Kontakt beim Karatetraining? [Archiv] - Kampfkunst-Board

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Rueng Do
01-09-2002, 17:37
Wie haltet ihr es mit Kontakt beim Karatetraining?
Im allgemeinen gilt bei uns die Regel, dass alle Stösse kurz vor dem Körper des Gegner abgestoppt werden. Allenfalls im Chudan Bereich ist leichter Kontakt erlaubt. Wir verwenden keinerlei Schutz, keine Faustschützer oder dergleichen. Nur Zahnschutz im Kumite für Eventualitäten ist obligatorisch. In anderen Dojos habe ich erfahren, das auch durchaus "härter" Trainiert wird. Zwar mit Fausschützer und natürlich kontrolliert, aber doch mit Kontakt und zwar Jodan wie Chudan.

Meine Meinung ist: das wenn immer nur auf Abstand trainiert wird, es nie wirklich zu einem Gefühl für den Stoss kommen kann. Nur wenn bei jedem Stoss die Bewusstheit darüber entscheidet (und nicht die Gewohnheit) ob ein Stoss abgestoppt wird oder nicht, ist wirkliches "Gefühl" in dem Stoss.

Seht ihr das anders oder ähnlich? Wie haltet ihr es bei euch im Dojo?

MfG Rueng Do

DieKlette
01-09-2002, 17:50
Grüss Dich Rueng Do,
meiner Ansicht nach läßt sich ohne Kontakt gar nicht das reelle Gefühl für Distanzen aufbauen. Im Ernstfall zielt man 30 Zentimeter hinter den Kopf und nicht einen davor. Von dieser Kampfdistanz gerät man sehr schnell in die Halbdistanz, in der man sich mit Knie und Ellbogen verteidigen muss. Das ist ein großes Problem für viele Karateka, da sie durch ihr typisches Kumite Training kein wirkliches Gefühl für diese Distanz bekommen.

Deswegen behaupte ich schlichtweg, dass Karate ohne Vollkontakt Ergänzung zumeist nur heiße Luft ist.

Mit Respekt

Oss

Julian

Sebastian
01-09-2002, 18:03
Jo,

bei uns ist es wie folgt.

Natürlich hat ein Sensei mal gesagt machen wir nur Halbkontakt. So sagt es jedenfalls die Satzung des Shotokan. Allerdings hab ich noch keinen Freikampf gesehen, der wirklich kontaktlos blieb. Zumindest keinen ernsthaften Freikampf. Ein paar Bauchtreffer sind da eigentlich immer dabei und ab und zu auch mal was ins Gesicht, was allerdings als "unschön" gewertet wird. Aber im Shudan Bereich ist da ja auch kein Problem ;)

Rueng Do
01-09-2002, 18:43
Interessant wird es, wenn aus mehreren Städten, vielleicht auch aus mehreren Nationen, Shotokan Karateka zusammenkommen und deutlich wird, welch grosse Unterschiede es dort in den Ansichten gibt. Die einen grundsätzlich ohne Schützer, die anderen im Kumite nur "mit", bei einigen überhaupt kein Kontakt (laut Verband), bei den anderen nur im Chudan Bereich usw.

Als Beispiel gerade erlebt: einen wunderschönen Mawashi Geri an die Seite des Kopfes, mit dem Spann (nicht Zehballen)ausgeführt und kontrolliert, mit lautem "klatsch" kontaktet, so überraschend, das der Gegner sich danach nur staunend die Wange reiben konnte (Darsteller: Tom Kompier) führt bei manchen Wettkämpfen zu Ipon, bei anderen zur Disqualifikation.

Dann wieder Zukis im Chudan Bereich, mit anschließend aufgeplatzter Lippe, als Vasari gewertet, bei anderen Wettkämpfen (und bei anderen Hauptkampfrichtern) Disqualifikation.

Im übrigen kann man mit Fausschützern unkontrolliert gestossen, sicherlich eine Menge Unheil anrichten und im Vergleich ohne Schutz mit Kontrolle und Bewusstheit kann es einem selbst aber auch dem "Gegner im Kampf" (ich spreche von Kumite) Spass machen.

Grüsse

Rueng Do

Dojokun
01-09-2002, 19:21
Bei uns wird generell mit geringem Chudan- und keinem Jodan-Kontakt gekämpft.
Wrir tragen auch keine Faustschützer.

Aber:
Nach Abspreche sind auch härtere Kontakte möglich, um realistischer zu kämpfen.
Das hängt aber von den Ausübenden ab.

Wichtig: Niemals zu harter Kontakt bei nicht genügend ausgebildeten und bei körperlich arg unterlegenen Partnern.


Oss

Dojokun

Sebastian
01-09-2002, 20:14
Jo, da habt ihr auf jeden Fall recht.

Ein guter Freund von mir hat bei den deutschen Meisterschaften im DJKB sich mal den unterkiefer ausm Gelenk schlagen lassen :( Das war für meinen Geschmack ein bisschen zu viel Kontakt!

Vincent Vega
01-09-2002, 22:43
So, dann darf ich heute mal mein erstes Posting loslassen.
Ich trainiere im Moment in einem Dojo in Göteborg (Auslandsstudium).
Zur Zeit wird dort nur Kumite trainiert. Zu meinem Leidwesen ist in diesem Dojo niemand unter dem Rang eines Braungurtes.
Einige halten sich dann mir gegenüber auch etwas zurück, so dass ich sehr viel von ihnen lernen kann, ohne gleich die Lust zu verlieren. Es gibt aber leider auch Einige im Dojo, die eine etwas andere Einstellung haben. Nach dem letzten Training hatte ich echt keinen Bock mehr. Ich bin eigentlich eher ein robusterer Typ, aber nach dem Training konnte ich eine Woche kaum laufen. Da hatten ein paar Braungurte bis zum 2. Dan richtig Spass.
Naja egal, das härtet ab.
Dort wird übrigens mit Faustschützern gekämpft und mit ordentlich Kontakt (wie gesagt hängt vom Gegenüber ab).

Gruss Chris

Michael1
01-09-2002, 23:01
Für Wettkämpfe wird möglichst Wettkampfnah trainiert, dh. mit Faustschutz, Tiefschutz, Zahnschutz und wer will mit Schienenbeinschutz. Kontakthärte richtet sich nach dem anstehenden Turnier, auf internationalem Niveau wird halt härter gekämpft als bei regionalen Turnieren. Wichtig ist halt nur das sich keiner verletzt.

Jodan werden die Tritt- und Schlagtechniken normalerweise abgestoppt, Chudan und Gedan richtet sich das ganze sehr nach dem Trainingspartner, das gilt auch für Hebel, Würger, Griffe, Blocks usw. .
Dabei wird normalerweise nur Tiefschutz getragen, einige lassen den auch weg damit sie sich nicht angewöhnen dort schlecht zu decken, halt ich aber nichts von ;)


Habe diese Woche als Shotokan'ler zum ersten mal an einem Ashihara-training teilgenommen, es war von der Technikausführung im freikampf etwas anders als ich es gewohnt bin, von der härte her aber nicht viel anders als bei uns auch. Es war aber auch "nur" eine "normale" Trainingseinheit ohne Freikampf, da sieht das ganze vermutlich doch etwas anders aus.

Talmei
02-09-2002, 01:20
Also ich halte nichts vom Kontakt beim Karate. Karate bedeutet für mich, immer alle Techniken so stark und so schnell wie möglich zu machen und wenn ich auf meinen Trainingspartner einschlage, dann will ich den ja nicht verletzten. Daher muss ich vorher abstoppen und kann so trotzdem "alles geben". Alles andere wäre ein halbherziges Zuschlagen und in meinen Augen kein Karate mehr :-)

Dass man dadurch die falsche Distanz lernt ist mir bei einem Kampf klar geworden, da wollte ich den Gegner treffen, habe das aber nicht hinbekommen, weil ich immer in der gewohnten "falschen" Distanz geschlagen habe :-)

Dafür sollte man viel am Makiwara trainieren, damit man das Gefühl für einen richtigen Schlag und die richtige Distanz bekommt. So oft wie ein Boxer einen Sandsack benutzt, so oft sollte ein Karateka am Makiwara trainieren.

Soviel zu meiner Meinung :-)

Michael1
02-09-2002, 13:32
Such dir einmal Leute die mehr kontakt gewöhnt sind, da merkst du dann das man chudan unter umständen gar keine direkte Wirkung durch treffer erzielt, dh. du verletzt auch niemanden.

Goshinsatori
02-09-2002, 13:48
Hallo,

es kommt bei uns darauf an, was wir trainieren.
beim training von Technik, wo man alles geben muß, mit entsprechender Geschwindigkeit und Kimae arbeitet, dann muß gestopt werden, da wir ohne Schützer trainieren.
Wenn wir üben, zu kämpfen, gibt es schon den entsprechenden Kontakt, allerdings immer noch so, daß sich niemand ernsthaft verletzt (also zum Kopf relativ vorsichtig), auch hier ohne Schützer. Diese Training ist ab 6.Kyu vorgesehen, da vorher einfach zuviel kaputt geht......:D
Grundsätzlich habe ich also gegen Kontakt....., warum auch ?

Nicki
12-09-2002, 15:12
Eigentlich finde ich, daß Kontakt im Karate dazu gehört - schließlich erlernen wir eine Kampfkunst und kein Aerobic.
Natürlich soll man miteinander üben und den anderen nicht "kampfunfähig" machen. Aber wie kann ich sonst lernen, mich richtig zu verteidigen. Denn wenn vorher gestoppt wird, heißt es eh meistens: in echt hättest du mich nicht getroffen. Mit leichtem Kontakt gäbe es solche Diskussionen nicht.
Und man bekommt auch einen besseren Eindruck, was man selber mit seiner Technik beim "Gegner" bewirkt.

Ich finde es nur schade, daß der Kontakt nicht in den regularen Trainingsplan mit aufgenommen wird, so wie je nach Graduierung neue Techniken, die Ausführung der Technik, etc. geprüft werden.
Denn dadurch kann es vorkommen, daß man selten einen Treffer abbekommt und dann auf einmal trainiert man mit jemanden der kontaktet, man kriegt keine Luft mehr o.ä. und muß sich dann noch den Spruch anhören: Na, bei deiner Graduierung solltest du das aber schon abkönnen.
Ist ja im Prinzip auch richtig, doch woher?

Michael Kann
14-09-2002, 13:32
hier schreiben scheinbar nur Shotokan Sportler?

Was ist mit den Kempo-, Kyokushinkai- usw. Leuten los? Keinen Bock zum Posten?

@Michael1 ... Chudantreffer ... K.O.s sind da alle mal drin ... gezielter Mawashi Geri gegen die Leber! Mae Geri zum Solar Plexus! Alles schon gesehen, wobei Lebertreffer öfter zum tragen kommen ... daher hier spezielles Training, zumindestens bei uns ... Verletzungen, sind meist vom Trainingszustand des "Opfers" abhängig!

Ich liebe Kontakt! No pain, no fun!

Gruß
Mike

Michael1
14-09-2002, 23:03
Ich sag ja nicht das man chudan unverwundbar ist, lediglich das man unter Umständen gar keine direkte Wirkung durch Treffer erzielt.
Ich hatte da eigentlich ehr sowas wie Gyaku-Zuki im Kopf die ohne Kontakt trainiert werden damit man sich ja nicht verletzt....

DrZonked
27-09-2002, 13:35
Ich habe damals über 5 J. Shotokan gemacht.... ich ärgere mich immer noch über diese verschenkte Zeit!

in einem Jahr Kyokushinkai-Karate lernt man mehr! Obwohl die Techniken (fast) die gleichen sind, nur anders halt. :confused: oder so..

zum Glück bin ich bald genausolang beim Kyokushin... und für den Nahkampf mach ich nebenbei manchmal noch Ju-Jutsu..

wankan
27-09-2002, 13:47
@DrZonked

Ich habe damals über 5 J. Shotokan gemacht.... ich ärgere mich immer noch über diese verschenkte Zeit!
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Na ja, vielleicht hattest Du nicht den richtigen Lehrer.
Verschenkt würde ich nicht sagen, denn immerhin hat Dich das Shotokan doch zu einer anderen KK gebracht.
Nur frag ich mich warum Du 5 Jahre gebraucht hast
um das alles zu merken.
Gruß
Hans-Jürgen

DrZonked
27-09-2002, 14:03
Ich hatte sogar bei unterschiedlichen Trainern, die alle sehr gut waren training... erst als ich aus beruflichen Gründen nach Berlin musste bin ich eher zufällig auf den Kyokushin gestoßen...

außerdem war vor über 10 Jahren das angebot noch nicht so groß in meiner Stadt... deshalb wusste ich eher nix von den anderen Stilen...

UND: es gab das KK-Board noch nicht als Quell der Weisheit!

Thyura
27-09-2002, 20:12
Kyokushinkai? HIER! :D

Kontaktloses Kämpfen ist bei uns fast nie drin, mache ich wenn überhaupt, nur mit den Kindern. Bei uns wird, je nach Rang und Statur des Gegners voll oder "angemessen" durchgezogen und es gab auch schon Gegner, nach denen ich halb (oder einmal glaub ich ganz) bewußtlos im Ring gelegen hab ;) Ist aber nicht die Regel.
Auf jeden Fall bin ich der Meinung, daß rein kontaktloses Training für die Vorbereitung zum Ernstfall ungeeignet ist, allein schon deshalb weil man eher nicht gewohnt ist, harte Schläge wegzustecken und die empfindlichen Partien (Kopf, Solarplexus...) penibel zu decken.

Gruß
Thyura

Lino
03-10-2002, 18:16
Ich bin zwar nicht grundsätzlich abgeneigt gegen Kontaktloses Training oder Halbkontakt ohne Schützer. So lane man spürt, dass man dadurch Koordination und Überblick verbessert. Man sollte aber nicht ausschließlich diese Art von Freitraining machen. Dann passiert nämlich u.a. Folgendes: Irgendjemand, der zu viele Karate-Turniere mitgemacht oder gesehen hat hält sich oder wird für den ganz Tollen gehalten weil er reinspringen kann, mit einem schön voll gestreckten Arm und eingedrehten Hüften mit der Faust eben gerade den Gi berühren kann. (Der Gi flattert ohnehin 5-10 cm vom Körper). Und dass soll dann der super-unübertreffbare Gyako-Tsuki sein, den wir alle nachmachen sollen. Und keine Wertung, wenn der Arm stoppt in so einer Position, wo man weitere 5-10 cm ins Ziel rein gehen könnte - daher zwangsläufig nicht ganz gestreckt.
Versuch bitte logisch zu erklären, was man davon lernen soll. Grundsätzlich die falsche Distanz haben, dass man in einem echten Kampf bloss niemanden verletzt, oder was?

Lino

Ichiban
06-10-2002, 17:10
Hallo Dr., hallo an alle lesenden,

ich finde es sehr schade das Du diese Erfahrung mit Shôtôkan Karate gemacht hast, aber Du solltest dies nicht verallgemeinern. Es ist sicher nicht richtig zu sagen, dass man beim Kyokushinkai in einem Jahr mehr lernt als beim Shôtôkan in fünf!

Oft habe ich diese Sachen schon gehört und jedesmal lag es beim genaueren hinsehen nicht am Stil, sondern am Lehrer.

In irgendeinem Forum habe ich mal den Spruch gelesen "Faust im Gesicht ist Faust im Gesicht" und ich denke das dies auch so ist.

Wenn man ein guter Kämpfer ist, also Kampfgeist besitzt, ist es völlig egal welchen Stil man betreibt.

Und die Sache mit dem "sun dome" wird von vielen einfach falsch verstanden. Entgegen der allgemeinen Meinung wird nämlich nicht vor dem Ziel abgestoppt! Ganz im Gegenteil, man führt seine Technik immer zu 100% aus, nur das das Ziel eben vor dem Körper ist und nicht auf dem Körper. Wenn man also irgendwann einmal richtig zuschlagen muss, braucht man nur die Distanz zu verändern. Und um sich auf einen Kontakt mit einem Gegner vorzubereiten muss man keinen Vollkontakt machen, sondern es genügt wenn man Makiwaratraining betreibt.

So long...


Ichiban

weudl
06-10-2002, 22:33
@Ichiban

Du hast vollkommen recht. Es ist nur der Lehrer und nicht der Stil der den feinen Unterschied ausmacht.

Auch Deine Aussage über Sun Dome kann ich nur unterschreiben. Die Technik wird nicht vor dem Ziel abgestoppt, sondern mit voller Kraft in das Ziel geführt. Allerdings wird das "getroffene" Ziel vor den Körper des Partners verlegt.

Hier beginnt aber nun genau der Kritikpunkt der VK-Vertreter. Man lernt mit dieser Idee mit einer falschen Distanz zu arbeiten. Außerdem ist es natürlich ein großer Unterschied, ob man nur die Luft oder wirklich ein festes Ziel trifft. Deswegen ist, wie Du richtig sagst, das Makiwaratraining in diesem Fall unerlässlich.

Michael Kann
07-10-2002, 09:18
Zu der Sache mit dem Lehrer sag ich nix, hab ich oft genug!

Bzgl. Shotokan ... wenn Ihr Shotokan mal (ich hatte die Gelegenheit) an anderen Orten dieser Erde mittrainiert, werdet Ihr feststellen, dass es eigentlich immer anders interpretiert und somit trainiert wird. Z.B. in den Vereinigten Staaten wird es u.a. sogar mit Kontakt trainiert. Die Stände werden unterschiedlich hoch gelehrt usw. usf. und dies liese sich beliebig weiterführen.

Ob Kontakt oder nicht?

Ich bin davon überzeugt, dass es ein riesen Unterschied ist ob ich gegen ein Makiwara (starr) schlage/trette oder gegen einen beweglichen Gegner antrete! Das erlernen der richtigen Distanz kann mit Hilfsmitteln, und dazu zähle ich u.a. Makiwara, Sandsack, Maisbirne, Doppelendball usw. nur bedingt, wenn überhaupt trainiert werden. Dies ist auch logisch, ein Mensch ist beweglicher! Es ist wesentlich schwerer einen aktiv arbeitenden Gegner zu treffen als ein stehendes Ziel!

Das Argument das ich oft von Lehrern (gleich welcher Stilrichtung) zu hören bekam, dass uns auf der Straße ja zu 90% ein Laie gegenübersteht und es daher kein Problem sein wird in zu treffen, kann dabei nicht zählen. Daher trainieren WIR vor allem im Selbstverteidigungsbereich mit Kontakt. Dabei muss Kontakt nicht immer gleich Vollkontakt sein ... es kann, aber es muss nicht!

Im übrigen liegen wir damit im Trend der Altmeister. Es ist leider heute mehr denn je ein Tabuthema, dies vor allem aus sportpolitischer Sicht.

Wozu wurden denn letztlich die Kampftechniken gebraucht?

Schutzausrüstung zum Kontaktkampf hatte man im übrigen schon sehr früh entwickelt, es gibt mehr als genug Bilder und Berichte die dies belegen. U.a. hat bereits Meister Mabuni in Kontaktausrüstung Vollkontakt gekämpft. Funakoshis Sohn war gerade deshalb, weil er mit absoluter Härte und vollem Kontakt u.a. das Militär und seine Spezialkommandos trainierte berühmt geworden!

Wieso der Trend in eine andere Richtung ging, dafür gibt es unterschiedliche Thesen. Eine Meinung ist die von der Entwicklung hin zum Breitensport, der ungefährlich sein musste ... diese Entwicklung gab es natürlich nicht nur und erst in Deutschland (siehe hier vor allem Schulsport) sondern auch schon ca. 1920 in Japan. Daher gab es u.a. ebenfalls eine Verwandlung in der von Kano (einem Freund von Funakoshi) praktizierten Synthese des Jiu-Jitsu (Kompaktes SV-System mit Tritten, Schlägen, Hebeln, Würfen, Würgen usw.) hin zum J(i)udo (Würfe, Würgen und Hebeln). Obwohl auch hier eine Differenzierung zum Militär, Polizei usw. gegenüber dem im Schulunterricht eingesetzten Judo stattfand.

Um auf das Karate zurück zu kommen ... Okinawa Te (Ti) und Kobudo wurden von Menschen praktiziert, die nur dieses eine Mittel kannten, um sich gegen den Tod zu verteidigen. Griffen die Bauern und Fischer zu ihrem Handwerkszeug (Kobudo), so konnten die Land- und Stadtadeligen (Samurai) auf ihre Fertigkeiten im Te zurückgreifen falls sie angegriffen wurden. Sie trainierten vor allem für eine Sache ... das Überleben!

Wir machen oft den Fehler für uns selbst in Anspruch zu nehmen, das einzig wahre Karate zu betreiben. Grenzen uns gegeneinander bewußt oder unbewußt, gewollt oder ungewollt ab. Diese vor allem sportpolitisch getragene Entwicklung finde ich mehr als bedauerlich, doch leider trägt sie selbst bei Jüngeren schon Früchte! Damit dürfte die Saat der Sportpolitiker aufgehen ... die Entfernung vom Original wird immer größer und deutlicher!

Gruß
Mike

DrZonked
07-10-2002, 18:03
Ich wollte auf keinen Fall Shotokan schlecht machen! Und auf meine Trainer lasse ich auch nix kommen !!
Ich habe es über 5 Jahre trainiert und hatte auch viel Spaß dabei und konnte die Techniken alle sehr sauber und natürlich auch die Katas....

Für mich Persönlich und für die Teilnahme an Wettkämpfen finde Shotokan nicht ausreichend... (s.o. das mit dem beweglichem Ziel)

Außerdem finde ich meinen Kampfstil gut aber das es "bessere" gibt zeigte sich letzte Woche beim Endkampf von "K1" (Eurosport) wo im Endkampf ein Kyokushinkämpfer einem Kickboxer unterlag...

Sebastian
07-10-2002, 18:21
@DrZonked: Das Der KarateKa unterlag heißt aber nicht pauschal, dass alle KarateKas allen Kickboxern unterlegen sind! :)

Michael Kann
07-10-2002, 18:24
KarateKid hat recht, dass wären falsche Rückschlüsse!

Gruß
Mike

Ichiban
07-10-2002, 19:46
Hallo Mike,

Deine Aussagen im Bereich Versportlichung finde ich sehr gut und entsprechen auch meiner Ansicht. Was ich jedoch nicht verstehe ist, dass man deshalb unbedingt mit Kontakt (Vollkontakt) kämpfen muss.

Die Sache mit dem Ausland kann ich ebenfalls bestätigen und ich möchte Dir sagen, dass dies nicht nur im Ausland unterschiedlich gehandhabt wird.

Die allgemeine Aussage das im Shôtôkan wirklich kein Kontakt betrieben wird, ist jedenfalls nicht richtig - um auf Deinen Ansatz mit Kontakt nur nicht unbedingt Vollkontakt... zurückzukommen.

Im Chudan-Bereich wird bei mir ab 8. Kyu mit Kontakt gearbeitet. Und auf alten JKA-Videos (was wohl Shôtôkan pur darstellt) sieht man eindeutig Kontakt und zwar nicht immer unbedingt einen leichten!

Es geht auch nur um das Prinzip, welches Du meiner Anischt nach noch nicht ganz verstanden hast. Wenn ich es schaffe mich ständig so zu kontrollieren, dass ich 3 cm ("sun dome") vor dem Ziel treffe, ist es wohl ein leichtes 3 oder einge Zentimeter mehr draufzupacken.

Meine Schüler lernen zunächst Kontrolle Ihrer Technik und "maai" (Distanz/Distanzgefühl) erst danach geht es weiter mit leichtem Kontakt.

Das Makiwara ist ein Hilfsmittel und ersetzt nicht das Training mit einem sich bewegenden Partner. Mit dem Makiwara trainiert man u.a. Distanzgefühl, Kime, Schlagkraft und einiges mehr, selbst für das Zielen und Treffen eines sich beweglichen Ziels gibt es Makiwaravarianten, dies sei aber nur mal kurz erwähnt, denn es ist sicher nicht das Hauptziel, das Treffen in der Bewegung mit einem Makiwara zu erlernen. Ansonsten bräuchte ein Boxer wohl auch nur einen Sandsack und Punchingball...

Und um eine Distanzgefühl zu bekommen brauche ich kein bewegliches Ziel. Wie ich schon schrieb, wenn man die ersten Schritte gemacht hat, erlernt man die nächsten. Dafür stehen uns im Kumite mehrere Möglichkeiten zur Verfügung ohne dafür unbedingt Kontakt am Körper des Gegners auszuüben.

Die von Dir angebrachte Kritik höre ich ständig, doch ich bin der festen Überzeugung, dass die Kritiker einfach nicht verstehen was mit "sun dome" wirklich gemeint ist.

Zwischen dem heutigen Karate und dem Karate vor 100 Jahren muss man unbedingt unterscheiden! Wir leben in einer anderen Zeit und in einer völlig anderen Kultur.

Was nicht heißt, dass ich die Tradition nicht Ehre und weitergebe - ganz im Gegenteil.

Ikken Hissatsu ist nicht mehr das was es damals war, heute bedeutet dies den Agressor möglichst schnell und ohne sich selbst in Gefahr zu bringen ausser gefecht zu setzten! Damals hieß es schlicht weg, den Angreifer zu töten, bevor man selber getötet wird. Das ist der Unterschied zwischen dem japanischen Mittelalter und der heutigen Zeit in Europa.

Karate rein als Sport oder Wettkampf zu betreiben verurteile ich bis auf´s tiefste, doch Kontakt oder Vollkontakt alleine machen daraus noch kein traditionelleres oder besseres Karate.

So weit meine Meinung, auch wenn ich mit meinem höchst wissenschaftlichen Beitrag jetzt vielleicht wieder dem einem oder anderen auf die Nüsse gegangen bin :D

Kleiner Tipp von mir, wenn Euch die Beiträge zu lang oder zu unverständlich werden - lest sie einfach nicht!

Ichiban

TKD_Christian
13-10-2002, 15:57
Hallo zusammen,

ich denke, dass die Meinung von Mike ziemlich realitätsnah ist.
Ich muss mich zwar outen, ich komme aus dem TKD, bin aber davon überzeugt, dass einige Punkte in den KK übereinstimmen.

Makiwara, Pratze ... kann - so meine Meinung - niemals den Kontakt-Kampf gegen/mit dem Gegenüber ersetzen. Ich sehe in diesen Übungen vielmehr so etwas wie wichtige "basics", die man braucht um einen Kampf angemessen führen zu können.

Wer von Euch jemals einen "side-kick" (man möge mir verzeihen, dass ich den karate-spezifischen terminus technicus nicht beherrsche) in Richtung Solar-Plexus spüren musste und sich ohne Unterbrechung dem weiterhin attackierenden Gegner stellen musste, wird mir bestimmt zustimmen, dass dies eine wichtige Erfahrung ist, vor allem auf den Bereich SV bezogen.
Worauf ich hinaus möchte : Das Prinzip des "sun dome" ist mir durchaus ein Begriff, den, so glaube ich, in seiner Bedeutung auch verstanden habe; und um es zu beherrschen große Übung und Geschick von Nöten ist.
Allerdings birgt der Kampf mit Kontakt (wohl auch mit "hartem" Kontakt) Vorteile, wenn man daraus seine Erfahrungen und Lehren zieht.

Ich persönliche trainiere im Bereich des Freikampfes sowohl Kampf ohne als auch mit Kontakt.
Ersteres beinhaltet den Vorteil, neue Techniken und/oder Kombinationen mit Partner(=bewegliches Ziel) zu trainieren und Schwachstellen dieser "Kreationen" zu entdecken, ohne es gleich an der Nase spüren zu müssen.
Der Kampf mit Kontakt : Wie gesagt, es ist in meinen Augen einfach noch eine Erfahrungssteigerung. Treffer einstecken und weiterkämpfen ist schon eine Herausforderung. Genauso wie es wohl für viele Kämpfer eine Herausforderung ist, einen getroffenen Gegner weiter zu attackieren; spätestens auf die SV bezogen bekommt dieser Gedanke eine enorme Bedeutung.

Zum Abschluß noch eine kleine Anekdote : Ich habe beim Freikampf mal (schon lange her...wie ich noch jung war...*gg*) meinen Partner mit voller Wucht mit der Faust (obwohl mit Faustschützer) in den Solar-Plexus getroffen. Diesen Gesichtsausdruck wie er sich an mir festhalten wollte um nicht umzukippen, vergesse ich nicht. War leicht schockiert, wollte ihn ja nicht in dieser Form treffen... um aber ganz ehrlich zu sein : Im Nachhinein aber ein wirkliches "gutes" (man möge mir den Ausdruck nicht übel nehmen) Gefühl, da, so meine Überlegung : Auf der Straße in einer realen Auseinerandersetzung (ohne Faustschutz) ... das würde rocken.
Somit meine Erkenntnis : Kontaktkampf schafft Bewußtsein, was in der eigenen Technik steckt, welche Wirkung sie hat (und was man real auch (nicht?) direkt anwenden sollte; auch ein Gesichtspunkt).

Gruß
Christian