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Vollständige Version anzeigen : Techiken im Dojo und "Weg" in der Kirche ?



itachi
11-04-2005, 12:45
Hallo, ich würde gerne Eure Meinungen erfahren:

Ich habe gerade ein Buch über Zen (Meditation, teilw. buddistisch) in den Kampfkünsten gelesen (von Zen-Meister Deshimaru) und nun ein SV-Buch eines Amerikaners (9. Dan, natürlich Oberguru seiner eigenen Stilrichtung) angefangen.

Während Deshimaru ganz traditionell sagt, ohne Zen, ohne Beschäftigung mit Leben und Tod, dem Hier-und-Jetzt etc. sind alle Kampfkünste nur Rumgehopse, unterteilt Dillman Karate in 2 Richtungen: Karate-Do als Kinder-Version, ungefährlich, mit dem Ziel der Körperertüchtigung und dem Einprägen ein "guter Mensch" werden zu wollen und andererseits Karate-Jitsu als die alten, gefählichen Techniken, die geheim weitergegeben wurden. Er zieht letztes vor und schreibt, daß Trainer und Eltern dafür sogen sollten, daß die Ausbildung zum "guten Menschen" in der Kirche, Moschee, Synagoge oder im Tempel erfolgt, also vollständig abgetrennt vom Karate.

Was meint Ihr dazu ?

In Europa, wo Religion nicht mehr eine solche Rolle spielt wie in den USA, scheint mir das unmöglich, zumal z.B. Funakoshi in seinem "Ehrenkodex" auch Verhaltensweisen fordert ("sei höflich"), die andererseit in den 10 Geboten etc. nicht erwähnt werden...

itachi

nrwboy
11-04-2005, 12:50
also ich würde sagen kampfkunst ist kampfkunst und religion ist religion. das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. jemand kann kampfkunst machen, auch wenn er überhaupt gar keiner religion angehört, hauptsache es macht spass und wird mit interesse betrieben.

D_Invader
11-04-2005, 12:52
Guckt mal hier:

http://www.kampfkunst-board.info/forum/showthread.php?t=23839&page=1

Da passt das ziemlich gut herein, denke ich. Hab auch schon meinen Senf dazugegeben :D

saito
11-04-2005, 21:46
@ nrwboy
dann definiere doch mal bitte religion.
und auf jeden fall hat kampfkunst mit religion und andersrum zu tun, wie auch alles andere mit religion zu tun hat.

mfg

itachi
11-04-2005, 22:00
Danke an D-Invader für den Link zum anderen Threat, ist interessant da reinzulesen.

Die Hauptfrage für mich ist hier allerdings: Kann man Karate ohne philosophischen Hintergrund und ohne die Vermittlung von ethischen Werten lehren und für diese Belange einfach sagen: "Dafür ist je Deine jeweilige Religion zuständig!" ?

itachi

Marcus2005
11-04-2005, 22:01
Nehme meine Signatur, und die Aussagen Funakoschis. Dann kannst du deine Frage selbst beantworten.

Um es allerdings kurz zu machen, Karate (Shotokan) hat in der Lehre genauso viel mit Religion zu tun, wie alle anderen Gruppierungen auch. Nur wird er etwas diferrenzierter. Eigentlich sind es Regeln, die viel mit vernünftigen und guten Umgang zu tun haben. Diese sind leider in unserer Gesellschaft oft verkorckst, und werden mit füssen getreten. (Bild Zeitung hätte keine Chance).

Undayag
11-04-2005, 22:25
Hey itachi großen Respekt!!! :respekt:

Gute Frage , die immer wieder Thema ist.
Aus meiner Sicht sprichst du einige Haupttheman an, die du jedoch vermischt. Grundsätzlichkommt das Wort Religion von dem lat. Wort re-ligio was sinngemäss Rück- Verwurzelung bedeutet. Also deine/unsere Vorstellungen von Werte und Normen. Diese kommen nun aus verschiedensten Richtungen, alle jedoch aus Richtung des Glaubens. (Das war der kleine Exkurs zum Thema Glaube).
Die Kampfkünste setzen sich seit je her mit dem Thema Leben und Tod auseinander. Deshimru schrieb, dass der Sinn des Budo unmittelbar mit Zen in Verbindung steht. (Ursprünglich bei den Kampfkünsten bekannt aus dem Zen Buddhismus). Das jedoch stellt ansich keine Religion dar, sondern eine Haltung und Übung! :Think:
Ohne diese Haltung schrieb dieser, wäre Kampfkunst nicht das was es ist, sondern weiterhin rohes Kampftraining. Also eine Möglichkeit, den WEG nach innen zu beschreiten.
Jetzt kommt der für mich super interessante Aspekt Deiner Frage: :klatsch:

Welche Haltungen vertrittst du selbst??

Ich werde mich an dieser Stelle kurz und heftig outen :confused:

Auf dem Weg meiner Kampfkunstlaufbahn (immerhin mal 30 Jahre), hat mich auch eigentlich fast jeder Lehrer in diese Richtung neugierig gemacht, keiner aber eine eindeutige Haltung gelebt und vertreten. Spiritualität ist ein eindeutiges und wichtiges Thema (für mich) bei der Kampfkunst.
Inzwischen bin ich nun überzeugter und klar bekennender, glücklicher Christ und gehe gerne mit jedem Menschen in den Dialog (ohne irgend jemanden von einer anderen Meinung überzeugen zu wollen!), der da nun auf diesem Weg umher irrt.
Dein Einwand verstehe ich nicht genau, da in der Bibel viele andere klare Verhaltensregeln stehen, die wert-voll und klar sind. (Aus der Bibel stammt übrigens der Satz, dass der Mensch aus der Dreieinheit Körper, Seele und Geist besteht)

Kampfkunst ist also sicher nicht eine Religion, sondern vielmehr eine ganzheitliche Methode sich sebst zu ent-wickeln und macht unter anderem auch sensibel auf das Thema Glaube.
Und ich wiederspreche dir :bang: , dass in Europa die Religion nicht so eine Rolle spielt!! (und das lasse ich einfach mal so stehen!)

Hast du dich bereits entschieden den hellen oder den dunklen Weg zu gehen??? :engelteuf

Nochmals, du hast meinen Respekt :halbyeaha

FireFlea
12-04-2005, 03:40
Ich hatte vor kurzem eine sehr interessante Diskussion mit einem in Japan lebenden Dr. der Japanologie; Spezialgebiet Zen - Buddh. (hat auch an einer jap. Uni unterrichtet und ist Buchautor) und ebenfalls Kampfkuenstler; der die oft gebrachte Verbindung zwischen KK und Zen fuer viel zu uebertrieben haelt und der Meinung ist, dass Religion Religion und KK schlicht ein Werkzeug zum Kaempfen ist.

weudl
12-04-2005, 06:08
Ich hatte vor kurzem eine sehr interessante Diskussion mit einem in Japan lebenden Dr. der Japanologie; Spezialgebiet Zen - Buddh. (hat auch an einer jap. Uni unterrichtet und ist Buchautor) und ebenfalls Kampfkuenstler; der die oft gebrachte Verbindung zwischen KK und Zen fuer viel zu uebertrieben haelt und der Meinung ist, dass Religion Religion und KK schlicht ein Werkzeug zum Kaempfen ist.

Da hat er grundsätzlich auch sicher recht. Was die KK zu Zen macht ist aber nicht die Tätigkeit des Kämpfens sondern die Geisteshaltung mit der man dies tut (gilt auch für andere Künste wie Ikebana, Sumie,...).

Ryushin
12-04-2005, 09:47
Ich hatte vor kurzem eine sehr interessante Diskussion mit einem in Japan lebenden Dr. der Japanologie; Spezialgebiet Zen - Buddh. (hat auch an einer jap. Uni unterrichtet und ist Buchautor) und ebenfalls Kampfkuenstler; der die oft gebrachte Verbindung zwischen KK und Zen fuer viel zu uebertrieben haelt und der Meinung ist, dass Religion Religion und KK schlicht ein Werkzeug zum Kaempfen ist.

Dem kann ich nur zustimmen ... vielleicht ließe sich noch ergänzen, das imho die Herstellung dieser Verbindung weitaus stärker in den westlichen als den asiatischen Kulturen propagiert wird.

Rgds,
Ryushin

Kathi86
12-04-2005, 15:36
Ich habe gerade gestern auch über die Vereinbarkeit von Religion (Christentum) und Karate-Philosophie nachgedacht, und bin eigentlich zum Schluss gekommen, dass man die beiden nicht so problemlos miteinander vereinbaren kann: Knackpunkt ist für mich das Thema "Nächstenliebe". Man soll ja auch die zweite Wange hinhalten. Und wozu machen wir Karate? Eben um uns zu verteidigen. Mir ist schon klar, dass das mit der zweiten Wange natürlich auch auf interlektueller Basis gemeint ist, aber so rein physisch gesehen, passt das nicht.

Karateka_
12-04-2005, 16:58
Ich habe gerade gestern auch über die Vereinbarkeit von Religion (Christentum) und Karate-Philosophie nachgedacht, und bin eigentlich zum Schluss gekommen, dass man die beiden nicht so problemlos miteinander vereinbaren kann: Knackpunkt ist für mich das Thema "Nächstenliebe". Man soll ja auch die zweite Wange hinhalten. Und wozu machen wir Karate? Eben um uns zu verteidigen. Mir ist schon klar, dass das mit der zweiten Wange natürlich auch auf interlektueller Basis gemeint ist, aber so rein physisch gesehen, passt das nicht.

Da steht auch geschrieben Geben ist seliger als nehmen... :D :D
Ok Ok aber mal im Ernst. Training oder Wettkämpfe sehe ich da unbedenklich weil sich ja alle darüber im klaren sind was sie machen (und sich gegenseitig antun). In einer realen Situation muss man sich halt entscheiden wie man sich verhält. Die Einstellung von Jesus oder Gandhi werden aber wahrscheinlich die wenigsten an den Tag legen können und wollen. Schliesslich hat man auch eine Verantwortung sich selbst bzw. seiner Familie gegenüber.

Und der Sinn der von Dir zitierten Bibelstelle ist wahrscheinlich nicht das man sich alles gefallen lässt.

Religion oder Ethik sollen uns dabei helfen unsere KK Fähigkeiten nicht zu missbrauchen.

Grüsse

Christoph

itachi
13-04-2005, 11:04
Hallo alle zusammen !

Undayag fragte nach meiner Einstellung:
Ich selbst versuche mir Funakoshis Leitsätze zu Herzen zu nehmen, was mir im Alltag nich so gut gelingt wie im Dojo. Außerdem möchte ich in Konflikt-Sitautionen immer schön ruhig bleiben, was mir noch immer schwer fällt (manchmal hab ich einfach die Schautze voll und muß sie dann aufreißen!!!)

Als Trainer führe ich meine Schüler, meist Kinder und Jugendliche, an das Thema Leitsätze und Ethik heran, weil ich es spätestens in der SV brauche (dann auch Notwehr-Paragraf etc., aber eben auch Ethik: wie stark sollte ich zurückschlagen ?)
Teilweise mit mäßiger Begeisterung, weshalb sie es immer wieder vorgesetzt bekommen...

@Kathy86: Ich sehe das mit der 2. Wange bereits im Gohon-Kumite erfüllt: In dieser ÜBUNGSFORM (mehr ist es eben nicht), lassen wir uns 5 Mal angreifen (ganze 5 Chancen für den Angreifer, den Kampgf für sich zu entscheiden...)bevor wir kontern. Noch friedvoller geht's kaum noch, oder ?

Und wenn Karateka_ schreibt: "Religion oder Ethik sollen uns dabei helfen unsere KK Fähigkeiten nicht zu missbrauchen." dann stimme ich dem voll und ganz zu: Ich denke nicht, dass die Ethik für diese Fragen einer anderen Institution (Kirche,...) überlassen werden sollte, sondern dass sich jeder Trainer gefälligst selbst darum kümmert, was seine gelehrten Techiken in den "falschen" Händen anrichten können. Und folglich seinen Schülern selbst die Werte (denn eine "Religion" ist in der Tat zu weit gegriffen!) vermittelt, damit sie mit dem Gelehrten verantwortungsvoll umgehen können.

itachi

Ki. 102
13-04-2005, 12:02
Hi !
Wenn wir von der "ganzheitlichen Methode sich selbst zu entwickeln" ausgehen (wie Undayag schrieb) und dazu die Verknüpfung mit dem Dojokun und den 20 Regeln Funakoshis bejahen, dann muss man sagen, dass Karate doch möglicherweise (ich drücke mich vorsichtig aus) eine quasi-religiöse Funktion übernehmen kann - mit dem Riesenvorteil, dass man nicht irgendwelchen Quatsch für wahr halten (glauben) muss.

Dass das nicht jeder für sich auch so sehen muss liegt auf der Hand.

GRUß !!

Undayag
13-04-2005, 20:13
Hallo itachi und hallo Ki.102,
nochmals um alle Zweifel aus zu räumen. Kampfkunst hat (für mich als Christ)nicht im Entferntesten irgend etwas mit einem "Akt" der Religion zu tun. Ich werde mich hüten Gott und Jesus mit Kampfkunst gleichzusetzen! :motz:

Die Kampfkunst verhilft (mir) unter anderem mein Verhalten zu erkennen und schulen. Selbstverständlich ist auch der SV Aspekt wichtig. Ich erkenne aber auch, dass sich meine Haltung seit Anfang an verändert. Mir ist der Begriff "friedvoller Krieger" immer wichtiger geworden, dessen Wortinhalt sich immer mehr mit einem zu-frieden-eren Gefühl füllt. :D :D

Wenn ich ehrlich bin, ist mein Herz sehr wütend gewesen, wenn ich meine Lebensgeschichte bisher so ansehe. Um nicht in Wirklichkeit ernsthafte Probleme zu bekommen, hilft es mir, mich "nach allen Regeln der Kunst zu schlagen", ohne jemanden ernsthaft schaden zu müssen. So ein Dojo ist dafür einfach super! :klatsch:
Die Übung machts, dass ich das Dojo IMMER MEHR mit in den Alltag nehme.
Ich danke Gott, dass ich das erleben darf! :verbeug: :verbeug:

Black Fire
13-04-2005, 21:48
Ich denke, das sich KK in der Regel nicht mit einer Religion gleichsetzen läßt.
Der Grund dafür liegt einfach in der Definition:
Religionen berufen sich in aller Regel auf diverse sakrale Entenitäten (Götter *g*). Die Kampfkunst beruft sich im Grunde auf die Selbsterhaltung (Aspekte: Gesundheit, SV).

Das aber beides eine Lebenshilfe sein kann, steht außer Frage. (bei Selbsterhaltung eigentlich im Wortsinn enthalten)


Ich persönlich stehe auf dem Standpunkt, das ich mit meiner Können eine gewisse Verantwortung übernehme.
Auf der einen Seite ist die Fähigkeit, gegebenenfalls verletzen und töten zu können (da sollte man sich nix vormachen), gleichzeitig ein Grund, möglichst nicht in Situationen zu kommen, die sie erforderlich werden lassen könnte.
Auf der anderen Seite bist du aber auch in der Lage, andere Menschen damit zu schützen. Und das begreife ich für mich ebenfalls als Verpflichtung.

Das heißt, es ergeben sich für mich ganz bestimmt Verhaltensregeln, unabhängig von einer Religion.
Das heißt aber nicht, das jeder diese Ansichten teilen muss.
Da liegt dann wieder der Unterschied zu den meisten Religionen, die solche Regeln fest vorgeben. (Wobei ich mir aber die Bemerkung erlauben darf, das sie meist widersprüchlich in sich sind.)

Auch Funakoshis Regeln sind eher Richtlinien und nicht zwingend verbindlich.
Dojoregeln unterschieden sich in ihrer Schärfe und Handhabung ja auch von Dojo zu Dojo.
Für den Einzelnen haben sie nur die Bedeutung, die der Betreffende ihnen zumißt.

Aber wenn so viele sie als so bedeutend ansehen, dann muß wohl doch was an ihnen dran sein. ;)

FireFlea
14-04-2005, 03:24
@BF :yeaha:

itachi
14-04-2005, 12:54
Hi Undayag, Hi BlackFire !

@Undayag: Wenn Du den Begriff "friedvoller Krieger" verwendest, frage ich mich - ohne Dich angreifen zu wollen - ob Du zu diesem lobenswerten Ideal selbst bekommen bist oder ob die "Richtlinien" Deines Trainer dazu Ihren Teil beigetragen haben. Dann haben Funakoshis Leitsätze doch ihren Sinn erfüllt!

@Blackfire: Sicher wird in den Dojos mehr oder weniger stark auf die Etikette geguckt (Dojokun vortragen oder nur im Stehen angrüßen) und auch verschiedene Werte in den Vordergrund gestellt (emsiges Lernen oder Gewaltfreiheit). Wenn nun aber komplett auf die Vermittlung Funakoshis Leitsätze (oder denen eines anderen Stilbegründers) verzichtet wird, wie soll dann sicher gestellt werden, daß die Schüler das oben erwähnte Ideal des friedvollen Kriegers entdecken. Wenn in einem Dojo außschließlich nur Techniken vermittelt werden und das "Gute-Mensch-Werden" einfach auf die Kirche abgeschoben wird, stelle ich es mir sehr schwer vor, den Weg zum friedlichen Menschen zu finden.
Denn darauf zu bauen, daß jeder Kampfsportler von sich auch schon ein guter Mensch ist, wäre wohl blauäugig.

Ich frage mich, ob ganz sachliche "Richtlinien" wie "Ihr sollt anderen nicht weh tun" oder "nutze Deine Fähigkeiten nur im Notfall" eine ähnliche Menschen-Formung bewerkstelligen können wie die Beschäftigung mit den alt-hergebrachten Idealen ?

itachi

Ki. 102
14-04-2005, 13:00
Spiritualität mit "Kinderkarate" und ungefährlichen Techniken in Verbindung zu bringen - wie im Ausgangspost zitiert - und dagegen amoralisches, gefährliches Karate-Jitsu für die, die ihre Moral ggf. woanders herholen ("Kirche, Synagoge") :cool: - das ist doppelt Quark. Je besser ("gefährlicher") man ist, desto besser sollte auch der Charakter sein. :)
Und:
Ich denke nicht, dass die Ethik für diese Fragen einer anderen Institution (Kirche,...) überlassen werden sollte, sondern dass sich jeder Trainer gefälligst selbst darum kümmert, was seine gelehrten Techiken in den "falschen" Händen anrichten können.Zustimmung !!
Auch grundsätzlich würde ich die Karate-Philosophie (z.B. für meine Kinder) jeder echten religiösen Doktrin vorziehen, weil ich erstere für intellektuell sauber halte. (Auch wenn "die Regeln" für manche unverbindlicher erscheinen, weil kein Gott sie verkündet hat ...)
Ob Karate und Christentum zusammenpasst ist mir dagegen egal. Mit dem Christentum kann man bekanntlich Alles und Nichts vereinbaren, dafür gibt es Theologen. :o ;)

Wer seinen Gott schon woanders gefunden hat, der wird Kampfkunst eher nicht als Religion ansehen - klar. Und wer keinerlei "spirituelles Bedürfnis" hat auch nicht.
Mache reagieren (warum auch immer) sehr empfindlich, wenn man Kampfkunst irgendwie mit Religion in Verbindung bringt. (Gleichsetzen will das doch keiner ...) Dabei kommt es eigentlich nur auf die Definition an.
Wenn man den Aspekt Lebensbewältigung mit Regeln und Ritualen betrachtet ... und z.B. das Dojo als "heiliger Ort" bezeichnet wird, wie in der Budo-Charta, dann ist es nicht mehr gar so weit ...
Ich will das nicht propagieren, aber eben auch nicht verurteilen. Das ist eine individuelle Sache. Ich zum Beispiel kann mit Religion wenig anfangen, denke aber, dass ich gerade deswegen für die spirituellen Aspekte der KK empfänglich bin.
GRUß !!

DieKlette
14-04-2005, 13:11
Wenn nun aber komplett auf die Vermittlung Funakoshis Leitsätze (oder denen eines anderen Stilbegründers) verzichtet wird, wie soll dann sicher gestellt werden, daß die Schüler das oben erwähnte Ideal des friedvollen Kriegers entdecken.

Ich frage mich, ob ganz sachliche "Richtlinien" wie "Ihr sollt anderen nicht weh tun" oder "nutze Deine Fähigkeiten nur im Notfall" eine ähnliche Menschen-Formung bewerkstelligen können wie die Beschäftigung mit den alt-hergebrachten Idealen ?




Auf der einen Seite ist die Fähigkeit, gegebenenfalls verletzen und töten zu können (da sollte man sich nix vormachen), gleichzeitig ein Grund, möglichst nicht in Situationen zu kommen, die sie erforderlich werden lassen könnte.
Auf der anderen Seite bist du aber auch in der Lage, andere Menschen damit zu schützen. Und das begreife ich für mich ebenfalls als Verpflichtung.


Ich glaube eher, dass man bei alldem, was ihr euch an Gedanken macht kaum noch dazu in der Lage sein wird jemanden zu verletzten. Sich durch Karate als jemanden zu sehen, der töten kann ist oft überzogen. Und wer behauptet ein friedvoller Krieger zu sein, der sollte erstmal ein Krieger sein. Viele sind friedvoll ohne letztere Eigenschaft und das sollte zu denken geben ;). Und wenn es um die ach so gefährlichen Techniken geht, die man nur den moralisch guten Menschen zeigen sollte.... , dazu braucht man nur in den hiesigen Boxclub gehen.

Denkt mal darüber nach. Der friedvolle Krieger passt nicht in unser Gesellschaftsbild, es gibt hier schließlich keine.

Ki. 102
14-04-2005, 13:42
Denkt mal darüber nach.Oh ja gerne ! :D
Aber Themen wie: Karate gegen Boxer, Karate funktioniert nicht, (Kick-)Boxer haben auch Ethik usw. wurden ja an anderer Stelle schon mit mehr oder weniger Erfolg diskutiert. ;)
Deshalb frage ich einfach mal:
Wie hält es der Ex-Karateka mit der Spiritualität ?
GRUß !!

DieKlette
14-04-2005, 13:49
Oh ja gerne ! :D
Aber Themen wie: Karate gegen Boxer, Karate funktioniert nicht, (Kick-)Boxer haben auch Ethik usw. wurden ja an anderer Stelle schon mit mehr oder weniger Erfolg diskutiert. ;)
Deshalb frage ich einfach mal:
Wie hält es der Ex-Karateka mit der Spiritualität ?
GRUß !!

Du mißverstehst, es war keine Vergleichsfrage, sondern die Frage danach ob das mit dem "friedvollen Krieger" nicht einfach hier zu Lande überzogen ist.

Mandrake
14-04-2005, 17:59
.... Nächstenliebe ....... .... ... 2. Wange hinhalten.....

Das ist meines erachten eines der Hauptprobleme von vielen Religiösen menschen und Menschen allgemein die über Religionen schreiben. Man nimmt eine schöne stelle heraus und nimmt sie als non plus ultra für alles... hängt alles an diesen 2 Sätzen auf.

Das geht doch so nicht, dann müste Jesus sich doch selbst mal am riemen Nehmen, denn wer hat denn die Händler mit ner Peitsche aus dem Gotteshaus vertrieben? Wenn man alles am "Halt die 2. Wange hin" Spruch aufhängen müsste hätte Jesus den Händlern eine 2. Kirche hinstellen müssen.

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Meine Meinung zur Symbiose von Religion und KK, das sind meiner meinung nach 2 Völlig verschiedene sachen, und gehören überhaupt nicht zusammen. Jeder hat jedoch gewisse grundregeln unter denen er das Wissen weitergibt, wenn jemand diese nicht erfüllt wird man ihn auch nicht Trainieren.

So werden warscheinlich viele einen stadtbekannten Schläger als schühler abweisen, nicht weil er kein Christ, Budhist oder Voodoopriester, sondern weil er mit dem Wissen warwscheinlich etwas anstellen wird was uns missfällt.

Unsere Moral wird vielfach von der Religion beeinflusst, aber dennoch, mit der KK hat das nicht zu tun, sonder ganz einfach damit das jeder teil unseres leben auch die anderen Teile beeinflusst.

FireFlea
15-04-2005, 04:41
Ich denke, dass Kampfkunst (ganz allgemein) erstmal da war sich zu verteidigen; Krieg zu fuehren etc... sich eben in einer koerperlichen Auseinandersaetzung durchzusetzen. Die Spiritualitaet und Ethik kam dann in spaeteren; friedlicheren Zeiten dazu und dient imho in der heutigen KK Gesellschaft leider ebensooft zur Profilierung der "Grossmeister" wie zur tatsaechlichen Charakterentwicklung. Ich moechte das auch unterschieden wissen; ich persoenlich halte Ethik in den KK fuer eine wichtige Sache; Spiritualitaet dagegen fuer eine hoechst individuelle Angelegenheit.

Ryushin
15-04-2005, 05:56
...ich persoenlich halte Ethik in den KK fuer eine wichtige Sache; Spiritualitaet dagegen fuer eine hoechst individuelle Angelegenheit.

:respekt: :yeaha:

Rgds,
Ryushin

itachi
15-04-2005, 11:20
Hi !

@FireFlea: Sind für Dich Funakoshis Leitsätze noch Ethik oder schon spiritueller Firlefanz ?

Ich selbst möchte keine klare Trennlinie zwischen "sachlicher" Ethik und "spiritueller" Führung machen: Vorteil (und ggf. auch Nachteil, s.o.) der Karate-Regeln ist die Tatsache, daß sie ein Mensch vorgegeben hat, wer nicht an etwas Göttliches glaubt, kann diese Ergebnisse von Überlegungen eher annehmen als etwas von einer regiliösen Instanz. Aber als das Zen zu den Kampfkünsten dazukam, stand die Beschäftigung mit Leben ("im hier und jetzt") und Tod im Vordergrund. Wie sonst das Himmelreich oder ähnliche Versprechen wurde so die Angst vor dem Tod verringert, die Krieger kämpften gerne bis zu Tod. Ich finde es gut, daß mir nichts für das Leben nach dem Tod versprochen wird, was eh keiner belegen kann, sondern dass diese Frage offen bleibt (Energie zurück in den Kosmos, Wiedergeburt, schlichtes Ende von allem oder chemisches Potential an die Verbindungen in der Umgebung abgegeben, Entropie etc.).

Das ist für mich der entscheidende Unterschied, weshalb ich Zen nicht als Religion ansehe (kein Gott, kein Versprechen nach dem Tod) und den Dojokun daher nicht wie die 10 Gebote als etwas Unumstößliches (Gott-gegebenes), allerdings als weise Regeln, die nicht ohne Sinn aufgestellt wurden.

@DieKlette: Der "friedliche Krieger" ist m.E. ein Idealbild, das man/frau ansteben, aber nun schwer erreichen kann. Mir ist es lieber, durch Vorsicht nie in brenzliche Situationen zu kommen, in denen ich zum "Krieger" werden müsste, das ist für mich das Friedliche, obwohl die KK-Ausbildung uns schon langsam (aber sicher!) die Möglichkeit des Tötens näher bringt (Distanzverringerung, Kontakttraining, Wiederholung bis zum flüssigen Ablauf, gefähliche Techniken, Vital-Punkte...), hoffentlich zusammen mit (Selbst-)Kontolle !

itachi

FireFlea
16-04-2005, 03:48
Funakoshis Leitsaetze sind kein spiritueller Firlefanz sondern ganz einfache Regeln, die man beachten sollte um bei einer Sache (in diesem Fall Karate) erfolgreich zu werden und haben nicht unbedingt etwas mit Zen zu tun; aehnliche Regeln findet man auch in anderen Kulturen (dazu hab ich im Philosophie des Karate Thread mal laenger geschrieben).

So, noch mal zum Zen. Zen ist eine Religion. Denn was ist denn das Ziel des Zen ? Ziel ist die Wiedergeburtenkette zu beenden; erleuchtet zu werden und endlich ins Nirwana einzugehen. Dazu verfolgen die verschiedenen Buddh. Richtungen unterschiedliche Methoden; im Falle des Zen Buddh. (wobei es da ja auch unterschiedliche "Sekten" gibt) durch Zazen/Meditation.
Zazen ist die zentrale Praktik des Zen Buddh. (Zentrale Praktik des Karate ist kaempfen und auch Charakterentwicklung; ich finde im Karate gibt es eben Elemente, die es im Zen auch gibt wie z.B. volle Konzentration auf eine Sache usw. aber die Zielrichtung ist doch eine andere oder wollt ihr Euch durch Karate auf das was nach dem Tod ist vorbereiten ?). Weiterhin gibt es im Buddh. Goetter; Teufel und Geister (es gibt 6 Welten in die man wiedergeboren werden kann; 1.Welt der Goetter 2. Welt der Menschen 3. Welt der Tiere 4. Welt der kriegerischen Titanen 5. Welt der Hungergeister 6.Hoellen. Und diesen Zyklus will man im Budhhismus unterbrechen eben mit jeweils unterschiedlichen Methoden (Zazen im Zen; Beten beim Jodo...). Und da kann man auch ganz schoen radikal werden; ich habe einen Text gelesen (ich meine es war das "Shobogenzo" von Dogen) in dem die anderen Buddh. Richtungen ganz schoen runtergemacht werden; von wegen alles nur Mist, nur unsere Methode ist die Wahre... .

Fuer mich: Im Karate mag es Elemente geben, de es auch im Zen gibt aber Zen ist es nicht. Doch da mag jeder glauben :D was er will.

joetokan
16-04-2005, 08:07
Diese Diskussion gab es doch hier im Forum bereits einmal ("Karate als Ersatzreligion" osä.)...

Ki. 102
18-04-2005, 11:34
Das KK Inspiration sein kann, sich mit Philosophie usw. (im engeren oder weiteren Sinne) zu befassen finde ich sehr gut.
Wer das für Humbug hält, muss ja nicht.
Möge jeder finden was er sucht.

Noch eine Anmerkung:
Viele nehmen ihre Religion weniger ernst, als Andere ihre Kampfkunst (was auch eine ggf. damit verbundene Philosophie und Ethik "interessant" macht.)
Was ich außerdem damit sagen will:
Wenn man über Religion redet, sollte man imho nicht so tun, als wäre das eine Frage des entweder oder, schwarz oder weiß. Viele gehen sehr lax mit "ihrer" Religion und auch mit deren Regeln um (und das ist oftmals auch gut so ;) )
GRUß !!