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Vollständige Version anzeigen : Ist Bushidô heute noch zeitgemäß?



Ritter Sport
21-12-2005, 04:39
Hallo zusammen! :)

Diese Frage mag auf den ersten Blick komisch erscheinen. Aber wenn man bedenkt, daß sich die japanischen Kampfsportarten aus den Kriegskünsten der Samurai entwickelten, so ist sie durchaus berechtigt. Ich könnte daher auch anders fragen: Sollte man japanischen Kampfsport betreiben, ohne sich an Bushidô zu halten?

http://de.wikipedia.org/wiki/Bushid%C5%8D

Sie beschäftigt sich hauptsächlich mit der absoluten Loyalität des Samurai bzw. bushi gegenüber seinem Daimyō (Fürst) und der Bereitschaft für diesen und die Werte des Bushidō sein Leben zu lassen. Heutzutage wird diese Loyalität oft als Fanatismus bezeichnet. Die beiden Hauptforderungen des Bushidô waren die unbedingte Treue gegenüber seinem Lehensfürsten und die uneingeschränkte Akzeptanz des Todes. Sicherlich leben wir mittlerweile in einer "modernen" Demokratie im 21. Jahrhundert und nicht mehr in einer Feudalgesellschaft wie im 17.Jahrhundert. Diese beiden Hauptforderungen müssen uns heute fanatisch erscheinen.

Und dennoch... Viele Menschen von heute haben eine wahnsinnige Angst davor zu sterben. Diese Angst hat auch etwas mit der Säkularisierung, Ent-Spiritualisierung und mit dem Aufkommen der Naturwissenschaften als "Ersatzreligion" zu tun. Denn wenn man ein überzeugter Rationalist ist, wie könnte man auch an ein Leben nach dem Tod glauben? Der Hirntod wird als endgültige Grenze betrachtet, die natürlich Ängste erzeugt.

Und wenn man sich in seinem sozialen Umfeld umsieht, dann stellt man schnell ernüchternd fest, daß viele zwischenmenschliche Beziehungen scheitern. Das eigene Ego wird über die Beziehung zur Freundin/Freund, den Eltern oder dem Chef gestellt. Die Beziehung nimmt im Laufe der Zeit Schaden; man wird unloyal.

Es ist interessant zu beobachten, daß viele Kampfsportler wie Samurai kämpfen möchten, aber nicht wie Samurai leben können. Aber wie kann das eine oder das andere existieren?

Kann uns Bushidô nicht doch noch etwas lehren?

Liebe Grüße ;)
Ritter Sport

kennin
21-12-2005, 05:38
Ich fürchte dass Deine Sicht auf den Samurai "etwas" romantisiert ist, wenn Du denkst dass alle Samurai sich an die Regeln des Bushidō hielten, zumal Bushidō eigentlich erst wirklich in Schwung kam NACH der Sengoku Jidai, der Zeit der Bürgerkriege, als in Japan ein relativer Friede herrschte.
Bushidō war quasi eine Art Gesetzbuch, bei dem gewisse Regeln durchgesetzt wurden durchdem man sie als "absolute Ideale" darstellte.

Heutzutage ist Bushidō nicht mehr Zeitgemäß.

Reuben
21-12-2005, 07:03
Bin kein Experte was Japan und Bushido angeht. (nein auch selbigen "Künstler" mag ich nich)

Aber eine Sache die ich glaube ist, wenn jeder kämpfen will wie Bruce Lee, aber an nichts glaubt hat er es schwerer gut zu werden als jemand der irgendeiner Ideologie folgt weiler bereit ist mehr zu geben (Nicht nur zwangsweise sein Leben) . Mit Glauben meine ich auch nicht unbedingt Religion.

Nur ein entferntes Beispiel: Es ist unbestritten das im Krieg, jemand der sein Land/Haus/Familie verteidigt ein schwerer zu überwindender Gegner ist als ein geheuerter Söldner der nur des Geldes wegen kämpft.

So long...

malice
21-12-2005, 07:18
Heute gibt es irgendwie so eine Art Geld-Bushido.
Das heißt man folgt dem der das Geld hat. Der Chef hat immer recht und der Kunde sowieso. Wer setzt denn wirklich eigene Interessen gegen seine Firma durch?

itto_ryu
21-12-2005, 07:29
Die meisten Leute, die das Hagakure lesen und danach glauben, sie seien den Samurai näher, sind ungefähr genauso nah am Bushido dran wie gleichnamiger Möchtegern-Gangsta-Deutschrapper :rofl:

Bushido ist ein schwer zu fassender Begriff mit Inhalten, die auf Jahrhunderte lange japanische Geschichte mit verschiedenen religiösen und kulturellen Einflüssen zurückgehen. Man kann sich damit beschäftigen und vielleicht ein oder zwei Punkte für sich selbst im privaten, beruflichen oder sportlichen leben umsetzen, aber es stimmt schon, erstens war nicht jeder Samurai ein von Bushido "erleuchteter" Supermensch, zweitens ist dieser Kodex heute maximal nur im ganz weit übertragenen Sinn stellenweise "anwendbar".

Zu einem besseren Kampfsportler macht es einen dennoch nicht, zumal die Kampffähigkeiten nicht von der geistig-spirituellen, sondern von der charakterlichen Einstellung abhängen... ein Zen-Buddhist ist noch lang kein besserer Kämpfer, als ein völlig "Ungläubiger".

Zwei historische Beispiele greifen dies ganz gut auf: Die beiden großen Schwertmeister Miyamoto Musashi und Ito Ittosai Kagehisa. Beide waren autodidaktisch (selbstlehrend) und nur durch wenig Einflüsse von anderen Schwertschulen angetan. Ihre Kampfkraft und ihr Können zogen sie aus den praktischen Erfahrungen, die aber nicht Schlachtfeldbezogen waren, sondern aus zig "Privat-Kämpfen" entstanden. Sowohl Musashi, als auch Ittosai waren sehr pragmatisch in ihren Techniken und beide gingen bei ihren Kämpfen mit viel Getrickse vor und waren kaum spirituell beeinflusst.
Obwohl Ittosai in der Zeit der großen japanischen Bürgerkriege (Sengoku jidai) lebte, in der die vielen Fürsten mit ihren Armeen um die Vormachtstellung im Land kämpften, hatte er nachweislich nie an Kriegen oder Schlachten teilgenommen und seine Waffenfertigkeit niemals in den Dienst eines Fürstenhauses gestellt. Seine Erfahrungen im Schwertkampf beruhten ausschließlich auf seinen eigenen Techniken (und Lehren des Chujo ryu in seinen frühen Jahren), welche er in unzähligen Duellen auf ihre Praxistauglichkeit hin testete. Dies steht in klaren Gegensatz zu vielen anderen Schwertmeistern dieser Zeit, deren Fechtstile sich vor allem auf die praktischen Erfahrungen des Schlachtfeldes und überlieferter Techniken älterer Traditionen gründeten. Ito Kagehisa schuf eines der wenigen wirklich neu kreierten Schwertkampfmethoden. Eventuell könnte man in diesem Zusammenhang von der Itto ryu als eine der ersten „zivilen“ Schwertschulen sprechen, deren Techniken nicht mehr hauptsächlich für den Kriegsfall und den Einsatz auf dem Feld geschaffen wurden.
Auch in einem anderen Punkt hebt sich die Itto ryu von den anderen Schwertschulen ihrer Zeit ab. Alle anderen Stile des 15. Und 16. Jhdts. sind Zeit ihres Bestehens recht stark philosophisch und religiös gebunden gewesen. So waren z.B. die Schulen des östlichen Kanto-Gebietes (Kashima/Katori) schon immer dem Shinto-Glauben und einigen speziellen Schreinen verbunden, andere Schulen, wie etwa die Shinkage ryu des Hauses Yagyu waren eng mit dem Buddhismus oder einem seiner Sekten, wie zB. dem Zen verknüpft. Die Itto ryu kannte (und kennt bis heute) keine Festlegung in diesen Fragen. Wenn ihre Philosophie auch nicht ganz ohne kulturell beeinflußte Spuren buddhistischer Natur ist, scheint ihr Hauptcharakter rein praxisgebunden und sehr pragmatisch nur auf Belange der Schwertkunst konzentriert zu sein. Bei Musashis Niten ichi ryu war dies ganz ähnlich.
Beide gelten bis heute zu den besten japanischen Kriegern, die es je gab, was hierbei rein auf den Kampferfolg gemünzt ist.

Ergo: ein guter Krieger muss nicht unbedingt ein guter Spiritueller sein. Und umgekehrt gilt dies genauso.

Ki. 102
21-12-2005, 07:43
Hi ! ich greife mir mal einen Punkt heraus:
Und dennoch... Viele Menschen von heute haben eine wahnsinnige Angst davor zu sterben. Diese Angst hat auch etwas mit der Säkularisierung, Ent-Spiritualisierung und mit dem Aufkommen der Naturwissenschaften als "Ersatzreligion" zu tun. Denn wenn man ein überzeugter Rationalist ist, wie könnte man auch an ein Leben nach dem Tod glauben? Der Hirntod wird als endgültige Grenze betrachtet, die natürlich Ängste erzeugt. Das die Angst vor dem Tod in der modernen Welt größer geworden ist halte ich für ein Gerücht. Andererseits finde ich es heutzutage nicht sehr respektabel, die Todesangst dadurch zu überwinden, dass man sich Hirngespinsten hingibt.
(Wer aber nun einmal "glaubt", UND es hilft ... der soll das ruhig weiter tun!)

Ansonsten: [Verteidige den Weg der Wahrheit !]

Die Wissenschaft leistet nicht das, was Religion leistet - sie ist auch keine Ersatzreligion.
Das Einiges bis auf Weiteres ungeklärt bleibt, muss man aushalten.
Das mag auch eine gewisse Stärke erfordern.
GRUß !!

itto_ryu
21-12-2005, 09:08
Auch wenn es Off-Topic ist, ich finde schon, dass in der modernen Welt der Tod ein "Tabuthema" geworden ist. Man wird nicht alt und faltig, man stirbt nicht usw.

leopan8
21-12-2005, 11:22
Hy

Bushido war wie der Ehrenkodex der Europäischen Ritter,Kreuzritter nur eine Illusion auf dem Papier!

http://de.wikipedia.org/wiki/Hagakure

http://www.koryu.com/library/kfriday2.html



Wenn man japanische Geschichtsquellen liest so stellt man fest, das sich nur wenige Samurai,Daimyo,Shogun usw. an einen Ehrenkodex gehalten haben!

Um an die Macht zu kommen,oder sie zu halten oder den Gegner zu besiegen waren alle Mittel recht.(Meuchelmord,Giftmord,Sippenmord,Angriff aus dem Hinterhalt usw.)

Diese verklärten romantischen literarischen(Hagakure) Samurai Darstellungen entsprechen nicht den Historischen Tatsachen.

Samurai hatten Charakter stärken und schwächen wie jeder andere Mensch.

Hier sind einige Quellen die sich mit den Samurai beschäftigen:
http://www.page-five.de/TENSHU/index.html

http://www.budo-nyumon.de/

http://www.koryu.com/

Viel Spass beim recherchieren!


PS: Wir leben in Europa im 21 Jh., es gelten andere Regeln und Sitten.


Gruss
leopan8

justy
21-12-2005, 11:41
Hallo ihr Lieben,

sollte uneingeschränkte Loyalität bis in den Tod denn überhaupt praktiziert werden?! Ich denke nicht... ich finde es weder zeitgemäß, noch überhaupt erstrebenswert.

Zeitgemäß schon daher nicht, weil unser Leben auf ein Netz von Kontakten aufgebaut ist, wem gegenüber sollten wir loyal sein? Eltern? Partner? Vorgesetzten? Was passiert da, wo sich die Interessen überschneiden?

Nicht erstrebenswert, weil ich denke, dass diese Art von Loyalität an Hörigkeit grenzt, dazu dient, ungesunde hierarchische Strukturen zu etablieren, den eigenen Willen ganz nach hinten stellt. Für mich keine erstrebenswerte lebensweise.

liebe Grüße, Justy

Mäks
21-12-2005, 11:43
Dennoch denke ich, dass Werte wie Ehre, Mitgefühl, Achtung etc.
auch heute noch einen hohen Stellenwert haben sollten.

Ich bin der Meinung, dass Bushidô und Hagakure auszugsweise auch im 21. Jhd noch zu verwenden sind.

jedoch Teile wie "...dann enthaupte den Gegner wutentbrannt...." (Hagakure) sind heute eher als Unfug anzusehen.

Auch werde ich im Falle einer Niederlage nicht seppuku begehen. :rolleyes:
Und wie rechtfertigt sich ein Harakiki vor Gericht?
"Ich habe ihn vor dem Leiden bewahrt"???

Wie gesagt: auszugsweise zu empfehlen. Ein strenges Leben nach Bushidô bzw. Hagakure würde wahrscheinlich im Knast enden.

Netter Auszug (weiß nicht genau ob aus Bushidô oder Hagakure): "Nicht Angst davor haben, von einem Regen vollkommen durchnässt zu werden"

Lieber mal an der Nase nehmen und darauf achten, wie materialistisch wir doch alle sind.

....meine Persönliche Einstellung/Meinung....

Gruß
Matthias

leopan8
21-12-2005, 12:24
Hy


Ich bin der Meinung, dass Bushidô und Hagakure auszugsweise auch im 21 Jh.noch zu verwenden sind.

Nocheimal , es gab keinen einhaltlichen Ehrenkodex(Bushido) bei den Samurai!

1: Das Hagakure wurde im 18Jh. von einem Bürokraten (Yamamoto Tsunemo) verfasst.
Er war ein Schreiber(Papiertieger) und Diener des Fürsten Mitsushige!
http://de.wikipedia.org/wiki/Hagakure

http://www.hyoho.com/Hagakure1.html


2: Das Werk Bushido(The Soul of Japan) von Inazo Nitobe wurde im 20 Jh. verfasst als die Samurai ihre Bedeutung verloren haben.
Er war ein westlich orientierter Japaner der mit seinem romantisch verklärten Werk, die japanischen Werte dem Westen verständlich machen wollte.

. It was during this time in California that he wrote the book “Bushido”. The book was written in America and in English. It was only later translated into Japanese.


The book “Bushido” was written not out of a love so much for Japan's warrior class system, but in a search for how to explain how Japan's ethical system developed.

http://ejmas.com/tin/tinart_buchner2_0200.htm

Tipp:
Bevor man Bücher liest, sollte man die Biographien der Verfasser lesen und die geschichtlichen Hintergründe der Zeit in der die Werke entstanden sind studieren!


Gruss
leopan8

re:torte
21-12-2005, 12:43
Die beiden Hauptforderungen des Bushidô waren die unbedingte Treue gegenüber seinem Lehensfürsten und die uneingeschränkte Akzeptanz des Todes.

Also Absolute Loyalität habe ich nur mir gegenüber..... (Zitat J. Lennon: I don´t believe in Jesus, I just believe in me)

und die uneingeschränkte Akzeptanz meines Todes gegenüber ist wohl gegeben. Ich wurde geboren, Ich lebe, also muß ich auch zwangsläufig irgendwann sterben. Ein Hautarzt hat bei mir vor kurzem ein böses Krebsgeschwür diagnostiziert. Ich wurde kein wenig depressiv oder irgend etwas dergleichen. Es kommt wie es kommt.

Und nach einer Woche wurde der Befund plötzlich wieder revidiert. Mein Verhalten (sich keinen kopp machen) hat sich da wohl ausgezahlt......




Und wer Terry Prattchett kennt, der weiß das der Tod auf jeden Fall irgendwann mal bei jedem vorbeikommt......

itto_ryu
21-12-2005, 13:11
Loyalität ist nur insofern gut, solange sie nicht blind ist... und letzteres war durchaus ein negativer Beigeschmack des Bushido.

MatzeOne
21-12-2005, 16:58
Wie gesagt: auszugsweise zu empfehlen. Ein strenges Leben nach Bushidô bzw. Hagakure würde wahrscheinlich im Knast enden.


Psychatrie...

Ritter Sport
21-12-2005, 18:15
Hallo zusammen! :)

Dann möchte ich mich für jeden Beitrag bedanken. Es ist spannend eure Gedanken zum Thema zu lesen. :)

@kennin:

Ich fürchte dass Deine Sicht auf den Samurai "etwas" romantisiert ist, wenn Du denkst dass alle Samurai sich an die Regeln des Bushidō hielten, zumal Bushidō eigentlich erst wirklich in Schwung kam NACH der Sengoku Jidai, der Zeit der Bürgerkriege, als in Japan ein relativer Friede herrschte.Es ist richtig, daß man nur allzuleicht der Versuchung verfällt, die Geschichte romantisch zu verklären. Mein Lieblingsabsatz aus der Seite "Tenshukaku" in diesem Zusammenhang lautet daher auch:

http://www.page-five.de/TENSHU/frameset3.html

Das Klischee des tapferen, todesmutigen Samurai entspringt meist romantischen Vorstellungen. Auch andere Geschichten belegen, daß sich Krieger durch Flucht aus Duellen retteten. Der Samurai Asaemon wurde einst von Yamaoka Tesshu, einem der größten Schwertmeister der Meiji-Epoche (1868 – 1912) über seine Techniken bei Duellen befragt, die dieser alle gewonnen hatte. Asaemon gestand darauf hin:

„Wenn mich jemand herausgefordert hatte, brachte ich mich in eine günstige Position, in der ich die Sitze der Klinge meines Gegners mit meinem Schwert spüren konnte. Wenn er sein Schwert steif und verkrampft hielt wußte ich, daß er in meiner Hand war – ich schlug ihn mit einem einzigen Streich nieder. Wenn jemand aber sein Schwert entspannt und mit Harmonie führte, ging ich kein Risiko ein – ich warf mein Schwert nach ihm und rannte weg. Deshalb hat mich nie jemand besiegt!“ Interessant ist es auch auf dieser HP den Artikel über forensische Untersuchungen auf historischen Schlachtfeldern zu lesen. Die Romantik wird sprichwörtlich von der nüchternen Realität überholt.


Bushidō war quasi eine Art Gesetzbuch, bei dem gewisse Regeln durchgesetzt wurden durchdem man sie als "absolute Ideale" darstellte. Bushidô wurde nicht schriftlich fixiert, sondern (angeblich) mündlich überliefert. Es gab oftmals hitzige Debatten über den rechten "Weg des Kriegers" zwischen den Bushi. (Wir stehen also in einer guten Tradition.) Nach meinem Wissen wurde das "Heihô Kaden Sho" von Munenori, das "Gôrin No Shô" von Musashi und der Bushidô des Hagakure von Tsunetomo frühestens während der Meiji-Restauration einem größeren Publikum bekannt. Besonders der Bushidô des Hagakure beschreibt das Ideal des Samurai. Ein Ideal das es so in der Geschichte (mit Ausnahmen) vermutlich nicht gegeben hat.

http://www.judo-preetz.de/History/Bushido.htm


Heutzutage ist Bushidō nicht mehr Zeitgemäß. Selbst nach Kenntnis der historischen Fakten bin ich hin- und hergerissen. Kennst du den Ausdruck: "mizu no kokoro"? Ein Geist wie das Wasser... Der Geist muß so ruhig sein wie die Oberfläche eines Sees. Das Wasser dieses Sees ist bereit überall dort hinzufließen, wo es benötigt wird. Gleichzeitig darf dieses Wasser keine Wellen werfen, da man sonst die Realität verzerrt wahrnimmt. Ängste bedeuten aber Wellen auf diesem Wasser. Die schlimmste Angst ist aber die Angst vor dem eigenen Tod.

Mir persönlich geht es nicht darum den Tod zu euphemisieren, als vielmehr zu zeigen, daß die geistige Haltung weit über die Kampfkunst hinaus von Bedeutung ist. Wenn man den Tod als natürlich akzeptiert ist man innerlich frei.

@itto_ryu:

Die meisten Leute, die das Hagakure lesen und danach glauben, sie seien den Samurai näher, sind ungefähr genauso nah am Bushido dran wie gleichnamiger Möchtegern-Gangsta-Deutschrapper Den Rapper kannte ich noch gar nicht. Ich vermute aber mal, daß mir nicht allzuviel entgangen ist. :D

Ein altes japanisches Sprichwort sagt: "Jede Reise von 1000 Meilen beginnt mit einem Schritt." :D :D :D

Ich setze Bushidô aber nicht mit Hagakure gleich. ;)


Zu einem besseren Kampfsportler macht es einen dennoch nicht, zumal die Kampffähigkeiten nicht von der geistig-spirituellen, sondern von der charakterlichen Einstellung abhängen... ein Zen-Buddhist ist noch lang kein besserer Kämpfer, als ein völlig "Ungläubiger". Wobei der Charakter durch die Spiritualität beeinflusst wird oder erst gebildet werden muß. Denn Technik alleine macht dich noch nicht zu einem (vollkommenen) Menschen. "Bestenfalls" zu einem erfolgreichen Totschläger. ;)


Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden zu Worten. Achte auf Deine Worte, denn sie werden zu Handlungen. Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden zu Gewohnheiten. Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter. Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal. Talmud.

@Ki. 102:

Das die Angst vor dem Tod in der modernen Welt größer geworden ist halte ich für ein Gerücht. Andererseits finde ich es heutzutage nicht sehr respektabel, die Todesangst dadurch zu überwinden, dass man sich Hirngespinsten hingibt. Hirngespinnsten wie die Kryo-Forschung, wo sich Menschen nach ihrem Hirntod in flüssigen Stickstoff einweichen lassen, weil sie hoffen, daß ihr Körper in ferner Zukunft wieder repariert werden kann? ;) Frag doch mal einen "aufgeklärten" Atheisten zu seinem Tod. Die meisten werden versuchen schnell auszuweichen, weil ihnen die Frage a priori unangenehm ist.


Die Wissenschaft leistet nicht das, was Religion leistet - sie ist auch keine Ersatzreligion. Die Naturwissenschaft erhebt nicht den Anspruch eine Religion zu sein!!! Aber für viele Menschen ist sie es durch Wissenschaftler wie Stephen Hawking geworden...


Ansonsten: [Verteidige den Weg der Wahrheit !] Was ist denn Wahrheit? Sobald du postulierst, daß die Naturwissenschaften die einzige Wahrheit darstellen, werden sie zur Obsession.

Liebe Grüße :)
Ritter Sport

Ritter Sport
21-12-2005, 18:35
Hallo zusammen! :)

@justy:

Zeitgemäß schon daher nicht, weil unser Leben auf ein Netz von Kontakten aufgebaut ist, wem gegenüber sollten wir loyal sein? Eltern? Partner? Vorgesetzten? Was passiert da, wo sich die Interessen überschneiden?

Nicht erstrebenswert, weil ich denke, dass diese Art von Loyalität an Hörigkeit grenzt, dazu dient, ungesunde hierarchische Strukturen zu etablieren, den eigenen Willen ganz nach hinten stellt. Für mich keine erstrebenswerte lebensweise. Die totale Unterwerfung ist natürlich nicht praktikabel und unsinnig. Da braucht man nur Heinrich Manns Roman: "Der Untertan" zu lesen. Aber es geht mir auch nicht um Unterwürfigkeit, sondern um eine gesunde Loyalität. Die zwischenmenschlichen Beziehungen scheitern nicht selten am Egoismus.

@itto_ryu:

Loyalität ist nur insofern gut, solange sie nicht blind ist... und letzteres war durchaus ein negativer Beigeschmack des Bushido. Dem stimme ich zu! :)

@Mäks:

Ich bin der Meinung, dass Bushidô und Hagakure auszugsweise auch im 21. Jhd noch zu verwenden sind. Einige Weisheiten verlieren nicht an Gültigkeit!


Netter Auszug (weiß nicht genau ob aus Bushidô oder Hagakure): "Nicht Angst davor haben, von einem Regen vollkommen durchnässt zu werden" Ja. "Die Lektion des Platzregens" stammt aus dem Hagakure. :) Meine Lieblingsepisode lautet: "Dinge von großer Bedeutung sollten gelassen angegangen werden." ;)

@re:torte: Ich finde deine Haltung klasse! :)

Liebe Grüße :)
Ritter Sport

re:torte
21-12-2005, 20:18
Dinge von großer Bedeutung sollten gelassen angegangen werden

Danke für das tolle Zitat, trifft voll auf meine Handlungsweise zu - und dank dir kann ich es jetzt auch noch in Worte fassen.....

itto_ryu
22-12-2005, 07:45
Nee mit dem "Rapper" Bushido haste nicht wirklich viel verpasst ;)

Ich denke grundlegende Werte wie gegenseitiger Respekt, Ehrlichkeit, Treue, Anstand und Selbstlosigkeit sind Werte, die durchaus positive Seiten des Bushido darstellen (sofern sie nicht in blindem Gehorsam erfolgen) und die heute noch Gültigkeit haben (oder haben sollten). Diese Grundwerte finden sich aber in jeder Kutlur, jeglicher Religion oder spiritueller Einstellung.

Wenn sich die Leute an diese Werte halten würden, ohne dafür automatisch Gegenleistungen zu fordern, wäre die Welt ein Stück weit besser, auch ohne Religion oder Wissenschaft. Und aus diesem Grund halte ich am Zebrastreifen und gehe auch nicht über die rote Fußgängerampel, auch wenn zig Leute es anders machen ;)

Ich freue mich schon auf den Tag, wenn die Wissenschaftler die Welt und das Leben in so kleine Scheibchen seziert haben, dass sie entdecken, dass wir Menschen ein fehlgelaufener Versuch der Evolution sind :D

Ritter Sport
22-12-2005, 12:46
Hallo zusammen! :)

@re:torte:

Danke für das tolle Zitat, trifft voll auf meine Handlungsweise zu - und dank dir kann ich es jetzt auch noch in Worte fassen..... Gerne. Freut mich wenns dir gefällt. :)

Diese Regel stammt von Fürst Naoshige, wobei Ittei (Ishida Yasubô Nobuyuki) dazu bemerkt haben soll: "Dinge von geringer Bedeutung sollten ernsthaft angegangen werden." ;)

@itto_ryu:

Ich denke grundlegende Werte wie gegenseitiger Respekt, Ehrlichkeit, Treue, Anstand und Selbstlosigkeit sind Werte, die durchaus positive Seiten des Bushido darstellen (sofern sie nicht in blindem Gehorsam erfolgen) und die heute noch Gültigkeit haben (oder haben sollten). Diese Grundwerte finden sich aber in jeder Kutlur, jeglicher Religion oder spiritueller Einstellung. Wie du schon sagst... Es gibt Grundwerte, die man in jeder Kultur finden kann, aber mit unterschiedlicher Gewichtung innerhalb der Kultur. Aber was nützen die "Werte", wenn sie nicht gelebt werden. Vielleicht muß Bushidô von jeder Generation neu interpretiert werden. Daher könnte man auch die Frage stellen...

Inwieweit stellt die Philosophie des Aikidô eine (moderne) Interpretation des Bushidô dar? Aikidô = Bushidô?

Um eine Beispiel zu geben... Die sieben Falten des Hakama haben eine Bedeutung:
http://www.aikido.de/de-hakama.htm

"Sie symbolisieren die sieben Tugenden des Budo", sagte OSensei. "Diese sind JIN (Güte), GI (Ehre/Gerechtigkeit), REI (Höflichkeit/Etikette), CHI (Weisheit/Intelligenz), SHIN (Aufrichtigkeit), CHU (Loyalität) und KOH (Pietät). Wir finden diese Eigenschaften in den hervorragenden Samurai der Vergangenheit. Der Hakama bringt uns dazu, über die Natur des wahren BUDO nachzusinnen. Ihn zu tragen, symbolisiert die Traditionen, die von Generation zu Generation schließlich auf uns übertragen wurden. Aikido wurde geboren aus dem Geist des japanischen Bushido (Anm.d.Übers.: Weg des Kriegers), und in unserem täglichen Üben müssen wir uns bemühen, diese sieben traditionellen Tugenden zu vervollkommnen."


Wenn sich die Leute an diese Werte halten würden, ohne dafür automatisch Gegenleistungen zu fordern, wäre die Welt ein Stück weit besser, auch ohne Religion oder Wissenschaft. Und aus diesem Grund halte ich am Zebrastreifen und gehe auch nicht über die rote Fußgängerampel, auch wenn zig Leute es anders machen. Das ist der wahre Samurai-Geist! ;)


Ich freue mich schon auf den Tag, wenn die Wissenschaftler die Welt und das Leben in so kleine Scheibchen seziert haben, dass sie entdecken, dass wir Menschen ein fehlgelaufener Versuch der Evolution sind Das sind wir... Die Natur funktioniert nach dem Muster "Try and Error". Wobei der Mensch seine Imperfektion perfektioniert hat. :)

@all:
Wie denken in Japan lebende Sensei heute über Bushidô? Hat dazu jemand fundierte Info´s?

Liebe Grüße :)
Ritter Sport

itto_ryu
22-12-2005, 13:17
Die sensei aus Japan, die ich kenne sind ziemliche Pragmatiker und halten die Werte Japans unterbewusst durch ihre Erziehung aufrecht. Habe noch keinen erlebt, der uns bewusst etwqas von Bushido versucht hat zu vermitteln, sondern eher so, dass der Geist des Bushido schon im Kendo und Iaido verwoben ist und so weiterlebt und automatisch "mir von der Partie" ist.

Ki. 102
22-12-2005, 14:17
@Ki. 102:
Hirngespinnsten wie die Kryo-Forschung, wo sich Menschen nach ihrem Hirntod in flüssigen Stickstoff einweichen lassen, weil sie hoffen, daß ihr Körper in ferner Zukunft wieder repariert werden kann? ;)Hi!
Nein, ich dachte eher z.B. an einen "wohlbekannten" Bewohner des antiken Nahen Ostens, dem angeblich mit 35 eingefallen sein soll Gott und dessen Sohn zu sein, was zu seinem Sühnetod für die Sündhaftigkeit aller Menschen führte usw. u.Ä.

Frag doch mal einen "aufgeklärten" Atheisten zu seinem Tod. Die meisten werden versuchen schnell auszuweichen, weil ihnen die Frage a priori unangenehm ist.Soso, "die Meisten" also ... trotz der Einschränkung imho nur ein ganz albernes Vorurteil. Außerdem: Atheisten sind genauso wenig eine homogene Gruppe, wie "die Christen" (ab wann gilt man als Christ ?), die aber mehrheitlich gerne über Ihren Tod plaudern :confused: , weil Sie ja genau WISSEN äh glauben, dass sie ... helles Licht / Engel/ Himmelreich/ :cool:
Auferstehung der Toten
:cool2:


Was ist denn Wahrheit? Sobald du postulierst, daß die Naturwissenschaften die einzige Wahrheit darstellen, werden sie zur Obsession.Ich definiere Wahrheit als "Übereinstimmung mit der Realität". Da hat man dann eine vernünftige Diskussionsgrundlage. (Du kannst die Rhetorik-Keule ["sobald Du ... Obsession" ? ts ts ts ...] im Sack lassen.)
Wie man sich der Realität am besten annähert, - ich denke daran wird auf vielfältige Weise gearbeitet. Am erfolgreichten scheinen bislang die sog. "Wissenschaftler" gewesen zu sein.

Den Bogen zurück zum Bushido (wo wir vermutlich weniger weit auseinanderliegen) fällt mir nun zugegebenermaßen schwer, aber wenn ich nicht irre, hast Du "angefangen".
GRUß !

Ritter Sport
22-12-2005, 15:56
Hallo zusammen! :)

@itto_ryu:

Die sensei aus Japan, die ich kenne sind ziemliche Pragmatiker und halten die Werte Japans unterbewusst durch ihre Erziehung aufrecht. Habe noch keinen erlebt, der uns bewusst etwqas von Bushido versucht hat zu vermitteln, sondern eher so, dass der Geist des Bushido schon im Kendo und Iaido verwoben ist und so weiterlebt und automatisch "mir von der Partie" ist. Bei meinem japanischen Sensei war es genauso. Wobei ich aber auch sagen muß, daß ich ihn nie nach Bushidô gefragt habe. :)

@Ki. 102:

Nein, ich dachte eher z.B. an einen "wohlbekannten" Bewohner des antiken Nahen Ostens, dem angeblich mit 35 eingefallen sein soll Gott und dessen Sohn zu sein, was zu seinem Sühnetod für die Sündhaftigkeit aller Menschen führte usw. u.Ä. Der wohlbekannte Bewohner hat sich niemals als Gott bezeichnet und war (vermutlich) etwas jünger als er zu predigen anfing. ;)


Soso, "die Meisten" also ... trotz der Einschränkung imho nur ein ganz albernes Vorurteil. Außerdem: Atheisten sind genauso wenig eine homogene Gruppe, wie "die Christen" (ab wann gilt man als Christ ?), die aber mehrheitlich gerne über Ihren Tod plaudern , weil Sie ja genau WISSEN äh glauben, dass sie ... helles Licht / Engel/ Himmelreich/
Auferstehung der Toten Das vermutlich nicht alle Atheisten Angst vor dem Tod haben, versuchte ich ja gerade durch die Relativierung ("die meisten") auszudrücken... Aber wo siehst du ein Vorurteil? :confused:

Und auch wenn ich dir absolut Recht gebe, daß keine theistische Gruppe homogen ist, so stelle ich die These auf, daß spirituelle Menschen ganz anders mit dem Tod umgehen als non-spirituelle. :)

http://www.zenforum.de/modules.php?op=modload&name=News&file=article&sid=113&mode=thread
Damalige Samurai praktizierten Zen, weil diese "Religion ohne Gott" ihrem blutigen Handwerk nicht im Wege stand. Für viele wurde Zen zum Ausgleich und zum Sinn ihres Lebens. Zen hatte somit einen bedeutenden Einfluß auf Bushidô.


Ich definiere Wahrheit als "Übereinstimmung mit der Realität". Da hat man dann eine vernünftige Diskussionsgrundlage. (Du kannst die Rhetorik-Keule ["sobald Du ... Obsession" ? ts ts ts ...] im Sack lassen.)
Wie man sich der Realität am besten annähert, - ich denke daran wird auf vielfältige Weise gearbeitet. Am erfolgreichten scheinen bislang die sog. "Wissenschaftler" gewesen zu sein. Wahrheit definierst du als Übereinstimmung mit der Realität? ;) Für einen gläubigen Buddhisten ist Samsara real. Oder anders ausgedrückt: Objektivität ist nicht möglich, da sie stets einer subjektiven Bewertung ausgesetzt ist.

Dem Problem stehen auch (Natur-)Wissenschaftler gegenüber, die lediglich in der Lage sind Kräfte zu beweisen. (Kein Physiker kann mir beweisen, daß es Zeit und Raum gibt.)

Und eine Rethorik-Keule habe ich noch nicht verwendet. :D


Den Bogen zurück zum Bushido (wo wir vermutlich weniger weit auseinanderliegen) fällt mir nun zugegebenermaßen schwer, aber wenn ich nicht irre, hast Du "angefangen".
GRUß ! Wir reden über Bushidô, Tod und die heutige Gesellschaft. Wo ist das Problem? :)

Liebe Grüße :)
Ritter Sport

Ki. 102
22-12-2005, 16:31
@Ki. 102:
Der wohlbekannte Bewohner hat sich niemals als Gott bezeichnet und war (vermutlich) etwas jünger als er zu predigen anfing. ;)Ich habe für dieses Beispiel der Einfachheit halber mal die Lehrmeinung der größten hier vertreten Kirchen hergenommen. ;) ;) ;) Als was sich derjenige selbst bezeichnet hat, vermag ich nicht sicher zu beurteilen. Die Problematik ist mir aber -zumindest ansatzweise- bekannt.

Das vermutlich nicht alle Atheisten Angst vor dem Tod haben, versuchte ich ja gerade durch die Relativierung ("die meisten") auszudrücken... Aber wo siehst du ein Vorurteil? :confused: Die Relativierung hatte ich auch sehr wohl bemerkt und dies auch zum Ausdruck gebracht. Dennoch finde ich es unsachlich, provozierend und vor allem unbegründet "Atheisten" so darzustellen. Klingt nach Wunschdenken eines Theisten/"Spirituellen": Überlegener, gelassener Umgang mit dem (eigenen) Tod, den (die meisten) Atheisten fürchten .... Mag im Einzelfall so sein, andere Einzelfälle mögen das wiederlegen. Die Mehrheit ?

[...] stelle ich die These auf, daß spirituelle Menschen ganz anders mit dem Tod umgehen als non-spirituelle. :)Es ist imho schon falsch Menschen in spirituell und non-spirituell einteilen zu wollen.

Damalige Samurai praktizierten Zen, weil diese "Religion ohne Gott" ihrem blutigen Handwerk nicht im Wege stand. Für viele wurde Zen zum Ausgleich und zum Sinn ihres Lebens. Zen hatte somit einen bedeutenden Einfluß auf Bushidô.Soweit bekannt. Ich denke auch nicht, dass Religion/Spiritualität ohne Relevanz ist. Gerade in der Kampfkunst heißt es doch immer: "Gut ist was funktioniert." Wenn ich einen Gegner z.B. durch eine absurde Kamae verwirre, dann hat sie Ihren Zweck getan, auch wenn es eigentlich "Blödsinn" ist.
Religion kann offenbar den Kampfgeist stärken, z.B. auch im Islamismus ...

Wahrheit definierst du als Übereinstimmung mit der Realität? ;) Für einen gläubigen Buddhisten ist Samsara real. Oder anders ausgedrückt: Objektivität ist nicht möglich, da sie stets einer subjektiven Bewertung ausgesetzt ist. Subjektivität der Wahrnehmung ist eine Tatsache, die aber nicht eine unabhängig vom Einzelnen existierende Realität in Frage stellt. Das eine Brücke aus Stein und nicht aus Pappe gebaut wird ist nicht eine Frage der subjektiven Bewertung.

Wir reden über Bushidô, Tod und die heutige Gesellschaft. Wo ist das Problem? :)Wenn Du keines siehst, dann freut mich das. :)
GRUß !

RotesFretchen
09-01-2006, 13:48
Loyalität ist nur insofern gut, solange sie nicht blind ist... und letzteres war durchaus ein negativer Beigeschmack des Bushido.

Haben die damals nicht aus Selbstmord begangen, wenn es der Herr, Führer oder weiß ich wie sie den Big Boss nannten, gewollt hat? Ich finde das ehrlich gesagt nicht sehr prickelnd, erinnert mich alles sehr an eine Sklavengesellschaft. Absolute Loyalität, also blinder Gehorsam, ist meiner Meinung nach das schlimmste was es geben kann.
Ich finde die asiatischen Ideologien teilweise sowieso für überholt und unaufgeklärt, auch wenn es gerade so nen Asia-Boom geben mag. Manches mag sich ja toll anhören, und toll sein, aber wenn man sich auch mal ansieht wie engstirnig das sein kann. Wenn es zum Beispiel um Ehre geht oder so nen Zeug, ist mir das alles zu sehr mitteralterlich. :fechtduel

itto_ryu
09-01-2006, 15:01
Also der rituelle Selbstmord ist in Japan eine sehr tief verwurzelte und komplizierte Sache. Es gab Zeiten, da war seppukku "modern" und zwar so sehr, dass das Shogunat ihn verbot, da es nicht wollte, dass die Kriegerkaste reihenweise sich selbst dezimiert wegen Nichtigkeiten die zur "Ehrensache" erklärt wurden. Oftmals war es so, dass ein Samurai, der zum Tode verurteilt war die Möglichkeit erhielt seppukku zu begehen. Für den samurai bedeutete das zwar oberflächlich dasselbe (zu sterben), aber man sah dem Tod ins Auge und konnte durch seppukku die eigene Ehre und die der eigenen Familie wiederherstellen. Ansonsten konnte ein Familienname pber Generationen hinweg von der Schande des Ahnen besudelt sein. Das alles ist für uns heute schwer zu verstehen. Eine passable Geschichte, die zum Ehrverständnis der Samurai passt, ist die der 47 Ronin von Ako:

Diese Legende nimmt ihren Anfang zu Beginn des Jahres 1701 unter dem Shogunat von Tokugawa Tsuneyoshi, als der damalige Kaiser Boten an den Hof des Shoguns in Edo schickte. Die höfische Etikette schrieb vor, dass diese kaiserlichen Abgesandten nach einem bestimmten Zeremoniell und mit ausgesuchter Höflichkeit empfangen und unterhalten werden mussten. Für diese Aufgabe hatte der Shogun mehrere Daimyos vom Lande ausersehen, die in diesen höchst komplizierten höfischen Gepflogenheiten nicht sehr firm waren. Einer dieser Daimyos war Asano Naganori (1667 bis 1701), ein jugendlicher Heißsporn aus Ako, in der Provinz Harima.

Um diese Daimyos in die Zeremonien einzuführen und schlechtes Benehmen gegenüber den Höflingen zu vermeiden, engagierte der Shogun Tokugawa einen weiteren Daimyo, Kira Yoshinaka, einen Experten in höfischer Etikette. Kira wird als habgieriger und boshafter Mensch beschrieben. Für seine Dienste erwartete er von den jungen Daimyos teure und zahlreiche Geschenke für seine Mühe. Asano hingegen hielt die Unterweisungen für Kiras Pflicht, und ließ ihm nur kleine Aufmerksamkeiten zukommen, die dessen Habgier nicht befriedigten. Aus diesem Hintergrund heraus begann Kira während des Wochen dauernden Unterrichts Asano stetig zu provozieren und zu beleidigen.

Irgendwann konnte Asano nicht mehr an sich halten, zog sein Kurzschwert und fügte Kira einen oberflächlichen Kratzer an der Stirn zu. Am Hof des Shoguns eine Waffe zu ziehen und das noch dazu gegen einen seiner eigenen Leute war ein schweres Verbrechen, das der Shogun nicht ungestraft lassen konnte. Er verurteilte Asano zum Tod durch Seppuku, einer rituellen Selbsttötung. Sein Hab und Gut wurde konfisziert, seine Frau schor sich die Haare und wurde Nonne, seine Samurai wurden zu mittellosen Ronin.

Einige Ronin, 47 an der Zahl, versammelten sich auf die Initiative von Oishi Kuranosuke, mit dem Plan, den Tod ihres Herrn zu rächen und Kira umzubringen, um damit die Ehre ihres Herrn und auch ihre Eigene wiederherzustellen. Da Kira ahnte, dass die Anhänger Asanos derartiges im Schilde führten, verstärkte er seine Leibgarde und ließ die Ronin beobachten. Um ihn in Sicherheit zu wiegen, zerstreuten sich die Ronin in alle Himmelsrichtungen, wurden Kaufleute, Tagediebe und Söldner. Oishi trieb es soweit, dass er zum stadtbekannten Trunkenbold wurde, sich scheiden ließ und seine Zeit mit käuflichen Frauen verbrachte. Als einer der Spione Kiras ihn betrunken im Strassengraben liegen sah, beschimpfte er sein Verhalten als einem Samurai unwürdig, bespuckte ihn und meldete diesen Zwischenfall seinem Herrn, woraufhin Kira sich in Sicherheit wiegte, seine Bewachung zusehens lockerte und schließlich ganz aufgab.

In der Nacht des 14. Dezember 1702, also fast zwei Jahre später, scharte Oishi die 47 Ronin um sich und plante den Angriff auf Kiras Burg. Sie griffen das Anwesen zeitgleich, koordiniert durch ein Trommelzeichen, von der Vorder- und Rückseite aus an. Obwohl sich Kiras Anhänger tapfer zur Wehr setzten, wurden angeblich alle überwältigt, wohingegen die Ronin selbst der Legende nach nur einen Mann verloren.

Kira war allerdings in der Zwischenzeit geflüchtet und versteckte sich feige mit seinen Frauen ohne zu kämpfen in einer Kammer, die mittels einer Geheimtür mit seinem Schlafzimmer verbunden war. Nachdem sie ihn nach langer Suche aufgespürt hatten, forderten sie ihn zunächst aus Rücksicht auf seine Stellung auf, ebenfalls ehrenvoll den Tod durch Seppuku zu finden. Da Kira nicht reagierte, schlug ihm Oishi mit dem selben Kurzschwert, mit dem ihn Asano verletzt hatte, den Kopf ab.

In einem Korb trugen sie Kiras Kopf zu Asanos Ruhestätte in Sengaku-Ji, wuschen ihn und legten ihn als Opfergabe auf das Grab ihres Herrn, um seine Ehre wiederherzustellen und zu zeigen, dass damit ihr letzter Auftrag erledigt war. Dann lieferten sie sich freiwillig den Behörden aus. Obwohl der Shogun Sympathie und Verständnis für die Tat der Ronin hatte, steckte er in einem Dilemma. Sie hatten gegen ein weltliches Gesetz verstoßen. Er verurteilte sie zu Seppuku, das heißt sie mussten sterben, aber ehrenvoll – als Krieger. Zu dieser Zeit war der älteste dieser Samurai 77, der Jüngste 16 Jahre alt. Sie wurden neben ihrem Herrn begraben. Noch heute sind in der Sengaku-Ji-Tempelanlage in Tokyo ihre Grabstätten und sogar die Quelle, in der der Kopf Kiras gewaschen wurde zu sehen. Jährlich besuchen viele tausend Japaner diese Ruhestätte, um den heldenhaften Ronin und ihrem Herrn Ehre und Respekt zu erweisen und ihrer durch Gebete und das Entzünden von Räucherwerk zu gedenken. Außerdem inspirierte diese Geschichte den Kabuki-Autor Chikamatsu zu einem sehr berühmten Stück namens "Chushin-gura", das bis in die heutige Zeit mit großem Erfolg an japanischen Theatern gespielt wird.

Das Grab der Ronin
Bildquelle: Tales of old Japan, A.B. Mitford, erschienen: Charles E. Tuttle Company


In Anbetracht dieser Geschichte lässt sich die Frage, ob die 47 Ronin wahre Samurai waren, die dem Bushido folgten, nur mit einem eindeutigen Ja beantworten. Der Grundsatz "absolute Loyalität gegenüber dem direkten Vorgesetzten" und "Verteidigung der Ehre des Namens und des Clans" wurde in vollstem Umfang Genüge getan. Im Dilemma des Shogun zeigt sich aber auch die Spannung zwischen Bushido und weltlicher Gesetzgebung, die sich wohl auch den meisten Lesern dieser Geschichte erschließt. Es war nicht immer möglich, beiden gerecht zu werden. Diese Frage stellte sich den Ronin aber nicht, sie folgten strikt Ihrem Ehrenkodex, wohlwissend, dass sie diese Tat mit Ihrem Leben bezahlen würden. Darin zeigt sich auch, wie wichtig das Bushido für diese Samurai war. Sie brachten die Geduld auf, lange genug zu warten, bis sie sicher waren, dass Ihr Plan mit Erfolg gekrönt sein wird, trennten sich von ihren Familien, nahmen öffentlichen Ehrverlust in Kauf und opferten vor allen Dingen ihr höchstes Gut, um die Ehre ihres Herrn wiederherzustellen – ihr Leben.

Der Weg des Kriegers in seiner Reinform...

Ritter Sport
09-01-2006, 21:10
Hallo itto_ryu! :)

Danke für dein posting! :) Hatte nicht Yamamoto Tsunetomo kritisiert, daß die 47 Ronin zu lange mit ihrer Rache gewartet hätten? Aber die Geschichte der 47 ist trotzdem sehr bewegend. In Japan gibt es so etwas wie den Adel des verlierens; ganz im Gegensatz zu uns Europäern, wo nur der "Gewinner" seinen Platz in der Geschichte zugewiesen bekommt.

Liebe Grüße :)
Ritter Sport

itto_ryu
10-01-2006, 06:58
Ja, die größten helden in Japan sind die gescheiterten Persönlichkeiten, die ihre Niederlage tapfer mit dem Tod bezahlen. Dazu empfehle ich das Buch "Samurai oder Von der Würde des Scheiterns" von Ivan Morris im Insel TB-Verlag.

MatzeOne
10-01-2006, 08:15
Das Grab der Ronin
Bildquelle: Tales of old Japan, A.B. Mitford, erschienen: Charles E. Tuttle Company



Ich seh da nichts :rolleyes:

MatzeOne
10-01-2006, 08:16
Hatte nicht Yamamoto Tsunetomo kritisiert, daß die 47 Ronin zu lange mit ihrer Rache gewartet hätten? Yoa, wurde im Hagakure kritisiert.

Mäks
10-01-2006, 08:21
Zum Thema Seppuku:

werde ich auch machen; und zwar im Alter von 90 Jahren mit einer 20 jährigen im Bett durch körperliche Überanstrengung. :p

MatzeOne
10-01-2006, 08:53
Zum Thema Seppuku:

werde ich auch machen; und zwar im Alter von 90 Jahren mit einer 20 jährigen im Bett durch körperliche Überanstrengung. :p

Im Pascha wo die erste halbe Stunde kostenlos ist? ;)
Haben wir ja schließlich im Off-Topic gelernt :D



Zum Thema: Seppuku ist voll uncool :cool: