Vollständige Version anzeigen : Hinh Yi - vietnamesisches Hsing I Chuan (?)
Ich konnte kürzlich eine Schule für den mir bis dahin unbekannten Stil Hinh Yi besuchen. Da ich schon gerüchteweise gehört hatte, daß es sich quasi um Hsing I handeln sollte, fragte ich auch gleich zu Beginn nach, und der Lehrer bestätigte, Hinh Yi sei Hsing I. Später konnten wir uns noch etwas ausführlicher unterhalten und ich erfuhr, daß es sich um einen vietnamesischen Stil handelt, der jetzt in der 3. (?) Generation besteht und praktisch Hsing I sein soll, so wie es von einem chinesischen Flüchtling nach Vietnam gebracht worden ist.
Erstaunlich war für mich jedoch, daß ich nur sehr wenige Ähnlichkeiten zum mir bekannten Hsing I finden konnte, wobei meine Kenntnisse hier zugegebenermaßen beschränkt sind, aber: Es gibt keine "5 Fäuste" und keine "12 Tiere" (Resultat eines konsequenteren Zuschnitts auf den Menschen, wie ich erfuhr), es werden dagegen in großem Umfang Partnerübungen (für die "Lockerheit") gemacht. Nun führen ja viele Wege nach Rom und ich wollte das nur einmal hier zum Thema machen, um zu hören, ob vielleicht jemand diesen Stil kennt oder auf ähnliche Weise (chinesisches) Hsing I trainiert.
Etwas hat mich jedoch stutzig gemacht. Geschlagen wird relativ gerade und zentral, frontalen Angriffen begegnet man durch Wenden auf dem ganzen Fuß (100 % wie beim VT, falls das jemand kennt) und bei der Abwehr läßt man es zu, daß der angreifende Arm den eigenen Oberarm am Brustkorb "pinnt", man bewahrt sich also keinen Raum. Scheint mir alles etwas Neijia-untypisch und stark Wing Chun-ähnlich. Dabei glaube ich nicht, daß der (vietnamesische) Lehrer bewußt Etikettenschwindel betreiben will, aber es wäre ja eine spannende Überlegung, daß sich aus Hsing I in 3 Generationen ein Wing Chun-ähnlicher Stil entwickelt haben könnte.
Hi Bianhe,
dazu müßtest du ein Video anbieten können, um wirklich etwas qualifiziertes abgeben zu können, um nicht blind in der Luft herumzustochern. :)
Hi Bianhe,
dazu müßtest du ein Video anbieten können, um wirklich etwas qualifiziertes abgeben zu können, um nicht blind in der Luft herumzustochern. :)
Hallo Dao!
Mit einem Video kann ich leider nicht dienen. Im Netz konnte ich nichts finden und den Lehrer möchte sich wohl auch nicht aufzeichnen lassen.
Konnte durch eine Internert-Recherche schon einmal verifizieren, daß Hinh Yi tatsächlich auch anderswo als vietnamesisches Hsing I Chuan bekannt ist, es gibt wohl eine große Zahl von vietnamesischen Analoga chin. Stile.
Aber wir können die Diskussion ja an einigen "Formalien" festmachen: Wie "Hsing I-like" klingt es, wenn man die 5 Grundschläge und die Tierformen entfernt hat? Wie ist es mit dem "eingeengt" werden bei der Abwehr. Das Wenden geschieht eben wie beim WSL-VT, falls das nicht bekannt ist: Man wendet auf der Fußmitte, weder Ballen noch Ferse, dabei bleiben die Füße parallel.
Ich hoffe doch, daß sich einige noch zu einer Antwort aufraffen.
Hi Bianhe,
leider empfinde ich es doch als sehr mühsam. Probiere es trotzdem.
Wenden gibt es als Drehung auf der Ferse, auch als Drehung auf dem Ballen.
Was genau meinst du mit "wenden auf der Fußmitte"?
Parallele Fußstellungen gibt es, meist hast du sogar eine Vorspannung - das vordere Bein sogar nach innen rotiert. Heißt hinteres Bein gerade Ausrichtung und das vordere Bein dazu 30-45° nach innen rotiert (Vorspannung).
Das in aller Schnelle!
Hi Bianhe,
leider empfinde ich es doch als sehr mühsam. Probiere es trotzdem.
Wenden gibt es als Drehung auf der Ferse, auch als Drehung auf dem Ballen.
Was genau meinst du mit "wenden auf der Fußmitte"?
Parallele Fußstellungen gibt es, meist hast du sogar eine Vorspannung - das vordere Bein sogar nach innen rotiert. Heißt hinteres Bein gerade Ausrichtung und das vordere Bein dazu 30-45° nach innen rotiert (Vorspannung).
Das in aller Schnelle!
Hallo Dao,
mir geht es wie Dir, man kann doch eigentlich nur auf der Ferse oder auf den Ballen drehen, ein Teil des Fußes muß ja eigentlich dabei "hoch". Der Lehrer dort sieht es aber anders, wobei er sich dazu hinreißen ließ zu sagen, daß man halt ggf. lieber auf dem Ballen drehen soll. Ich kenne diese Vorgabe halt auch von Wing Chun Leuten, die mir aber auch nie erklären konnten, wie man einen auf der ganzen Sohle vollständig belasteten Fuß drehen soll. Im Ergebnis sollen die Füße dann aber so gedreht sein, daß die Fußmitte noch an ihrem Platz ist, Ferse und vorderer Fußteil haben sich bewegt.
Daß von Dir beschriebene einwärts gedrehte Bein kenne ich, wenn man die Richtung um 180° ändern will.
Man sollte nicht vergessen daß das Zeug aus einer Zeit kommt in der Strassen nicht asphaltiert waren, und man es auch nicht auf griffigen Sportböden in Adidas-Turnschuhen trainiert hat. Wenden auf der Mitte ist einfach, wenn einfach SAND auf dem Boden ist. Sprich man ein bischen rutscht. Ohne das, auf einem Turnhallenboden mit griffigem Schuh, geht es überhaupt nicht.
Melephin
21-07-2005, 16:51
Erst muss ich Dao Recht geben. Auf der Fussmitte wenden ist in der Tat mühsam(er), vorallem wenn man bis anhin nicht so trainiert hat. Das ist auch die Idee des Ganzen. Um das so hinzubekommen, wie Bianhe das beschrieben hat (und anscheinend im Wing Chun niemand erklären konnte?) braucht es eine Unmenge an Stabilität in den Fussgelenken, Knie, im Rumpf, Rücken.
Wie Klaus gesagt hat, ist es auf Asphalt mit griffigen Sohlen an den Schuhen (fast) unmöglich derart zu wenden. Ist aber auch nicht nötig. Man darf im Ernstfall durchaus Schritte machen etc. (kontrolliert einen ja niemand im Ernstfall). Das ganze ist eine Trainingsmethode, um Kraft und Stabilität aufzubauen.
Die Wendung auf den Fussmitten funktioniert, wenn man genug Stabilität aufgebaut hat, um den ganzen Körper als Einheit zu wenden, ohne dass man bewusst Kraft in Hüfte, Beine oder wo auch immer, einsetzen müsste. Der Impuls geht vom Körperzentrum aus, wobei alles drumherum automatisch mitwendet. Braucht (bei mir zumindest hat es solange gedauert) neun Jahre, bis es so funktioniert, wie es der Lehrer will (das heisst, Sifus sind immer alles andere als zufrieden mit dem Trainingserfolg :D ).
Das Problem in der Anwendung, wenn man auf Fersen oder Fussballen wendet (respektive nach Schritten auf Fersen oder Fussballen landet), ist, dass man vielfach nicht unmittelbar komplett im Gleichgewicht steht (das Gewicht ist zuweit hinten - anfällig nach hinten zu kippen wenn in der Bewegung eine schiebende Kraft einwirkt, ist das Gewicht vorne, wird man anfällig auf Zug - wir gehen nun mal davon aus, dass einen keiner in Ruhe wenden lassen wird). Der Nutzen aus dem "anstrengenderen" und "mühsameren" Training ist enorm.
Als Anfänger mussten wir jedoch auf den Fersen wenden. Auch da war unser Lehrer sehr drauf bedacht, da unsere Fussgelenke und Knie noch nicht genügend ausgebildet waren und die Kraft beim Wenden in die Gelenke gelaufen wäre. Erst nachdem er sich überzeugt hatte (so nach ein bis eineinhalb Jahren), dass unsere Gelenke stark genug waren und wir sie korrekt aufrichten konnten, durften wir beginnen, auf der Fussmitte zu wenden.
Hi,
sorry, Leute mir sind das zuviele Unwägbarkeiten um wirklich eine fundierte Diskussion darüber zu führen.
Bin mir nicht sicher, ob ich das geschriebene Wort richtig interpretiere.
Was in einer Trainingseinheit leicht zu lösen wäre, ist hier mitunter eine Sackgasse, in der dann vielleicht sogar noch Streitereien entstehen.
Am Rande Drehung auf der Ferse oder Yongquan heißt für mich nicht abheben des restlichen Fußes!
Also ich finde, daß wir schon "vorankommen".
Den Punkt mit Boden und Schuhwerk fand ich schon einmal gut, eine ähnliche Überlegung hatte ich nämlich zu diesem Wenden auch schon. Nebenbei, der dortige Trainingsraum hat einen Fliesenboden, also glatt genug, um das zu ermöglichen.
Zu Dao: Abheben habe ich bewußt übertrieben formuliert, bitte durch "leer gemacht" oder ähnliches ersetzen.
Zu Melephin: Sehr hilfreicher Beitrag, gerade auch für die Gelenk-Gesundheit, denn bei dem dortigen Training wird das von Beginn an gemacht/versucht.
Will die WC'ler insoweit in Schutz nehmen, daß wir es vielleicht nie wirklich tiefgehend diskutiert haben, aber man merkte irgendwie, daß sie Pro's und Contra's nur nachbeten, aber nicht erklären konnten, eben z.B. den Punkt mit dem Asphalt und der griffigen Sohle - hatten die gar nicht "im Plan".
Welcher Stil ist es, in dem Du diese Wendung so trainierst?
Nebenbei: Ähnliche Problempunkte habe ich allerdings auch schon im Taijiquan gefunden, wo mir auch bestätigt wurde, daß ein guter Lehrer die Bodenbeschaffenheit einbezieht, wogegen ein schlechter immer auf der Wendung gemäß "Originalprogramm" beharrt.
Hi Bianhe,
Zentrierung des Drehpunktes würde ich die Wende/Drehsituation nennen, ohne Abhebung.
Melephin
22-07-2005, 16:27
Wir haben im Wing Chun so gewendet (manchmal stundenlang nichts anderes - ächz :D ). Wobei ich nochmal darauf hinweisen möchte, dass wir hier von Training sprechen. In der Anwendung macht man eh das, wofür man gerade Zeit hat und was gerade funktioniert (und hier funktionieren manchmal auch "falsche" Sachen, da durch das "richtige" Training eine entsprechende Stabilität aufgebaut wurde, die das eine oder andere Manko kompensieren kann).
Im Unterricht würde ich auch sehr auf dem "Originalprogramm" beharren, eben wegen dem Aufbau der Gelenke, der Kraft und Stabilität (in der Regel macht der Aufbau des System durchaus Sinn - dass ständig welche das Gefühl haben, sie könnten kurz das System verbessern, indem sie diese oder jene Übung ersetzen, weglassen oder verändern spricht meistens nicht eben für deren Verständnis des Ganzen).
Vielleicht noch ganz kurz zu der Ähnlichkeit zwischen Wing chun und Xingyiquan: Obwohl ich im Xingyi nie davon sprechen würde, etwas gelernt zu haben, sondern immer von einer Einführung in die Materie, scheint für mich Xingyi das Pendent zum Wing Chun. Beide Systeme bringen die Kraft schön auf den Punkt, haben eine ähnliche Beinarbeit und arbeiten beide penetrant auf die Zentrallinie orientiert. Auch der Aufbau und das Training scheint mir sehr ähnlich zu sein von den Prinzipien her (Standaufbau, Stabilität, Schrittarbeit, Kraftaufbau in den Beinen etc. aber auch viele Armbewegungen sind ziemlich identisch (auf den zweiten Blick zumindest). Auch betreffend Timing ist für mich das eine wie das andere.
Was meinst du Klaus (ich spreche übrigens nicht von verbesserten und modifizierten Systemen)?
Durch meine historischen Kampfkunstübersetzungen kann ich hier etwas zur Klärung beitragen.
Hinh Yi ist keine VT-Art sondern die Militärvariante des Hsing I. Das Ganze begann in den 30iger Jahren.
Hsing I war als tödliche und effiziente Kampfkunst in den 30iger Jahren äußerst respektiert und gefürchtet.
Im Jahre 1928 veröffentlichte Huang Po-Nien, ein Schüler von Li Cun Yi das Buch Hsing I und Waffentraining (2 Bände). Obwohl das Buch die Theorien der fünf Elemente, fünf Fäuste und die anderen Techniken enthielt, wurde eine Vielzahl dieser Techniken entfernt und nur einfache und sehr direkte Techniken wurden zusammen mit Gewehr und aufgepflanztem Bajonet, und zweihändigem Schwert beigebracht.
Da das Training für die waffenlosen Techniken des Militärs sich nur über ungefähr 3 Monate ausdehnte, war nicht Zeit für alles und man muss auch beachten, dass das Hauptziel im Nahkampftraining und Überleben war.
Einige der Großmeister, die zum Training des Militärs beitrugen waren Sun Lu Tang; Wang Hsiang Chai und Huang Po-Nien.
Die berühmteste Miltitärgruppe für dieses Training war sehr wahrscheinlich die Zentrale Militärakademie in Nanjing unter dem Hsing I Ausbilder Oberst Chang Hsiang Wu.
Wie BianHe schon in seinem Posting aufführte wurde der Stil von einem chinesischen Flüchtling nach Vietnam gebracht und hat sich dort etwas weiter entwickelt.
Gruß
Trinculo
23-07-2005, 08:04
Einige der Großmeister, die zum Training des Militärs beitrugen waren Sun Lu Tang; Wang Hsiang Chai und Huang Po-Nien.
War das der gleiche Wang Xiang Zhai, der später das Yiquan begründet hat? Und wenn ja, hast Du noch mehr Details über seine Zeit beim Militär auf Lager ;) ?
Melephin
23-07-2005, 09:20
Danke für die Recherche-Arbeiten. Man lernt doch nie aus.
Ich meinte übrigens nicht, dass Xingyi, Hsing-I oder die vietnamesische Variante Hinh Yi eine VT-Art darstellt, sondern von den Prinzipien her und vom Körperaufbau her im Training dem Wing Chun sehr ähnlich ist.
@Trinculo
Ja es war der gleiche Wang Xiang Zhai, der später das Yiquan begründet hat.
Ich werde mal durch meine Bibliothek durchgehen und versuchen, noch mehr zu finden.
@Melephin
Kein Problem, das war vielleicht ein Mißverständnis von mir.
Gruß
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