Leere Hand gegen Doppel-dolche

[Jadetiger]

Hi!

Immer wieder finde ich bei Formenauflistungen die Form "Hung Sao Chin Seung Fok Do" (Leere Hand gegen Doppel-dolche).
Kennt jemand diese Form oder ähnliche Formen/Anwendungen?

Wie bitte soll das funktionieren??? Ist das wirklich anwendbar???

Meine Skepsis kommt daher, dass ich nun seit eineinhalb Jahren das italienische Kampfsystem SAL trainiere, das auf realistischem Messerkampf basiert und unter anderem auch Methoden für den Kampf mit zwei Messern lehrt.
Da dieses Kampfsystem sehr viel wert auf Sparring legt, habe ich im Bereich Anwendbarkeit von Techniken eine gewisse Erfahrung gesammelt und kann mir absolut nicht mehr vorstellen, wie man sich unbewaffnet gegen einen geübten Messerkämpfer wehren will. Gegen einen Kämpfer mit zwei Messern habe ich im noch nie auch nur ein paar Sekunden "überlebt"!

Ich hoffe wir haben hier einige erfahrene Kung Fu Männer/Frauen, die mir eine Erklärung geben können.

Gruß,
Rupert

[Klaus]

Ich würde mir die Form mal ansehen und überlegen was genau man damit erreichen kann. Eigentlich kann jemand ohne Waffe kaum gegen zwei Dolche überleben, außer er kann sowohl die Dolche von sich weghalten als auch vermeiden durch weggezogene Dolche in die Arme geschnitten zu werden. Eher ein Weg als ein Ziel, weil klappen wird es eigentlich so gut wie nie. Möglicherweise geht es um Schrittfolgen um immer außer Reichweite zu bleiben, und die führende Hand immer nur im Notfall weit vor dem Körper abwehren. Ich denke, man hat nur eine Chance wenn man über die Aufnahme der Annäherung so in einem Winkel weg und wieder herankommt, daß man durch einen Tritt ans Knie selbiges kaputt macht, ohne in Reichweite zu bleiben. Theoretisch ist es denkbar, man kann es schliesslich wohl "mathematisch" zeigen daß es immer eine Bewegung gegen den Arm oder die Hand gibt, daß die Spitze nirgendwo in den Körper eindringt. Das Problem ist, das immer hinzubekommen. Es geht aber wohl darum, daß man eben ein Gefühl bekommt, das Machbare machen zu können, wenn es drauf ankommt. Hat man Erfolg, hat man wieder mal überlebt, wenn nicht, auch egal, man wäre eh draufgegangen. Das ist wie mit dem Problem wenn der Gegner auch ein Gewehr hat, eigentlich kann er einen immer treffen wenn es umgekehrt auch geht. Also übt man schneller, besser, genauer und cleverer zu sein. Garantie gibt's keine.

[scientist]

klaus hatrecht..
ich glaube, ich kenne diese form (name war mir entfallen). die form dient dazu, die besten methoden zusammenzufassen, dass du gegen einen nicht so versierten messerkämpfer wenigstens überleben kannst.
selbst unser sifu hat mir mal auf eine ähnliche frage geantwortet, gegen einen messer-mann kommt man nie ohne verletzungen raus, gegen einen wirklichen experten ist "waffenlos gleich chancenlos".
erste wahl ist weglaufen, zweite wahl waffe beschaffen (sei es stuhl, regenschirm, kugelschreiber, aschenbecher, was auch immer), dritte wahl: so kämpfen, dass man -wenn man schon drauf geht- ihn wenigstens mitnimmt, wenn du weißt, was ich meine...

[Der Dude]

schließe mich da meinen vorrednern an. die form (ich kenn sie nicht, aber bei hand gegen speer gibts ein ähnliches problem) gibt dir möglichkeiten was du wenigstens versuchen könntest wenn jemand mit messsern auf dich zu kommt und du nicht schneller rennen kannst als er...

ist die form aus dem hung gar oder woher??? finde ich eine wirklich sehr interessante kombination...

[Jochen Wolfgramm]

Im Seven Star Mantis gibt es gleich mehrere Partnerformen gegen Waffen:
Leere hand gegen Speer / Säbel / Doppeldolche.
Obwohl bei jeder der Formen interessante Techniken und Schrittarbeiten vom "leere Hand" Part ausgeführt werden, bleibt aber dennoch die Einsicht, dass ohne Waffe man recht Chancenlos ist.

In der Doppeldolch version macht der unbewaffnete Part hauptsächlich Feger am Boden. Eine evtl. durchaus kluge Lösung, da man so weit vom Dolch entfernt den Gegner angreift.

In der säbel - Hand Variante werden Sprünge über die klinge trainiert ... nicht ungefährlich aber durchaus eine situation die vorstellbar ist ...

[SQ]

Ich denke auch nicht, dass eine Form Waffe/waffenlos irgendwie vermitteln möchte, wie oder das man gegen Waffen ohne Waffen besteht.

Es gibt im Shaolin Quan eine Vielzahl an Möglichkeiten, Techniken und Prinzipien, die man mit bloßer Hand gegen Waffen einsetzt - um zu überleben.

Genau diese Prinzipien und Techniken werden in den Formen zusammengefaßt. Man muss gerade in den nördlichen Systemen endlich davon wegkommen, jede Bewegung in den Formen als direkt anwendbar zu sehen. Die Formen sind Prinzip- und Konzeptsammlungen, nicht Techniksammlungen.

[Jadetiger]

ist die form aus dem hung gar oder woher??? finde ich eine wirklich sehr interessante kombination...
Die von mir angegebene Form "Hung Sao Chin Seung Fok Do" ist aus dem Hung Gar. Ich kenne in diesem Stil auch noch den Namen "Hung Sao Fok Seung Do", weiß aber nicht ob es sich dabei nur um eine alternative Schreibweise handelt oder wirklich um eine andere Form.
Im Choy Lay Fut gibts das auch. Die Form nennt sich dort laut M. Punschke "Hung Sau Yap Seung Bei Sau".

Die Idee mit den Fußfegern finde ich sinnvoll. Das ist wirklich das Einzige, was mir einfällt. Im Sparring hat sich bei mir ergeben, dass der Verteidiger meist genau eine Aktion machen kann. Wenn die nicht sitzt, wars das. Abwehren mit den Händen kann man eh vergessen, da man damit maximal ein Messer beseitigen kann und das reicht nunmal nicht bei Doppel-Messer.

[Klaus]

In der säbel - Hand Variante werden Sprünge über die klinge trainiert ... nicht ungefährlich aber durchaus eine situation die vorstellbar ist ...

Sprünge über die Waffen sieht man viel im modernen Wushu, aber ich halte es nicht für eine sinnvolle Technik. Wenn man mal sieht wie schnell ein Säbel wirklich geschwungen wird, dann kommt man so schnell nicht vom Boden hoch. Und wenn doch, braucht derjenige nur die Waffe hochziehen. Die meisten Leute würden gegen Waffenlose auch nicht an die Beine gehen. Ich halte solche Übungen eher für Folklore, auf dem Level von Löwentanz.

[BakMee]

Bei diesen Formen geht es auch nicht wirklich darum um sich gegen diese Waffen Waffenlos zur Wehr setzen zu können.
Es geht darum, daß mehr der Körper zur "Bewegungsschule" trainiert wird.
Hierbei geht es darum den Körper zur Weiterleitung eines Angriffs, z.B zu Seite zu drehen, dabei den richtigen Schritt einzusetzen und auch beim Block, den richtigen Punkt weiß wo man die Hand als Block ansetzt.
Das wird oft von vielen Schülern verständlicherweise missverstanden.
Es werden hierbei Waffen genommen die in der Realität sehr spitz oder scharf sind, die man nicht mit der Hand, oder kaum abwhren kann.
Eine Form die recht wichtig ist für die Körperschulung.
Auch meine Schüler trainieren dieses sehr oft.
Doch es geht nicht darum um wirklich gegen zwei Dolche anzukommen oder gegen einen Speer, sondern lediglich um den Körper beweglicher zu machen um nicht gleich alles "abblocken" zu wollen, denn oft ist es ja so daß ein Schüler es sich einfach zu leicht macht indem er einfach "alles" abblocken will mit der Hand und bei diesen Übungen kann er das einfach nicht und wird einfach gezwungen mehr seinen Körper einzusetzen.
Beste Grüße,
BakMee