Vollständige Version anzeigen : Wudang Taiji - fragen
Cherubin
11-01-2006, 15:34
der folgende Clip hat mich grad aus dem häuschen gebracht:
http://pigua.evrocom.net/CLIPS/WUDANG/wudangtaiji1.mpeg
das hat etwas von dem stil, den ich laufe, allerdings läuft der mann so dermaßen tief, dass alles ein wenig anders aussieht.
aber grade die vier grundkräfte (Peng, An, Ji und Lu) oder eigentlich der anfang dieser form bis "der kranich breitet die flügel aus" ist meiner sehr ähnlich :)
lohnt sich allemal das anzusehen, insbesondere diesen folgeschritt habe ich sonst in keinem taichistil gesehen !
meine frage nun:
wie ist dieser wudangtaiji stil historisch einzuordnen, in welchem zusammenhang steht er zum yang und chenstil ?
müsste dieser wudang-stil nicht das ursprünglichste taichi sein ?
schöne grüße,
cherubin
edit:
ich frage mich außerdem ob man das ganze so tief laufen kann ohne die knie zu schädigen.
edit2:
der teil mit dem "weberschiffchen" (handabwehr am kopf und angriff mit der anderen hand) in 4 richtungen ist haargenau wie aus meiner form
Die Knie schädigt es nur wenn man gleich mit dem vollen Programm anfängt, und noch keinerlei ausgebildete Muskulatur und Knorpel hat. Das ist als würde man von der Couch gleich in den Leistungssport springen, da gehen auch die Gelenke gleich kaputt. Wenn man langsam anfängt hat das nichts mit "Knie schädigen" zu tun, das ist wieder mal eine der typischen Überreaktionen und Übertreibungen.
Historisch ist sowas eher eine Parallelentwicklung, mit ähnlichen gemeinsamen Vorläufern. Alle Taijistile kommen aus der gleichen Ecke, und das dürfte ziemlich klar Chen Jiagou sein, und zwar erst mit und nach Yang Luchan (sprich Mitte 18. Jahrhundert). Entwickelt wurde es irgendwo vom 15. bis 18. Jahrhundert, aus unbekannten Grundlagen die vom Namen her viel mit dem "neuen" Programm in Shaolin ab 16. Jahrhundert zu tun haben. Wo Chen Bu oder seine Nachfolger ihre Übungen her haben, oder was sie alleine entwickelt haben, und wovon inspiriert, kann man sicher kaum noch sagen.
Was klar ist, ist daß dieses Wudang-Taiji nichts mit dem Chen-Taiji zu tun hat (und damit auch nichts mit den "Wudang-Stilen" die zufällig genauso wie Yang-Stil der einen oder anderen Epoche aussehen), außer daß sich Leute aus der jeweiligen Ecke mal vielleicht über den Weg gelaufen sind und ausgetauscht haben. Die universellen Prinzipien sind aber eh immer die gleichen.
Cherubin
11-01-2006, 15:58
das war mal ne flotte antwort :)
ich werde das video mal meinem lehrer zeigen, bin gespannt was er dazu meint, vielleicht ist es ja auch der blick eines anfängers und die stile haben weniger gemeinsam als ich in meiner begeisterung glaube. aber diese parallelentwicklung erklärt es ja auch.
das mit den knien habe ich ja selbst schon erfahren müssen und weiß wie es ist, trotzdem bin ich bei solchen tiefen formen immer wieder erstaunt, wie man so trainiert sein kann.
mit diesen extrem tiefen formen komme ich nicht klar.
das einzig positive, dass sich darin sehen kann ist, dass es eine leicht andere art des gleichgewichtes erfordert, dass es beine konventionell stärkt und dass in einer kampfsituation diese tiefe - falls sie mal erforderlich sein sollte - einem dann nicht unbekannt ist.
ansonsten sehe ich darin eher eine art folklore. oder der mann hat eine nur ein meter vierzig hohe wohnung, in der er normalerweise übt.
es wird behauptet die antatomie eines chinesen im beckenbereich sei nicht ganz gleich wie die eines europäers und erlaube es dem chinesen eher solche tiefen formen auszuüben. ich weiss nicht ob das stimmt. weiss jemand von euch etwas davon?
dass man beweglicher wird, mehr chi spürt oder besser kämpfen kann wenn man so tief übt - das halte ich für ein märchen.
dass es zuschauer zu beeindrucken vermag, scheint ja der fall zu sein.
ich schliesse nicht aus, dass auch eine asketische schmerzbesiegungsmentalität dahinter stecken könnte, die das groteske extra aufsucht um sich selbst zu beweisen, dass man auch damit leben kann. doch wozu sich solche künstlichen schwierigkeiten aufhalsen?
wenn jemand so trainieren will, ist das ja gut und recht. ich erachte es einfach als vollkommen unnatürlich und unangenehm (selbst dann, wenn man ein hohes niveau hat).
anders gesagt: ich wittere doktrin und nicht freiheit.
:rolleyes:
Tiefe Formen dienen dazu, die Muskulatur der Knie, der Hüfte und der Oberschenkel DEUTLICH zu trainieren. Das war es auch schon. Nix mit "Schmerzen". Anwendungsbezogen hält ein starkes Bein einfach mehr aus als ein nicht so starkes, und teilt auch besser aus. Die Fähigkeit auf einem Bein einen stabilen Stand zu haben ist eine sehr reale.
macabre138
11-01-2006, 21:21
aber lustig war der spruch schon mit der vierzig cm wohnung hihi:D
ansonsten sehe ich darin eher eine art folklore. oder der mann hat eine nur ein meter vierzig hohe wohnung, in der er normalerweise übt.
es wird behauptet die antatomie eines chinesen im beckenbereich sei nicht ganz gleich wie die eines europäers und erlaube es dem chinesen eher solche tiefen formen auszuüben. ich weiss nicht ob das stimmt. weiss jemand von euch etwas davon?
Ich habe gehört, daß Chinesen dadurch daß sehr viel in der Hocke sitzen sehr kräftige Bänder und Sehnen an den Knien entwickeln, dadurch scheinen die Knie auch vor Fehlbelastungen geschützt zu sein.
dass man beweglicher wird, mehr chi spürt oder besser kämpfen kann wenn man so tief übt - das halte ich für ein märchen.
dass es zuschauer zu beeindrucken vermag, scheint ja der fall zu sein.
ich schliesse nicht aus, dass auch eine asketische schmerzbesiegungsmentalität dahinter stecken könnte, die das groteske extra aufsucht um sich selbst zu beweisen, dass man auch damit leben kann. doch wozu sich solche künstlichen schwierigkeiten aufhalsen?
seit ich regelmäßig so tiefe Bewegungen mache sind meine Knieschmerzen weg, die mich früher besonders im Winter geplagt haben. Ich glaube, wenn man sich langsam an die Sache rantastet kann man durchaus mehr Karft und Beweglichkeit entwickeln.
Grüße,
René
Cherubin
12-01-2006, 09:57
vielleicht macht es einem schlicht die kleine körpergröße einfacher tief runterzugehen ?!
ich könnte mir vorstellen, dass die kräfte horrend zunehmen, wenn man nach unten geht, je länger die beine sind (hebelgesetze und so).
zudem halte ich den tiefen stand auch nicht für folklore, der trainingseffekt ist schon ziemlich real. kann man die form tiefer laufen, dann heißt das meist, dass sie auf normaler höhe auch besser geworden ist (mein subjektiver eindruck).
Skispringer üben auch nicht zum spaß mit kürzeren "trainigskiern", sondern weil es für den ernstfall besser ist unter erschwerten bedingungen trainiert zu haben.
kann mir sonst noch jemand details zu diesem wudangtaiji berichten ?
wudang steht ja bekanntlich für die entstehung der inneren stile, betreibt hier jemand einen solchen taiji-stil ?
schöne grüße,
cherubin
T. Stoeppler
12-01-2006, 10:39
Es gibt mehrere (fähige) Leute, die Wudang-Taiji unterrichten. Allerdings kommen hier gelegentlich auch historische Begriffsveränderungen zum Tragen.
Es kann sogar ein Tai Chi chuan vor dreitausend Jahren gegeben haben, aber mit dem Namen hätte es gewiss nichts mehr mit dem gemein, was man heute kennt.
"Tai Chi" Ist ein in verschiedenen Bereichen sehr oft vorkommender Begriff, uns sicher wird ein kreativer Kopf vor Zeiten auch mal seine Kampfkunst Tai Chi genannt haben. Auch wenn es stinknormales Kickboxen wäre.
Da nach einem roten Faden zu suchen, dürfte schwierig sein. Das Taijiquan was wir heute kennen, stammt aus dem Dorf der Chens. Was ein Chang San Feng damit genau zu tun hat, weiss man nicht. Allerdings gibt es, wie ich kürzlich hörte, eine hochinteressante Theorie, dass an dem mysten Chang Sang Feng und seiner legändären Abhandlung doch was dran ist.
Dann könnte es auch in der Tat echtes (also das allererste) Wudang Taiji geben. Das alles ein bischen wie langsamere, rundere Shaolin-Formen aussieht, ist nun auch kein Zufall.
Gruss, Thomas
hi thomas,
erklär doch mal diese hochinteressante theorie!
gruss
vakuum
T. Stoeppler
12-01-2006, 12:38
Vakuum,
Der erste "Klassiker" scheint nach neuerer linguistischer Analyse tatsächlich in
die Region/Zeit zu passen, die man Chang San Feng zuschreibt, also so Mitte des 14. Jahrhunderts.
Das hat der Ömer offenbar herausgefunden... ich hoffe, sein Buch ist bald erhältlich.
Gruss, Thomas
Hallo,
schau mal in das Lexikon Wikipedia des KKB unter Taijiquan.
Dort bin ich auf die möglichen Fabeln über den "Urmeister" eingegangen.
http://www.kampfkunst-board.info/wiki/index.php?title=Tai_Chi_Chuan
Zhang Sang Feng's gab's mehr als einen. Der große Daoist gehört ins 11./12. Jahrhundert, ein Zeitgenosse von Cengiz Khan. Der Taiji-Mensch eher wesentlich später, so ins 17. (wird auch in Büchern als "late Zhang S.F." bezeichnet). Da war es ein bischen spät um Taiji zu "erfinden". Vielleicht sollte man das alles lassen, wenn man nicht zufällig Alt-Chinesisch im Original lesen kann UND Dokumente hat die man lesen könnte. Bei den meisten Leuten dürfte es an beidem hapern, alte Schriften von mit und über Zhang, Sang oder Feng liegen nicht einfach irgendwo rum. Da müsste man schon reichlich Zeit damit verbringen, alte Sammlungen um Wudang herum einzusehen, wenn man die überhaupt findet und lesen darf. In Staatsarchive kommt man auch nicht einfach so rein, und da dürfte das wichtige dann irgendwie in den 75.000 anderen Schriften untergehen die auch da rumliegen.
Dem gegenüber gibt es heute immer noch Leute die ordentlich was können, und die sind richtig lebendig. Die zeigen es einem sogar, für Geld. Das was die besten dieser echt lebenden Menschen einem zeigen können, dürfte für das meiste reichen was man so erreichen kann.
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