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Thorre
01-02-2006, 10:40
Die Sechsunddreißig Strategeme -

Die Kunst der List im Sanshiliu Ji Miben Bingfa, Artikel von T. Schlaméus auf www.kung-fu-schule-berlin.de


Einführung

Im christlichen Abendland zählt man die List nicht gerade zu den Tugenden des edlen Menschen. Untersucht man allerdings, wie häufig Listen angewendet wurden und werden, so kann behaupten, daß die List, mag sie im westlichen Denken auch keinen guten Ruf besitzen, innerhalb der abendländischen Kultur ein auffälliges psychologisches Phänomen darstellt.

In der östlichen Geisteskultur kennt man sogar einen Listenkatalog. Sei es, daß es hin und wieder legitim erscheint, eine List anzuwenden, um Probleme auf unkonventionelle Weise zu lösen, sei es, daß es wichtig erscheint, die Möglichkeiten listigen Verhaltens zu kennen, um sich selbst zu schützen - die chinesische Sammlung der sechsunddreißig Strategeme bietet sich dem interessierten Leser an, um die Kunst der List eingehend zu studieren, denn sie umfaßt viele Klassen und Varianten der List in übersichtlicher Form.

Der Autor des aus der Ming-Zeit stammenden Werks Sanshiliu Ji Miben Bingfa ist unbekannt. Jedes Strategem ist in eine einprägsame Kurzform gefaßt worden, was dazu führte, daß viele dieser Strategeme in China geradezu Sprichwortcharakter angenommen haben. Die Struktur der chinesischen Sprache erschwert die präzise Formulierung abstrakter Inhalte, aus diesem Grunde wird in der chinesischen Kultur häufig mit bildhaften Gleichnissen gearbeitet.

Solche Analogien stehen dann vielfältiger Interpretation offen, und so ist es nicht verwunderlich, daß die Strategeme von verschiedenen Autoren sehr unterschiedlich gedeutet werden. In diesem Sinne ist die Auseinandersetzung mit dem Sanshiliu Ji Miben Bingfa auch immer ein Reflektieren über die Möglichkeiten der Kunst der List.

Um Spaß und Erkenntniszuwachs bei der Lektüre des Sanshiliu Ji Miben Bingfa zu garantieren, schlage ich dem Leser eine persönliche Studie der empfohlenen Strategeme vor. Im Zuge dieser Analyse sollten wir uns einerseits fragen, ob die Sammlung als systematisch gelten darf - stellt jedes Strategem tatsächlich eine eigene Klasse von Listen dar, die sich deutlich von anderen unterscheiden läßt? Und zweitens sollten wir fragen, ob die Sammlung vollständig ist - können wir jede in der Praxis denkbare List einem der sechsunddreißig Strategeme zuordnen?

Um die Ideen des Sanshiliu Ji Miben Bingfa zu veranschaulichen, habe ich in der griechischen Mythologie nach Listen gesucht, die den aufgeführten Strategemen entsprechen. Ich hoffe, daß die Einordnung dieser von abendländischen Helden und Antihelden angewandten Listen in die chinesische Sammlung des Sanshiliu Ji Miben Bingfa als Hinweis auf dessen universelle Gültigkeit überzeugen kann.

Wie immer ein Hinweis zu den abgebildeten Schriftzeichen: In den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts hat die chinesische Regierung im Rahmen einer großen Alphabetisierungskampagne viele traditionelle Zeichen vereinfacht, insbesondere sehr komplexe Zeichen wurden durch reduzierte Varianten ersetzt. Diese sogenannten Kurzzeichen Jiantizi werden in der Volksrepublik, Singapur und Malaysia benutzt, während die alten Langzeichen Fantizi von Taiwan und Hongkong verwendet werden. In den Illustrationen dieses Artikels werden Kurzzeichen verwendet.



Sanshiliu Ji Miben Bingfa - Die 36 Strategeme des Buches der Geheimen Kriegskunst


1. Strategem - Den Kaiser täuschend das Meer überqueren

Den Hintergrund dieses Strategems bildet eine quasihistorische Geschichte, nach der Tang-Kaiser Tai Zong (626-649) nur durch eine List bewogen werden kann, mit seiner Armee über das Meer zu setzen, um das Koguryo-Reich anzugreifen. Als der Kaiser nämlich am Ufer des Meeres steht, plagen ihn Zweifel hinsichtlich des geplanten Waffengangs. Er zögert, die Mission zu vollenden.

Seine listigen Offziere laden den Kaiser zu einem am Meer wohnenden wohlhabenden Bauern ein. Es wird angedeutet, der Bauer könnte dem Kaiser Proviant für seine Truppen liefern. Tatsächlich hatte man ein Schiff so umgebaut, daß es wie ein Haus am Strand aussah, und so war es möglich, den Kaiser auf das Meer zu locken...


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