne sein leben für einen höheren wert opfert.

würde man z.b. einen historischen sprengstoffattentäter als fanatisch bezeichnen, wenn dieser hitler getötet hätte?

allerdings gibt es im westen eine im psychologischen sinne problematische tendenz den tod zu ignorieren. das ist ebenso falsch wie seine verherrlichung, die sicher ein attribut der samurais war.

wenn wir aber auf die buddhistischen ma schauen, so spielt todessehnsucht eigentlich überhaupt keine rolle, der schutz des lebens (sowohl des eigenen als auch das anderer) gehört zum kern dieser philosophie.

damit kommen wir zum buddhismus. der vergleich von christentum und buddhismus - so wie er aus Deinen worten hervorgeht - ist unzulässig, da die grundsätze der buddhistischen weltsicht sich vom christentum ganz wesentlich unterscheiden. ein zen-buddhist GLAUBT beispielsweise nicht, dazu hat er auch gar keinen anlaß, denn sein bemühen besteht darin, etwas zu erfahren, daß nicht vorformuliert ist.

"Das Problem bei den MA-Philosophien liegt, denke ich, darin daß sie Nullsummenorientiert sind. Also prinzipiell auf Sieg ausgelegt sind und das sie leicht fehlinterpretiert werden können"

dem widerspreche ich aber ganz entschieden. sicher kennst Du den ma aphorismus "strebe nicht danach zu siegen, strebe danach, nicht zu verlieren" ma-philosophie ist eine dialektik des machbaren. daß dies nur verständlich wird, wenn man sich intensiv mit ihr befaßt, macht die sache zwar nicht gerade einfach, aber darin liegt auch ihr wert - sie wird erst dann nützlich, wenn man sie gründlich studiert.

daß sie leicht fehlzuinterpretieren ist, mag daran liegen, daß sie ganz anders funktioniert, als westliche denkmuster. sie enthält keine fertigen weisheiten, sondern muß durch eigeninitiative, zu der die meisten zeitgenossen einfach zu faul sind, ergründet werden.

eine ablehnung, die nicht begründet werden kann, mag den keim einer gegenposition enthalten, dieser bleibt jedoch embryonal, solange er nicht durch argumente, die auf nachdenken gründen, untermauert wird. soviel zu PL.

herzliche grüße
thorre

CeKaVau
21-06-2002, 12:05
Hallo Thorre,

ich glaub, ich muß Dir in einigen Dingen zutiefst Widersprechen - zumindest in einer Sache.:)

Was mir am meisten aufstößt, ist die Bemerkung zu den Homepages von Kampfkunstvereinen.

Ich bleibe dabei, daß eine Schule, die die eigenen philosophischen Grundsätze nicht auf die Gestaltung der Website anwendet damit ausdrückt, daß diese Philosophie nur im Rahmen des Trainings Gültigkeit besitzt, außerhalb des Trainings wird jedoch geschludert und auf Schlichtheit und Effizienz keinen Wert gelegt.

Das stimmt nicht. Ich habe selbst die HP unseres Vereins gestaltet und pflege sie auch - und das ist nicht gerade mit wenig Aufwand zu machen.
Auch stimme ich großen Teilen Deiner Philosphieausführungen zu, ABER: die Philosophie die ICH in MEINE Kampfkunst stecke, ist einzig und alleine mir überlassen.
Mir ist nichts so privat wie meine Kampfkunst - da lasse ich keine Wasser 'ran.

Was soll ich denn damit, auf unserer HP anzupreisen, was für tolle philosophischen Grundeinstellungen wir alle haben und was wir für Yin/Yang-mäßige Techniken ausführen und was für ein Schotter noch alles.

Philosophie ist kein Zwang - wenn es einer wird, stirbt sie.

Wir sind bei uns im Verein ein äußerst heterogenes Gemisch aus allen mögliche Leuten - Studenten, Bandarbeiter, Videothekenbetreiber und was weiß ich nicht alles.

Wie komme ich, selbst wenn ich Trainer bin, dazu anderen meine Ansichten aufzuzwingen. (Ich stehe ja auch nicht mit dem "Wachturm"-Heftchen in der Fußgängerzone.) Falls sich jemand mit der hinter der Technik liegenden Philosophie beschäftigen will, dann kann er jederzeit zu mir kommen - das ist das einzige, was ich dazu im Training verlauten lasse.
Einige tun es, viele nicht - jedem sein privates Ding.

Ich fand es schon immer merkwürdig, wenn Leute mit einem Fisch-Aufkleber am Auto herumgefahren sind, nur um mitzuteilen, daß sie Christen sind.
Was zum Teufel geht mich das an? Was interessiert mich den das. Soll ich an mein Auto, wenn ich denn ein's hätte, einen Aufkleber machen: "Ich bin 1,80 m groß." oder "Ich bin blond." oder sowas?

Warum soll ich mir die Blöße geben, auf der Homepage des Vereins den großen Philosophen heraushängen zu lassen?

Tschüssi
Ike

CeKaVau
21-06-2002, 12:40
Hallo Kaishaku,

kann man nirgendwo der leidigen Diskussion um das Hagakure entkommen?

Wenn aber Du sterben muss,weil Dein Gegner überlegener sein sollte,dann ist das besser als Krieger Tod zu wahlen,als mit eine Schande wie Feigling zu leben.So ist das,halt Bushido.

Bei solchen Sätzen geht mir immer der Hut hoch, auweiha.

Was ist Bushido? Das ist die Frage, was ist ein Ding, das Menschen dazu bringt, eine Sache (z.B. Ehre oder das Ziel eines vorgesetzen Daimyo) höher einzuschätzen als sein Leben oder das Leben anderer?

Willst Du heute Bushido leben?

Mal 'ne Frage: Arbeitest Du schon? Wenn ja, stell' Dir mal vor: Dein Chef kommt zu Dir und sagt: "Hey, der-und-der-Typ entwickelt sich zu einer Konkurrenz für uns. Das können wir nicht zulassen. Gehe hin, und leg' ihn um. Wirst Du erwischt oder versagst Du, dann leg' Dich um."

Was würdest Du dann sagen? Vermutlich gar nichts, weil Dir die Spucke weg bleiben würde.

Aber genau das ist es, worauf die ja-so-edlen Samurai abgerichtet wurden. Tue was Dein Daimyo sagt, koste es was es wolle. Dein Leben, das Leben Deines Freundes, Familie oder das Leben Unschuldiger.

Kampfkunst hat immer darauf abgezielt zu überleben. Irgendwann hat ein kluger Mensch mal festgestellt, das es ein Paradoxon in diesem Falle gibt: In einem Kampf auf Leben und Tod überlebt, wer KEINE Angst vor dem Tod hat.

Von da an richtete man einen Großteil des Kampfkunsttrainings dazu aus, diese Angst zu überwinden.
Später definierte man das dann einfach um: Man erklärte es einfach zur Überwindung des Selbst - zur Selbstperfektion.

Und jetzt wird's interessant: Irgendwann kam nämlich ein noch cleverer Bursche: Hideyoshi, Toyotomi, ein machtbessesener Kriegsherr wie viele andere auch. Einziger Unterschied: er gewann.
Bekanntlich schreiben die Sieger die Geschichte und so wurde er zum großen Krieger, Befreier, Einiger des Reiches, ... (beliebig mit Idealen fortsetzbar).
Er schuf das bis Ende des 19. Jh. gültige Kastensystem. Die Samurai sind die Chefs - was sie tun ist edel. Und es wird noch besser:
In Japan gab und gibt es immer noch starke konfuszianistische Strömungen. In Verbindung mit dem Shintoismus führte das dazu, das den Obrigkeiten unbedinger Gehorsam geschuldet war.
Es ist geradezu eine Frage der Ehre, gehorsam zu sein.

Und jetzt stell' Dir vor, Du hast eine Haufen Leute, die sich ihr Leben lang in den Kampfkünsten geübt haben und jeden Befehl von oben als Ehrensache betrachten. Was hat man dann?
Gewissenlose Killermaschinen.

Achja, natürlich klingt "Ausbildung von gewissenlosen Killermaschinen" nicht so besonders. Was klingt viel besser? Natürlich: Gehe des Weg des Kriegers. Bushido.

Wenn Du mal sehen willst, wohin das geführt hat, dann sieh' Dir Geschichtsbücher an. Im Namen des Bushido wurden im 2. Weltkrieg 20 Millionen (nur mal so: 20 000 000) Chinesen während der Japanische Besetzung getötet.

Fällt Dir nicht die erschreckende Parallele zwischen dem Ehre-bis-zum-Tod-Geschwafel des Hagakure und dem "Unsere Ehre heißt Treue"-Mist der SS auf?

Tschüssi
Ike

Kaishaku
21-06-2002, 13:31
Hallo,CeKaVau!

Ja,ich arbeite schon seit etwa 27 Jahre,aber habe kein Scheff auch nie gehabt und bin selbst keine.Ja,ich lebe nach Bushido-Kodex und wie Du siehst lebe immer noch.

>>Kampfkunst hat immer darauf abgezielt zu überleben. Irgendwann hat ein kluger Mensch mal festgestellt, das es ein Paradoxon in diesem Falle gibt: In einem Kampf auf Leben und Tod überlebt, wer KEINE Angst vor dem Tod hat.>>

Hier,übrigungs hast Du Dir
selbst geantwortet mit eine Bemerkung
vielleicht das diese Einstellung zum Kampf keine"Paradoxon"ist,sondern eine nomale innerliche Entschlossenheit(Mushin)eines Kriegers.

Dich hat keine gezwungen ein Kämpfer oder ein Krieger
zu sein,diese Schicksal hast Du selbst ausgesucht und wenn Du Dich dazu entschlossen hast dann muss Du auch Niederlage akzeptieren was in einem Duell auf Leben und Tod auch Dein Sterben veranlassen kann.

Bushido-Kodex hat mit Politik nichts zu tun,es wird oder wurde ausgenutzt vielleicht für politische Zwecke wie manche andere starke Gefühle oder menschliche Eigenschaften,
z.B.Liebe,Haß,Patriotismus,Hingabe für Ideale,Ehrlichkeit,Treue usw.Hast Du Ideale?

Aber eine steht fest:wenn Du überleben willst,dann muss irgendjemand sterben zu mindestens in eine Situation die ich beschrieben habe.Wenn Du meinst Du muss sterben,weil Du Angst von Tod hast,dann...lasse Dein Schwert zu Hause,falls Du eine hast und versuche solche Situationen aus der Wege zu gehen.Dan hast Du diese schwierige Dilemma nicht.

Und zum Schlüss,am rande:
Kipling hat mal gesagt,ungefahr so(habe in andere Sprache gelesen,mein Übersetzung):"Osten ist Osten,Westen ist Westen und keiner schaft die zusammen zu fügen."

Gibt es,halt die Dinge die Du nicht verstehen brauchst,kannst oder willst.
Die kannst Du nur entweder aufnemmen oder verwerfen.

Gruss

calimero
21-06-2002, 13:54
Hi ihr Zwei,

CeKaVau hats gesagt. Es ist eine Privatsache. Jeder sollte es für sich entscheiden.

Persönlich empfehle ich meinen Leutchen sich mit der Thematik zu befassen. - Aber ich interpretiere nicht für sie. Sie gar darin zu unterrichten ? ... no way !

Was mich am Konfuzianismus stört ?

Der (wörtlich gemeint) konservative Charakter. Die dadurch entstehende Gruppenstruktur, die Verehrung des älteren (oder auch des höheren Grades) unabhängig von den real vorhandenen Fähigkeiten.
Stichwort verfettende Dan-Träger u.s.w.. Natürlich gilt auch dies nicht für alle, aber leider allzu oft.
Ich nehme mal an, daß häufig die Verpflichtung zur Leistung, nach der erbrachten Prüfungsleistung einfach vergessen wird.
Und im Ernst, ich habe in den letzten 17 Jahren z.T. erstklassige Farbgurte kennengelernt (technisch, kämpferisch und auch vom Verständnis her) aber eben leider auch verdammt viele unfähige hohe Dan-Träger. - Mehr oder weniger Systemunabhängig.

Das der (chan)-Buddh. ohne Götter auskommt ist klar und es ließe sich gewiss trefflich darüber streiten ob er eine Religion ist oder nicht. Aber warum mich eine entsprechende Einstellung zur Heiligkeit des Lebens behindert. Oder das Wissen, daß die Anwendung von Gewalt, der Entwicklung (oder Entdeckung) meiner Buddhanatur abträglich ist. Brauche ich wohl kaum näher erläutern. Oder etwa doch ? Und zum Thema Christentum erwähne ich jetzt einfach mal "wenn Dir jemand auf die... schlägt, dann.... Mehr brauch' ich dazu wohl auch nicht sagen.

"strebe nicht danach zu siegen, strebe danach, nicht zu verlieren"

Und wieso ? - Um zu siegen. Also Nullsummenspiel. Aber egal da sind wir ja wieder beim gesamtgesellschaftl. Teil.

Mein Motto lautet übrigens:
Füge soviel Schaden, so schnell wie möglich zu.

Aber ich bin auch kein Budoka. - Und meine Motive sind nicht edel.

Und ich bleibe dabei, Kunst kann genauso handwerklich sein. Auch wenn sich der Kunstbegriff vielleicht mittlerweile verändert hat.
Für mich ist ein Kampf z.B. von Ernesto Hoost durchaus hohe Kunst.

Zum Abschluß noch was zum nachdenken:
Traditionelle asiatische Lebens- und Denkweisen gehen in Ihren Ursprungsländern immer weiter zurück und werden mehr und mehr durch die westl. Lebensart verdrängt.

Und für mich persönlich, ist das ein Verlust. - Vernetztes Denken und gewachsene Mischphilosoph. könnten uns vielleicht weiterbringen.

Aber ich überlasse dem Individuum die Entscheidung und hüte mich vor einer Wertung. - Falls Du für die MA-Philosophien eintreten willst. - Dann lebe Sie und sei ein Beispiel für den Bushido. - Aber verurteile nicht andere, für ihre Ansichten.

Panther hat da einen schönen Schlußspruch:

"Mit dem Geist ist es wie mit einem Fallschirm. Offen funktioniert er besser".

CU
Calimero

PS.: Ich will die Philo. nicht vertreiben. - Aber ich will die Entscheidung beim Individuum belassen.

PPS.: Die beiden Beiträge vor dem hier, kamen nachdem ich antworten wollte und vor der Vollendung. Thorre, - lies beide Beiträge, dann weist du was ich meine. Sie haben beide recht.
Eine Entscheidung gibt es nicht.

Kaishaku
21-06-2002, 14:31
Hallo,calimero!

Bitte um Verzeihung,wenn ich hier einmische:

>>Und zum Thema Christentum erwähne ich jetzt einfach mal "wenn Dir jemand auf die... schlägt, dann.... Mehr brauch' ich dazu wohl auch nicht sagen.>>

Konfuzius z.B.hat es so formuliert:

XIV,34.
Jemand fragte den Meister:"Soll man mit Güte vergelten,wenn einem Unrecht geschieht?"
"Womit willst du dann Güte vergelten?
Unrecht ist mit Gerechtigkeit,Güte mit Güte zu vergelten",
entgegnenete der Meister.

>>Traditionelle asiatische Lebens- und Denkweisen gehen in Ihren Ursprungsländern immer weiter zurück und werden mehr und mehr durch die westl. Lebensart verdrängt.>>

Es ist nicht ganz so.Sie haben sich nur wieder zugeschlossen und nach Aussen wird nur das gezeigt was sie für nöttig halten.In die Kampfkünste besonders.
Japaner in offentlichkeit spielen Golf,aber so bald das die zu Hause sind,wird alles wieder traditionel.
An "Fremden"die ihre Land besuchen um die verschiedenen Kampfkünste zu erlernen wird nur eine Spitze von Eisberg gezeigt.Touristen Atraktion.Und so ist überal,denn nicht Westen nutzt sie aus,wie man denkt,sondern umgekehrt.

Das ist auch ein Teil von Ostasiatische Philosophie in Anwendung.Nutze die Kraft deines Gegners um ihm zu besigen.

Gruss

calimero
21-06-2002, 16:04
Hi Kaishaku,

es ging mir darum, daß die "menschenfreundliche" Einstellung gläubiger Christen oder Buddhisten, mich persönlich, so mir diese zu eigen wäre, stark in meinen Möglichkeiten, bezogen auf eine reale, gefährliche, physische Auseinandersetzung, einschränken würde.

Oder simpel ausgedrückt, es würde verhindern, daß ich dem W***** den Kopf abreiße und ihm in den Hals sch*****.

"XIV,34.
Jemand fragte den Meister:"Soll man mit Güte vergelten,wenn einem Unrecht geschieht?"
"Womit willst du dann Güte vergelten?
Unrecht ist mit Gerechtigkeit,Güte mit Güte zu vergelten",
entgegnenete der Meister."

Ja, der Meister. - Aber zum einen bin ich kein "Meister" zum anderen habe ich nicht vor einer zu werden. Wenngleich ich persönlich, diese Äußerung für weise halte (was ich aufgrund fehlender Qualifikation aber gar nicht beurteilen kann).

In meiner Ablehnung des Konf. wende ich mich auch nicht prinzipiell gegen alles, sondern eher gegen die Folgen.
Der Konf. ist, und das sehe ich durchaus, eine Gesellschaftsphilos. die länger das Zusammenleben von Menschen hat regeln können als alle anderen bisher bekannten. Gleichzeitig hat er aber auch nahezu jedewede Progression stark behindert.

Zum Thema des verschwindens der tradit. Einstellungen, z.B. im heutigen Japan, ging es mir nicht um die KK, sondern allgemein um die Abwendung der Jugend, von den Idealen der Väter.

Ich meine das ohne Wertung. Und glaube, daß beide ( Ost & West) von einander lernen könnten.

Desweiteren möchte ich jetzt nochmal ausdrücklich sagen, daß ich asiat. Philosophien nicht prinzipiell ablehne. Ich denke nur, daß diese nicht die Kunst ausmachen (kann mir ja eigentlich egal sein - ich betrachte mich selbst nicht als KK'ler).
Die KK ist in meinen Augen Ausdruck der eigenen Persönlichkeit.
Mit oder ohne Philosophien. Und so jemand wie PL darauf verzichten mag, wird er dadurch nicht schlechter und ist seine Kunst keinen Deut weniger wert.

Und Kunst ganz allgemein, liegt im Auge des Betrachters.

Und denkt doch mal darüber nach, aus welchem Beweggrund die
KK entstanden sind. - Es mag sogar Leute geben, die den KK Dekadenz und eine gewisse Degenerierung vorwerfen (ich übrigens nicht). Aber haben sie soooo unrecht ?

Letztendlich mein vmtl. letztes Wort zu der Diskussion (habe vmtl. keine Zeit mehr zu antworten am Wochenende):

Lasst euch das Denken und die Meinungsbildung von niemandem abnehmen. Hinterfragt alles, interpretiert selbst und für euch.
Werdet nach eurer Facon glücklich und gesteht anderen dasselbe Recht zu.

In diesem Sinne

Schönes Wochenende an alle und trainiert schön.

CUall
Calimero

Thorre
22-06-2002, 16:26
hi cekavau, meine gedanken beim lesen Deines wirren postings:

zitat:
"ich glaub, ich muß Dir in einigen Dingen zutiefst Widersprechen - zumindest in einer Sache."

vielleicht wissen wir ja am ende des threads genaueres...


zitat:
"Was mir am meisten aufstößt, ist die Bemerkung zu den Homepages von Kampfkunstvereinen."

aha, na mal sehen.


zitat:
" Ich bleibe dabei, daß eine Schule, die die eigenen philosophischen Grundsätze nicht auf die Gestaltung der Website anwendet damit ausdrückt, daß diese Philosophie nur im Rahmen des Trainings Gültigkeit besitzt, außerhalb des Trainings wird jedoch geschludert und auf Schlichtheit und Effizienz keinen Wert gelegt.
Das stimmt nicht. Ich habe selbst die HP unseres Vereins gestaltet und pflege sie auch - und das ist nicht gerade mit wenig Aufwand zu machen. Auch stimme ich großen Teilen Deiner Philosphieausführungen zu..."

???
was bitte hat Deine umfangreiche betätigung als webdesigner für Euren verein mit meiner bemerkung zu tun? meine herren, wenn hier nicht endlich mal soetwas wie eine gute, d.h. formell-logische form der argumentationsführung als allgemeiner standart kultiviert wird, werden wir auch in hundert jahren noch nicht zum punkt gekommen sein.

was also Deiner meinung nach in der von Dir zitierten passage meines threads nicht stimmt, bleibt also leider Dein geheimnis.


zitat:
"die Philosophie die ICH in MEINE Kampfkunst stecke, ist einzig und alleine mir überlassen.
Mir ist nichts so privat wie meine Kampfkunst - da lasse ich keine Wasser 'ran."

obwohl Du zweifellos die allgemeinen basiskonstrukte der westlichen mentalität bescherrscht, was Du beweist, indem Du "ich" und "meine" großschreiben kannst, bleibt zu fragen, wieso Du glaubst, daß künste oder philosophien von jederman beliebig interpretiert werden können, dürfen und sollen, denn so verstehe ich Deine äußerung.

ob ein herr x aus y jetzt für sich definiert, kampfkunst sei dies und jenes - egal, was der rest der welt dazu denkt, ist irrelevant. interpretation setzt kennerschaft voraus. wenn diese voraussetzung nicht gegeben ist, macht interpretation keinen sinn, sondern ist bloße spekulation.

zitat:
"Was soll ich denn damit, auf unserer HP anzupreisen, was für tolle philosophischen Grundeinstellungen wir alle haben und was wir für Yin/Yang-mäßige Techniken ausführen und was für ein Schotter noch alles."

tja, das hat zwar niemand gefordert, wäre aber vielleicht eine gute übung für Dich persönlich, denn soetwas schult darin, texte zu strukturieren, eine systematik, einen logischen aufbau zu entwickeln, fähigkeiten also, die Du trotz Deiner kk-erfahrung + philosophie offenkundig (noch) nicht beherrschst.

zitat:
"Wie komme ich, selbst wenn ich Trainer bin, dazu anderen meine Ansichten aufzuzwingen."

auch das verlangt doch niemand von Dir. keine bange. falls Du allerdings soetwas wie fundierte ansichten zum thema besitzt, wäre es eine freundliche geste, wenn Du andere menschen an Deinen erkenntnissen teilhaben lassen würdest, nicht um sie zu erleuchten, sondern um sie zur eigenen kopfarbeit anzuregen.

zitat:
"Warum soll ich mir die Blöße geben, auf der Homepage des Vereins den großen Philosophen heraushängen zu lassen?"

pikant doppelsinnig formuliert, denn Du würdest Dir dabei wahrscheinlich tatsächlich eine blöße geben...

herzliche grüße
thorre

Thorre
22-06-2002, 17:25
hi calimero,

Du schreibst:
"CeKaVau hats gesagt. Es ist eine Privatsache. Jeder sollte es für sich entscheiden."

können wir das endlich mal abhaken? niemand bestreitet, daß jeder seine entscheidungen selbst verantworten muß, selbst denken muß, selbst handeln, selbst verstehen muß etc. allerdings wird diese worthülse im forum immer wieder dazu benutzt, die tatsache verschleiern zu wollen, daß eine eigene auseinandersetzung kaum oder gar nicht stattgefunden hat. das, was so viele "gegner der philosphie" hier im laufe der letzten wochen vorgetragen haben, war sehr oft sowohl inhaltlich als auch formell einfach nur dünn. wo waren denn die wirklich schlagkräftigen argumente? ich habe keine gesehen, und ich schaue ziemlich genau hin - schon rein aus denkästhetischen gründen.

"Persönlich empfehle ich meinen Leutchen sich mit der Thematik zu befassen. - Aber ich interpretiere nicht für sie. Sie gar darin zu unterrichten? no way!"

nun, da Du an anderer stelle schreibst: "Ich bin wahrhaftig kein Experte für den Bushido." verstehe ich Deine zurückhaltung.

"Was mich am Konfuzianismus stört? Der (wörtlich gemeint) konservative Charakter. Die dadurch entstehende Gruppenstruktur, die Verehrung des älteren (oder auch des höheren Grades) unabhängig von den real vorhandenen Fähigkeiten. In meiner Ablehnung des Konf. wende ich mich auch nicht prinzipiell gegen alles, sondern eher gegen die Folgen."

das generalisierende vermischen von theoretischen und praktischen aspekten ist immer problematisch. alles, was die menschheit bisher an kulturellen leistungen hervorgebracht hat, kann verfälscht, verflacht und unter gleichem namen in sein gegenteil verkehrt werden. daß dies so ist, hilft nicht dabei, funktion, struktur und potentiale einer theorie einzuschätzen.

"Und im Ernst, ich habe in den letzten 17 Jahren z.T. erstklassige Farbgurte kennengelernt (technisch, kämpferisch und auch vom Verständnis her) aber eben leider auch verdammt viele unfähige hohe Dan-Träger. - Mehr oder weniger Systemunabhängig."

sehe ich genauso. deshalb sollten sich die schulen lieber darauf konzentrieren, vernünftige graduierungssysteme anzuwenden, anstatt prüfungsurkunden im vierteljahrestakt zu verkaufen. sicher, die kasse mag dann etwas schmaler ausfallen, aber das wäre es wert.

"Aber warum mich eine entsprechende Einstellung zur Heiligkeit des Lebens behindert oder das Wissen, daß die Anwendung von Gewalt, der Entwicklung (oder Entdeckung) meiner Buddhanatur abträglich ist, brauche ich wohl kaum näher erläutern. Oder etwa doch?"

ich bitte darum, denn ich verstehe nicht, worauf Du hinaus willst.

"es ging mir darum, daß die "menschenfreundliche" Einstellung gläubiger Christen oder Buddhisten, mich persönlich, so mir diese zu eigen wäre, stark in meinen Möglichkeiten, bezogen auf eine reale, gefährliche, physische Auseinandersetzung, einschränken würde."

das ist falsch, buddhistische philosophie und ethik verlangt keinen verzicht auf wehrhaftigkeit.

"strebe nicht danach zu siegen, strebe danach, nicht zu verlieren - Und wieso ? - Um zu siegen. Also Nullsummenspiel."

das ist keine korrekte schlußfolgerung. nicht verlieren kann auch bedeuten, das eigene leben zu bewahren ohne den gegner definitiv zu besiegen...

"Und ich bleibe dabei, Kunst kann genauso handwerklich sein. Auch wenn sich der Kunstbegriff vielleicht mittlerweile verändert hat."

den luxus von privatdefinitionen kann man sich am stammtisch leisten, nicht in einer sachlichen debatte, aber das weißt Du bestimmt selbst.

"Zum Abschluß noch was zum nachdenken: Traditionelle asiatische Lebens- und Denkweisen gehen in Ihren Ursprungsländern immer weiter zurück und werden mehr und mehr durch die westl. Lebensart verdrängt.

Und für mich persönlich, ist das ein Verlust. - Vernetztes Denken und gewachsene Mischphilosoph. könnten uns vielleicht weiterbringen."

ich stimme Dir in diesem punkt ausdrücklich zu.

"glaube, daß beide ( Ost & West) von einander lernen könnten."

auf jeden fall. interessant wäre es, was genau -Deiner ansicht nach - jeder beim anderen lernen könnte.


"ich überlasse dem Individuum die Entscheidung"

da sind wir schon zwei.

"und hüte mich vor einer Wertung."

nun, das solltest Du als bekennender NIcht-Kenner auch.

"Falls Du für die MA-Philosophien eintreten willst. - Dann lebe Sie und sei ein Beispiel für den Bushido."

ich geb´ mir mühe.

"Aber verurteile nicht andere, für ihre Ansichten."

ich verurteile generell keine personen, sondern analysiere die grundanahmen und zusammenhänge, die sie als begründung für ihre ansichten angeben.

"Und Kunst ganz allgemein, liegt im Auge des Betrachters."

diese volksweisheit behauptet im grunde, daß es keine kriterien bei der einschätzung von kunst gäbe. das ist falsch. eine andere frage ist, ob man diese kriterien akzeptieren will oder nicht. wenn nicht, auch gut. dann sind wir wieder beim punkt von privaten phantasiedefinitionen...

"Es mag sogar Leute geben, die den KK Dekadenz und eine gewisse Degenerierung vorwerfen (ich übrigens nicht). Aber haben sie soooo unrecht ?"

sie haben recht, meiner meinung nach, gerade weil es nur noch um plattheiten, äußere formen, hohle phrasen, "effektive" techniken, champions und wettkämpfe geht. weil ein großer teil der aktivisten keinen geistigen bezug zur kunst hat und sich auch noch einbildet, etwas "besonderes" zu machen. weil sich gerade die kleinen geister mittels mawashi geri egomäßig aufblasen und denken, sie hätten irgendetwas wertvolles geleistet. deshalb ist "dekadenz" recht zutreffend.

herzliche grüße
thorre

Qian
22-06-2002, 23:20
Hallo Thorre

"dann sind wir wieder beim punkt von privaten phantasiedefinitionen... "

Was der Begriff Kunst beinhaltet, darüber gibt es mehrere anerkannte Definitionen, so Kunst im Sinne von schöpferischem Gestalten; oder als Können, besonderes Geschick oder erworbene Fertigkeit; als Bezeichnung der Werke eines Künstlers; oder
wenn man auf etwas unechtes hinweist - so im Duden zu lesen.

Mit welchem Inhalt der Begriff Kunst verwendet wird , hängt vom Kontext ab. Manche Kontexte lassen auch Mehrdeutigkeiten zu. Dazu gehören auch die Kampfkünste, denn sowohl der Begriffsinhalt des schöpferischen Gestaltens als auch der Inhalt des besonderen Geschicks, der hohen (Kunst)Fertigkeit sind denkbar.

Wenn also jemand hier im Board jemanden als Kampfkünstler ansieht, der in einer Disziplin eine hohe Fertigkeit erworben hat, so ist das völlig legitim und es handelt sich dann nicht um eine "private phantasiedefinition". Nur wenn er den Begriff Kampfkunst verwendet, meint er etwas anderes vielleicht als Du, wobei ich mir nicht sicher bin, was Du unter Kunst verstehst.

Wenn eine Diskussion, wo ein bestimmter Begriff verwendet werden soll, einen Sinn haben soll, müssen die Diskutierenden ihre Vorstellungen vom Begriffsinhalt natürlich vorher abklären. Wenn keine Einigkeit erzielt werden kann, muss die Diskussion abgebrochen werden, weil die Diskutierenden von verschiedenen Dingen sprechen. Insofern erklärt sich der Wirrwarr der
Diskussionen um den Zusammenhang von Kampfkunst und Philosophie aus gerade diesem Sachverhalt.

Wenn ich mir die gängigen Defintionen von Kunst anschaue und sie mit Philosophie in Zusammenhang zu bringen versuche, dann erscheint mir ein zwingender Zusammenhang nicht plausibel. Weder für schöpferisches Gestalten noch für hohe Fertigkeiten ist Philosophie eine zwingende Voraussetzung. Große Kunstwerke wie auch große Kunstfertigkeit entstehen oft aus Intuition, ohne
die bewusste Reflexion über die Ordnung und den Sinn der Dinge und die bewusste praktische Anwendung der daraus gezogenen Schlussfolgerungen auf die verschiedensten Tätigkeiten.

Gerade Zen-Buddhismus und Taosimus betonen die Bedeutung der Intuition, die Verschmelzung mit der "großen Leere" bzw. dem Tao und dass man sich dafür von seinem Ich-(Bewusstsein) trennen soll. Das Ich-Bewusstsein ist aber der Träger der
bewussten Reflexion, des Philosophierens. Insofern - also in Hinsicht auf Deiner Betonung der Philosophie in den Kampfkünsten - merkt man Dir an, dass bei aller intensiven Beschäftigung mit den östlichen Philosophien Du ein westlich geprägter Denker (geblieben)bist, der die Leute zum Denken anregen will.

Ich will den Wert des Denkens nicht herbsetzen, dennoch ist er begrenzt. Stattdessen würde ich empfehlen, mehr zu entspannen, einfach zu atmen und sich der großen Leere zu öffnen, dort ist alle Weisheit und alle Harmonie enthalten. Der
Intellekt ist untrennbarer Teil des Ichs, das ein winzig kleiner vom unendlichen Universum getrennter Teil ist, der sich anmaßt,
von seiner subjektiven Position heraus, das Große und Ganze begreifen zu können. Dieses Große und Ganze zu erfassen gelingt nur, wenn wenn sich mit ihm verschmilzt, wenn man sein kleines schlaues Ich überwindet und in die große Leere taucht.

Weniger Philosophieren und mehr entspannen - darum meine Empfehlung. Die Energie muss aus den Kopf in den Dantian - dann ist man der wahren Weisheit etwas näher gekommen.

Ein Wort zur Entsprechung von Innerem und Äußerem. Auch Du wendest sie nicht konsequent an. Denn wenn das allgemein anerkannte Kommunikationsmittel hier in diesem Diskussionsforum die deutsche Schriftsprache ist, dann bitte ich um eine
korrekte Groß- und Kleinschreibung und kritisiere Deine private Phantasieschreibung.

Gruß Qian

Kaishaku
22-06-2002, 23:23
Hallo,Thorre!

>>>"ich überlasse dem Individuum die Entscheidung"

da sind wir schon zwei.>>>

Ich werde sagen schon drei.

>>>"Es mag sogar Leute geben, die den KK Dekadenz und eine gewisse Degenerierung vorwerfen (ich übrigens nicht). Aber haben sie soooo unrecht ?"

sie haben recht, meiner meinung nach, gerade weil es nur noch um plattheiten, äußere formen, hohle phrasen, "effektive" techniken, champions und wettkämpfe geht. weil ein großer teil der aktivisten keinen geistigen bezug zur kunst hat und sich auch noch einbildet, etwas "besonderes" zu machen. weil sich gerade die kleinen geister mittels mawashi geri egomäßig aufblasen und denken, sie hätten irgendetwas wertvolles geleistet. deshalb ist "dekadenz" recht zutreffend.>>>

Ja,sie haben Recht,leider.Besser antworten könnte ich auch nicht.

Gruss

Thorre
23-06-2002, 13:14
hi qian,

vielen dank für Dein posting. auf diesem niveau läßt sich trefflich streiten.

Du schreibst:
"Was der Begriff Kunst beinhaltet, darüber gibt es mehrere anerkannte Definitionen, so Kunst im Sinne von schöpferischem Gestalten; oder als Können, besonderes Geschick oder erworbene Fertigkeit; als Bezeichnung der Werke eines Künstlers; oder wenn man auf etwas unechtes hinweist - so im Duden zu lesen."

dem setze ich noch eins drauf:

"kunst im weitesten sinne ist jede auf wissen und übung gegründete tätigkeit"

- so zu lesen im brockhaus. bei genauer inhaltlicher analyse der meisten vorgetragenen argumente, die sich gegen eine philosophie in den ma richten, ist dies die basis der - in meinen augen - fehlerhaften, weil oberflächlichen schlußfolgerungen.

denn wissen bedeutet im fall der ma das verstehen der grundsätzlichen denkmodelle, auf denen die asiatischen kampfkünste beruhen.

"so jemand eine der asiatischen Kampfkünste verstehen möchte, muß er auch das zugrunde liegende Denkmodell verstehen und anwenden können" (calimero)

jemand, der einen weißen oder schwarzen anzug trägt, sich vor dem dojo, den mitschülern und dem lehrer verbeugt, von chi, ki, yin und yang redet, aber kein wissen über die philosophischen / geistigen hintergründe dieser etikette und prinzipien besitzt, kann nicht für sich beanspruchen, eine kunst zu praktizieren, egal, ob er den kunstbegriff in der westlichen oder in der asiatischen bedeutung interpretiert, denn:

"die einschätzung von kunst hängt von den maßstäben einer epoche ... ab" (brockhaus)

und die epoche, d.h. das kulturelle, geistige und soziale umfeld der ma sind durch gewisse geistige (philosophische) maßstäbe geprägt, die man ganz einfach kennen muß, um kampfkunst beurteilen und praktizieren zu können.

wenn wir uns die praxis der meisten ma anschauen, so ist doch ganz offenkundig, daß sie von zeremonien, rituellen handlungen, einem dresscode, verweisen auf metaphysische prinzipien etc. durchdrungen sind. niemand kann das ernsthaft bestreiten. warum trainieren die karatekas nicht einfach in freizeitkleidung? warum verbeugen sich die thaiboxer in einem aufwendigen zeremoniell? woher kommt die handhaltung des kung fu grußes? worauf basieren die dojokun-regeln? auf welchen vorstellungen gründen die energielehren der ma?

diese beispiele zeigen, daß wir in den kampfkünsten permanent mit verhaltensnormen und handlungsdirektiven konfrontiert werden, die auf (alten) philosophien gründen. jemand der diese philosophien nicht kennt, praktiziert keine kunst, sondern kopiert lediglich eine äußere form.

Du schreibst:
"Wenn also jemand hier im Board jemanden als Kampfkünstler ansieht, der in einer Disziplin eine hohe Fertigkeit erworben hat, so ist das völlig legitim..."

keinesfalls, wenn diese als kkler bezeichnete person lediglich bewiesen hat, daß sie dazu in der lage ist, einen gegner zu brei zu schlagen. meine güte, dann ist jeder versierte kneipenschläger ein kampfkünstler, denn auch er hat sich zweifellos eine "hohe" fertigkeit im prügeln erworben. wie gesagt, "kunst kommt von können" ist eine uralt-definition, nach der jeder, der eine gewisse könnerschaft in einer beliebigen tätigkeit besitzt ein künstler ist.

stefan raab besitzt könnerschaft in der dumpfesten verarsche von anderen menschen: hurra, ein künstler! viele unserer politiker besitzen könnerschaft in der rechtfertigung ihrer nichteingehaltenen wahlversprechen: bravo, echte künstler!
um den vergleich auf die spitze zu treiben (keine anspielung auf irgendwelche personen): die nazis bewiesen könnerschaft in der vernichtung von menschen, das waren wohl auch große künstler.

wenn wir den begriff "kunst" so oberflächlich deuten, verliert er seinen sinn.

Du schreibst:
"Ich will den Wert des Denkens nicht herbsetzen, dennoch ist er begrenzt. Stattdessen würde ich empfehlen, mehr zu entspannen, einfach zu atmen und sich der großen Leere zu öffnen, dort ist alle Weisheit und alle Harmonie enthalten. Der Intellekt ist untrennbarer Teil des Ichs, das ein winzig kleiner vom unendlichen Universum getrennter Teil ist, der sich anmaßt, von seiner subjektiven Position heraus, das Große und Ganze begreifen zu können. Dieses Große und Ganze zu erfassen gelingt nur, wenn wenn sich mit ihm verschmilzt, wenn man sein kleines schlaues Ich überwindet und in die große Leere taucht."

hey qian, diese worte sind doch der ideale beweis für mein ganzes gerede! das, was Du sagst, ist produkt der auseinandersetzung mit asiatischer philosophie, es ist nicht von allein in deinen kopf geflattert, sondern resultat Deiner persönlichen arbeit. Du solltest nicht dem fehlurteil unterliegen, daß ich das denken als schlüssel zur weisheit verstehe. ich praktiziere das denken und das nicht-denken. den äußerungen vieler aktivisten ist aber zu entnehmen, daß sie weder das eine noch das andere tun, sondern die gesamte praxis der kk in BILD-zeitungsmanier verflachen.

"Ein Wort zur Entsprechung von Innerem und Äußerem. Auch Du wendest sie nicht konsequent an. Denn wenn das allgemein anerkannte Kommunikationsmittel hier in diesem Diskussionsforum die deutsche Schriftsprache ist, dann bitte ich um eine korrekte Groß- und Kleinschreibung und kritisiere Deine private Phantasieschreibung."

nun ja, das ist der einzige punkt, denn ich in Deinem thread aufrichtig bedauert habe. falls Du das ernst meinst, habe ich mich in der scharfsinnigkeit oder im motiv Deines denkens getäuscht. sicher bringt Dir so eine forderung applaus von der geistig impotenten seite, aber Du selbst weißt sicherlich, daß ich eine solche "korrektheit" von niemandem gefordert habe. was kommt als nächstes? daß ich - als künstler - meine threads in versform verfassen sollte?

hg
thorre



hi kaishaku,

drei leute sind doch ein guter anfang...

hg
thorre

calimero
23-06-2002, 13:32
Hi Thorre,

eine Sache, die bei einer Vermischung herauskommen könnte, ist zumindest teilweise, ein Verlassen des westl. analytischen Denkens bzw. der formelen Logik und ein verstärktes Hinwenden zu intuitvem Handeln und vernetztem Denken (asoziative Verbindungen zwischen verschiedenen Thematiken auf der Grundlage emotionaler Wahrnehmungen.) leider das Gegenteil dessen, was DU gerade treibst.

Die Art und Weise in der Du, in bester westlicher Tradition (erinnert mich irgendwie an Cyrano de Berg.), CeKaVau abkancelst, nämlich analytisch und formallogisch, ähnlich den theologischen und philosophischen Disputen, der westlichen Vergangenheit, macht mich ein wenig traurig (aber nicht zu sehr).

Warum wohl, kannst Du bestimmt selbst herausbekommen.

Darüber hinaus, macht es wenig Sinn, sich in einer Diskussion aufwerten zu wollen, indem man versucht seine Gesprächspartner abzuwerten. - Dazu wäre ein Disput mit einem Gegner der richtige Rahmen.

Was die Problematik: Wehrhaftigkeit - Buddhismus anbetrifft, magst Du durchaus recht haben. Ein überzeugter Buddhist darf durchaus Wehrhaft sein.
Dennoch wäre für ihn das "nehmen von Leben" ein starker Rückschlag in seiner Enwicklung. Das dies sein transzendentales Erleben nicht zwangsläufig beeinflussen muß, brauchst Du gar nicht erst zu posten. - Das ist mir auch klar. - Ich rede aber nicht von irgendeinem hochgezüchteten Samurai, der im Zustand absoluter geistiger und seelischer Ruhe tötet, sondern von einem "normalen", stark "gläubigen" Buddhisten, der as usually sogar auf Fleisch verzichtet.

Aber egal.

Im Prinzip wir mir diese Diskussion zu sehr zum Disput (in dem Du dich gerne als Sieger betrachten darfst) und gleitet mir zu sehr in Spitzfindigkeiten ab. Und kämpfen muß ich ausßerhalb eines Forums schon genug.

Ich denke ich habe meine Standpunkte so weit erklärt.

Du kannst Dich also, so Du dies überhaupt möchtest, dazu herablassen, aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Oder dort oben bleiben.

Schönes Wochenende noch

CU
Calimero, der jetzt lieber das schöne Wetter genießt.

Thorre
23-06-2002, 13:38
hi calimero,

ja schade, daß Du das nicht mehr weiter vertiefen willst. aber Deine idee (gutes wetter und so) ist doch auch ganz nett.

hg
thorre

cdobe
23-06-2002, 16:57
... zur Philosophie in Kampfkünsten sind folgende:

Philosophie ist nicht notwendigerweise Bestandteil von Kampfkünsten! Eine eventuelle Verknüpfung schließe ich jedoch ausdrücklich nicht aus (unter anderem, um Andersdenkende nicht zu diskriminieren).

Ich begründe meine Aussage

1.) auf der sprachlichen Herleitung des Begriffs Kampfkunst basierend und
2.) aufgrund der historischen Entwicklung der Kampfkünste.

Vorab sei gesagt, daß Begriffe wie Kunst oder Philosophie nicht frei mit Bedeutungen belegbar sind, sondern, trotz ihrer Vielschichtigkeit, grundsätzlich eine bestimmte, nicht beliebig erweiterbare, allgemeine Bedeutung haben. Hält man sich nicht an diese Spielregeln, ist eine Diskussion von vornherein nicht möglich.

zu 1.) Kampfkunst
Kampf dürfte keiner Diskussion bedürfen

Kunst ist laut einer allgemeinen Definition

im weiteren Sinne die Anwendung angeborener oder erworbener Fähigkeiten in hochentwickelter, spezialisierter Form als "Können" oder "Kunstfertigkeit" und das Resultat dieser Betätigung, das Kunstwerk.
Kunst im engeren Sinne bezeichnet das schöpferisch-ästhetische Gestalten und dessen jeweiliges Ergebnis auf den Gebieten der einzelnen Kunstarten und -gattungen.

Die Wortbedeutung des zusammengesetzten Substantivs Kampfkunst ist leichter ersichtlich, wenn man die Wortbestandteile voneinander trennt und in eine sinnvolle Beziehung zueinander setzt.
Die Kunst des Kampfes bzw.
Die Kunst zu Kämpfen
(kunstvolles Kämpfen bezogen auf die Ästhetik der Bewegungen respektive der Qualität der Betätigung hinsichtlich ihrer Zielsetzung)

Ich ordne Kampfkunst laut gegebener Definition als Kunst im weiteren Sinne ein. Die betrachtete Fähigkeit ist der Kampf.
Also ist Kampfkunst:
Die Anwendung des Kampfes in hochentwickelter, spezialisierter Form (als eine erworbene Fähigkeit)

Man könnte Kampfkunst auch als ein Kunsthandwerk ansehen, was zu
2.) führt:

Kampfkünste entwickelten sich aus rein pragmatischen Gesichtspunkten. Nämlich aus dem Bedürfnis heraus sich selbst oder andere vor aggressiven Übergriffen zu bewahren, oder um effektiv seine eigenen Zielsetzungen gegen heftigen Widerstand durchzusetzen. Man könnte die qualitative Entwicklung der Kampfkünste als ein Wettrüsten zwischen Opfer und Täter ansehen, wobei die jeweilige Rolle einer Partei durchaus einem situationsbedingten Wechsel unterworfen gewesen sein mag ;)
Auch heute hat sich an dieser Situation grundsätzlich nichts geändert. Der Erwerb von Kunstfertigkeit im Kampf kann als Werkzeug (siehe Kunsthandwerk) aggressiver oder defensiver Bestimmung angesehen werden.

"Philosophie ist die wissenschaftliche Beschäftigung mit jenen auf die Wirklichkeit als Ganzes abzielenden Fragen, die die Einzelwissenschaften nicht mehr beantworten können, auf die deshalb auch die Philosohie allenfalls nur vorläufige Antworten geben kann. Wo diese Fragen durch ein System von Antworten ersetzt werden, wird die Philosophie zur Weltanschauung und Ideologie."

Meines Erachtens zielt die Kampfkunst nicht auf die die Wirklichkeit als Ganzes betreffenden Fragen ab, sondern vielmehr auf die Wirklichkeit und Unmittelbarkeit der Frage:
Wie kann ich unter Wahrung der eigenen Unversehrtheit meinen Gegner physisch bezwingen?

msg
cdobe

Thorre
23-06-2002, 19:34
hi cdobe,

schön, daß Du wieder mit mir sprichst. bist Du noch sauer?

hg
thorre

cdobe
23-06-2002, 20:31
Hi Thorre,
kann es sein, daß Du ein bißchen geltungssüchtig bist ? Ich habe gar nicht mit Dir gesprochen, sondern einfach einen Beitrag verfaßt :D ;)

Wie dem auch sei, ich war Dir nie richtig böse. Ich besitze nämlich die Sanftmut und Gelassenheit eines Dalai-Lama ;)

msg
cdobe

Thorre
23-06-2002, 21:50
hey, cdobe, gut zu hören.

hg
thorre

CeKaVau
24-06-2002, 08:59
Hallo Thorre,

ich versuche doch mal, meinen unstrukturierten Verstand etwas zu ordnen und Dir zu antworten.

warum trainieren die karatekas nicht einfach in freizeitkleidung? warum verbeugen sich die thaiboxer in einem aufwendigen zeremoniell? woher kommt die handhaltung des kung fu grußes? worauf basieren die dojokun-regeln?

Viele Fragen, eine Antwort: Tradition.

Bei uns im Club renne alle mit weißen Gis herum. Das heißt nicht, daß wir alle Philosophen sind. Eigentlich sind das die wenigsten von uns und das ist auch gut so. (Man stelle sich vor, alle würden so reden wie Du :) )

Der Hauptgrund ist einfach: Es wurde schon immer so gemacht. Der Gi wurde am Anfang des letzten Jh. aus praktischen Gründen eingeführt. Jegliche Philosphie wurde erst später hineininterpretiert.
Eigentlich ist mir total egal, wie die Leute bei uns im Training herumlaufen, solange sie keinen Schmuck tragen, machen was ich sage usw, usf. (Wie haben übrigens auch einen dabei, der einen schwarzen Gi trägt - was ihn weder besser noch schlechter macht.)

Man KANN natürlich in ein Stück durchgeschwitzte Baumwolle jede Menge hineininterpretieren - man muß es aber nicht.

Wie gesagt, jedem sein Ding. Falls sich jemand für Philosophie interessiert kann er es tun - ich stelle ihm da nichts in den Weg. Im Gegenteil, ich habe mich sehr viel damit beschäftigt und in den Theorieeinheiten, die wir abhalten, wird auch sehr viel gefragt.
Ich zwinge aber niemanden etwas auf. Für Dich vielleicht eine neuartige Sicht der Dinge.

Ich hoffe, so weit war es noch verständlich.

Dann war da noch das Thema "Verflachung der Kampfkunst", und auch hier bin ich anderer Meinung - hast Du Dir aber sicher schon denken können.
Ich bin nämlich NICHT der Meinung, daß die Kampfkünste sich irgedwie in eine negative Richtung entwickelt hätten. Wieso?

Glaubt man den Geschichtsbüchern, so gab es auch schon früher eine Zweiteilung. Irgendwelchen Wald-und-Wiesen-Schülern, und das waren die meisten, wurde nur die Form beigebracht.
Einige wenige aber wurden nach Jahren der Prüfung, oder weil sie hat zufällig der älteste Sohn waren, in die tiefen Geheimnisse der Kunst eingeweiht. Energetische Bewegungskonzepte, Vitalpunktlehre und der ganze PiPaPo.

Und so ist das auch heute noch - nur in einem viel größeren Rahmen. Die Soto-Deshi von heute gewinnen Pokale und die Uchi-Deshi von heute kennen nur wenige. Alles wie eh und jeh.

Ich hoffe ich habe in Form und Ausdruck Deinen Ansprüchen genüge getan.
Falls wieder nicht, könntest Du vielleicht darüber nachdenken, ob Höflichkeit nicht auch eine der Tugenden von Kampfkünsten ist.

Tschüssi
Ike

Thorre
24-06-2002, 10:45
hi cekavau,

ich fasse mal zusammen. kampfkünstler sind in der regel also menschen, die sich verhaltensnormen unterwerfen, die sie nicht verstehen, sondern eben nur deshalb so praktizieren, weil jemand es als "tradition" bezeichnet.

ich habe etwas zeit gebraucht, um diese tatsache zu akzeptieren, bin nach den vielen debatten aber um eine wichtige erkenntnis reicher. wenn mich in zukunft denkende freunde und bekannte mal wieder mit provokationen konfontieren, die ich bislang als vorurteil ansah, nämlich, daß die praxis der künste von einer erschreckenden armut an tiefergehenden gedanken gekennzeichnet ist, von ignoranz und selbsgefälligem insistieren auf halbgedachtem, so werde ich dem nicht mehr widersprechen.

ich dachte schon, meine bemühungen wären völlig sinnlos, hatte dabei nicht geglaubt, daß ich derjenige sein würde, der hier etwas ganz wichtiges zu lernen hätte. aber so das eben - in diesem sinne war die ganze diskussion also nicht umsonst. vielen dank.

hg
thorre

CeKaVau
24-06-2002, 11:56
Hallo Thorre,

ich fasse mal zusammen. kampfkünstler sind in der regel also menschen, die sich verhaltensnormen unterwerfen, die sie nicht verstehen, sondern eben nur deshalb so praktizieren, weil jemand es als "tradition" bezeichnet.

Yep, genau so ist es. Warum?

Weil Kampfkünster auch (nur) Menschen sind. Sie stehen nicht über den Dingen.

Wäre es besser, wenn sie sich nicht Verhaltensnormen unterwerfen würden. Wenn ja, welche wären denn das und wer würde das denn entscheiden?

Auch das mit der Tradition ist eben so eine Sache. Einige finden es cool mit weißen Schlafanzügen und bunten Gürteln herumzuhüpfen, anderen ist es völlig egal und manchen fetzt der philosophische (oder das was sie dafür halten) Hintergrund.
Warum nicht? Was ist so schlimm daran?

Ist Kampfkunst nicht für alle da?

...daß die praxis der künste von einer erschreckenden armut an tiefergehenden gedanken gekennzeichnet ist, von ignoranz und selbsgefälligem insistieren auf halbgedachtem...

Das sind sie eben nicht! Wer sagt denn sowas?

vielen dank.

Gern geschehen, auch wenn ich den Zusammenhang im letzten Abschnitt nicht so richtig geschnallt habe. War wohl auch nicht so gedacht, oder?

Tschüssi
Ike

Qian
24-06-2002, 14:31
Hallo Thorre

Ich sollte vielleicht auch zur Vermeidung von Missverständnissen mitteilen, dass ich eigentlich auch Deiner Meinung bin, dass Philosophie und Kampfkünste zusammengehören; aber nicht unbedingt allein in der Art, dass man sich kraft seines Intellekts mit abstrakten Prinzipien und Lehren auseinandersetzt und praktisch allein über den Verstand in die tieferen Geheimnisse des
Universums eindringt.

Es ist auch der rein praktische Weg denkbar; dass man also allein durch das Praktizieren von Formen, die man zunächst nicht versteht, dem Ziel der Kampfkünste wie auch der Philosophie, also der höchsten Harmonie, näherkommt. Um Tai Chi z.B. als
Kunst betreiben zu können, muss man nicht unbedingt die Yin- und Yang-Lehre kennen (in der abstrakten Form); dass alles im Leben zwischen Polen/Extremen bzw. in Rhythmen abläuft, weiß eigentlich jeder (intuitiv), den meisten ist es vielleicht nicht bewusst. Allein das Formenüben kann zum Verständnis der zugrunde liegenden Prinzipien führen.

Optimal ist es allerdings, wenn man Prinzipien sowohl auf der pratischen als auch auf der abstrakten Ebene versteht; insofern
liegen unsere Meinungen gar nicht so weit auseinander. Ich verstehe auch Deine Kritik an Leuten, die sich in exotische Gewänder hüllen, auf Show-Effekt bedachte Riten durchführen u.ä., aber eigentlich die Essenz dieser Dinge nicht erfasst haben und nur hauptsächlich kommerzielle Motive oder Angeberei dahinter steckt.

Aber nicht jeder, der zunächst Formen, Gesten, Riten unreflektiert übernimmt, und sie einfach praktiziert, kann in obere Kategorie eingeordnet werden. Ich z.B. persönlich will nicht behaupten, dass ich alle Qi-Gong-Übungen, die ich praktiziere
verstehe, also z.B. in welchen Meridianen nun genau Chi besser fließt; aber ich achte sehr genau darauf, welche praktischen Resultate diese Übungen haben; ich wähle sie nicht nach theroretischen Erwägungen aus, sondern lasse micht von meinem
Gefühl, meiner Intuition leiten. Ich bin der Meinung, dass mein Körper mir mehr über die Wirkung einer Übung, einer Stellung, einer Geste etc. sagen kann, als mein Verstand.

Letztendlich wie gesagt, macht es die Mischung; auf deren Grundlage ja auch die Kampfkünste entstanden sind, also auf der Anwendung abstrakter Prinzipien in Kombination mit generationenlanger praktischer Erfahrung. Aber es ist nicht
ausgeschlossen, eine Kampfkunst allein auf intuitiver Basis zu entwickeln und zu praktizieren.

"dann ist jeder versierte kneipenschläger ein kampfkünstler, denn auch er hat sich zweifellos eine "hohe" fertigkeit im prügeln erworben. wie gesagt, "kunst kommt von können" ist eine uralt-definition, nach der jeder, der eine gewisse könnerschaft in einer beliebigen tätigkeit besitzt ein künstler ist."

Du akzeptierst diese Defintion von Kunst nicht, obwohl sie so weit verbreitet und im allgemeinen Sprachgebrauch anerkannt ist? Akzeptiere doch bitte, dass es mehrere Defintionen von Kunst gibt, die legitim sind. Auch ein Kneipenschläger kann ein Künstler sein, der auf ganz kreative und kunstfertige Weise die Gesetze des Universums anwendet; auch Künstler sind Menschen und schneiden sich schon mal im Absinth-Rausch ein Ohr ab. Du stellst mit deinen Beispielen eine fragwürdige Verbindung zwischen Kunst und Moral her, obwohl Kunst eine unendliche Zahl von Motiven haben kann, die alle in der menschlichen Natur gegründet sind. Die menschliche Natur weist nun, wie wir wissen, helle und dunkle Seiten auf, die aber zusammengehören. Ich weiß nicht, warum Homer die Ilias geschrieben hat; vielleicht aus Langeweile; oder um seine Angebetete zu beeindrucken oder um anzugeben. Ich jedenfalls halte sie für das Werk eines KÜNSTLERS.

Grüße

Qian.

calimero
24-06-2002, 15:29
Hi Quian,

eigentlich wollte ich diese Diskussion abhaken.

Aber irgendwie hast Du massiv besser ausdrücken können, was ich meine; jedenfalls könnte ich Dein Posting so unterschreiben.

Vielen Dank dafür

CU

Calimero


Hi Thorre,

sei nicht traurig, hier ein Zitat (habe vergessen von wem):

"Das einzige, was von ewiger Dauer, ist der Wandel."

In diesem Sinne, alles Gute für Dich

CU
Calimero

CeKaVau
24-06-2002, 16:02
Hallo Qian,

schönes Posting.

Hast Du eine Theorie, warum über Jahrtausende immer nur das "Halt's Maul und trainiere"-System angewandt wurde?
Dinge zu hinterfragen, hat doch eigentlich nie geschadet, oder?

Ich habe da auch eine, aber leider heute keine Zeit mehr - ist etwas länger :)

Tschüssi
Ike

Thorre
24-06-2002, 16:17
hi qian,

schon als ich mir einige Deiner anderen threads durchlas, war für mich klar, daß wir beide im grunde ähnlich über das thema denken.

ich teile insbesondere Deine auffassung, daß weder formelle logik noch das bloße nachdenken über philosophien (die immer abstrakt sind, weil denken an sich auf abstraktion beruht) zum verständnis der kampfkunst führen kann. wie ich bereits schrieb, wird in unserem training auch nicht philosophiert, sondern sehr ernsthaft geübt.

allerdings frustriert mich die in vielen postings sichtbare ignoranz und der kleingeist, besonders wenn es um den wert der alten philosophien geht. diese haltung zeigt mitnichten eine fundierte "gegenposition", sondern unwissen + desinteresse + eine art mentaler stumpfheit, die ich bei kampfkünstlern einfach nicht vermutet hatte.

"Du akzeptierst diese Defintion von Kunst nicht, obwohl sie so weit verbreitet und im allgemeinen Sprachgebrauch anerkannt ist?"

nein, denn dies ist keine definition, die von künstlern oder kunstkritikern entwickelt wurde, sondern eine oberflächliche verkürzung, die sich nur in kreisen hält, die mit kunst nichts zu tun haben. deshalb ging ich davon aus, daß die aktiven der ma dies selbstverständlich weitaus differenzierter betrachten.

"Du stellst mit deinen Beispielen eine fragwürdige Verbindung zwischen Kunst und Moral her..." zugegeben, ich vertrete da humanistische ideale, allerdings scheint mir das bei einer kunst, die menschen sehr gefährliche fähigkeiten lehrt auch angebracht, denn van gogh war wohl nicht in der lage, mit seinem "Straße mit Zypresse und Stern" einem mitbürger den kopf einzuschlagen...

hg
thorre

Thorre
30-06-2002, 15:17
Gedanken zur Philosophie in den Kampfkünsten - TEIL III

Inwieweit das Verfassen von längeren Artikeln für die Mitglieder des KK-Boards sinnvoll ist, bleibt eine ungeklärte Frage, schließlich soll das Board ja in erster Linie dem Austausch von Erfahrungen dienen und nicht selbst zum Wissensarchiv ausgebaut werden. Allerdings mag der eine oder andere Artikel Ansatzpunkte für tiefergehende Diskussionen enthalten, deshalb scheint mir meine Vorgehensweise legitim.

Ein generelles Problem unserer Zeit besteht darin, daß viele Menschen nicht in der Lage oder zumindest nicht bereit sind, sich auf das Lesen längerer Texte einzulassen. Die geistes(zer)störende Politik der Massenmedien erzieht uns dazu, Bilder und einfache symbolische Botschaften Texten vorzuziehen, was mit einer Verarmung der Sprachkultur einhergeht. Trotz dieser Tendenz werden vielleicht einige Forumsteilnehmer die Zeit finden, die von mir vorgetragenen Gedanken zu prüfen.

In den ersten beiden Teilen meiner hier im Forum dargestellten Betrachtungen zur Philosophie in den Kampfkünsten habe ich versucht, einen wesentlichen Unterschied der asiatischen Geisteskultur im Vergleich zur abendländischen Denkweise herauszuarbeiten:

Asiatischen Philosophien geht es nicht um eine vermeintlich exakte Beschreibung der Realität, auf deren Basis eine Erkenntnislehre konstruiert werden könnte, sondern um ein assoziatives Deuten auf in (zyklischen) Mustern auftretende Erscheinungen, die das Resultat der wirkenden Realität sind.

Asiatisches Denken orientiert sich an den Mustern der Natur, es ordent die Kultur den Gesetzmäßigkeiten der Natur unter, allerdings ohne deshalb auf Raubtierparadigmen der Marke "Der Stärkere frißt den Schwächeren" zu verfallen. Gerade dieses Unterordnen (bzw. Einordnen) der menschlichen Rolle in das umfassende Wirkungsfeld der natürlichen Kräfte stellt einen weiteren eklatanten Unterschied zum westlichen Denken dar, in dem der Mensch das Zentrum der Kräfte erobert hat.

In meinen Augen liegt der Sinn aller Philosophie ("Liebe zur Weisheit") darin, die grundsätzlichen Fragen, die sich aus der Erfahrung der menschlichen Existenz ergeben, in einer Weise beantworten zu können, die für das Leben nützlich, d.h. mit Erfolg anwendbar ist.

So ist asiatische Philosophie - man möge mir diese generalisierende Zusammenfassung nachsehen - eine Denkweise, die es dem Einzelnen ermöglicht, sein Fühlen, Denken und Wollen mit der gegebenen Wirklichkeit zu harmonisieren. Es geht nicht um die Frage, was der Kosmos aus astrophysikalischer Sicht sein könnte, sondern darum, wie man sich in diesem geheimnisvollen Universum zurechtfindet.

Dieser Ansatz ist aus individueller Sicht weitaus effektiver und auch effizienter, als die mühevolle Vermessung der Wirklichkeit mittels Formeln und wissenschaftlicher Theorien, denn weder ein Physiker noch ein anderer Naturwissenschaftler hat nach 5 oder 6 Jahren des Studiums eine Antwort auf die grundlegenden Fragen, die sich den Menschen seit Urzeiten stellen ("Weshalb bin ich eigentlich hier?", "Was ist der Sinn meiner Existenz in diesem Universum?" etc.).

Und daß sich die Menschen mit diesen Fragen intensiv beschäftigen, ist nach wie vor eine Tatsache. Der Erfolg von Stephen Hawkings "Eine kurze Geschichte der Zeit" kann als Beleg dafür gelten, daß die überwiegende Mehrheit sich sehr wohl nach den grundsätzlichen WOHER, WOHIN und WARUM fragen: Dieses Buch ist eines der meistgelesen Texte, die jemals von einem Menschen verfaßt wurden. Hawking selbst sagte, daß wahrscheinlich nur die Bibel und Shakespeare öfter gelesen wurden...Ironischerweise kann weder Hawking noch sonst ein Wissenschaftler die erwähnten brennenden Fragen beantworten, ganz einfach, weil das Instrumentarium der Wissenschaft dazu nicht taugt.

Es kann als ein verheerender Irrtum des Abendlandes angesehen werden, daß die Möglichkeiten der Wissenschaften von der Allgemeinheit so falsch eingeschätzt werden. Je mehr man über die Methodologie der Wissenschaft weiß, desto zwingender ergibt sich die Notwendigkeit einer nicht-wissenschaftlichen, dafür jedoch ganzheitlichen geistigen Grundlage, auf der sich das Tun des Menschen harmonisch entfalten kann.

Diejenigen, die behaupten, auch ohne eine geistige (ihrem Prinzip nach philosophische) Grundlage sehr gut auszukommen, lügen sich im Grunde selbst in die Tasche, denn eine nähere Betrachtung ihrer Denk- und Verhaltensweisen würde offenbaren, daß sie zweifellos gewissen Leitsätzen und Richtlinien folgen und zwar mit dem Ziel, ihre persönliche Situation positv zu beeinflußen. In diesem Sinne ist jeder Mensch ein Philosoph, die meisten allerdings ziehen mit ziemlich unterentwickelten Fähigkeiten in den Kampf um das tägliche (Über-) Leben.

An diesem Punkt ist es nun interessant, die Bedeutung der asiatischen traditionellen Künste genauer zu untersuchen und zwar im Hinblick auf ihr Potential, dem Menschen zu helfen, eine für sein Leben sinnvolle geistige Grundlage zu entwickeln.

Ende Teil III

Thorre
30-06-2002, 15:19
Gedanken zur Philosophie in den Kampfkünsten - TEIL IV

Am Beispiel der Kampfkünste kann gezeigt werden, wie das Studium der Kunst und der in ihr enthaltenen (philosophischen) Prinzipien die Möglichkeiten des Menschen erweitert, vorausgesetzt der Schüler betreibt die Kampfkunst mit der entsprechenden Ernsthaftigkeit und der notwendigen geistigen Offenheit.

Autorität und Unterordnung
Die traditionellen Verhaltensetiketten der Kampfkünste gründen auf einem Prinzip, das dem Wissenden mehr Autorität zubilligt, als dem Unwissenden. Dieses Wissen beschränkt sich jedoch nicht auf eine rein technische Könnerschaft oder eine bloße theoretische Kompetenz, sondern basiert auf dem Verständnis der allen kämpferischen und trainingsrelevanten Prinzipien zugrundeliegenden natürlichen Gesetzmäßigkeiten.

So weiß ein Meister der Kampfkunst, daß die Unterordnung des Anfängers für diesen eine wichtige soziale Lektion darstellt, nämlich, das Erlernen der Fähigkeit seriöse Autorität zu erkennen und zu respektieren. Ein Mensch, der Autorität grundsätzlich ablehnt, hat keine Chance, sich im Leben zurechtzufinden. Er wird sinnlose Kämpfe des unbegründeten Widerstands ausfechten und sich ständig im Kreise drehen, in dessen Zentrum die eigenen willkürlichen Glaubenssätze stehen. Wer nicht gelernt hat, sich seriösen Autoritäten unterzuordnen, wird sich auf lange Sicht selbst behindern. Auch in der Natur kann es sich kein Individuum leisten, die Autoritäten zu ignorieren, es ist sozusagen sowohl ein natürliches als auch kulturelles Prinzip, daß einige (wenige) an der Spitze stehen und die Mehrheit sich dieser Elite (zugegeben ein böses Wort) unterordnet.

Allerdings setzt dieses Prinzip voraus, daß die an der Spitze stehenden Lehrer, Meister, Staatsführer etc. diesen Status auch verdientermaßen inne haben. Aus meiner Sicht ist dies im Falle der Kampfkünste - so wie sie heute praktiziert werden - nur in den seltensten Fällen gegeben. Die Autorität vieler vermeintlicher Meister ist eine angemaßte, denn in schätzungsweise acht von zehn Fällen, haben diese Personen keine Ahnung, worum es in der traditionellen Kampfkunst eigentlich geht.

An dieser Stelle scheint eine von mir bereits mehrfach abgegebene Warnung erneut sinnvoll. Wer sich mit dem Studium einer traditionellen Kampfkunst befassen will, sollte sich den Lehrer sehr genau anschauen. Kein seriöser Lehrer wird die geistige Grundlage der Kampfkunst als irrelevant abtun. Nur Dilettanten und Betrüger behaupten ernsthaft, Kampfkunst habe primär mit Fitness und Selbstverteidigung zu tun.

Zurückstellung persönlicher Befindlichkeiten
Im Rahmen des traditionellen Trainings sind die persönlichen Befindlichkeiten eines Schülers von untergeordneter Bedeutung. Ich spreche hier von Haltungen, die davon ausgehen, das Geschehen müsse sich den individuellen Neigungen beugen. Ob ein Schüler eine bestimmte Übung als angenehm oder sinnvoll ansieht, ist sekundär. Den Meister interessiert nicht, ob seine Schüler Spaß haben. Ihn interessiert, ob sie lernen und zwar zu den Bedingungen, die aus traditioneller Sicht verbindlich sind. Sicher kann man hier mit dem Argument aufwarten, daß freudvolles Lernen doch sehr gut funktioniert, warum also sollte nicht der Spaß im Mittelpunkt des Übens stehen?

Der Sinn der traditionellen Methode besteht darin, daß sie vom Schüler das Vollziehen eines "geistigen Tricks" verlangt. Der Schüler muß davon abkommen, lediglich die Dinge zu tun, die ihm Spaß machen, er muß stattdessen lernen, Freude und Motivation bei den Dingen zu entwickeln, die er tut. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Zwar könnte der Schüler den traditionellen Meister verlassen und in eine Schule eintreten, in der Spaß das Maß der Dinge darstellt. Damit würde er aber sein grundsätzliches Problem nicht lösen, nämlich die Herausforderung, allen Tätigkeiten seines Lebens (auch wenn diese anstrengend und formal sind) mit Respekt, Aufmerksamkeit und Motivation zu begegnen. Im Vergleich zu gewissen Bereichen des traditionellen Trainings sind die "Mühen des Alltags" geradezu entspannend. Jemand, der die harte Schule als Weg des Lernens begreift, kann bestimmte geistige Haltungen (im besprochenen Fall wären das Selbstmotivation, Selbstüberwindung, Durchhaltevermögen, eiserner Wille, Zurückstellen der persönlichen Wünsche) entwickeln, die im realen Leben von unschätzbar hohem Wert sind.

Die Bedeutung der Präzision bei allen bewußten Handlungen
Kampfkunst-Meister legen in der Regel gerade auf die präzise Ausführung der Techniken großen Wert. Präzision ist eine Qualität, die in allen Bereichen des bewußten Handelns außerordentliche Bedeutung besitzt. Sie dient als Gradmesser für die Fähigkeit, wie genau ein Mensch das in die Tat umsetzen kann, was er beabsichtigt. Zwar sagt diese Genauigkeit nichts über den Wert der eigentlichen Handlung aus, aber sie stellt doch eine Voraussetzung für den Erfolg unseres Tuns dar. Gerade in diesem Punkt verblüfft, wie wenige Kampfkünstler sich um Präzision in den alltäglichen Dingen bemühen, obwohl sie auf der anderen Seite Wochen, Monate oder sogar Jahre mit dem Ausfeilen einer einzigen Technik verbringen. Diese beschränkte, irrationale Sichtweise ist vor allem der Tatsache zu schulden, daß die Grundmotive der Kampfkunst nicht verstanden wurden. Kampfkunst will den Menschen zu einer Denk- und Handlungsweise erziehen, die es ihm ermöglicht ein für seine Begriffe sinnvolles Leben zu führen. Jedes zielgerichtete Handeln muß sich sowohl in mentaler als auch physischer Hinsicht dem Maß der Präzision unterwerfen. Ein Kampfkünstler, der in den Angelegenheiten des Alltags schlampig ist, steht erst am Anfang des Weges.

Die Überwindung des inneren Gegners
Die Kampfkunst zu meistern, bedeutet sich selbst zu meistern. Nur wer überhaupt ersteinmal erkennt, daß die Ursache für Mißerfolg und Niederlage primär in der eigenen geistigen Haltung begründet liegt und weniger von äußeren Umständen abhängt, kann auf dem Weg zur Meisterschaft voranschreiten. Dabei geht es nur am Anfang und an der Oberfläche um ein Überwinden von Schwächen wie Faulheit, mangelnder Disziplin und fehlender Aufmerksamkeit. Der eigentliche Schritt besteht darin, zu erkennen, daß es überhaupt keinen Sinn macht, nach irgendwelchen Entschuldigungen oder Schuldzuweisungen zu suchen, wenn man die persönliche Situation betrachtet. All das Gejammer, das Selbstmitleid muß überwunden werden. Wenn man allein das Greinen einiger Forumsteilnehmer bedenkt, die sich in harten Debatten ständig in ihren Gefühlen verletzt sehen, so wird klar, daß die Überwindung des Selbstmitleids eine schwierige Herausforderung darstellt. In unserer Gesellschaft werden die Gefühle ständig in den Mittelpunkt gestellt, die emotionale Debatte dominiert die sachliche Auseinandersetzung. Ein wesentlicher Irrtum bei dieser gefühlsverliebten Einstellung besteht darin, daß die Mehrheit den relativen Charakter von Gefühlen nicht einschätzen kann. Was die Leute um 14.12 Uhr aufregt, haben sie gegen 14.17 Uhr bereits wieder vergessen. Trotzdem beharren sie darauf, in ihren Gefühlen ernst genommen zu werden.

Im Buddhismus gibt es einen Sinnspruch:

Gefühle berühren die Seele wie Regentropfen, die tausendfach vom Himmel auf die Erde fallen. Und trotzdem bilden sich die Menschen ein, jeder dieser Gefühlsregentropfen wäre wichtig.

Einige Menschen verwechseln Intuition und Gefühl in der Weise, daß sie jede Gefühlsregung für eine Art Zeichen aus dem Unbewußten halten, dem man Beachtung schenken müsse. Das Ergebnis ist eine sentimentale oder hysterische Grundeinstellung zum Leben. Ironischerweise kennen diese Menschen die eigentliche Tiefe von Emotionen meist gar nicht, sondern halten lediglich ihre oberflächlichen Affekte für essentiell.

Jemand, der Beethovens Kreutzersonate zum 1000.sten Mal hört, jeden Ton, jede Nuancierung in ihrer Schönheit erkennt, mag von einem intensiven Gefühl sprechen, denn dieses beruht auf der eigenen Bemühung, der bewußten Auseineindersetzung. Wer hingegen bei "Vera am Mittag" das Heulen kriegt, ist schlicht sentimental. Und das ist das Verblüffende: Die Menschen sind zu Tode betrübt angesichts von Nichtigkeiten, empfinden aber nichts, wenn sie einen Baum umarmen... Die Liste der Paradoxien ließe sich fortsetzen: Die Härte und das Desinteresse der Menschen untereinander nehmen zu, wie z.B. intensive Studien an Schulen und Gespräche mit Schülern über ihre familiären Beziehungen andeuten. Angesichts der Tatsache, daß sich irgendwo in Asien verschiedene Mannschaften über einen Lederball hermachen, drehen diese Menschen dann aber emotional durch...

Bereicherung der Tradition
Abschließend ein Wort zur Tradition. Es ist ein besonders schöner Gedanke, die lebendige Tradition der Kampfkünste durch das eigene Tun bereichern zu können. In diesem Sinne möchte ich Bokutus Schule erwähnen, in der Kampfkunsttraining mit behinderten Menschen stattfindet. Ich kenne ähnliche Beispiele aus Aikido-Schulen, in denen blinde Menschen trainieren. Diese wertvollen Beiträge zur Tradition sind in meinen Augen Zeichen für ein humanistisches, modernes Verständnis der Potentiale der Kampfkunst. Ob hingegen irgendein K1-Silberrücken einem anderen Fleischberg das Hirn aus dem Schädel drischt, stellt nicht einmal eine Fußnote in den Analen der Kampfkünste dar...

Ich hoffe, daß die von mir dargestellten Überlegungen den einen oder anderen dazu inspirieren, die Möglichkeiten der Kampfkunst daraufhin zu untersuchen, welche Optionen sie bietet, zu einem lebendigen Teil des Lebens kultiviert zu werden. Erst wenn die Oberfläche der Dinge durchstoßen wird, entwickeln sich neue, essentielle Zusammenhänge, deren Verständnis für das persönliche Wachstum von außerordentlichem Wert sein können.

Herzliche Grüße
Thorre

Klaus
30-06-2002, 21:46
Die Essenz taoistischer Systeme ist, sich NICHT ständig um Ideen zu drehen, sondern einfach stehen zu bleiben. Lies mal Deine beiden Postings durch und sieh Dir an wieviele Annahmen, Vermutungen und Postulate enthalten sind, die durch nichts als Vermutungen gestützt sind, und frag Dich mal ob es Dir schlechter ginge wenn Du darüber einfach gar nicht nachdenkst. Sondern einfach nur Dein Leben lebst. Sonne ist auch schön wenn man nichts in Worte fasst. Den Wind mußt Du hören, nicht lesen.

Das was Dich treibt, diese hunderte von Dingen darzulegen, die mir nicht so ganz dermassen selbstverständlich vorkommen wie Dir, sind vielleicht nur ZWEI oder DREI Gefühle. Statt darüber zu reden wie unwichtig solche Gefühle sind, laß Dich mal von ihnen einholen und laß ihnen ihre Wichtigkeit. Sonst versuchst Du morgen und übermorgen immer noch, Dir selber diese Gefühle auszureden indem Du stundenlang schreibst daß buddhistische Sinnsprüche, schlecht und falsch aus dem Chinesischen übersetzt, eigentlich doch wichtiger sind als DEIN hier und DEIN jetzt, DEIN gestern und DEIN später.

Qian
30-06-2002, 22:17
Oder um es anders auszudrücken: Der sich nicht freut, es später bereut.

Deutschland ist Vize-Weltmeister:beer: :D :respekt: :bang:

Thorre
01-07-2002, 12:02
hallo klaus,

die hartnäckigkeit, mit der Du an Deinem gekränkt-sein festhältst, ist schon verblüffend. mein gott, jetzt beruhige Dich doch mal und vergiß diese website-geschichte. ich habe Dich wirklich in ruhe gelassen, weil Du ständig so empfindlich reagierst. aber nur weil Deine nerven nicht die besten sind, solltest Du nicht glauben, daß ich mir Dein gejammer ewig anhöre. all diese pseudovorwürfe (Du hattest Dich ja bereits beim chi gung geirrt, beim yoga und bei der buddhastatue, sowie beim zazen) werden durch eifriges wiederholen nicht besser oder richtiger.

so wie ich es sehe, ist Dein verhalten doch das genaue gegenteil einer entspannten sicht der dinge. statt Dein verletztes ego hier windige psychologische spekulationen anstellen zu lassen (ich erinnere mal daran, daß Du keinen schimmer davon hast, wie mein leben wirklich aussieht!), solltest Du Dir mal die frage stellen, warum es Dir unmöglich erscheint, mit mir über jene dinge zu sprechen, die uns beide verbinden, weil wir sie ähnlich sehen. gerade wir beide hätten uns sehr viel zu sagen. das weiß ich, weil ich viele Deiner threads gelesen habe und in vielen punkten absolut Deiner meinung bin.

doch Du versaust diese chance des aufeinander-zugehens, weil sich alles, was Dir zum thema "thorre" einfällt, um diese eine heftige kritik dreht, die Dich so hart getroffen hat. wenn Du Dir jetzt mal die tränen des selbstmitleids aus den augen wischen, Deine weinerlichen "Da kann ich nur warnen" phrasen verkneifen würdest (zumindest zu dieser minimalen gefühlskontrolle wirst Du doch wohl fähig sein), könnten wir beide einen schritt in die richtung des anderen machen und wahrscheinlich feststellen, daß uns weit mehr verbindet, als uns trennt.

es tut mir leid, wenn Du Dich in Deinem leben mit psychischen erkrankungen herumschlagen mußtest oder dies noch immer tun mußt. aber bitte suche nicht ständig bei anderen menschen nach symptomen, ich bezweifle, daß es Dir dadurch besser geht. wie Du selbst genau weißt, läge gerade eine taoistische strategie der kommunikation darin, die energien des gegenüber aufzunehmen und in etwas kreatives umzuwandeln. solange Du hier den verknöcherten hobby-psychiater spielst, wird daraus aber nichts.

darf ich Dich vielleicht mal darauf hinweisen, daß Du gar nicht wissen kannst, wie wichtig in meinem leben stille, nicht-denken, einfach-tun etc. sind. also bitte respektiere, daß Du keine ahnung davon hast, wer ich bin. ich hoffe, daß Du irgendwo in Deinem kopf noch ein paar unbesetzte neuronen findest, die Du dann vielleicht mal dazu einsetzen kannst, mich wie einen ebenbürtigen gesprächspartner zu behandeln. das würde mich wirklich freuen. falls Du nicht öffentlich antworten willst, wäre auch ein email zumindest eine freundliche geste.

hg
thorre

hey qian,
Du glaubst gar nicht, wie SEHR ich mich gefreut habe, daß deutschland vize geworden ist!

hg
thorre

Klaus
01-07-2002, 16:23
Dann eben anders...


Original geschrieben von Thorre
Gedanken zur Philosophie in den Kampfkünsten - TEIL IV
Autorität und Unterordnung
Die traditionellen Verhaltensetiketten der Kampfkünste gründen auf einem Prinzip, das dem Wissenden mehr Autorität zubilligt, als dem Unwissenden. Dieses Wissen beschränkt sich jedoch nicht auf eine rein technische Könnerschaft oder eine bloße theoretische Kompetenz, sondern basiert auf dem Verständnis der allen kämpferischen und trainingsrelevanten Prinzipien zugrundeliegenden natürlichen Gesetzmäßigkeiten.

So weiß ein Meister der Kampfkunst, daß die Unterordnung des Anfängers für diesen eine wichtige soziale Lektion darstellt, nämlich, das Erlernen der Fähigkeit seriöse Autorität zu erkennen und zu respektieren. Ein Mensch, der Autorität grundsätzlich ablehnt, hat keine Chance, sich im Leben zurechtzufinden. Er wird sinnlose Kämpfe des unbegründeten Widerstands ausfechten und sich ständig im Kreise drehen, in dessen Zentrum die eigenen willkürlichen Glaubenssätze stehen. Wer nicht gelernt hat, sich seriösen Autoritäten unterzuordnen, wird sich auf lange Sicht selbst behindern. Auch in der Natur kann es sich kein Individuum leisten, die Autoritäten zu ignorieren, es ist sozusagen sowohl ein natürliches als auch kulturelles Prinzip, daß einige (wenige) an der Spitze stehen und die Mehrheit sich dieser Elite (zugegeben ein böses Wort) unterordnet.

Allerdings setzt dieses Prinzip voraus, daß die an der Spitze stehenden Lehrer, Meister, Staatsführer etc. diesen Status auch verdientermaßen inne haben. Aus meiner Sicht ist dies im Falle der Kampfkünste - so wie sie heute praktiziert werden - nur in den seltensten Fällen gegeben. Die Autorität vieler vermeintlicher Meister ist eine angemaßte, denn in schätzungsweise acht von zehn Fällen, haben diese Personen keine Ahnung, worum es in der traditionellen Kampfkunst eigentlich geht.

An dieser Stelle scheint eine von mir bereits mehrfach abgegebene Warnung erneut sinnvoll. Wer sich mit dem Studium einer traditionellen Kampfkunst befassen will, sollte sich den Lehrer sehr genau anschauen. Kein seriöser Lehrer wird die geistige Grundlage der Kampfkunst als irrelevant abtun. Nur Dilettanten und Betrüger behaupten ernsthaft, Kampfkunst habe primär mit Fitness und Selbstverteidigung zu tun.

Zurückstellung persönlicher Befindlichkeiten
Im Rahmen des traditionellen Trainings sind die persönlichen Befindlichkeiten eines Schülers von untergeordneter Bedeutung. Ich spreche hier von Haltungen, die davon ausgehen, das Geschehen müsse sich den individuellen Neigungen beugen. Ob ein Schüler eine bestimmte Übung als angenehm oder sinnvoll ansieht, ist sekundär. Den Meister interessiert nicht, ob seine Schüler Spaß haben. Ihn interessiert, ob sie lernen und zwar zu den Bedingungen, die aus traditioneller Sicht verbindlich sind. Sicher kann man hier mit dem Argument aufwarten, daß freudvolles Lernen doch sehr gut funktioniert, warum also sollte nicht der Spaß im Mittelpunkt des Übens stehen?

Der Sinn der traditionellen Methode besteht darin, daß sie vom Schüler das Vollziehen eines "geistigen Tricks" verlangt. Der Schüler muß davon abkommen, lediglich die Dinge zu tun, die ihm Spaß machen, er muß stattdessen lernen, Freude und Motivation bei den Dingen zu entwickeln, die er tut. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Zwar könnte der Schüler den traditionellen Meister verlassen und in eine Schule eintreten, in der Spaß das Maß der Dinge darstellt. Damit würde er aber sein grundsätzliches Problem nicht lösen, nämlich die Herausforderung, allen Tätigkeiten seines Lebens (auch wenn diese anstrengend und formal sind) mit Respekt, Aufmerksamkeit und Motivation zu begegnen. Im Vergleich zu gewissen Bereichen des traditionellen Trainings sind die "Mühen des Alltags" geradezu entspannend. Jemand, der die harte Schule als Weg des Lernens begreift, kann bestimmte geistige Haltungen (im besprochenen Fall wären das Selbstmotivation, Selbstüberwindung, Durchhaltevermögen, eiserner Wille, Zurückstellen der persönlichen Wünsche) entwickeln, die im realen Leben von unschätzbar hohem Wert sind.



Damit meinst Du Dich selbst, oder ? Deine Schüler sollen sich Dir also unterordnen, und machen was Du ihnen sagst, weil Du die Welt verstanden hast. Und nur ihr bestes willst. Maul halten, machen, nicht klagen.

Wie groß ist eigentlich Deine Selbstüberschätzung ? Du als Meister des Daoismus, Buddhismus, aller möglichen Kampfkünste, Qigong, usw. ? Ich glaube nicht daß man Dir bedenkenlos Menschen anvertrauen kann. Gerade wer Unterordnung so dermaßen brüskiert einfordert, hat meiner Meinung nach schlicht und einfach nicht mehr alle Tassen im Schrank. In dessen Hand gehören keine Menschen.

Im Übrigen, gekränkt bin ich keineswegs, da ich mich nicht so richtig erinnere mich über die Maßen mit Deinen Behauptungen auseinandergesetzt zu haben. Auch nicht zum Thema Qigong, bei dem ich auch mal wissen möchte wo ich mich denn da "geirrt" habe.

Ich gebe ich Dir keine 4 Jahre, sondern vielleicht 4 Monate bis zum Nervenzusammenbruch, wenn Du noch keinen hinter Dir hast. Ich bedaure nur die Leute die Du zu "geistigen Tricks" erziehen möchtest. Die findet man dann sicher auch bald in der Notaufnahme wieder.

Viel Glück, Du und Deine Schüler werden es brauchen.

MetroN
01-07-2002, 18:24
Hi!

Was ich mich dem Studium (ich glaube, man kann es aufgrund der Textmenge wohl so bezeichnen :D ) dieses Threads frage, ist, ob Du, Thorre, Dich schon mal mit "westlicher Philosophie" beschäftigt hast?
Ich empfinde Deine Darstellung der westlichen Welt als etwas schief, meiner Meinung nach bezieht sie sich viel zu sehr auf die Wissenschaft. Mir kommen der erste Teil Deiner Gedanken zur Philosophie eher wie ein Vergleich zwischen "Westlicher Wissenschaft" und "Asiatischer Philosophie" vor.
Ich denke, dass der "Westliche Mensch" nicht dermaßen blind an Zahlen und Fakten glaubt, wie Du das zu suggerieren versuchst. Letztendlich ist es doch so, dass auch Religion als eine Art Philosophie zu werten ist und man dem Europäer so, aufgrund seiner Kirchenzugehörigkeit, ein gewisses Maß an "Glauben an das Unsichtbare" attestieren muß?
Ich finde auch den Vergleich mit einem Physiker falsch, da ein Physiker doch in der Regel nicht die Absicht hat, sich durch sein Lernen dass Universum erklären zu können - es stehen doch vielmehr eher seine Interessen am späteren Beruf im Vordergrund? (nicht pauschalisierend gemeint!)
Jemand der sich solche Fragen stellt und Antworten auf diese sucht wird PHILOSOPH!

Also sollte man doch eher den Vergleich zwischen der Philosophie des Westens und der des Ostens anstreben?
Und da sind die Unterschiede in der (neuzeitlichen) westlichen Philosophie und der "alten" asiatischen Philosophie, doch gar nicht so grundlegend.

An dieser Stelle sei angemerkt dass dieser Verlgleich natürlich auch hinkt, der Grund warum ich die alte asiatische mit der neuen westlichen Philosophie vergleiche, ist schlicht und einfach, dass sich das für mich aus deinem Posting so liest, als wie wenn die alte asiatische Philosophie dort heute noch Bestand hat.
(Wenn dem nicht so ist, wäre es interessant wenn Du kurz die neuzeitliche asiatische Philosophie umreißen könntest, da mein Wissen in dieser Richtung doch eher gegen Null tendiert)

zu Teil IV:
Ich finde es überhaupt nicht sekundär ob man als Schüler, den Sinn hinter einer Übung erkennt, da man doch sonst niemals den "geistigen Trick" :D vollziehen kann. Wenn Du also Deine Schüler stundenlang sinnlose Übungen machen läßt, so denke ich, dass Du doch eher versuchst ihnen Deine Erkenntnisse einzuzwängen. Schließlich sind Philosophie und Kampfkunst doch eine ziemlich individuelle Angelegenheit (es gibt nur eine SUBJEKTIVE Wirklichkeit und auch der Praxisbezug den Du einer Kampfkunst abverlangst wird sich ziemlich indviduell äußern, da jeder seine eigenen Hürden im Leben zu nehmen hat)
und man sollte nicht versuchen sich selbst in seinen Schülern zu kopieren. Vor allem wie sollte man jemand zu so etwas motivieren? Stunden-, Tage-, Jahrelange gegen sein Wesen (wenn es überhaupt keinen Spaß macht) zu trainieren? Jemand der so etwas durchhält versucht doch "bewußt" auf diesen geistigen Trick hinzuarbeiten und wird doch so verkrampfen, dass er diesen bestimmt nicht mehr vollziehen kann.
Das heißt nun aber wiederum nicht, dass jedes Training NUR der Unterhaltung dienen sollte, die Überwindung der einen oder anderen unliebsamen Übung schult mit Sicherheit den Charakter, aber wer den reinen Schmerz (nicht nur physisch gemeint, sondern auch im psychischen Sinne, d.h. auch z. B. die Abneigung gegen eine Übung) als Grund und Antrieb zum Training hat sollte wohl eher therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen.

Grüße,
MetroN

P.S. Was heißt eigentlich "hg"? :D

Thorre
02-07-2002, 17:34
hallo klaus,

mann, an Dir ist ja direkt ein politiker verloren gegangen (oder bist Du vielleicht einer?), so wie Du mit diffamierenden unterstellungen um Dich wirfst. diese strategie ist zwar leicht durchschaubar, aber dennoch effektiv:

hat man jemanden ersteinmal als geisteskranken tyrannen beschimpft, dann wird schon was davon hängenbleiben, egal was der beschuldigte dann sagt, nicht wahr!

allerdings unterschätzt Du mich gewaltig, wenn Du glaubst, daß ich diesen mist einfach so hinnehme. wie ich bereits angedeutet habe, war meine zurückhaltung auf Deine spekulationen in der vergangenheit von dem glauben geprägt, daß wir in vielen dingen ähnlich denken. ich habe Dir angeboten, zu einer freundschaftlichen kontroverse zurückzukehren, bei der jeder seine gedanken vortragen kann und herausfindet, was der andere dazu zu sagen hat. selbstverständlich können wir uns dabei nur auf das gesagte beziehen, eine quasi psychoanalytische einschätzung der person (die man nicht kennt) wie Du sie betreibst, ist nicht nur anmaßend, sondern auch unfair, weil jedes geschriebene wort wirkung hinterläßt, selbst wenn es der absolute schwachsinn ist.

und schwachsinn, lieber klaus, ist Deine behauptung, ich würde meinen schülern erklären, daß ich "die welt verstanden hätte". das verhältnis von schüler und meister in den traditionellen kampfkünsten wurde bereits von vielen autoren beschrieben, in meinem thread stand dazu nichts, was irgendjemand provozieren würde, wenn er die kampfkünste kennt.

(falls Du das nicht glaubst, hier mal was von werner lind - ich hoffe, daß dieses kurze zitat legitim ist:

"Auf dem Weg zielen alle zu übenden Techniken auf ein inneres Wachsen, und je vollendeter die Technik, um so größer die Forderung des Weges nach dem vollendeten Menschen. Jeder wirkliche Meister wird seine Kunst nur zu diesem Zweck verwenden. In Asien wird ein Mensch, der die höchsten Philosophien der Künste beherrscht, sie jedoch nicht als Wegmöglichkeit versteht und einsetzt, nicht als Meister betrachtet...
Das einzige, was den Meister interessiert, ist der Kampf des Schülers gegen sein Ich. Kein Meister wird einen Anfänger je als etwas anderes betrachten als eine vom kleinen Ich verhinderte Möglichkeit zum Wachsen...
Kein Schüler sollte von einem Meister das pädagogische Verhalten des braven Schullehrers erwarten oder die Vermittlung herkömmlicher Werte, denn er bekämpft gerade das, was dem Durchschnittsbürger heilig ist...
Was vom Meister ausgeht, ist dem mittelmäßigen zuwider, denn der Meister zerstört, wo immer er kann, alles, was dieser sich erwünscht und erträumt. Was ein Meister lehrt, richtet sich gegen Habgier, Selbstsucht, Egoismus, Denkfaulheit und fordert ständig auf zum Kampf gegen Trägheit und Stumpfsinn...
Der Meister fordert die Überwindung des Ich in jeder Beziehung...
Im Grunde genommen lehrt ein Meister nichts, sondern überwacht den Kampf des Schülers um eine eigene Gesinnung, um einen tragfähigen Untergrund für einen selbständigen Geist. Seine Aufgabe ist es zu zerstören, was diesem Kampf im Wege steht...
Der Schüler spielt das Spiel, doch der Meister bestimmt die Regeln. Nie wird er etwas lernen, und nie wird er etwas verstehen, wenn er diese Regeln ablehnt..."

ich könnte x weitere texte von vielen verschieden verfassern zitieren, die viel härte töne anschlagen. mal sehen, wie weit Du in Deinen behauptungen noch gehst, wahrscheinlich irren sich also auch w.lind und die anderen autoren, oder sind sie Deiner meinung nach sogar alle ein fall für die psychiatrie? zumindest bedeutet der umstand, daß viele autoren ähnliches schreiben doch immerhin, daß ich mir hier keine privatphantasie zusammengebastelt habe.)

aus alldem wird also zunächst klar, daß Du glaubst, mich so ungeschickt angreifen zu können, obwohl Du weder mich noch meinen unterrichtsstil kennst. Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie herzlich meine schüler bei Deinen worten lachen würden, denn ich bin alles andere als ein wirklich strenger lehrer. wahrscheinlich läuft mir da jeder bundesliga-fußballtrainer den rang ab.

ein weiterer punkt, der zeigt, wie ungerechtfertigt Deine behauptungen sind, ist die tatsache, daß ich mich im gegensatz zu vielen anderen traditionellen lehrern gerade mit der frage von machtmißbrauch und geistiger manipulation in den kampfkünsten auseinandergesetzt habe. dazu gibt es auch einen umfangreichen artikel auf der website unserer schule. ist das dann Deiner meinung nach alles mache, um über meine eigentlichen absichten hinwegzutäuschen?

Du schreibst:
"Im Übrigen, gekränkt bin ich keineswegs, da ich mich nicht so richtig erinnere mich über die Maßen mit Deinen Behauptungen auseinandergesetzt zu haben. Auch nicht zum Thema Qigong, bei dem ich auch mal wissen möchte wo ich mich denn da "geirrt" habe."

nun, daß Du Dich intellektuell überhaupt mit meinen behauptungen auseinandergesetzt hast, wage ich zu bezweifeln. vielmehr scheint es so, daß Du nur nach aufhängern suchst, um Deine weder durch wissen noch durch rationales denken geprägten vorwürfe abzusondern. da Du in Deiner ersten reaktion gekränkt auf meine website-kritik reagiert hast und in dieser haltung bis zum heutigen tag verharrst, muß man schon annehmen, daß es Dir gar nicht um die eigentlichen fragen geht.

mal zur erinnerung, Deine worte:
"wenn Du schon die Website anderer kritisierst, dann fang mal gleich bei Deiner an und entfern mal schnell das Bild wo einer mit seinem ausgemergelten Fakirkörper auf Erleuchtung macht. Das ist nämlich eher typisch für eine Entwicklung gewisser indischer Richtungen, die weder Boddhidharma noch Siddharta Gautama Buddha so toll fanden."

tja, fehler nr. 1. die statue stellt einen fastenden buddha - keinen yogischen fakir - dar. ich denke, wir können einem museum in kyoto da wohl mehr vertrauen, als Dir.

"Und bei der Gelegenheit überdenkst Du auch mal ob Deine selbstzusammengefriemelten Yogaübungen anstelle des eigentlichen Shaolin-Qigongs überhaupt ins System passen, und welche Wirkung das eigentlich hat."

fehler nr.2. Du hast nicht die geringste ahnung vom stellenwert des yoga und des chi gung in meinem training, ich habe mit keinem wort gesagt, daß ich eines für wichtiger als das andere halte. also reine spekulation. desweiteren dürftest Du Dir wohl aus der ferne kaum ein urteil über die qualität der yogaübungen in meinem unterricht machen können. wiederum nur miesmache.

"Man kann nicht an seinem Denken rumschrauben wie man lustig ist, ohne den Verstand zu verlieren. Auch und insbesondere nicht wenn man sich das selbst als "Meditation" verkauft."

fehler nr. 3. also entweder hast Du keine ahnung von meditation (was ich nicht glaube) oder dies ist ein weiterer versuch, mit dreck zu werfen. das unbesorgte herumschrauben am denken, ist keinesfalls ein grundkonzept meines trainings. und meditation hat auch nichts mit bewußtem denken zu tun. was soll der schwachsinn also?

fazit: Du hast mich da wirklich auf dem falschen fuß erwischt. nachdem ich Dir anbot, zum eigentlichen zurückzukehren, deklassierst Du Dich mit weiteren schmierigen diffamierungen. nocheinmal: verkneife Dir, die pyche von menschen resümieren zu wollen, die Du nicht kennst. und was den emotionsstreit angeht, so scheint mir eine präzise, logische argumentation weitaus reflektierter, als Deine hilflosen versuche, vorwürfe zusammenzuschrauben, die Dir peinlich wären, wenn Du sie mal aus einer emotional distanzierten perspektive betrachten würdest...

hg
thorre

Klaus
02-07-2002, 18:27
Deine meterlangen Ergüsse über die Stellung des Meisters (deine) sprechen eine andere Sprache. Wobei ich zugeben muß daß meine Sicht nicht ungefärbt durch persönliche Kontakte zu "Meistern" der besonderen Art war (Alkoholiker, mit Hang zum schönen Geschlecht (13) und Brutalität gegenüber schmächtigen Teenies). Der war auch Meister, nach seiner Meinung.

Gehen wir mal davon aus daß Du lediglich einen Hang zur Ausschweifung hast und mit Deiner Rolle als Übungsleiter doch sorgsamer umgehst als es den Anschein hat. Das Pochen auf Unterordnung und Verzicht auf "persönliche Befindlichkeiten" hat allerdings den Knopf so klasse getroffen wie irgendwas. Ich hoffe Du vergisst nicht daß Schüler hierzulande in Duisburg-Buchholz und Berlin-Kreuzberg wohnen, und nicht auf dem Mt. Songshan. Deine ganzen Schilderungen haben REICHLICH was von einer Sekte.

Tatsächlich bin ich da ein wenig empfindlich.

Qian
02-07-2002, 19:28
Hallo Thorre

Theoretische Darlegungen und persönlichen Angriffe sind in großer Menge ausgetauscht worden.

Beschreibe doch bitte einfach mal, wie das Training bei euch abläuft. Dann kann man sich vielleicht ein besseres Bild davon
machen, wie Du Kampfkunst praktizierst, vielleicht werden auf diesem Wege auch Missverständnisse ausgeräumt.

Mich würde z.B. interessieren, wie Du die theoretischen Überlegungen zur Unterordnung des Schülers in die Praxis umsetzt.
Welche Freiräume haben Deine Schüler (wenn sie denn welche haben) usw.

Grüße Qian

PS: Es gibt nur einen Rudi Völler, es gibt nur eeeiiinen Rudi Völler....:klatsch:

Thorre
02-07-2002, 22:01
hallo klaus und qian,

erstmal große freude hier, weil Du, klaus, Deine worte etwas relativiert hast. ich gebe Dir ja auch recht darin, daß man aus meinen überlegungen schlußfolgern könnte, daß ich von meinen schülern mehr verlange, als in unserer kultur sinnvoll erscheint. die realität ist aber eine andere:

das training beginnt mit dem üblichen traditionellen zeremoniell, das jeder von Euch kennt, also verbeugung vor dem dojo, aufstellung und verbeugung von schülern und lehrer. dann übernimmt einer der schüler (meist der ranghöchste) die erwärmung, es folgt die bodenschule (rollen, überschläge, radschläge, aufspringen aus der rückenlage etc.) - angeleitet von einem anderen älteren schüler, dann kommt eine dehungsphase (die in unserem fall aus klassischen yogaübungen besteht und in der jeder schüler die übungen macht, die er für richtig hält).
der nächste trainingsblock besteht aus formen bzw. basistechniken. bei den basistechniken setzen die schüler schritt und technik auf mein kommando, was wohl als allgemein übliches procedere gelten darf.
die formen werden im block geübt, damit habe ich aber nicht viel zu tun, das machen die schüler selbstständig - sie einigen sich darauf wer anzählt etc. ich komme ab und zu "vorbeigeschlendert", um zu schauen. in der zwischenzeit üben andere schüler "mushin" (bei uns in form einer konzentrations- und reaktionsübung, die darin besteht, einen staffelstab mittels schlagbewegung zu fangen, den der partner senkrecht vor dem körper fallen läßt) oder anfänger werden separat von älteren schülern in die grundpositionen eingewiesen. es geht also grüppchenweise zu, ein bild des allgemeinen gewusels, dennoch arbeiten alle konzentriert und ruhig.

es gibt keine langen debatten, falls ein fortgeschrittener sich doch mal dazu verleiten läßt, einem anfänger lange vorträge über ma bu oder gung bu zu halten, gibts von mir ein kurzes brummen und das philosophieren wird auf später verschoben.
im folgenden teil des trainings werden applikationen, partnertechniken und freikampftechniken geübt. in den kurzen erholungspausen werden atemübungen gemacht, die schüler können was trinken (was besonders bei der aktuellen hitze wichtig ist) und sich lockern.

wenn ich sehe, daß sich meine schüler überhaupt nicht anstrengen (was ziemlich selten ist), lasse ich beinschläge, sprünge oder fausttechniken auf sehr schnelles kommando üben. da kann sich dann niemand ausruhen. das ist nur selten notwendig, weil die allgemeine stimmung meist sehr gut ist und sich die leute von selbst ziemlich abrackern.
es gibt auch härteproben (z.B. 100 kampfrollen am stück) und "mutproben" (sprünge über drei hocker mit anschließender kampfrolle), allerdings ist dabei noch niemand zusammengebrochen oder hat sich verletzt, ich denke, daß ich einschätzen kann, wie stark ich einen schüler fordern kann.

am ende des trainings wird gedehnt und auch mal partnerweise der rücken geknetet. dann aufstellung, kurzes sitzen in konzentration (ca.2minuten) und schließlich verbeugung - das war´s, schon sind wieder 2 stunden rum. natürlich variiert jedes training etwas, aber der aufbau ist immer ähnlich.

vor einigen tagen kam ein neuer schüler zu uns und sagte nach dem ersten training, daß er erstaunt und erfreut sei, wie sehr das training in seiner atmosphäre inhalt und gestaltung der website entspricht. die schüler verhalten sich untereinander respektvoll und aufmerksam, arbeiten konzentriert, alles wirkt harmonisch und eingespielt.

die unterordnung, die ich nicht brüskiert, sondern entschieden fordere, entspricht dem, was man wohl als grundlegendes prinzip der tradition ansehen kann: nicht der schüler entscheidet darüber, was im training geübt wird, was eine korrekte und was eine falsche technik, oder eine korrekte oder falsche haltung ist, sondern der lehrer. die schüler, die mit der fiktion ins training kommen, für ihr geld nun auch gut entertained zu werden, erleben bei mir jedenfalls etwas, das sie vielleicht nicht sofort verstehen. ich bin weder ein animator noch eine gouvernante. wer lernen will, ist herzlich willkommen, wer eine kung fu spaß-truppe sucht, kommt nur einmal.

herzliche grüße
thorre

ps: hey qian, vielen dank für deinen orientierenden hinweis.

hanzaisha
03-07-2002, 08:50
na endlich... ich dachte schon dieser thread gerät immer mehr ausser kontrolle. schön, dass man hier wieder etwas nahrhaftes zu lesen bekommt!!!:)

Thorre
03-07-2002, 11:56
hi metron,

Du schreibst:
"Mir kommt der erste Teil Deiner Gedanken zur Philosophie eher wie ein Vergleich zwischen 'Westlicher Wissenschaft' und 'Asiatischer Philosophie' vor."

Du hast recht, ich habe vielleicht nicht ausführlich genug dargestellt, wie die aufklärung spirituelle (religiöse, ganzheitliche, mystische) denkweisen verdrängte. das resultat war jedoch in meinen augen die allgemeine hinwendung zum glauben, daß die wissenschaftliche betrachtung der welt einen adäquaten ersatz für jene spirituellen philosophien darstellen könnte. statt an gott zu glauben, glaubte man nun an die mathematik und an die physik. diese geisteshaltung prägt in unserer zeit innerhalb des abendlandes die allgemeine sicht der dinge.

die explikationen der klassischen philosophie der antike (platon, sokrates etc.) spielen im bewußten denken der menschen heute keine gewichtige rolle, obwohl sie natürlich die basis der naturwissenschaftlichen entwicklung in europa darstellen und auch neuere philosophen beschäftigt haben.

im gegensatz zum insgesamt progressiven charakter von philosophie und kunst des abendlandes ist für asiatische philosophie und kunst eine geisteshaltung kennzeichnend, die nicht unbedingt nach grundsätzlich "neuen" erkenntnissen oder prinzipien sucht. in china beispielsweise haben maler sowohl vor 1000 jahren als auch heute den bambus in fast identischer weise dargestellt. die fanatische suche nach "neuem", das übertreffen des bisherigen ist eine geisteshaltung des abendlandes.

man kann also wohl behaupten, daß für einen chinesen die schriften des daoismus verbindlicher sind, als die texte des sokrates für einen europäer. der durchschnittliche europäer glaubt an gar nichts, er philosophiert auch nicht und bezieht sich ebensowenig auf eine spirituelle lehre. er verwechselt fühlen, denken und wollen, orientiert sich an den offenbarungen der wissenschaftler (der regenwald muß deshalb geschützt werden, weil sonst der sauerstoff vielleicht zu knapp wird, es geht nicht um seele, leben als wert an sich etc.) somit erklärt sich mein vergleich westlicher rationalismus - östliche ganzheitlichkeit.

ich habe das natürlich alles etwas zugespitzt dargestellt, aber die grundaussage ist wohl durchaus nachzuvollziehen.

herzliche grüße (hg)
thorre

hanzaisha
03-07-2002, 12:20
Original geschrieben von Thorre
...man kann also wohl behaupten, daß für einen chinesen die schriften des daoismus verbindlicher sind, als die texte des sokrates für einen europäer. der durchschnittliche europäer glaubt an gar nichts, er philosophiert auch nicht und bezieht sich ebensowenig auf eine spirituelle lehre. er verwechselt fühlen, denken und wollen, orientiert sich an den offenbarungen der wissenschaftler (der regenwald muß deshalb geschützt werden, weil sonst der sauerstoff vielleicht zu knapp wird, es geht nicht um seele, leben als wert an sich etc.) somit erklärt sich mein vergleich westlicher rationalismus - östliche ganzheitlichkeit.

wenn ich da mal meinen senf dazugeben darf:
wenn man versucht, heutzutage eine gepflegte konversation zu führen, die nicht von fußball oder autoradios handelt, kann man ganz schön alleine dastehn. oder man setzte sich mal ausserhalb eines studentenviertels in ein cafe und lese ein buch von nietzsche. da wird man vielleicht angeguckt.

die asiaten haben vor jahrtausenden schon porzellan hergestellt, während wir in mitteleuropa noch "in höhlen saßen" und einige lehren der asiatischen philosophien haben sich über jahrtausende durchgesetzt, weil man eben gut damit gefahren ist(finde den vergleich mit dem bambus überigens sehr gut, aber man schau sich nur die kalligraphien und bücher an, die architektur und natürlich die ganze einstellung zum leben). in mitteleuropa sind die menschen über die letzten jahrhunderte mit den unterschiedlichsten kulturen durch die unterschiedlichsten herrscher anscheinend so durcheinandergewürfelt worden, dass man aufgehört hat zu philosophieren weil man sich ständig neu anpassen mußte-obwohl... es gibt da ja noch den herrn schlingensief ;)

Qian
03-07-2002, 15:08
Hallo

ich will mal bezweifeln, dass man sich mit einem Durchschittschinesen über das Tao Teh King unterhalten kann. Was nicht heißt, dass Millionen von ihnen jeden morgen Übungen praktizieren, die ihnen ihr Opa gezeigt hat und die mal von daoistischen Einsiedlern entwickelt wurden. Aber ein gepflegtes Gespräch über die Tiefen des daoistischen Denkens würde ich nicht bei der großen Allgemeinheit erwarten.

Die Beschäftigung mit Philosophischem und Spirituellem trifft man in allen Kulturen nur bei einer Minderheit - siehe dieses Forum - und das ist auch in Asien nicht anders.

Während in Asien Porzellan hergestellt wurde, wir in unseren Höhlen saßen (wo es gemütlich und warm war), gab es germanische und keltische Priester/Schamanen, die ähnliche Ansichten gehabt haben dürfen wie die Daoisten. Der Daosimus ist auch aus schamanischen Anschauungen entstanden.

Die germanische und keltische und slawische usw. Verbundenheitmit der Natur ist erst durch das Christentum und dann die Aufklärung erstickt worden - aber zu jeder Bewegung gibt es auch eine Gegegnbewegung - siehe die westliche Esoterikwelle.

So viel zunächst

Qian

Qian
03-07-2002, 16:32
Hallo Thorre

"die unterordnung, die ich nicht brüskiert, sondern entschieden fordere, entspricht dem, was man wohl als grundlegendes prinzip
der tradition ansehen kann: nicht der schüler entscheidet darüber, was im training geübt wird, was eine korrekte und was eine
falsche technik, oder eine korrekte oder falsche haltung ist, sondern der lehrer."

Was würdest Du machen, wenn einer deiner Schüler ein ausgebildeter Orthopäde ist und dir sagen würde, dass seiner Meinung
nach eine bestimmte Bewegung/Haltung für die Knie langfristig schädlich ist? Auch manchen klassischen Yoga-Übungen wird
von Orthopäden vorgeworfen, dass sie z.B. den unteren Rücken zu sehr belasten oder zur Überdehnung führen (z.B. der
"Pflug"). Was ist also, wenn Tradition auf moderne Wissenschaft trifft - auf die gesundheitliche Bedeutung einzelner Übungen
bezogen jetzt nur - und dies auch noch in das Lehrer-Schüler-Verhältnis hineinfließt? Wem ist letztendlich die höhere Autorität
zuzubilligen?

Die Welt ist komplizierter, als manche Tradition es zulässt.

Freundliche Grüße

Qian

Thorre
03-07-2002, 19:59
hi qian,

ich bin ausgebildeter physiotherapeut und würde wahrscheinlich reflexartig auf die autorität "orthopäde" reagieren, das verinnerlicht man in den medizinischen berufen...
aber mal im ernst: wenn ich auf jemanden treffe, der experte auf einem gebiet ist, das mein training tangiert, versuche ich zu lernen.
das kann die ausprache chinesischer begriffe, tcm und vieles andere betreffen.

grundsätzlich ändert das jedoch nichts, denn ein kampfkunst-lehrer ist kein wandelnder brockhaus und auch kein halbgott. die rolle des lehrers so verstehen zu wollen, läuft immer schief.

es ergibt sich also die äußerst spannende frage, was genau ein kampfkunstlehrer denn seinen schülern außer den techniken beibringen will...

hg
thorre

SQ
06-07-2002, 19:15
hi thorre,

bist du nicht der herr schlameus aus berlin, der das nördliche lohan kung fu unterrichtet?

Thorre
07-07-2002, 01:00
hey christian,
sag mal, wir kennen uns doch nun mittlerweile, wieso fragst Du?

herzliche grüße
thorre

Patrice Nouel
25-08-2005, 13:59
Sorry - aber was hast du denn geraucht ???? :ups:

Lese nicht eine Philosopische Erkenntnis oder Merksatz.

_____________________________
"Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg.
Was Wir Weg nennen, ist Zögern."


So, und jetzt Du bitte.

.

mantis.wilm
25-08-2005, 14:24
Da bist Du etwas spät dran...

malice
25-08-2005, 14:35
das ist die Philosophie der Reincarnation :)

:sport146:

mantis.wilm
25-08-2005, 14:53
Aber es hat sich irgendwie gelohnt- ist ein geiler Thread...so viel Gelaber um so wenig Inhalt:)

malice
25-08-2005, 15:06
habe gar nicht die Zeit mir das alles durchzulesen

jinkazama
24-10-2005, 16:47
die einzige philo ist es, seinen aggressiven charakter auszuleben. hartnäckig und ausdauernd zu werden.