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Vollständige Version anzeigen : Jan Silberstorff



die Chisau
20-12-2005, 20:06
Bin gerade in der Mitte von Jan Silberstorffs Buch: "Chen- lebendiges Taijiquan im klassischen Stil"
Ich finde das Buch bisher sehr interessant und informativ.
Eine Sache macht mich allerdings stutzig. Er meint es genüge zu 95%(richtig) Form zu trainieren ,um ein guter Kämpfer zu werden.
Das mag vielleicht funktionieren ,wenn einer 24 Stunden am Tag trainiert, dann wären die 5% womöglich ausreichend..aber für den Durchschnittsbürger?
Kennt jemand von euch Jan ,dessen kämpferische Qualitäten?
Gibt es überhaupt jemanden der mit Taijiquan und dieser Trainingsmethodik (95% Form) kämpfen kann? Ernsthaft kämpfen? Ich kann es nicht glauben ,bin aber gern bereit Gegenargumente zu lesen. ;)

martin.schloeter
20-12-2005, 20:28
Hi,
ich habe Jan beim Competition Pushing Hands gesehen, da sah er Mann sehr gut aus.
Das mit den 95% Formen halte ich aber fragwürdig, oder man muss "guter Kämpfer" umdefinieren.
Die Formen können keine Antizipation, Timing etc vermitteln. Gerade die Vorkontaktsituation ist ohne gezieltes Training der entsprechenden Attribute nicht zu erlernen.
Ciao

die Chisau
20-12-2005, 21:04
Eben es fehlen beim Formtraining doch Übungen für Reaktion , Distanzgefühl, Erfahrung mit verschiedenste Arten von Gegnern....
außerdem meinte er (,so habe zumindest ich es verstanden ,-kein Anspruch auf Vollständigkeit)Schnelligkeitstraining wäre nicht nötig,wenn man sein Chi richtig beherrscht, sodaß es möglich sei ,obwohl die Formen langsam trainiert werden, im Ernstfall schnell zu reagieren....
Aus den Chisau- ,bzw. Pushing hands Fähigkeiten Schlüsse über die Kampfkraft zu treffen halte ich nicht für aussagekräftig.

Si~Choo
20-12-2005, 21:11
Kennt jemand von euch Jan ,dessen kämpferische Qualitäten?
Gibt es überhaupt jemanden der mit Taijiquan und dieser Trainingsmethodik (95% Form) kämpfen kann? Ernsthaft kämpfen? Ich kann es nicht glauben ,bin aber gern bereit Gegenargumente zu lesen. ;)

Jan Silberstorff unterrichtet 1 oder 2 Mal die Woche an meiner Kung Fu Schule sein Chen Taiji. Ich selbst habe da noch nie mitgemacht, aber von anderen die da mitmachen habe ich gehört, dass er anscheinend ziemlich was drauf hat, auch kämpferisch, und dass sein Unterricht immer recht praxisbezogen ist.

Zu der Aussage, dass man allein durch Formentraining ein guter Kämpfer wird, kann ich nur sagen, was mein Trainer immer sagt: Nämlich dass Formen die Koordination, die Balance, die Kondition, die Kraft, die Konzentration usw. sehr gut schulen. Und das sind nunmal alles Dinge, die einen guten Kämpfer ausmachen. Anders herum könnte man natürlich sagen, dass jemand der sehr viel kämpft, die dadurch gewonnenen Fähigkeiten sehr gut bei Formen einsetzen kann, das ganze eben umgekehrt.

martin.schloeter
20-12-2005, 21:15
@Chisau
Ich hab das mit der Vorkontaktsitution bewusst herausgegriffen.
Habe die letzten Jahre relativ häufig mit Tai Chi Leuten trainiert. In der Kontaktsituation kamen die in der Regel recht gut klar, da sie neben Formen eben auch technische Partnerdrills und Pushing Hands trainiert haben.
Mit der Vorkontaktsituation waren aber viele überfordert, liessen sich teilweise einfach mit einem schnellen Schlag erwischen weil keine automatisierte und systematische Reaktion, Verwirrung durch Fintieren, keine Distanzkonzepte etc.
Das Trainingsmodell noch weiter zu reduzieren, praktisch nur auf Formen, erscheint mir da abwegig.
Wobei es durchaus sein mag, dass man Explosivität auch durch entsprechendes Formentraining erwerben kann. Nützt aber nichts, wenn die nicht automatisiert abgerufen werden kann.

Ciao

die Chisau
20-12-2005, 21:27
@martin.schloeter
jau da sind wir einer Meinung. Schnelligkeit ist durch Formentraining auch zu trainieren ,wenn diese auch explosiv ausgeführt werden, aber durch langsame Bewegungen den "Chifluß" zu steuern lernen und deshalb auch schnell sein zu können scheint mir weit hergeholt...
der Gegner bewegt sich nicht ,ich bewege mich nicht
der Gegner bewegt sich, ich bin schon da....
durch 95% Formtraining?
Was sagen die "Fachleute" aus den inneren Systemen?

Traumfänger
20-12-2005, 22:37
Hallo,

ich glaube ihr müsst euch von dem Denkmodell der WT/YT Formen lösen.
Dort werden immer nur bestimmte Muskeln zur Zeit genutzt.
Ich denke mal es geht um einen ständigen Bewegungsfluß, in dem möglichst alle Muskeln einbezogen werden.

martin.schloeter
20-12-2005, 22:50
Hallo,

ich glaube ihr müsst euch von dem Denkmodell der WT/YT Formen lösen.
Dort werden immer nur bestimmte Muskeln zur Zeit genutzt.
Ich denke mal es geht um einen ständigen Bewegungsfluß, in dem möglichst alle Muskeln einbezogen werden.
Ist mir bekannt. Mache selber auch ein wenig Tai-Chi. Ändert aber nichts an dem Problem.
ciao

Traumfänger
20-12-2005, 23:01
Ich weiß,ich krieg wieder Schimpfe:o , aber stehen nicht Lösungsansätze im Thread "bruchlose Bewegung"?

T. Stoeppler
21-12-2005, 08:08
Jan ist absolut fähig und ein netter Kerl.
Die Aussage mit 95% bezieht sich auf das, was er über das Training von Chen Fake gehört hat! Zu der Zeit, als Chen Fake schon ein echter Brecher war. Also, dass der vorher schon etwas mehr gekloppt hat, steht denke ich ausser Frage.

Was man mit korrekter Bewegung (das ist kein einfacher Begriff) erreichen kann ist immens. Viele Meister in den internen KK sagen, dass man 70-80% Solotraining machen sollte.
Frei aus Tim´s Buch: "The time spend with the exercises is long, the time to defeant an opponent is short"

Gruss, Thomas

nagual
21-12-2005, 10:21
Ich finde so eine Aussage wie 95% Formtraining äußerst problematisch. Man muss sich einmal überlegen, was das konkret heißen könnte, und wie so etwas missverstanden werden könnte:
1.) Wenn jemand 2 Jahre lang zwei bis drei mal die Woche ein solides Kampf- und Anwendungstraining macht (wie in verschiedenen anderen KK bewährt), hat jemand sicherlich recht gut was drauf. Wenn diese Person dann noch 15-20 Jahre Formtraining macht, kommt man vielleicht auf 95%, und so ein Ergebnis kann sich sicherlich sehen lassen.
2.) Wenn jemand "nur" ca. 3-4 Jahre Formtraining macht, und man dann ausrechnet, wieviel Anwendungs- und Kampftraining in dieser Zeit bei einem Anteil von 5% herumkommen, ist das zeitlich sehr wenig (5% ist ein Zwanzigstel, also z.B. ca. 1x 2h alle drei Wochen bei täglich 2h Formtraining), und die Ergebnisse werden deutlich bescheidener sein, als wenn man normal häufig (2-3x pro Woche) Anwendungstraining machen würde, und diese Fähigkeiten hängen den Formfähigkeiten sehr deutlich hinterher.
3.) Sehr seltenes Anwendungs- und Kampftraining ist problematisch, wenn zu große zeitliche Abstände dazwischen sind, weil man viel wieder vergisst bzw. verlernt, und nur uneffektiv verinnerlichen kann. Da sind dann Phasen mit intensiverem Training sinnvoller, während man sich sonst auch Phasen nur mit Formtraining gönnen kann (wenn man an die 95 zu 5%-Regel glaubt).
4.) Es gibt sehr viele Dinge, die man nur durch Formüben und andere Solopraktiken niemals lernt, und man dort unbeholfen wie ein Kind bleibt, wenn man es niemals macht. Es gibt nur sehr wenige Dinge, die man auch absolut ohne Training kann, aber es gibt sie, d.h. man kann Kampffähigkeiten durch aussschließliches Formtraining erwerben, wenn man sich auf diese wenigen Dinge konzentriert, man darf sie aber nicht mit Fähigkeiten verwechseln, die man einfach konkret trainieren muss, und hoffen, dass solche Dinge einem dann zugeflogen kommen (also durch Training von etwas anderem, in diesem Fall Form). Muss man auch individuell überprüfen, was man kann. Stumpfes Rempeln z.B. braucht man i.d.R. nicht mit Partner zu üben, wenn man gegen eine Wand oder in die Luft rempeln kann. Manche andere Sachen muss man nur relativ wenig üben, bis es klappt, andere muss man sehr gründlich und am besten so häufig wie möglich üben, vor allem Qinna-Geschichten und Dinge, bei denen man nicht nur abwehren, sondern auch kontrollieren will. Man muss bei solchen Sachen sehr genau schauen, was ein Anteil von 5% konkret zeitlich bedeutet (wieviel Stunden pro Woche), und sich dann fragen, was man in der Zeit erlernen will, und wie diese Fähigkeiten mit dem Formtraining zusammenhängen.

Man darf einfach nicht glauben, dass man durch Taiji-Form-Training z.B. das Technikrepertoire eines Aikido-Praktikers oder Ju-Jutsu- oder von mir aus auch Kickbox-Menschen erwirbt, wenn man an diese 95:5%-Regel glaubt!

Man muss sich dann einfach mit technisch wesentlich einfacheren Dingen, die aber auch effektiv sein können, zufrieden geben. Dieser Aspekt wird bei so einer Prozentangabe einfach vernachlässigt, und das finde ich dann äußerst unseriös, weil daraus falsche Hoffnungen entstehen, wenn man sich nicht gründlich genug Gedanken darüber macht.

Ich weiß von Jan Silberstorff aus persönlicher Erfahrung, dass er dieses "Nur (bzw. fast nur) Form-traininen mal sehr deutlich propagiert hat (wie es jetzt aussieht, weiß ich nicht), obwohl es seinem eigenen Werdegang nicht entspricht, er hat mir selbst gesagt, dass er zeitweise auch viel praktische Anwendung gemacht hat. Insofern finde ich seinen Standpunkt auch in dieser Hinsicht nicht überzeugend.

Als Lehrer muss Jan auch häufig Anwendungen demonstrieren, und so etwas stellt auch jedesmal eine Übungssituation dar, so dass solche Angaben von 95:5% sehr problematisch sind.

Richtig ist allerdings (wo Jan vermutlich auch drauf hinaus will), dass man bestimmte Dinge nicht durch Anwendung, sondern NUR durch Formtraining erwirbt, und das sind die Fähigkeiten, auf die es im Taiji ankommt, bzw. wo Anwendungstraining drauf aufbauen soll, und dies nicht ersetzen soll und kann.

Man kann auch nicht die Fähigkeiten von jemandem (hier Ja Silberstorff) heranziehen, um so eine Aussage als glaubwürdig zu charakterisieren, aus den oben genannten Gründen, und den Problemen der Verallgemeinerung.

Klaus
21-12-2005, 14:14
Die Frage ist was damit gemeint war. Jemand der mal gelernt hat sich zu kloppen, der kommt mit 95% Formen später gut hin. Man lernt nichts neues, wenn man sich einmal richtig prügeln gelernt hat, aber man muß die körperlichen Möglichkeiten behalten. In den Formen ist durch die Meditation auch ein Mittel, um spontane Reaktionen zu fördern, also eben keine automatisierten Taktiken, sondern jemand macht was, und mein Körper und Geist reagieren. Es gibt viele "natürliche" Leute die spontan gut reagieren, obwohl die sich noch nie geprügelt oder prügeln geübt haben. Es gibt MMA-Lehrer die selbst erklären, daß sie oft spontan was machen was sie vorher so nicht geübt haben. Sowas geht auch in Taiji oder anderen Stilen. Ein Top-Sportler agiert in vielen Situationen spontan, ohne Überlegung, und ohne feste Abläufe. Manchen hilft es, sowas mehr zu üben, andere machen es ohne. Wenn man sich 10 Minuten am Tag kloppt, und 3 Stunden körperlich trainiert, dann sind die 10 Minuten vollkommen okay. Wobei ich annehme daß auch Chen Fake mal längere Zeit am Stück Partnerübungen gemacht hat, oder "Sparring". Mit "kompetenter Kämpfer" kann auch gemeint sein, sich mit dem normalen Strassenschläger auseinandersetzen zu können. Das geht sicher ganz hervorragend wenn man dem kräftemässig und an Schnelligkeit erheblich überlegen ist.

die Chisau
21-12-2005, 21:15
Zitat: T. Stoeppler
„Die Aussage mit 95% bezieht sich auf das, was er über das Training von Chen Fake gehört hat! Zu der Zeit, als Chen Fake schon ein echter Brecher war. Also, dass der vorher schon etwas mehr gekloppt hat, steht denke ich ausser Frage.“
Muß wohl so gewesen sein ...., gerade dieses Beispiel in seinem Buch hat mich stutzig gemacht, das klang so, als selbst für herausragende Kämpfer dieses nur zu 5% „Nicht- Formtraining“ ausreichend sei.

Waren die Meisterschaften die Jan gewonnen hat ausschließlich im Bereich Formen und Pushing hands? Hat er sich auch mit Kampfkünstern aus anderen Stilen in Turnieren gemessen? Was ist an den Chi Geschichten dran? „Übernatürliche“ Fähigkeiten oder nur hohe technische Fertigkeiten?

Sirap
21-12-2005, 23:06
Ich selbst finde Jan Silberstorff auch sehr fähig. Ich habe ihn dieses Jahr 2x gesehen und auch in der Anwendung ist er sehr bewandert. Mein eigener Lehrer schwört übrigens auch auf Formentraining. Die Form ist einfach die Basis. Diese Bewegungen sollen zum reflex werden. Im Tuishou lernt man dann sanft zu reagieren. Nach VIELEN Training wird man so auf jeden Fall ein sehr guter Kämpfer. Natürlich steht ausser Frage, daß es um einiges länger dauert. Aber wenn man so die Nebeneffekte betrachtet, stört mich das gar nicht *lach*Aber soviel muß schon gesagt werden. Zum schnell mal Selbstverteidigung lernen ist Taiji sicher nicht das richtige. So wie alle internen Systeme. ;)

nagual
22-12-2005, 09:51
Jan behauptet mit Sicherheit nicht, "Übernatürliche Fähigkeiten" zu haben. So wie ich ihn erlebt hatte, vermeidet er jedoch einen technischen Ansatz weitestgehend, damit sich das Intuitive voll entfalten kann.

Was die Trainingswirkungen von Formen und als einzige Partnerübungen die Tuishou-Routinen angeht, würde ich vorschlagen, einfach mal regelmäßig zu überprüfen, ob man die gewünschten Fähigkeiten auch wirklich nach und nach erwirbt, und nicht jedesmal zu denken, "ja, jetzt noch nicht richtig, aber wenn ich die nächsten x Jahre regelmäßig übe, dann wird es kommen, mein Lehrer hat das ja gesagt".

Auch Jan Silberstorff hat mir in einer einer Diskussion über dieses Thema mal gesagt, dass man im Verlauf von Monaten (nicht Jahren!) mal mit verschiedenen Gegnern/Partnern überprüfen sollte, was man kann, und wenn man keine Fortschritte feststellt, seine Praxis überprüfen und ggf. ändern sollte. D.h. (zumindest kleine) Fortschritte sollten innerhalb von Monaten auch spürbar werden.

nagual
22-12-2005, 10:21
Die Form ist einfach die Basis. Diese Bewegungen sollen zum reflex werden. Im Tuishou lernt man dann sanft zu reagieren. Nach VIELEN Training wird man so auf jeden Fall ein sehr guter Kämpfer. Natürlich steht ausser Frage, daß es um einiges länger dauert.

Ich finde so eine Einstellung nicht unproblematisch, und das ist genau der Grund, weswegen ich solche 95:5%-Äußerungen unseriös finde, weil dann eine Einstellung entstehen kann, dass man irgendwas trainiert, und dann irgendwann irgendwas herauskommen soll, ohne dass ein direkter Bezug von Praxis und Lernziel hergestellt wird, ja geradezu dass diese Verbindung vermieden werden sollte, damit es klappt. Und das kann schnell in die Hose gehen, vor allem, wenn man sich nicht klar ist, was man eigentlich will, aber Hoffnungen auf ein tolles Ergebnis hat, was dann anders aussieht.

Wenn Leuten die Ergebnisse bezüglich Anwendung dann jedoch eher unwichtig sind, kann sich so eine Sache verstärkt etablieren. Das ist für die Kultur als anwendungstaugliche Kampfkunst nicht unbedingt zuträglich.

Gronker_Lonker
22-12-2005, 13:18
Wie sieht es denn bei dem vorrangigen Formentraining mit der mentalen Kraft in Kampfsituationen aus? Schafft man es mit dem Stress umzugehen und die nötige Lockerheit zu bewahren, wenn man soetwas nicht einmal annähernd trainiert?

nagual
22-12-2005, 14:20
Mentale Kraft wird durch Formentraining ebenfalls trainiert. Durch die Stärkung des Energiesystems wird die Neigung zu Angstreaktionen und die konkreten Auswirkungen von Angsterleben reduziert, wie das durch reines Kampf- und Anwendungstraining so nicht geschehen kann. Auch kann der Körper leichter in einen "Zustand der erhöhten Aktivierung" (will ich mal so ausdrücken, in irgendeinem anderen Thread wurde so etwas mal von einem Karateka beschrieben, als Qi-Erfahrung) gelangen, der dann vollständig angstfrei (bis hin zu übermütig, aber kontrollierbar) sein kann.

Es bleibt natürlich evtl. in stärkerem Ausmaß die Erfahrung der "unbekannten Bedrohung", also etwas Neues, wenn man nie zuvor Kämpfen erprobt hat. Durch Anwendungs- und Kampftraining kann man das Erlebnis des Neuartigen, Unbekannten und Bedrohlichen dadurch reduzieren, dass man in der realen Situation eher denkt, so etwas zu kennen und zu wissen, wie man sich verhalten kann. Das kann man durch Formentraining so logischerweise nicht erreichen, weil Formlaufen eben immer eine sehr andere Situation ist, als real bedroht zu werden.

(Allerdings gibt es keine Garantie dafür, dass in der realen Situation dieses angstreduzierende Erleben einer vertrauteren Situation auch wirklich gelingt, z.B. weil man vorher einfach immer mit freundlichen Partnern geübt hat.)

Am besten man kombiniert beide Sachen, ist meine Meinung dazu. Diese unterschiedlichen Ansätze sind auch aus der Therapie bei Angstproblemen bekannt.

(Anmerkung: Stress ist im Grunde auch eine Form von Angst)

ziphi
28-12-2005, 11:56
Wer in Hamburg wohnt, kann Jan Silberstorff auch häufig zusehen:
Er trainiert sehr häufig im Wohlerspark in Altona. Beim Joggen sehe ich ihn da regelmässig, meistens mit Schülern von ihm.
Mein Bruder hat mir erzählt, er hat ihn einmal gesehen, als er durch den Park zur Schule fuhr. Da stand Jan in einer bestimmten Haltung (er meinte, es sehe "meditativ" aus). Als er circa 7 Stunden später zurück fuhr, stand er immer noch da, genau wie morgens.

nagual
28-12-2005, 12:14
evtl. eher "schon wieder" !

honc
31-12-2005, 01:21
Kennt jemand von euch Jan ,dessen kämpferische Qualitäten?


Ich kenne Jan habe schon mit ihm Haende geschoben
und moechte es vermeiden mit ihm Handgemein zu werden.

Auch die Leute die er unterichtet koennen was, da ich sie oft beim tranieren sehen weiss ich fast wovon ich schreibe... sie machen wirklich fast nur form und stehen rum :)) doch wenn es ans Rangeln geht sind sie .. sehr Erfolgs orientiert

Die Frage nach einem 'richtigen' Kampf ist doch sowieso eher
theoretisch .. wer will schon auf leben und Tod kaempfen?
und das wo es doch gar nicht notwendig ist .. wozu haben wir denn die polizeii

Taiji
09-01-2006, 14:52
Hier ist ja schon einiges Wahre gesagt worden, aber trotzdem nochmal einige Ergänzungen....
Es gibt ja in der WCTAG viele Leute die auf das primäre Formtraining schwören...
Es gibt ohne Zweifel darunter auch jede Menge sehr fähige Leute (das steht nach meinen praktischen Erfahrungen mit ihnen außer Frage)...
Die Sache mit dem "Ich steh den ganzen Tag nur und laufe Form und werde dann ein Super-Krieger" Mythos ist allerdings meiner Ansicht nach an den Haaren herbeigezogen....
Jan selbst hat jahrelang sehr anwendungsorientiert trainiert.
Das Gleich gilt auch für alle anderen wirklich fähigen Leute aus der Linie die ich getroffen habe.
Sehr interessant ist immer dieser partielle Gedächtnisverlust.... da vergessen die Leute einfach ihre Erfahrungen, die sie vorher in anderen Kampfkünsten gemacht haben... auch Jans Kampfkunstbiographie hat ja nun nicht nur Taiji vorzuweisen, sondern einiges an äußeren Stilen.
Vertretet der Linie die das Gleiche behaupten haben sich aber (in der Zeit als sie noch primär äußerlich trainierten) in Asien auf wilden Vollkontakturnieren gekloppt... aber der Level (den man ihnen sicherlich nicht absprechen kann) kommt nur aus der Formarbeit.... ist schon ok...
Aus meiner eigenen praktischen Erfahrung mit Top Leuten der WCTAG kann ich sagen, dass ein großer Unterschied zwischen herausragenden Push-Hands Fähigkeiten (die sich sicherlich durch Formtraining gut entwickeln lassen) und realen Kampffähigkeiten besteht... ich habs ausprobiert!
Es gibt allerdings in der WCTAG Linie natürlich auch einige Leute, die über keinen äußeren Background verfügen und von Anfang nur nach diesem 95-5 Konzept geübt haben... meiner Erfahrung nach können diese Leute im besten Falle gut Pushen... von wirklich realen Kampffähigkeiten habe ich da aber nicht viel gesehen...
Ich nehmen aber an, dass wenn man sich eine gute Grundlage im Anwendungsbereich einmal erarbeitetet hat, dass dann auch große Fortschritte durch primäres Formtraining möglich sind... In so fern hat Jan (aus seiner ganz persönlichen Sicht) sicherlich auch recht.
Fraglich ist aber wie weit ein Kampfkunstanfänger damit kommt!

nagual
10-01-2006, 07:12
... sieh an ... es wird wieder gepunktket ...

Cherubin
10-01-2006, 08:54
... sieh an ... es wird wieder gepunktket ...


krieg ich hier irgendwelche grabenkämpfe nicht mit :confused:

macabre138
10-01-2006, 08:57
der jan hat ne coole frisur

nagual
10-01-2006, 14:02
krieg ich hier irgendwelche grabenkämpfe nicht mit

is eigentlich ne alte Kamelle, ich konnte mir den Spruch gerade nicht verkneifen.

Cherubin
10-01-2006, 14:44
is eigentlich ne alte Kamelle, ich konnte mir den Spruch gerade nicht verkneifen.

:confused:
ich liebe es wenn dauernd dubiose andeutungen gemacht werden...

guandi
10-01-2006, 15:44
.

nagual
10-01-2006, 19:56
Um Missverständnissen vorzubeugen: Grabenkämpfe zwischen "Jan-Silberstorff-Anhängern" und "Jan-Silberstorff-Gegnern" gibt es hier meines Empfindens nach nicht, auf jeden Fall nicht von mir aus geführt!
Bei der 95:5-Geschichte geht es mir hauptsächlich um falsche Erwartungen, die damit verbunden sein können, nicht um generelle Ablehnung.
Eine Trainingsphilosophie in der Richtung, maximales Können mit minimalem Partner- / Anwendungstraining zu erreichen, finde ich absolut legitim und ok. Grenzen gibt es dabei natürlich, aber die gibt es überall.

Die Sache mit den "punktken" "..." ist nur ein Wort- bzw. Buchstabenspiel, was sich auch auf einen früheren Hinweis auf diesen Schreibstil bezieht.
PMs dazu kommen von mir dazu keine.

Cherubin
10-01-2006, 21:15
kommunikation ist glückssache ! ;)

Elok
11-01-2006, 14:40
kommunikation ist glückssache ! ;)

Alter Luhmannist! :D

Cherubin
11-01-2006, 14:41
Alter Luhmannist! :D

nur ein gesundes maß an halbbildung ;)

HuLong
11-01-2006, 15:40
Weiter hinten im Buch schreibt er auch, dass er 20 stiloffene KungFu Turniere auf der genzen Welt hintereinander gewonnen hat. Von daher sollten die Kampfqualitäten doch ziemlich hoch sein.

HuLong

nagual
11-01-2006, 16:49
Von daher sollten die Kampfqualitäten doch ziemlich hoch sein.

Ich habe absolut nichts gegen die Qualitäten und Fähigkeiten von Leuten einzuwenden, ganz egal was sie machen, und wie lange sie dafür gebraucht haben.

Trotzdem nerven mich solche Kommentare, weil erstens damit keine konkrete Aussage getroffen wird, was das bezüglich der Diskussion hier zu bedeuten hat, und zweitens aber angedeutet wird, oder implizit mitschwingt, es hätte was zu bedeuten, im Sinne davon, dass ja dann, wenn einer sooo viiieeeele Tourniere gewinnt, ja sicherlicher immer alles stimmt, was er sagt, und dann auch darauf geschlossen werden kann, dass man mit dieser 95:5-Regel natürlich doch absolut alles erlernen kann, was man will, z.B. wenn man sich beim Formlaufen nur genügend Techniken im Geiste vorstellt. Oder liegt da ein Missverständnis vor?

Ich finde, dass bei sowas oft eine ziemliche Autoritätsgläubigkeit mitschwingt, und das führt dann immer mal wieder dazu, dass auch sehr fähige Leute die Chance nutzen, den letzten Mist zu behaupten, weil es genügend Leute gibt, die es glauben, weil es ja auch Dinge sind, die man nur schwer beweisen oder widerlegen kann. Dennoch gibt es persönliche Erfahrungen, die das Gegenteil nahelegen.
Normalerweise müssten in der Taiji-Szene dann doch massenweise Leute rumlaufen, die unglaubliche Techniken spontan erfinden können, nur vom Formlaufen her. Wo sind diese ganzen Leute denn?

Sorry, Hulong, ich nehme zwar an, dass du das hier nicht soo krass gemeint hast, wie ich es hier darstelle, es geht mir mehr darum, dass einfach sehr viele Leute so oder ähnlich denken, bzw. einfach Aussagen von "Experten" über die eigene Erfahrung und über eigene Beobachtungen stellen.

HuLong
11-01-2006, 17:21
Man kann das ja mal durchrechnen. Er war in China und / bzw. ist Meisterschüler von Chen Xiao Wang, so dass man annehmen kann, dass er viel, also sagen wir mal im Schnitt 4h pro Tag trainiert, und das halte ich für die Untergrenze, wenn ich höre was andere Meisterschüler so trainieren bzw. trainiert haben. Seine Ausbildung ging, sagen wir mal 5 Jahre, was also bedeutet, er hat direkt nach Ende seiner Kernausbildung 360 x 5 x 4h = 7200h Training auf dem Buckel. Fünf Prozent dieses Wertes sind 360 h pures Kampftraining. Aufgeteilt auf tägliche Happchen a 1h heisst das, er hat ein Jahr jeden gesparrt. Wenn man noch bedenkt, dass die theoretischen Ausführungen der Techniken zu Beginn des Kampftrainings nahezu perfekt sein sollten (was man nach 5760 h kampfvorbereitendem Training in Form von Formentraining) erwarten kann, sollte diese Menge an Sparring ausreichen.

HuLong

nagual
11-01-2006, 19:46
Ich weiß jetzt immer noch nicht, was du damit eigentlich sagen willst.

nagual
12-01-2006, 07:19
Nochmal als Ergänzung zu diesem Thema:
Aber erst eine Vorbemerkung: Ich mag es eigentlich nicht sehr, mich über hier nicht anwesende Personen zu äußern, weil ich weder Interesse daran habe, aufgrund des Bekanntheitsgrades bei solchen Leuten in die allgemein angesagten Lobpreisungen mit einzustimmen, noch Interesse daran, eine niedermachende oder besonders kritische Gegenposition aufzubauen (was ja i.d.R. auch nicht berechtigt ist). Zudem weiß ich lange nicht alles, z.B. über das, was so eine Person (ob jetzt Jan SIlberstorff oder wer anders) genau macht, gemacht hat, und ob ich alles wirklich angemessen beurteilen kann, aufgrund diverser Informationsmängel.

Das Thema war aber diese Äußerung mit den 95:5-Anteilen von Form- und Partnertraining.

Jan Silberstorff hat meines Wissens niemals regelmäßig Sparring oder "pures Kampftraining" in der Art von Kickboxern o.ä. gemacht, ebenso kein langjähriges Techniktraining mit zig Varianten von Hebel- und Wurftechniken, Schlagkombinationen etc. wie das in Künsten wie Jujutsu und anderen partnerorientierten Stilen gemacht wird.
Er macht aber regelmäßig Fix-Step- und Moving-Step-Pushen als Wettkampf, und hat hat sich auch ausführlich mit teilweise technischen und teilweise intuitiven Anwendungen aus diesen Methoden heraus beschäftigt, und sich auch mit Anwendungstechniken beschäftigt, die man aus den Figuren der Form ableiten kann. D.h. die ganzen Basistechniken aus Jujutsu, Aikido etc. sind bekannt und eingeübt, aber wohl nicht 35 Varianten irgendwelcher Spezialhebel, oder die 13 Ausweichmethoden, wie man einen bestimmten Wurfansatz verhindert (so was gibts halt in anderen Stilen).

Wenn es jemand besser wissen sollte, bitte ich um Korrektur!

Auf jeden Fall hatte ich den Eindruck, dass die Fähigkeiten, die ich gesehen hatte, auch mittels praktischer direkter Erfahrung eingeübt waren und deswegen gekonnt wurden, und nicht ausschließlich oder vornehmlich rein intuitiv aus der Form abgeleitet waren.

Meine Erfahrung ist, dass man einfach eine bestimmte Menge an Erfahrung im Umgang mit einem Gegner oder Partner braucht, und dass man sich auch detailliert mit vielen Sachen und Aspekten beschäftigen muss, um sie irgendwann zu beherrschen Z.B. wo im Körper (auch des Partners/Gegners!) typische Bruchstellen sind, wo man seine Struktur verliert, wo man dazu neigt, unbewußt zuviel Spannung aufzubauen, wie man das verhindern, kaschieren kann, was für Alternativen man in solchen Situationen hat, da gibt es tierisch viel, was einem evtl. kaum noch auffällt, wenn man es irgendwann verinnerlicht hat, und man weiß evtl. auch nicht mehr, wo man es jetzt genau her hat, wenn es auf Form- UND Anwendungstraining basiert.
Um diese Beschäftigung mit dem Detail kann man sich nicht mit beliebig viel Formtraining und auch nicht mit beliebig viel Sparring oder 500000 Techniken drumrumdrücken, in der Hoffnung, quasi wie mit der Schrotflinte irgendwann wohl jedes Ziel mal getroffen zu haben.
Wenn man so sparrt oder Techniken lernt, dass bestimmte Details darin nicht vorkommen, dann lernt man diese Details nicht. Niemals, egal in welchem Mengenverhältnis das zu anderen Methoden steht, und auf welche Menge man dies über wieviele Jahre aufrechnet.
Und genau das wird einfach durch solche Verhältnisangaben verschleiert, und es entsteht der Eindruck als würde das doch gehen.

Auch solche "Zaubereien", sich mal spontan eine neue Technik zu überlegen, oder zu sehen, und dann sofort zu können, so was entsteht erst, wenn man sich genügend mit bestimmten Detailaspekten beschäftigt hat, und genug Erfahrung mit Partnern oder Gegnern hat.

Jan Silberstorff hat sich alles erarbeitet und die Mengenverhältnisse seiner verschiedenen Übungsmethoden zu kopieren, bringt einen genauso viel weiter, wie sich denselben Haarstyle zu machen.

Der Transfer von Fähigkeiten zwischen Übungsmethoden (z.B. von Form zu Anwendung, von Einzeltechnik zu Freikampf usw.) kommt selten automatisch, bei dem einen schneller, beim anderen langsamer, der eine hat hier Schwierigkeiten, der andere da. Schwierigkeiten löst man aber, indem man sich damit beschäftigt, und nicht, indem die Beschäftigung damit auf irgendwelche absurden Verhältnisangaben heruntergeschraubt wird, und man dann extra was anderes macht. Und das ist einfach der Schwachsinn, der manchmal aus solchen Verhältnisangaben abgeleitet wird, weil der Jan so ne schicke Frisur hat.

Aber wer weiß, vielleicht bekommt man ja so ne Frisur auch vom Üben der Form. Kann man ja mal 20 Jahre ausprobieren, dann braucht man sich kein Gel kaufen. Spart Geld, super.

Cherubin
12-01-2006, 09:38
haarige diskussion ! :D

honc
17-01-2006, 18:29
haarige diskussion ! :D

Ja ich stimme zu ..
Kampfkunst kann gemacht aber auch gedacht werden.

Cleo
23-04-2007, 17:42
Stimmt, er hat 20 Turniere hintereinander gewonnen. Ich finde dieses Kapitel ("Taijiquan, Turniere und das Problem, Erfolg zu haben") auch sehr interessant, besonders das Resultat.
An den Fähigkeiten von Jan zweifle ich auf jeden Fall nicht, er ist nicht umsonst Meister..

Chiquan
25-04-2007, 08:53
hmm wie könnt ihr nur sooo lange texte schreibe... :)

netwolff
25-04-2007, 14:31
Ohne selber ernsthafte Erfahrung im Taiji zu haben, kann ich doch auf einen ausreichenden Fundus zurückgreifen, der KK allgemein betrifft.
Im Gegensatz zu vielen Wettkampf-Kampfsportlern halte ich Formen und Basis-Training (und was sind Formen anderes, wenn nicht Technik- und Bewegungsbasis, nur nicht in langweilig) für immens wichtig. Ich unterstütze auch gerne die Aussage, dass man einen sehr hohen Anteil darauf verwenden sollte, auch wenn man erfahren ist, also sein KK-Leben lang. Aber Timing und Distanzgefühl lernt man damit nicht. Punkt. Das wird jeder schmerzlich erfahren, wenn er mal aus der freundlichen Trainingssituation ausbricht und Cross-Sparring betreibt. Auch Sparring innerhalb des Trainings bereitet einen nicht darauf vor, wie "andere" plötzlich reagieren.

bluemonkey
26-04-2007, 03:58
Auch Sparring innerhalb des Trainings bereitet einen nicht darauf vor, wie "andere" plötzlich reagieren.

Ich denke das ist der zentrale Punkt:

Wie bereite ich mich auf eine offene Situation mit einem (oder mehreren) mir unbekannten Gegner(n) vor?

-Kampfsportarten haben Regeln (offizielle und inoffizielle), und die Sportler trainieren darauf sich innerhalb der Regeln optimal zu verhalten.
Dabei können Sie nahe an der Wettkampfsituation trainieren, da die Regeln meist bleibende Schäden verhindern. Je mehr Regeln, desto "unbrauchbarer" ist das Erlernte in der Realsituation. Ein Vollkontakt-Taekwondoka, der keine
Schläge zum Kopf und Würfe gewöhnt ist (im Sport, nicht im System TKD!) wird wahrscheinlich in der Realität (bei gleicher Begabung und gleichem Trainingsaufwand!) größere Schwierigkeiten haben, als beispielsweise ein BJJ-Kämpfer.
Die meisten Kampfsportler werden sich im Training auf eine Handvoll Spezialtechniken konzentrieren, die Ihnen besonders liegen.

-Ein Kampfkünstler trainiert "realistische" Techniken, dann aber meist nicht in einer Wettkampfsituation (Die Turniere im Augenausstechen und Genickbrechen wurden irgendwann mangels Teilnehmerzahl eingestellt;) ) sondern mit kooperativen Gegnern. Dabei klappen diese Techniken mit geübten Kampfsportlern (die wissen, was sie zu tun haben) oft ganz gut, mit unkoordinierten aber motivierten Anfängern kann man schon mal eine Überraschung erleben ;) ->
YouTube - Aikido: K.Tohei "Grappling" (http://www.youtube.com/watch?v=t2TJoq0lPHM) (übrigens großer :respekt: vor Großmeister Tohei)
Die Idee dahinter ist, dass man Reaktionen auf alle möglichen Angriffe automatisiert, damit Sie im "Ernstfall" von selbst ablaufen.
Hierauf bezieht sich dann das Beispiel (von Jan?) mit dem Schlüssel: Man schließt über Jahre hinweg automatisiert seine Tür mit einem Schlüssel auf,
klappt auch immer prima, aber wenn plötzlich ein Psychopath mit einem Messer hinter einem her ist, wird's wegen der Aufregung schwierig.
Der Geist spielt meiner Meinung nach in einer Realsituation eine entscheidende Rolle!

-der Ansatz im Taiji ist ein anderer:
Chen Xiaowang (der Meister von Jan) sagte auf einem Anwendungsseminar am Ende mal sinngemäß (ist schon über drei Jahre her):
"Vergesst die Anwendungen, übt die Form (90%), der Rest kommt von alleine"
Über die Form lernen wir uns (und damit alle Menschen), körperlich, energetisch und geistig kennen.
In den Partnerübungen lernen wir dann das Fühlen und den Umgang mit der Bewegungsabsicht und der Kraft von anderen.
In jeder Bewegung der Form sind Bewegungprinzipien für viele verschiedene Anwendungen vorhanden, d.h. der Übende hat nach den Jahren des Übens ein großes Bewegungs-Repertoire (und das auch noch in Übereinstimmung mit den Prinzipien!), d.h. im Anwendungsfall muss keine Technik "erfunden" werden, wir sind allerdings auch nicht auf eine eingeübte Choreographie angewiesen, sondern können uns in jedem Augenblick angemessen der Situation anpassen. Die angewandten Techniken unterscheiden sich äußerlich auch nicht von anderen Stilen, sondern im besten Fall durch das innere Prinzip.
(ich kann 1000 tolle Hebel mit kooperativen Partnern lernen, wenn ich beim Hebeln nicht wirklich ins Zentrum des Gegners komme, werd ich im Ernstfall eventuell keine Wirkung erzielen (Schmerz ist nicht alles)).

Soweit die Theorie.

Ich gehe mal davon aus, dass CXW als Lineholder und Familienoberhaupt im Gegensatz zu Jan oder Beispielsweise John Ding, von Kindesbeinen an hauptsächlich Taiji gelernt hat. Ich habe keine Ahnung ob er im internationalen Vergleich ein guter Kämpfer ist, aber ich wurde schon von ihm gehebelt, und hab schon Life-Performance im Formenbereich von ihm gesehen:ups: :ups: :ups: , die mich keine Sekunde zweifeln lassen, dass er mich ohne große Mühe in der Luft zerreißen kann. Jan hat nach eigenen Aussagen keinerlei Chance gegen CXW und hier gilt für mich erstmal die Wahrheitsvermutung.
Sicherlich gibt es innerhalb der WCTAG einige Leute mit einem Kampfsporthintergrund, die im freundschaftlichen Gerangel (Sparring) besser sind als andere, die gleich lang oder länger Taiji trainiert haben ohne Kampfsportvorbildung. Allerdings stellt sich die Frage, wieviele Leute (auch und gerade unter den unzähligen Lehrkräften) haben den dritten Level nach CXW schon erreicht, und können damit auch die Taiji-Prinzipien schon wirkungsvoll im Kampf einsetzen?

Mir persönlich gefällt der Ansatz von CXW intuitiv sehr gut (Ich habe auch schon Taiji mit "Selbstverteidigungstraining" erlebt, das führt meiner Meinung nach allerdings leicht vom steinigen Weg zu wirklichem Verständnis ab).
Natürlich sollte man unterwegs ab einem bestimmten Level immer mal prüfen (und dann natürlich am besten mit Stilfremden) ob man in bestimmten Bereichen besser geworden ist, oder nur Luftschlösser baut.

Um eine gute SV-Fähigkeit zu erreichen, ist Taiji höchst unökonomisch: Viele Jahre mehrere Stunden täglich trainieren, nur um sich eventuell mal auf der Straße behaupten zu können (und dann hat der andere ein Messer oder eine Knarre und alles war umsonst)? Da würde ich dann doch eher zu einer anderen KK, einem entsprechenden Haustier, Pfefferspray oder Elektroschocker raten.
Neben der reinen Kampfkunst bietet Taiji allerdings eben viele erfreuliche Nebeneffekte, die allein schon das Training lohnenswert machen. Für mich ist es eine Methode, meinen Körper und Geist zu erforschen und effektiver einzusetzen.

nagual
26-04-2007, 06:38
"Vergesst die Anwendungen, übt die Form (90%), der Rest kommt von alleine"

Dann macht mal schön auch 100% Form, das ist von 90% ja nicht so weit entfernt, als dass es falsch sein könnte. Hat ja ein Großmeister gesagt, der es deswegen ja wissen muss. Das ist deswegen ja auch gültiger als die persönliche Erfahrung anderer Leute, die sich als Nicht-Großmeister auch irren können, wenn sie etwas anderes erleben (d.h. sich nicht einfach ausdenken). Besonderes wichtig ist vermutlich der Zeitabschnitt, der zwischen dem 15. und 20. Übungsjahr liegt. Denn nach 20. Jahren kann man ja alles (Anwendungen, kämpfen etc.), ohne etwas (außer der Form) konkret geübt zu haben, und wenn man das nach 15. Jahren noch nicht kann, dann muss es ja genau in diesen fünf Jahren kommen. Vielleicht aber auch erst ganz plötzlich und mit voller Intensität dann im 19. Trainingsjahr. Da muss man eben Geduld haben und einfach so weitermachen wie bisher auch, d.h. nur Form üben (und Säule und Seidenübungen). Empfehlung vom Großmeister!

bluemonkey
26-04-2007, 10:47
Dann macht mal schön auch 100% Form, das ist von 90% ja nicht so weit entfernt, als dass es falsch sein könnte.

100% ist von 90% ganz schön weit entfernt. Es mach z.B. einen großen Unterschied ob Du 90% oder 100% des Tages nichts isst!
Ich fand es auch mal witzig, als Jan mal gesagt hat, dass die Leute, die längere Zeit (>1 Jahr) im Tempelpark trainieren auf Pushhands-Turnieren immer so gut abschneiden, obwohl sie zu 90% Form trainieren. Das bedeutet aber, wenn ich von einer täglichen Trainingszeit von 8-10 Stunden ausgehe, dass die täglich über ein Jahr zwischen 48 und 60 Minuten Pushands (und auch unkooperatives Pushhands) trainieren. Das ist wohl mehr als das Pensum der normalen Teilnehmer auf solchen Turnieren.




Hat ja ein Großmeister gesagt, der es deswegen ja wissen muss.


Ich hab CXW herangezogen, um zu verdeutlichen, dass sich das Jan, nach dem dieses Thema benannt ist, nicht selbst ausgedacht hat.
Und um jemanden anzuführen, der diese Meinung vertritt, obwohl er vorher oder nebenbei (wahrscheinlich) keine äußeren Kampfkünste betrieben hat, wie eben Jan.
Auch innerhalb der Chen-Familie gibt es davon abweichende Meinungen.
Ich denke schon dass er es, falls an Chen-Taiji irgendwas dran ist, wissen muss. Ob er das nur behauptet (wider besseres Wissen, weil ihm ja eh geglaubt wird), kann ich nicht beurteilen.
Aus persönlicher Erfahrung kann ich nur sagen, dass man im (Fixed-Step) Pushhands erhebliche Fortschritte macht, ohne irgendjemanden auch nur anzusehen, indem man täglich eine angemessene Zeit mit dem korrekten Üben der stehenden Säule verbringt (plus wöchentliche Korrrekturen von einem guten Lehrer).



Das ist deswegen ja auch gültiger als die persönliche Erfahrung anderer Leute, die sich als Nicht-Großmeister auch irren können, wenn sie etwas anderes erleben (d.h. sich nicht einfach ausdenken).


Ich denke einfach, dass die Zahl derjenigen, die im Taiji fortgeschritten genug sind, das beurteilen zu können, verschwindend gering sind. Während die Zahl derjenigen, die auch nach langjährigem Taiji-Training nicht kämpfen können und das auch wahrheitsgemäß berichten, recht hoch ist. Wenn ich in einer Kunst oder Fertigkeit besser werden will, richte ich mich im Zweifelsfall nach meinen Lehrern, den Lehrern meiner Lehrer oder Spitzenkönnern in ebendieser Kunst. Und diesen muss ich dann nach einer Zeit der Prüfung auch einigermaßen vertrauen.
John Ding, den ich ebenfalls für einen sehr guten Kämpfer halte, setzt wohl ein Verhältnis 1/3 Standübungen, 1/3 Form, 1/3 Partnerübungen an.
Damit hat er für mich genauso recht.
Allerdings besteht dann auch bei John Ding das Partnertraining nicht im Einstudieren von bedingten Reflexen oder Sparring (im Gegensatz zu Jan hält John nichts von Wettkampf-Pushhands). Sondern im Umsetzen der in der Form erlernten Prinzipien am Partner, und viel Spüren. Also das Gleiche was im Pushhandstraining im Chenstil gelernt wird.

Nach einer Weile im Taiji weiß ich auch, dass man viele Aussagen (und schon gar keine Zahlenangaben) nicht als eherne Gesetze begreifen darf (immer zwei Waagen dabei, damit die Gewichtsverteilung auch stimmt...;) )

Diese Angaben beziehen sich wohl auch eher auf die unteren Stufen der Entwicklung. Es macht keinen Sinn in den Pushhandsroutinen Hebel, Schläge und Würfe zu üben, wenn man nicht mal die Struktur halten kann, oder spürt, was passiert. Das wäre dann nur Machen, ohne Bezug zur Gesamtsituation.



Da muss man eben Geduld haben und einfach so weitermachen wie bisher auch, d.h. nur Form üben (und Säule und Seidenübungen)


Eben auch Partnerübungen! Aber keine Anwendungen, wenn die Grundlagen nicht stimmen, sonst ist's nur Ju Jutsu (auch lustig, und nichts dagegen einzuwenden, kommt aber drauf an, wo man hin will).

christoph
26-04-2007, 11:05
Ich denke es ist oft schwer fuer Leute, die wirklich etwas koennen, nachzuvollziehen woher ihr Koennen eigentlich kommt, d.h. aufgrund welcher Trainingsmethoden sie dahin gekommen sind. Noch schwieriger natuerlich wenn - wie bei den meisten - diverse Stile und wechselnde Trainingsansetze in der KK Biographie stecken. Am besten auf das Koennen der besten Schueler schauen um die Trainingsmethoden eines Lehrers zu beurteilen.

Dennoch der Grundsatz, dass man zum kaempfen lernen auf irgend eine Art kaempfen UEBEN muss, ist wohl recht unstrittig. Die Frage ist nur wieviel, also jeden Tag 2 Stunden auf die Nuss oder nur alle paar Wochen mal und auf welche Art. Wie Klaus immer wiederholt, staendig superhachtes Sparring bringt einen im zweifelsfall nicht weiter. Sich aber NUR auf Pushhands zu beschraenken und dann mit unkooperativen Partnern kaempfen koennen zu wollen, halte ich aber auch fuer vermessen.

bluemonkey
26-04-2007, 17:18
Dennoch der Grundsatz, dass man zum kaempfen lernen auf irgend eine Art kaempfen UEBEN muss, ist wohl recht unstrittig. Die Frage ist nur wieviel, also jeden Tag 2 Stunden auf die Nuss oder nur alle paar Wochen mal und auf welche Art. Wie Klaus immer wiederholt, staendig superhachtes Sparring bringt einen im zweifelsfall nicht weiter. Sich aber NUR auf Pushhands zu beschraenken und dann mit unkooperativen Partnern kaempfen koennen zu wollen, halte ich aber auch fuer vermessen.

Stimme ich Dir gerne zu! (Ich möchte die von mir zitierte Aussage von CXW auch nicht auf die Goldwaage legen (in Bezug auf "Anwendungen vergessen"). Es ist wie gesagt schon 'ne Weile her, ich versteh manchmal nicht wirklich, was er sagt, und wenn, dann ist die Aussage auf die konkrete Situation und die konkrete Zuhörerschaft zugeschnitten.
Jan hat, wenn man seinen Erzählungen glaubt, nicht nur KK- sondern auch einige angewandte Straßenerfahrung. Auch Großmeister geht in seinem Level-Buch jedesmal auf die kämpferische Anwendbarkeit der einzelnen Stufen ein, was für eine gewisse Erfahrung spricht ;). Dort wird die Entwicklung als kontinuierlich dargestellt, also keine Fähigkeit, die einfach vom Himmel fällt! .
Auch die Anwendungen sind wichtig, fragt sich halt nur, wann Sie vermittelt werden (Am Anfang, um die Formbewegungen besser zu verstehen, oder erst später, wenn man Sie auch in Einklang mit den Prinzipien durchführen kann).
Die Aussagen über die Prozentzahlen müssen wirklich vor dem Hintergrund
der hohen Übungsumfänge der Meister gesehen werden, dann werden auch niedrige Anteile am Gesamttraining zu langen Zeiten des Partner- und auch Anwendungstrainings.
Und um die wahren kämpferischen Fähigkeiten zu testen, kann man ja ab und an die Nebenveranstaltungen von manchen Fußballspielen besuchen.

nagual
26-04-2007, 19:12
Der Grund für solche Äußerungen, dass man sich auf Form und andere Basis-Solo-Übungen konzentrieren soll, dürfte darin liegen, dass die Schüler kapieren sollen, welche Bedeutung die Entwicklung von Gongfu in der ganzen Sache hat. Im Taiji bedeutet Gongfu vor allem Stellungsstabilität und halt diese ganzen Aspekte der besonderen KRaftabsorbierung und auch Krafterzeugung.
Diese Sache soll man nicht mit den handwerklichen Fähigkeiten verwechseln, sondern das Handwerkszeug, d.h. Techniken, Anwendungsmethoden usw. soll auf die Basis eines stabilen Gongfu aufgesetzt werden. Es soll nicht dahin gehen, dass in erster Linie Tricks und Techniken gesammelt und ausgefeilt werden, und ein par Lücken dann mit einem 08-15-Gongfu gefüllt werden.

Um diese Bereich im eigenen Erleben der Trainingseffekte zu trennen, kann es ganz sinnvoll, eine Zeit mal auf technischen Firlefanz zu verzichten, und nur schauen, was durch Form und Basisübungen für Effekte eintreten.

Langfrisitig muss natürlich immer von allem was da sein, damit sich technische und intuitive Skills mit den Gongfu- und Strukturaspekten optimal in der gewünschten Weise verbinden. Dann braucht man keine soundwo viel Prozentangaben, sondern man muss immer da basteln wo was fehlt. Mal am Gongfu, und mal an den Skills, und trotzdem natürlich auf einer konsequenten Linie bleiben.