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Thorre
29-11-2005, 14:53
Worauf gründet der Respekt vor dem Kung Fu-Meister?
Ein Artikel über die Ursprünge der Meisterverehrung in den chinesischen Kampfkünsten

Inhalt:
Einleitung
Wie ein Schüler seinen Respekt ausdrücken soll
Die patriarchalische Familie
Die Bedeutung des Lernens
Der Kung Fu-Meister, ein Lehrer-Vater
Die Kung Fu-Familie
Das Wude - Die Moral des Kriegers
Diskussion - Wie zeitgemäß ist die traditionelle Verehrung des Meisters?


Einleitung

Die Verehrung des Meisters ist im Kung Fu ein zentraler Aspekt der Lehrmethode, ja sie ist ein zentraler Aspekt der chinesischen Kampfkunst überhaupt. Jeder ernsthafte Schüler des Kung Fu (Wushu) ist traditionell zur deutlichen Demonstration von Respekt und Wertschätzung gegenüber seinem Meister verpflichtet. Dabei gehen die Forderungen nach Respektsbekundung weit über das hinaus, was einem Europäer einsichtig erscheinen mag.

Hier stellt sich also zumindest für Nichtasiaten die Frage, auf welchen Bedingungen die Sitte der Meisterverehrung in der chinesischen Kampfkunst beruht. Haben wir es hierbei lediglich mit einem anderen Verständnis dessen zu tun, was ein Schüler generell seinem Lehrer schuldet? Geht es um die Frage der Anerkennung überlegenen Könnens?

Aus den genannten Problemstellungen ergibt sich natürlich eine grundsätzliche Diskussion - eine Diskussion, in der darüber gestritten werden muß, ob die in den chinesischen Kampfkünsten übliche Meisterverehrung inbesondere in Europa eine heute noch gültige Sitte darstellt oder ob sie eher als Relikt einer veralteten, feudalistischen Unterwerfungsmentalität zu werten ist.


Wie ein Schüler seinen Respekt ausdrücken soll

Es existieren in den Schulen der chinesischen Kampfkunst sehr genaue Vorstellungen darüber, wie ein Schüler seinen Respekt gegenüber dem Lehrer ausdrücken soll. Die wichtigsten Punkte dabei sind:

1. Der Lehrer darf (im Unterricht) niemals nur mit seinem Namen angesprochen werden. Die korrekte Anrede nennt immer den ehrenden Titel, also entweder Shifu bzw. Laoshi oder einen anderen Meistertitel, der in der entsprechenden Schultradition verwendet wird.

2. Es ist für die Schüler (Dizi) unangemessen, ja man kann sagen verboten, den Meister im Unterricht kameradschaftlich zu berühren, zu umarmen, zu necken usw. Viele Meister wünschen derartige "Intimitäten" auch außerhalb des Unterrichts nicht, da eine so große körperliche Nähe die Grenzen der Hierarchie verwischt.

3. Befindet sich der Meister in der unmittelbaren Nähe des Schülers, dann soll dieser gerade und aufrecht stehen, nicht seine Arme in die Seiten stemmen, sie nicht vor der Brust verschränken, nicht die Hände in den Hosentaschen halten, nicht auf dem Boden sitzen oder liegen, generell es sich nicht "bequem" machen (z.B. auf einer Bank oder einem Sessel loungieren).

4. Findet eine Unterweisung oder Demonstration durch den Meister statt, dann gilt es als hochgradig unangemessen, nicht zuzuhören, die Augen zu schließen, wegzuschauen usw.

5. Ein Schüler sollte niemals zu spät zum Unterricht erscheinen, denn dies sagt, daß er die Unterweisung durch den Meister, die traditionell als unbezahlbares Geschenk gilt, nicht wertzuschätzen weiß.

Im Gegensatz dazu ist der Schüler verpflichtet auf den Lehrer zu warten, falls dieser später zum Unterricht erscheint. Es existieren viele Geschichten darüber, wie Kung Fu-Meister ihre Schüler immer wieder warten lassen, um herauszufinden, welche Schüler die nötige Geduld aufbringen und den traditionell geforderten Respekt demonstrieren.

6. Ein Schüler sollte den Unterricht nicht vorzeitig abbrechen, und er sollte die Unterrichtshalle (Guan) auch nicht vor dem Meister verlassen. Traditionell kommt der Meister als letzter und geht als erster. Erklärt der Meister nach dem Ende des Unterrichts einigen Schüler noch etwas, dann sollten sich die Schüler, die die Halle verlassen, zunächst in Richtung des Meisters verbeugen und erst danach aus der Halle gehen.

7. Bei gesellschaftlichen Zusammenkünften gilt als selbstverständlich, daß die Schüler niemals sitzen, wenn der Meister steht, außer er fordert sie dazu auf. Dem Meister wird immer der beste Platz zum Sitzen angeboten, man beginnt niemals mit dem Essen oder Trinken, bevor der Meister ißt oder trinkt. Überreicht man dem dem Meister einen Gegenstand, dann ist dies stets mit beiden Händen zu tun.

8. Es versteht sich außerdem von selbst, daß es einem Schüler absolut verboten ist, sich gegenüber seinem Meister in irgendeiner Weise frech, provokant oder besserwisserisch zu verhalten oder sonstwie anmaßend zu sein. So ist es beispielsweise völlig unangemessen, auf eine Unterweisung oder Erklärung des Lehrers zu antworten, daß man dies bereits wisse, auch wenn das der Wahrheit entspricht.

9. Niemals darf sich ein Schüler anmaßen, dem Lehrer vorzuschlagen oder gar vorzuschreiben, was oder wie dieser ihn zu unterrichten hätte. Eine solche Verfahrensweise unterstellt dem Lehrer, daß er nicht wüßte, was zu tun sei und ist deshalb völlig inakzeptabel.

10. Schließlich soll ein Schüler Respekt gegenüber seinem Meister ausdrücken, indem er drei wesentliche Qualitäten eines Kung Fu-Übenden demonstriert: den Wunsch zu lernen, die Hingabe zur Übung und die Disziplin beim Training. Diese drei Qualitäten zeigen dem Lehrer, daß sein Schüler sich als würdig erweist, in der Kunst unterrichtet zu werden.


Weiter geht es HIER (http://www.kung-fu-schule-berlin.de) (Den Artikel unter "News" anklicken)

Thorre
29-11-2005, 14:59
Achso, Diskussion ist erwünscht, aber bitte lest den ganzen Artikel bevor Ihr loslegt...

Gruß KFSB

martin.schloeter
29-11-2005, 15:18
Nun ja.
Ich bin einerseits ein Freund einer gewissen Disziplin und des respektvollen Umgangs.

Andererseits wirkt diese "Regelliste" aus meiner persönlichen Sicht etwas bizarr auf mich.
Ist aber halt auch ein anderer Kulturkreis. In dieser extremen Form halte ich es nicht für übertragbar auf westliche KK-Schulen.
Das mit diesem abgehobenen Meister ist vermutlich auch aufgrund meines Alters und der Lebenserfahrung etwas problematisch. Mit über 40 hat man in der Regel schon zuviele meist selbsternannte Meister mit wenig realer Substanz kennengelernt um solchen Nimbus noch ernst zu nehmen.
Wer es nötig hat sich hinter soviel äußerer Form zu verstecken hat in der Regel nicht viel Inhalt zu bieten (mal so platt, böswillig).

Gruss

Thorre
29-11-2005, 15:22
Könnte man so sehen. Andererseits bin ich bei der Recherche zu diesem Artikel aber auf recht deutliche Statements von chinesischen Lehrern/ Meistern gestoßen, die sich gewissermaßen verärgert über die Umgangsformen ihrer nicht-asiatischen Schüler geäußert haben.

Ich glaube nicht, daß man das so einfach als Firlefanz abtun kann.

Gruß KFSB

Kazuko
29-11-2005, 15:30
Die Regeln empfinde ich als Blödsinnig und mein chinesisch-indonesischer Meister legt da auch keinen Wert drauf.
Ich möchte eine Kampfkunst lernen und nicht entmündigt und erniedrigt werden.

Es ist teilweise völlig überzogen was dort steht aber zum einen nehme ich es als anderen Kulturkreis und zum anderen aus einer etwas anderen Zeit.

Kazuko

Klaus
29-11-2005, 16:06
Das sind persönliche Präferenzen, oder lokale oder umgebungsbedingte Üblichkeiten. Die meisten die ich kenne sind nicht so, aber es gibt auch Leute bei denen ich unangenehm aufgefallen bin weil ich den Firlefanz bei einem DEUTSCHEN Lehrer den ich nur zu einem Seminar besucht habe nicht gemacht habe. Gerade bei den internen Stilen, und insbesondere im Umfeld von Daoisten, gibt es eher relaxte, joviale Leute.

HuLong
29-11-2005, 16:30
Ich finde aber einiges was in der Liste stehtrecht plausibel.

Ich fände es zum kotzen, wenn ich jemandem etwas erkläre und er woanders hinschaut, oder die ganze Zeit sagt er könne das schon. Es muss auch nicht sein, dass Schüler oft zu spät kommen, oder immer früher gehen (wenn er keinen triftigen Grund hat). Man muss seinen Lehrer auch nicht provozieren....

Na ja, dass sind Regeln, die man aber immer einhalten sollte und nicht auf KungFu beschränkt sind. Über die anderen Sachen kann man diskutieren.

HuLong

TQ
29-11-2005, 16:57
.....
Andererseits wirkt diese "Regelliste" aus meiner persönlichen Sicht etwas bizarr auf mich.
Ist aber halt auch ein anderer Kulturkreis. In dieser extremen Form halte ich es nicht für übertragbar auf westliche KK-Schulen.....


Diese Regelliste ist in China üblich und für die Chinesen absolut verständlich.
Ja, es ist ein anderer Kulturkreis und ich bin auch absolut überzeigt, dass es hier in den westlichen schulen NICHT übertragbar ist, da sie auch ein ganz anderes Veständnis dafür haben.
Die meisten wollen alle nur Techniken lernen, aber mehr auch nicht. Für den MEister dagegen ist es etwas persönliches. Denn wenn er unterrichtet , dann unterrichtet er auch richtig!!! Deshlab sind die traditionellen Meister auch so wählerisch was ihre Schüler angeht.
Dies ist auch vllt. ein Grund warum es schwierig ist, dass ein Schüler etwas "vollstandig" erlernt. insbesonders für die Schüler, denen es einfach von Verständnis fehlt. z.b. Yip man/ schüler????
(Bitte auf das Beispiel Schüler/Yip man *ing *ung story`s nicht näher
darauf eingehen. Es ist mir so einfach so spontan eingefallen^^...)

Da sich die Welt auch heute sehr schnell verändert, haben sich auch dementsprechend die Werte und der Respekt vor dem Meister sich geändert, wie z.b. der von kazuko genannte Chinesisch-indonesischer Shifu.
Die Lehre des Konfuzius findet man in Deutschland hauptsächlich in den Büchern aber bestimmt nicht in der Gesellschaft. Dafür hat Deutschland ihre eigene Kultur und Verständnis.

Ich schätze mal, dass dieser Respekt vor dem Kung Fu Meister nur noch in China zu finden ist oder auch noch in den weltweiten China Town`s.

Bythe way: diese Art vom respekt gegenüber dem Meister gilt nicht nur in den Kampfkünsten , sondern auch für die anderen Künste wie der Kochkunst, Kalligrafie..usw...

christoph
29-11-2005, 17:57
Nun ja.
Ich bin einerseits ein Freund einer gewissen Disziplin und des respektvollen Umgangs.


Das mit diesem abgehobenen Meister ist vermutlich auch aufgrund meines Alters und der Lebenserfahrung etwas problematisch. Mit über 40 hat man in der Regel schon zuviele meist selbsternannte Meister mit wenig realer Substanz kennengelernt um solchen Nimbus noch ernst zu nehmen.
Wer es nötig hat sich hinter soviel äußerer Form zu verstecken hat in der Regel nicht viel Inhalt zu bieten (mal so platt, böswillig).

Gruss

Ich bin zwar noch nicht 40, jedoch ungefähr der gleichen Ansicht. Übrigens habe ich das größte Brimborium um Meister und haste nicht gesehen in Deutschland erlebt und nicht bei meinen bescheidenen China Erfahrungen!
Eine wirkliche beeindruckende Persönlichkeit spricht für sich und brauch keine solchen albernen Regeln.

Klaus
29-11-2005, 18:45
Gehen wir mal im Einzelnen drauf ein. Mein Lehrer bzw. meine Bezugsperson war schweinealt und eine wichtige Respektsperson, aber trotzdem jovial. Wobei es da auch Grantler gegeben hat, die aber eher "kauzig" waren als vollkommen streng, oder alles auf die Goldwaage legend. Es gibt sicher Leute im militärischen oder offiziellen China die sowas enger gesehen haben, besonders in der Öffentlichkeit.


1. Der Lehrer darf (im Unterricht) niemals nur mit seinem Namen angesprochen werden. Die korrekte Anrede nennt immer den ehrenden Titel, also entweder Shifu bzw. Laoshi oder einen anderen Meistertitel, der in der entsprechenden Schultradition verwendet wird.


Liegt daran daß man die Leute eben so anspricht, man hat hier ja auch früher "Herr Lehrer" gesagt, und sagt in der betrieblichen Ausbildung auch erstmal "Meister" und nicht "Ey, Müller". Wobei die Meister dann wenn man länger dabei ist eher zum Vornamen übergehen, wenn man wohlgelitten ist. Das ist aber eine Respektsfrage, wenn man gut mit den Leuten umgeht und sie ohnehin respektiert dann werden die auch familiärer. Einen älteren Mann mit seinem Vornamen anzusprechen ist ein bischen gewagt, man sagt hier ja auch nicht "Ey, Gerd" wenn man mit dem Ex-Bundeskanzler spricht. Manche Lehrer bestehen auf der Form, in der Öffentlichkeit, manche wollen aber auch daß man die bei entsprechend herzlichem Kontakt bei ihrem Spitznamen oder familärem Namen anspricht, und wenn es "Onkel" oder "Großvater" ist. Sowas wird aber eben ANGEBOTEN.



2. Es ist für die Schüler (Dizi) unangemessen, ja man kann sagen verboten, den Meister im Unterricht kameradschaftlich zu berühren, zu umarmen, zu necken usw. Viele Meister wünschen derartige "Intimitäten" auch außerhalb des Unterrichts nicht, da eine so große körperliche Nähe die Grenzen der Hierarchie verwischt.

Auch das ist eine Frage der Umstände. Ich kann schlecht bei einem 70jährigen hingehen und dem mal zum Spaß in den Hintern treten, wie es vielleicht bei Fussballern unter sich üblich ist. Unter sich, wenn man bereits familiären Kontakt hat, dann kann man die Leute schon anfassen, als herzliche Geste. Sowas sehen die als normal, wenn man eben quasi zur Familie gehört. Man geht aber schliesslich auch nicht hin und schlägt dem Aufsichtsratsvorsitzenden seiner Firma auf die Schulter wenn man ihn nicht kennt. Es kommt aber auch darauf an um was für eine Prägung es sich handelt, es gibt Leute die sich weder anfassen lassen noch anfassen. Das hat dann spezielle Gründe, nicht wegen der Hierarchie, sondern weil man grundsätzlich Nähe über Gestik ausdrückt und nicht anfassen. In dem Fall fassen sich die Leute untereinander aber auch nicht an. Merken kann man das nur daran ob sich die Leute selbst berühren, und ob er damit bei einem anfängt, oder mit Abstand nur Handzeichen austauscht. Es gibt Gesellschaften bzw. Familien wo die Leute sich frenetisch die Hand schütteln und am Arm fassen um sich zu begrüssen, und welche wo man Distanz hält.



3. Befindet sich der Meister in der unmittelbaren Nähe des Schülers, dann soll dieser gerade und aufrecht stehen, nicht seine Arme in die Seiten stemmen, sie nicht vor der Brust verschränken, nicht die Hände in den Hosentaschen halten, nicht auf dem Boden sitzen oder liegen, generell es sich nicht "bequem" machen (z.B. auf einer Bank oder einem Sessel loungieren).

Kommt drauf an. Wenn einem was gezeigt werden soll, sollte man auch hingehen, und nicht aus der Entfernung im Sitzen zu sehen. Eine besonders strenge Haltung muß man da aber nicht einnehmen, man ist ja nicht beim Militär. Militärische Lehrer die ja nicht familiär sind, mögen es anders wollen, das ist beim Bund aber genauso. Im familiären Umfeld sitzen auch Kinder in der Gegend rum und jeder brasselt vor sich hin, da gibt es sowas nicht, da muß keiner stramm stehen wenn der Lehrer kommt. Zuhören sollte man aber. Es gibt sicher welche die erwarten daß man sie begrüßen kommt und sich dann erst wieder hinsetzt wenn man sitzen möchte.


4. Findet eine Unterweisung oder Demonstration durch den Meister statt, dann gilt es als hochgradig unangemessen, nicht zuzuhören, die Augen zu schließen, wegzuschauen usw.

Das ist eigentlich selbstverständlich, auch nicht nur in China.



5. Ein Schüler sollte niemals zu spät zum Unterricht erscheinen, denn dies sagt, daß er die Unterweisung durch den Meister, die traditionell als unbezahlbares Geschenk gilt, nicht wertzuschätzen weiß.

Im bezahlten Unterricht oder einer richtigen Schule sehe ich das auch so, das gilt aber auch für Sportvereine daß man nicht spät kommen soll.



Im Gegensatz dazu ist der Schüler verpflichtet auf den Lehrer zu warten, falls dieser später zum Unterricht erscheint. Es existieren viele Geschichten darüber, wie Kung Fu-Meister ihre Schüler immer wieder warten lassen, um herauszufinden, welche Schüler die nötige Geduld aufbringen und den traditionell geforderten Respekt demonstrieren.

Das gibt es sicher.



6. Ein Schüler sollte den Unterricht nicht vorzeitig abbrechen, und er sollte die Unterrichtshalle (Guan) auch nicht vor dem Meister verlassen. Traditionell kommt der Meister als letzter und geht als erster. Erklärt der Meister nach dem Ende des Unterrichts einigen Schüler noch etwas, dann sollten sich die Schüler, die die Halle verlassen, zunächst in Richtung des Meisters verbeugen und erst danach aus der Halle gehen.

Auch das sind eher normale familiäre Umgangsformen. Wenn ich bei Freunden gehe, dann verabschiede ich mich auch und haue nicht einfach ab.


7. Bei gesellschaftlichen Zusammenkünften gilt als selbstverständlich, daß die Schüler niemals sitzen, wenn der Meister steht, außer er fordert sie dazu auf. Dem Meister wird immer der beste Platz zum Sitzen angeboten, man beginnt niemals mit dem Essen oder Trinken, bevor der Meister ißt oder trinkt. Überreicht man dem dem Meister einen Gegenstand, dann ist dies stets mit beiden Händen zu tun.

Auch das ist normal, wenn ich in der Firma bin und der Chef eine Rede hält, gehe ich auch nicht gähnend zum Buffet und fange schon mal mit dem Essen an.


8. Es versteht sich außerdem von selbst, daß es einem Schüler absolut verboten ist, sich gegenüber seinem Meister in irgendeiner Weise frech, provokant oder besserwisserisch zu verhalten oder sonstwie anmaßend zu sein. So ist es beispielsweise völlig unangemessen, auf eine Unterweisung oder Erklärung des Lehrers zu antworten, daß man dies bereits wisse, auch wenn das der Wahrheit entspricht.

Auch eine normale Umgangsform, nicht kung-fu-spezifisch.


9. Niemals darf sich ein Schüler anmaßen, dem Lehrer vorzuschlagen oder gar vorzuschreiben, was oder wie dieser ihn zu unterrichten hätte. Eine solche Verfahrensweise unterstellt dem Lehrer, daß er nicht wüßte, was zu tun sei und ist deshalb völlig inakzeptabel.

Bei guten Lehrern ist sowas eine Beleidigung. Bei manchen ist sowas aber angebracht, und da trifft auch der letzte Satz zu. Es gibt nichts Schlimmeres als z.B. einen (deutschen) Lehrer der keine Ahnung hat, meint alles zu wissen, falsch anleitet, und trotzdem als Gott verehrt werden will, dem nicht zu widersprechen ist.



10. Schließlich soll ein Schüler Respekt gegenüber seinem Meister ausdrücken, indem er drei wesentliche Qualitäten eines Kung Fu-Übenden demonstriert: den Wunsch zu lernen, die Hingabe zur Übung und die Disziplin beim Training. Diese drei Qualitäten zeigen dem Lehrer, daß sein Schüler sich als würdig erweist, in der Kunst unterrichtet zu werden.

Respekt gegenüber Menschen ist eine Kardinallehre, nicht nur beim "Meister".

Weiter geht es HIER (http://www.kung-fu-schule-berlin.de) (Den Artikel unter "News" anklicken)[/QUOTE]

Thorre
29-11-2005, 21:26
Ich neige dazu, Klaus zuzustimmen – nicht alles, aber einiges, dieser zehn Punkte kann man relativ unspektakulär unter dem Begriff „Gute Manieren“ zusammenfassen. Was die ganze Sache bizarr macht, ist eben auch die schriftliche Fixierung. Wir sind es nicht gewohnt, „ungeschriebene Gesetze“ zu denen ja nun einmal Respekts- und Höflichkeitsformen gehören, so breitgewalzt schwarz auf weiß doziert zu bekommen.

Was ich allerdings etwas anders sehe als Klaus, ist die Rolle der Daoisten. Ich bin auch sehr lange davon ausgegangen, daß die buddhistischen Meister im Vergleich die strengeren, schrofferen, unhöflicheren Leute sind. Dabei war ich möglicherweise von den chinesischen Geschichten über die Chan-Meister und meinen eigenen Erfahrungen mit buddhistischen Meistern beeinflußt.

Überraschenderweise hat mir dann vor einiger Zeit eine Qigong-Lehrerin erzählt, daß in China gerade die daoistischen Meister besonders hart und streng sind, viel extremer als die buddhistischen. Wir haben dann ein wenig darüber philosophiert, wo dafür dafür die Ursachen liegen könnten.

Ich denke, daß man bei dieser Geschichte berücksichtigen muß, was der (philosophische) Daoismus eigentlich will und wie sein Menschen-Ideal aussieht. Der Daoismus ist keine sehr soziale Lehre, die Gesetze der Gesellschaft werden bei weitem nicht so hoch geehrt, wie die Gesetze der Natur. Bei dem Sinologen W. Bauer kann man gut nachlesen, daß das daoistische Menschen-Ideal eigentlich ein für unsere Begriffe entmenschlichtes ist. Der „wahre Mensch“ (Zhen Ren) eines Laozi oder Zhuangzi ist eigentlich kein Mensch mehr, jedenfalls nicht so wie wir das verstehen.

Ich denke, das könnte ein Grund dafür sein, daß daoistische Meister auf menschliche Empfindsamkeiten nicht allzuviel geben. Nun sind solche Verallgemeinerungen immer problematisch, Klaus hat sehr „nette“ Daoisten kennengelernt, meine Bekannte äußerst strenge. Vielleicht sind Spekulationen darüber auch sinnlos...

christoph
29-11-2005, 21:43
Ich neige dazu, Klaus zuzustimmen – nicht alles, aber einiges, dieser zehn Punkte kann man relativ unspektakulär unter dem Begriff „Gute Manieren“ zusammenfassen. Was die ganze Sache bizarr macht, ist eben auch die schriftliche Fixierung. Wir sind es nicht gewohnt, „ungeschriebene Gesetze“ zu denen ja nun einmal Respekts- und Höflichkeitsformen gehören, so breitgewalzt schwarz auf weiß doziert zu bekommen.

Es sind eben die Vorstellungen von dem Menschen, der sie verfasst hat. Das als "das ist eben so in China" zu verkaufen, ist ja immer eine beliebte Taktik (nicht nur beim KF und nicht nur in bezug auf China natürlich). Also ich möchte in der Schule bestimmt nicht trainieren. Aber wers mag... :kaffeetri

Jochen Wolfgramm
30-11-2005, 09:48
Ich sehs ähnlich wie Klaus:

es sind einfach gute Manieren und grundlegender Respekt vor einem "Gegenüber".

Das Problem ist doch, dass viele denken sie hätten als moderner Mensch des Westens mit grundlegenden Höflichkeiten und Respekt vor anderen nichts mehr zu tun.
Ich finde es geht darum dem Lehrer/Trainer/Meister zu zeigen, dass seine Bereitschaft mich zu unterrichten und Dinge zu zeigen die andere nicht wissen oder nicht vermitteln können von mir honoriert werden. Und das nicht nur indem ich einen Geldbeitrag zahle. (der ist doch meistens eh für Miete etc) Die Fitnesstudiomentalität: ich zahle also gehört mir das ganze zum Teil, hält leider in den Kampfkunstschulen immer mehr Einzug.
Aus meiner Sicht gehört aber nicht nur das Vermitteln von blossen Techniken und Selbstverteidigung zur chinesischen Kampfkunst. Die "Wu De", die 5 Tugenden, sind zB ebenfalls ein wichtiger Teil des Stoffes, der vermittelt werden sollte. Wenn aber nicht einmal Bereitschaft vorhanden ist, einfachen höflichen Umgang mit anderen zu pflegen (und dazu gehören die genannten Punkte), ist der Zugang zum Verständnis der Wu De unmöglich.

Es überrascht mich nicht, aber es ist trotzdem schockierend, wie ablehnend sich viele diesen einfachen regeln gegenüber verhalten. Und der Hinweis, dass "schlechte" deutsche Lehrer die einzigen sind, die darauf wert legen ist auch ein typisches Argument.
Fast alle chinesen, und erst recht die chinesischen Lehrer, legen Wert auf diese Regeln. Aber sie fordern sie nicht ein! Es ist undenkbar, das ein chinesischer Lehrer, insbesonderen mehr fremden Schülern, das richtige Verhalten erklärt! Es ist so selbstverständlich, das es einer Erklärung schlichtweg nicht bedarf. Fehlt das richtige Benehmen nimmt es der Lehrer hin, aber kommentiert es nicht. Alle chinesen, die ich bislang getroffen habe, freuten sich sehr, wenn sie ein korrektes Benehmen vorgefunden haben. Das gilt für meine Lehrer der Kampfkunst als auch zB der chinesischen Sprache ....

Natürlich versuchen viele "deutsche" Lehrer dieses Verhalten anzuerziehen, indem sie Liegestütz etc. verteilen, wenn dagegen verstossen wird. Es soll eine sensibilisierung geschaffen werden. Oft natürlich völlig umsonst, da die meisten den Sinn garnicht verstehen.

leopan8
30-11-2005, 10:14
Hy

Jeder Lehrer, Schule hat andere Regeln bzw. Bräuche!

In China gibt es 56 verschiedene Völker mit unterschiedlichen Philosophien,Religionen,Kulturen,Bräuchen usw. auch hat oft jede Provinz,Stadt,Dorf seinen eigenen Bräuche die sich von anderen unterscheiden.
http://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lker_Chinas


Die chinesiche Gesellschaft in der VRC(auch andere ostasiatische Kulturen) ist sehr Stark von (Rujia) Konfuzianismus bzw. Neo Konfuzianismus beeinflusst ,noch immer trotz des möchtegern Sozialismus .

Bin kein Fan von der Konfuzianischen Lehre , einige Gesellschaftliche Regeln sind jedoch nicht schlecht!

http://de.wikipedia.org/wiki/Konfuzianismus


Mantis:
Die Zustände im Westen sind das Ergebniss der Antiautoritären Erziehung die seit den 70ern praktiziert wird!
Beobachte oft das viele keinen Respekt vom Alter,Wissen oder Titeln mehr haben!



Gruss
leopan8

Thorre
30-11-2005, 10:18
Hallo Mantis, nur ein Hinweis - ich glaube, das Wu von Wu De bezieht sich nicht auf Fünf sondern auf das kriegerische Wu. In diesem Sinne nicht "Fünf Tugenden" sondern "Ethik des Kriege(r)s". Das entsprechende Schriftzeichen findet sich auch im Artikel.

Kazuko
30-11-2005, 10:39
Was mich an diesen Regeln stört ist das es den Meister gottgleich erhebt und den Schüler sher weit davon distanziert.

Höflichkeit wie Mantis und Klaus sie ansprechen sollte wirklich Selbstverständlich sein (Aber du kennst mich ja Mantis ;)) und das ist sie leider nicht mehr.

Es kommt halt immer auf den Menschen an.
Mein Meister legt sehr viel Wert auf familiäre Atmosphäre und dabei bricht er Regel 2 meistens selbst wobei man dabei auch immer differenzieren muss ob er mir spielerisch einen leichten Klaps gibt um mich zu necken oder ich ihn von hinten anspringe und zu Boden reiße. Das nur als Beispiel.

Man merkt ihm den Asiaten dann an wenn man versucht ihn zu belehren über "seine" Technik, gab mal ne Situation wo ein "Meisterschüler" meinte den Ablauf einer Form besser zu wissen.
Das verzeiht mein Meister nur sehr schwerlich.

Desweiteren macht es immer einen ganz entscheidend Unterschied, wie Klaus schon erwähnte, wie gut und lange ich jemanden kenne.

Als ich bei Mantis in der Schule zu Besuch war wäre mir doch nie in den Sinn gekommen ihn freundschaftlich zu berühren ich kenne ihn ja kaum.

Mein Meister allerdings kenne ich schon viele Jahre und habe auch einen sehr engen Kontakt so das man Geburtstage etc. zusammen feiert.

Ich finde man muss dort schon differenzieren.

Kazuko

Klaus
30-11-2005, 11:26
Es gibt verschiedene Strömungen und Richtungen im Daoismus. Und es gibt auch schlicht schlechte, übellaunige und machtgeile Daoisten, genauso wie es streitsüchtige, rachsüchtige, rassistisch-chauvinistische "Buddhisten"-Mönche gibt. Wobei ich es erstaunlich finde daß es solche gibt die sich entmenschlichen, da kann man leicht nachlesen daß wichtige Leute es nicht so gesehen haben, und Herzlichkeit über alles gestellt haben. Grob wird man da wenn man sich um Dinge sorgt, die man kommen sieht wenn jemand so wie er handelt weiter macht. Ein Lehrer von Zhang Sang Feng ist zu Fuß im 12. Jahrhundert mehrere Tausend Meilen zu Cengiz Khan nach Afghanistan gelaufen, mit über 70, um ihn zu ÜBERREDEN seinen Angriff auf China aufzugeben, um der Leute willen. Und es hat funktioniert. Mit Gewalt und entmenschlicht wird er sowas nicht hinbekommen haben. Die Leute mit denen ich zu tun hatte beeinflussen alles und jeden in ihrem Leben in Richtung des Guten, für sich persönlich und mit Sicht auf alle Anderen. Dafür lernt man explizit Methoden, die Gefühle von Menschen zu beeinflussen, sowohl im Guten wie im Negativen, wenn man mit dem Guten nicht weiter kommt.

Jochen Wolfgramm
30-11-2005, 11:43
Hallo Mantis, nur ein Hinweis - ich glaube, das Wu von Wu De bezieht sich nicht auf Fünf sondern auf das kriegerische Wu. In diesem Sinne nicht "Fünf Tugenden" sondern "Ethik des Kriege(r)s". Das entsprechende Schriftzeichen findet sich auch im Artikel.

Hmm, kann sein. Aber hier mal ein Auszug aus einer Diskussion aus unserem Forum:

Verfasst am: Sa 09.04.2005 16:32 Titel: Wu De von: Nadine
Grundbegriff des Konfuzianismus: Harmonie des Universums und des Kosmos.
Menschlicher Bereich: entspricht Ordnung in Natur
Fünf menschliche Elementarbeziehungen:
• Vater-Sohn
• Fürst-Untertan
• Mann-Frau
• Älterer Bruder-jüngerer Bruder
• Freund-Freund


entsprechen den Fünf Elementen
Fünf Himmelsrichtungen(N, O, S, W + eigener Standpunkt)



den fünf Kardinaltugenden:

Mut; Weisheit; Glaube; Treue Fleiß

andere Quelle:
• Ren, die gegenseitige Liebe
• Yi, die Rechtschaffenheit
• Zhong, die Gewissenhaftigkeit
• Shu, die Gegenseitigkeit – was du nicht willst, das man dir tut, das füge auch keinem anderen zu
• Zhi, die Ehrlichkeit

Aus den fünf Tugenden wurden drei soziale Pflichten abgeleitet:

• Loyalität (Untertanentreue)
• Pietät (Verehrung der Eltern und Ahnen)
• Höflichkeit – das „Li“ – bedeutet Lächeln, umfasst alle Umgangsformen, also die Tugenden Anstand, Sitte und Gerechtigkeit

Weil die Ordnung Konfuzius' Meinung nach durch Achtung vor anderen Menschen und Ahnenverehrung erreichbar sei, hat Li und kindliche Pietät wichtigste Stellung im praktischen Leben erhalten.
_________________
LG Nadine

und:

Verfasst am: Mo 11.04.2005 17:15 Titel: Re von: Vera

Schöne Auflistung, Nadine!

Die fünf Tugenden scheinen sich ja je nach Quelle doch zu unterscheiden!
Gut, dass es da drei soziale Pflichten gibt, denn Mut, Weisheit und Rechtschafenheit sind ja recht abstrakte Begriffe, die man unterschiedlich mit Leben füllen kann...Konfuzius' Ordnung hat ja eigentlich ganz gut funktioniert - das soll aber nicht unbedingt heißen, dass ich sie für gut heiße (z.B Untertanentreue, oder der Zusammenhang Beziehung Vater - Sohn, Fürst - Untertan, Mann - Frau. Aber das muss man ja schließlich auch aus der Zeit heraus beobachten, in der Konfuzius gelebt hat, schon klar).
Nunja, mit Demokratie hat das eh nichts zu tun, insofern kann man sich ja mal Gedanken machen, was das ganze mit Kungfu zu tun hat, und die Konfuzius' Meinung nach wichtigsten Pflichten - Li und Pietät - finden sich ja ganz klar bei uns wieder!

Da kommt mir gerade der Gedanke, ob der Konfuzianismus das Kungfu nicht am nachhaltigsten beeinflusst hat, also mehr als Buddhismus und Taoismus?

Heping
30-11-2005, 12:16
Hallo allerseits

Hier ist es ganz gut beschrieben:

http://www.wuyuan.de/wude/index.html

Gruss, Heping

Thorre
30-11-2005, 12:23
Hallo Klaus, ich bin sicher, daß man das so sehen kann, wie Du es tust. Damit meine ich, daß Du bestimmt gute Gründe, beispielsweise Deine persönlichen Erfahrungen mit Daoisten, für diesen Standpunkt hast.

Andererseits ist kaum abzustreiten, daß sich die zentralen Ursprungstexte des Daoismus, nämlich das Zhuangzi und das Daode Jing, so gut wie gar nicht mit dem Thema der Güte, Liebe oder Menschlichkeit befassen – und dies steht nebenbei gesagt in deutlichem Gegensatz zu den Werken des Konfuzianismus und des Buddhismus, die sich sehr explizit zur Bedeutung sozialer Werte äußern.

Auch die mir bekannten chinesischen daoistischen Geschichten kreisen nicht um die von Dir genannten Attribute der Menschenfreundlichkeit, sondern sind eher Ermahnungen, die menschlichen Gefühle/ Empfindungen/ Befindlichkeiten/ Empfindlichkeiten loszulassen. Nach rührender Hinwendung eines Daoisten zu einem anderen Menschen klingt da nichts.

Aber gut. Die Wahrnehmung ist eben verschieden. Man kann es so sehen, wie Du. Man kann es aber auch so sehen, wie es Achilles in Troja dem Hector entgegenfauchte: „Es gibt keinen Pakt zwischen Löwen und Menschen!“

SQ
30-11-2005, 12:27
Auch wenn mir nicht alle Regeln bei meinen Meister eingebläut worden sind und auch heute meine Schüler bei weitem nicht alle Regeln befolgen und befolgen sollen... ...finde ich die Zusammenstellung sehr gelungen. Vor allem die letzte Regel bezüglich des Willens zum Lernen, Ausdauer und Respekt drückt es gut aus.

Cherubin
30-11-2005, 12:43
ehrlich gesagt befolge ich die meisten dieser regeln ohne sie vorher gekannt zu haben. wenn man leidenschaftliche eine sache lernen will, die einem große freude bereitet und bei der man mit hingabe dabei ist werden die sich von selbst einstellen !
auch hat das nicht zur folge, dass man einen gott oder eine götze hat, es sind zum einen selbstverständlichkeiten, zum anderen vielleicht kleine kulturelle besonderheiten, die wir in deutschland übrigens im bezug auf pünktlichkeit und ordnung auch haben (es gibt kaum ein anderes land bei dem die leute bei rot ALLE stehen bleiben ! )

beispiel:
in china beginnen wissenschaftliche arbeiten oftmals vorab mit einer entschuldigung für ungenauigkeiten und ungenügende durchleutung des themas.
wenn das hier in deutshcland passiert würde doch jeder die arbeit gleich eine note schlechter bewerten, während man in china ohne diese form mancherorts für arrogant und wenig bescheiden gehalten würde

Thorre
30-11-2005, 13:06
Hallo Mantis,

ich dachte, Du beziehst Dich auf das Wu De als den Tugendkatalog, der sich innerhalb der Kampfkunstschulen Chinas etabliert hat, deshalb habe ich den Hinweis gegeben. Du meintest aber die konfuzianischen Wu Chang „Fünf Prinzipien“, alles klar.

Noch mal im Vergleich


Die Tugenden des Kriegers – Wu De

Zu den Tugenden des Handelns werden gezählt:

1. Demut (Qian Wu)
2. Achtung (Zun Jing)
3. Rechtschaffenheit (Zheng Yi)
4. Vertrauen (Xin Ying)
5. Loyalität (Zhong Cheng)

Zu den Tugenden des Geistes werden gezählt:

1. Wille (Yi Zhi)
2. Ausdauer (Ren Nai)
3. Beharrlichkeit (Yi Li)
4. Geduld (Heng Xin)
5. Mut (Yong Gan)


Die fünf konfuzianischen Prinzipien – Wu Chang

1. Gegenseitige Liebe, Menschlichkeit (Ren)
2. Rechtschaffenheit, Pflichtgefühl, Gerechtigkeit (Yi)
3. Gewissenhaftigkeit, Anstand, Riten, Höflichkeit, Wohlverhalten (Li)
4. Ehrlichkeit, Treue, Vertrauen, Glaubwürdigkeit (Xin)
5. Wissen, Weisheit (Zhi)

Klaus
30-11-2005, 13:35
Ich denke eher daß Du die krasse Mißachtung der Werte durch einzelne "Daoisten" (man könnte sie auch als Soziopathen oder Psychopathen bezeichnen) überbewertest. Diese Werte lassen sich gleich aus den Tugenden die unter Wu De von Dir im ersten Post gelistet wurden ableiten.

Das "Loslassen von Befindlichkeiten" bezieht sich darauf, daß man lernen kann diese zu überwinden, indem man sie annimmt. Daraus entsteht Wachstum, und die Erinnerung bedrückt nicht. Das ist was anderes als kalt zu tun als wäre es eh nicht richtig solche Empfindungen zu haben. Man muß sie nicht festhalten. Sie gehen, wenn sie gewollt sind. Später wird man so fest daß einen nichts mehr trifft. Allerdings reisse ich immer noch Leuten die Gedanken aus dem Hintern wenn diese destruktiv gegen andere Leute agieren. Das mag bei mir immer noch zu hart ausgeprägt vorkommen. Der Sinn ist aber daß sich jemand mit dem Negativen so lange beschäftigt bis er eine Lösung entwickelt.

Daß manche Bücher nicht darauf eingehen, liegt daran daß sie sich nicht explizit mit diesen Dingen beschäftigen. Es gab auch einen Staats-Daoismus dessen Aufgabe darin bestand, die Leute zu verarschen, ruhig zu halten, und die Dinge zu rechtfertigen die der "weise" Staaten- oder Ortsmächtige so macht. Da gibt es dann viele, viele Zeremonien, und ganz wenig Inhalt.

Es gibt wichtige Sätze von bekannten Daoisten (das sind Menschen, keine Bücher) die dahingehen daß man vom Herzen her leben soll. Der genau Wortlaut ist mir leider wieder entfallen.

Wenn man sich diesem "Dao" öffnet, also den natürlich Intuitionen die von irgendwoher aus dem Inneren kommen, dann normalisiert sich das Denken und Empfinden in dieser Richtung. Es entsteht eine Moral, die nicht von vorgegebenen Weisheiten kommt, sondern eben aus dem was da wirkt selbst. Dieses ist prinzipiell GUT. Es hindert einen auch daran böses zu tun, sonst hätte ich Leute erschlagen und es hätte nicht "etwas" im letzen Moment gegen meinen Willen den Arm zurückgezogen. Es entstehen auch Fähigkeiten, Leute zu beeinflussen, im nicht so liebevollen Weg wenn das "Feuer" entfacht wird (daß nennt man auch so), und man das Gute sofort und mit der Axt erzwingen will. Primär lebt man aber mit einem "hinterfotzigen" Lächeln, das die Leute tätschelt aber öfter hinterfragt ob das was sie gerade machen so richtig ist. Und man überträgt diese Empfindung bis sie alles aufgedröselt hat was jemand an negativem mit sich herumträgt. Sowas kann aber über Jahre gehen. Bei mir selbst wirkt es auch nicht immer, es ist aber da, und wenn ich eine Episode wütender Gefühle überstanden habe, kommt es immer wieder. Ich weiß vorher nicht warum diese Gefühle sind, was ich mache damit es aufhört, aber irgendwann hören sie auf, meistens mit etwas heftigeren Umbrüchen. Und das kommt alles aus keinem Buch sondern aus dem Dao selbst, so wie ich mal gelernt habe wie man sich dem öffnet, von Leuten die das ununterbrochen seit ein paar Tausend Jahren weitergegeben haben, und das mit Absicht.

Der kalte Rächer der Natur, der seine natürlichen Raubtierinstinkte machen lässt, existiert nur in der Fantasie dieser Pseudo-Daoisten. Und ist das Ergebnis davon daß diese gescheitert sind, ihre Aggressionen zu überwinden. Im Normalfall bricht das Feuer mal aus, aber in der Regel mit einer sinnvollen Absicht. Und nicht als Naturgewalt. Und aus Büchern kommen die Intuitionen sicher nicht.

Noch was: Mit diesen Intuitionen kommt auch ein inneres Wissen über den Kreislauf des Lebens, und daß es Wiedergeburt und dergleichen faktisch gibt und nicht nur als Idee, oder Konzept. Und von daher kommen manche Daoisten mal auf die Idee, jemanden vorsorglich schon mal auf die Reise ins nächste Leben zu schicken, um ihm eine Lehre zu erteilen was wäre wenn alle einfach auf jeden losgehen nur weil es möglich ist. Jammerlappend das was passiert hinnehmen ist nicht unbedingt die Sache der Daoisten, das vor sich in leiden überlässt man den Buddhisten. Aber man macht Dinge erst wenn man das Gefühl hat daß es das Richtige ist, und nicht blind, und überlässt Dinge und Empfindungen von Menschen auch mal dem natürlichen Lauf damit sie selbst lernen damit umzugehen und es zu verstehen.

Wenn ein Stein von alleine den Berg runterrollt, dann laufe ich nicht hinterher und schiebe ihn noch an. Wenn er aber droht ein Kind zu überrollen, dann klage ich nicht, sondern ich nehme das Kind aus dem Weg und lasse den Stein rollen.

Thorre
30-11-2005, 13:45
Hallo Klaus, habs gelesen und werde darüber nachdenken.

Beste Grüße

Gan bej!
02-12-2005, 10:19
worauf gründet der Respekt vor dem Kung Fu-Meister?

-Er gründet auf dem Mitgliedsbeitrag, den er monatlich von seinen Schülern erhält. ;-)

Diese ganzen aufgezählten Punkte sehe ich eigentlich als selbstverständlich im zwischenmenschlichen Umgang an.

Toby_R
05-12-2005, 16:50
Grundsätzlich stimme ich der Haltung zu, daß die meisten der genannten Punkte ganz einfach zu einem gepflegten menschlichen Miteinander gehören. Wenn es denn Abweichungen gibt (mehr Familiärität, Vornamen, etc.) dann eben erst wenn man sich besser kennt und wenn der Lehrer/Meister es anbietet oder vorlebt.

Was mich an der "Meisterverehrung" allgemein etwas stört ist daß es eben doch mittlerweile viele sog. Meister gibt, die keine sind (auch in China und zwar jede Menge, wenn man div. Erlebnisberichten glaubt, viele Leute haben da ein sehr verklärtes Bild über Chinesen). Hinzu kommt, daß der Begriff Meister (Shifu) doch eigentlich eine ganz bestimmte Zusammengehörigkeit betont (sehr schön beschrieben in Jan Silberstorffs "Chen"-Buch), die über eine einfache Monatsbeitrag/Lehrerbeziehung weit hinausgeht. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß es durchaus nicht wenige Lehrer gibt, die den Titel Meister für sich beanspruchen (und vom technischen Können auch durchaus verdienen) ohne dabei aber auch die entsprechenden Pflichten des Meisters zu berücksichtigen, bzw. die einem viele Dinge, die ein Meister sein sollte, eher nur vorleben.

Wenn man aber natürlich diesen Mensch gefunden hat, der sich Meister nennt und all das verkörpert, was dazugehört, dann gebührt ihm vielleicht gerade deshalb umso mehr Respekt, weil es eben doch nicht so viele sind, die das tun.

Thorre
06-12-2005, 11:49
Hallo Toby, Du beschreibst da einen in dieser Diskussion neuen Blickwinkel: Was sind denn Deiner Meinung nach die Pflichten eines Shifu?

Gruß KFSB

kediren
06-12-2005, 12:45
hm.. bin zwar nicht Toby.. aber ein konsequente Verfolgung der Moralvorstellungen des Stills und der staatlichen Richtlinien wäre schon ein guter Anfang..

:D

Toby_R
06-12-2005, 16:41
Ich habe Erfahrungen mit eben sog. Meistern gehabt, die zwar gewisse Philosophien gepredigt, sie aber nicht gelebt haben. Man muß natürlich auch einsehen, daß auch Meister nur Menschen sind, allerdings bin ich der Meinung, daß jemand der sich selbst als einen Kampfkunst-Meister bezeichnet mehr sein sollte als ein guter Techniker.

Ein paar Punkte, die ich bei einem Meister begrüßen würde (und dem ich dann auch entsprechenden Respekt entgegenbringen würde) sind z.B.

1. Er hat gute Kenntnisse in seinem Stil und weiß die auch gut zu vermitteln. Er redet offen über die Geschichte des Stils (möglicherweise auch mit der Anmerkung, daß nicht unbedingt alles über den Stil bekannt ist).

2. Er trennt esoterische bzw. mystische Geschichten (seien es nun philosophische oder welche aus der Geschichte der KK) von realer Geschichte. Beides hat seinen Platz, aber ich finde es wichtig, zu unterscheiden, was wohin gehört.

3. Er spricht offen über den Hintergrund und Sinn der Techniken des Stils. Ich denke in vielen traditionellen Wushu-Stilen gibt es Techniken, deren praktische Anwendung ich mal in den Bereich der Mythen verweisen möchte (und sei es weil sie so spezifisch sind, daß eine reale Situation, für die sie ursprünglich konzipiert worden sind, kaum vorkommt; z.B. wenn die Bewegung als Konter gegen eine Bewegung eines bestimmten Stils erschaffen wurde, etc.)

4. Er versteht die Philosophien, die (wenn überhaupt) mit der KK verbunden sind, die er unterrichtet. Und selbst wenn er sie nicht immer selbst auslebt (wer tut das schon wirklich), sollte er zumindest danach streben.

Ich denke ich erwarte generell Offenheit, Diskussionsbereitschaft, gute Lehrerfähigkeiten und ein Streben danach, gewissen Idealen gerecht zu werden.

Was haltet ihr von den Punkten? Fehlt was? Ist das unverschämt? Meinungen?

Thorre
09-12-2005, 11:57
Ich stimme Dir in beinahe allen Punkten zu, aber „Offenheit“ und „Diskussionsbereitschaft“ sind in meinen Augen nicht die Attribute eines Meisters. Ich sehe nicht, weshalb ein Meister „offen“ sein sollte und schon gar nicht, weshalb er „bereit zum Diskutieren“ sein sollte – traditionelle Kampfkunst ist kein Philosophenzirkel...

Klaus
09-12-2005, 14:32
Also Diskussionsbereitschaft im Sinne von, ich erkläre wofür etwas ungefähr gut ist (oder denke mir eine gute Geschichte aus ;)), oder löse Verständnisprobleme, sehe ich als in Ordnung an. Diskussion in Punkto, ich will das aber so und so machen weil es "besser" ist, nicht. Stundenlange Diskussion WARUM das so nicht besser ist auch nicht. Obwohl, man kann sich ja einmal drauf einlassen, und wenn es dann nicht wieder vorkommt, auch gut. Leute wie Lo Man Kam können einem dann tatsächlich erklären, verbal und körperlich, warum es so nicht besser ist. Unendliche Geduld haben die aber auch nicht. Obwohl ein guter Meister erkennt WARUM jemand die vielen Fragen stellt, und das PROBLEM löst statt das Symptom. Es stellt ja jemand keine Fragen der keine Angst oder andere Gefühle hat die ihn treiben.