Vollständige Version anzeigen : Kampfkunst und Sehbehinderung
Freizeitheld
24-08-2005, 21:14
Hallo zusammen,
das hier ist mal wieder einer der „welche Kampfkunst für mich“ Threads – allerdings mit einer sehr speziellen Fragestellung.
Mir ist vor kurzem eine fortschreitende Netzhauterkrankung (Zapfendystrophie) diagnostiziert worden. Will meinen: Ich werde in Zukunft Probleme im zentralen Gesichtsfeld bekommen, die mit der Zeit schlimmer werden. Das ganze läuft mittelfristig auf eine Sehbehinderung hinaus - eine Erblindung ist nicht zu erwarten.
Meine Frage lautet deshalb: Welche KK lässt sich „Blind“, also mit wenig visuellen Eindrücken ausüben?
Ich bin nicht primär an SV interessiert, da meine Chancen wegzulaufen tendenziell eher schlechter werden, kann es nicht schaden, wenn auch etwas davon dabei ist ;)
Schwierige Frage? Ich weiß, deshalb stelle ich sie an die Runde.
Gruß,
Helge
P.s. ich hab einiges gelesen und mir mit meinem Halbwissen auch schon eine erste Meinung gebildet – allerdings will ich eure Meinungsbildung nicht beeinflussen, indem ich schon eine Richtung vorgebe.
Naja, ich denke, dass Du mit WT/WC ganz gut fahren könntest, da es dort ab einem bestimmten Level sehr viel aufs fühlen und spüren ankommt.
Die Art deiner Aktion ergibt sich durch den Kontakt mit dem Gegner und dessen Aktion.
Kann aber auch gut sein, dass es noch bessere Alternativen gibt.
Michael1
24-08-2005, 21:48
Bei Sehbehinderung und SV fallen mir als erstes die Kampfsportarten ein die den Tastsinn stark einbinden. Da wäre sicher wc mit seinen derivaten zu nennen, aber auch die Grapplingstile mit Brasilian JuJutsu, LutaLivre, Ringen, Judo... wobei ich für die SV tendenziell ehr schon etwas (auch) schlagendes favorisieren würde.
Was Kampfsport und Sehbehinderung generell angeht - ich kenne einen blinden Danträger im Karate. Du brauchst sicher ein Umfeld dass gegebenfalls besonders auf dich eingeht, aber es sollte eigentlich recht viel möglich sein.
Ich würde Dir Judo empfehlen. Bei uns an der Uni (Marburg/Lahn) gibt es in der Judogruppe sehr viele Blinde. Sie sind auch sehr erfolgreich bei Meisterschaften. Dadurch, dass Judo vom Griffkampf ausgeht, musst Du den Gegner ja nicht mehr finden.
Ich habe auch mal einen Sehbehinderten getroffen der Karate gemacht hat, soweit ich weiss kann er nur hell und dunkel grob unterscheiden. Mit der richtigen Anleitung ist das also vieles machbar.
Freizeitheld
25-08-2005, 22:38
Vielen Dank für eure Antworten.
Ich werds wahrscheinlich mit Judo versuchen und wenn mich der SV-Wille packt was anderes dazu nehmen.
Kennt jemand eine gute Schule in Dortmund?
Gruß,
Helge
Ich werds wahrscheinlich mit Judo versuchen und wenn mich der SV-Wille packt was anderes dazu nehmen.
Ich glaub Judo wird oft unterschätzt, dabei ist es eine Vollkontakt Kampfsportart. Ob man sich selbst Verteidigen, kann hängt nicht nur von irgendwelchen Techniken, sondern auch viel von der körperlichen Verfassung und Einstellung, ab.
Hallo Freizeitheld,
wie wirkt sich die Zapfendystrophie eigentlich aus? Ich nehme an, daß man dann auch keine Bewegungseindrücke mehr im zentralen Gesichtsfeld wahrnehmen kann, oder?
Gruß
Freizeitheld
26-08-2005, 09:34
Ich glaub Judo wird oft unterschätzt, dabei ist es eine Vollkontakt Kampfsportart. Ob man sich selbst Verteidigen, kann hängt nicht nur von irgendwelchen Techniken, sondern auch viel von der körperlichen Verfassung und Einstellung, ab.
Der Meinung bin ich tatsächlich auch - ein Grund für den eher sportlichen Ruf von Judo ist sicherlich, dass viele das mal als Kind betrieben haben. Dieses "Kinderjudo" mit "Erwachsenenjudo" zu vergleichen wird Judo sicherlich nicht gerecht. An dieser stelle sparen wir uns aber den was-ist-das-beste-System-Streit :)
Was Körperliche Verfassung und Einstellung angeht, gebe ich dir vollkommen recht. Ein Problem könnte allerdings sein, dass man besser nur in den Bodenkampf geht, wenn es tatsächlich 1:1 geht - wenn das aber nicht so ist, dann habe ich ohnehin ein Problem...
Genauer wäre wohl gewesen zu schreiben, dass Judo die Kampfdistanz bietet an denen ich das meiste Interesse habe. In der Distanz Knie und Ellenbogen könnte ich wahrscheinlich auch langfristig arbeiten, aber die finde ich (mangels eines besseren Wortes) "hässlich". Wenn ich das Ziel hätte mich möglichst effizient verteidigen zu können, dann sollte man diese Distanz noch dazu nehmen - das würde ich allerdings nur tun, wenn mich wie gesagt, "der SV-Wille packt".
Sicherlich ist es auch möglich weitere Distanzen zu trainieren, aber da wird die schlechte Sicht stärker zum Nachteil.
Was mich zu Judo bewegt ist zum einen der Vollkontakt, zum anderen die Vorstellung, dass mir kaum Nachteile durch schlechte Sicht entstehen und ich in diesem System/Sport kaum/keine? Einschränkungen habe. Es ist langfristig sicherlich motivierender, wenn ich nicht ständig an meine Grenzen stoße.
Gruß,
Helge
Freizeitheld
26-08-2005, 10:06
Hallo Freizeitheld,
wie wirkt sich die Zapfendystrophie eigentlich aus? Ich nehme an, daß man dann auch keine Bewegungseindrücke mehr im zentralen Gesichtsfeld wahrnehmen kann, oder?
Gruß
Ich bin derzeit noch nicht wirklich betroffen, kann also noch keine persönlichen Erfahrungen beisteuern. Ich Studiere allerdings Sehbehindertenpädagogik und kenne auch eine Betroffene, insofern kann ich schon etwas dazu sagen:
Du liegst mit den Bewegungseindrücken im Zentralen Gesichtsfeld genau richtig. Da im Zentralen Gesichtsfeld (beinahe) ausschließlich Zapfen sind, macht es sich hier am deutlichsten bemerkbar, dass die Zapfen (zuständig für Farb- und Tagssehen) den Dienst quittieren. Die Sehschärfe verschlechtert sich zusehens, schließlich fällt das Zentrale Gesichtsfelf vollständig aus - was Lesen, Erkennen von Gesichtern, wiederfinden von Kleinigkeiten, abschätzen von Entfernungen ect, enorm erschwert bzw unmöglich macht. Sie Periphere Sicht bleibt erhalten, was eine Orientierung im Raum ermöglicht.
Keine schönen Aussichten, aber es könnte schlimmer kommen. Ganz überraschend kommt es auch nicht - meine Studienwahl ist nicht zufällig.
Für KK bedeutet das wahrscheinlich folgendes:
- Das "Abschauen" von Bewegungsabläufen ist erschwert. Gilt für alles, macht aber Katas und andere Komplizierte Bewegungsabläufe wirklich schwierig.
- halbkontakt, wird schwierig, weil das Einschätzen von Entfernungen und abstoppen erschwert wird (müsste man ausprobieren...)
- Kampf mit Waffen halte ich für überhaupt keine gute Idee (was schade ist, weil ich Escrima sehr spannend finde)
- Längere Distanzklassen werden sehr schwierig zu kontrollieren (was auch schade ist, weil ich gerne Capoeira weiter machen würde. Andererseits wollen meine Knie das sowieso nicht...)
Ich kann allerdings nicht einschätzen, wieviel tatsächlich vom zentralen Gesichtfeld abhängt. Bewegungen werden schließlich eher peripher wahrgenommen.
Judo halte ich insofern für eine Gute Basis, als dass es Vollkontakt ist und die Kampdistanz in Berührungsreichweite liegt. Meine Erfahrungen mit Judo sind allerdings bestenfalls wage...
Gruß,
Helge
vBulletin v4.2.5, Copyright ©2000-2025, Jelsoft Enterprises Ltd.