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Vollständige Version anzeigen : Methodik Und Didaktik In euren Systemen?



roberto
12-03-2006, 18:00
Aufgrund eines threads in einem anderen Forum, würde mich interessieren, wie innerhalb der europ. beeinflussten KKs unterrichtet wird?

meine Schule bzw. die italienische schule ist sehr variationsreich. Kaum ein Messersystem ähnelt dem anderen. Jedoch gleichen sie sich eigentlich alle in der Konzeption die Materie/ den lernstoff eiterzugeben.

im laufe der Zeit musste ich fststellen das speziell in vielen asiatischen KKs sehr viel am Kern vorbeitrainirt wird (das thai Boxen ist natürlich eine Ausnahme) und sich dadurch alles sehr in die Länge zieht.

Unsere Systeme mögen nicht die Besten sein (was ist schon das Beste?!), aber sie sind ehrlich. Zu Anfang erklärt man dem Schüler die Prinzipien von Mensur, Tempo, Linien (Gefechtslinie und Angrifflinie), Faustlagen etc..

Danach die Grundhaltung, Schrittarbeit, 2-3 Einladungen, Klingenspiel, Finten, Bindungen und die spezifischen Paraden (sofern es welche gibt) mit einfachen Kontern. Dann noch 2-3 miese Triks und fertig ist die Methode.

Je nach Talent und Methode bedarf es 20 minuten bis 2-3 Tage. Bei sehr vielseitigen Methoden vielleicht 2-3 Wochen (wohlgemerkt bei täglichem Training). Dann hat man alles gesehen und muss es fleissig für sich üben. Wie ist das bei euch so?

Ciao

Roberto

Mc Duff
12-03-2006, 21:26
heisst das, man kann das ganze system von euch in 20 minuten komplett lernen?(ist nicht abwertend gemeint)

roberto
13-03-2006, 04:32
heisst das, man kann das ganze system von euch in 20 minuten komplett lernen?(ist nicht abwertend gemeint)

Unser system setzt sich aus meheren Methoden zusammen, die nicht miteinander in verbindung stehen. Jede Methode für sich ist ein angechlossener Weg zum Kämpfen und steht somit für sich selbst. Alle Methoden in 20 Minuten geht natürlich nicht, eine hingegen schon.

Wie ist das bei euch?

Roberto

Jörg B.
13-03-2006, 08:36
Gutes Thema, Roberto!

Manche Teilbereiche der deutschen historischen KK lassen sich in 2 Stunden vermitteln (Andres Liegnitzer's Dolchsystem), andere Dinge dauern deutlich länger.

Meine grundlegende didaktische Methode ist VENÜ (Vormachen, Erklären, Nachmachen, Üben).

Dabei steigt Geschwindigkeit und Intensität mit fortschreitender Erfahrung, während das Maß an Kooperation seitens des Partners in gleichem Umfang abnimmt.

Dazu kommen diverse Spielchen, die taktische Elemente vermitteln.

Gruß,
Jörg

Gasmann
13-03-2006, 11:55
Es gibt da den Ansatz, die Leute sofort ins kalte Wasser zu werfen. Man macht eine Einführung in die Grundtechniken, drückt dem Kandidaten eine Holzwaffe in die Hand und dann darf er sich einen Gegner aussuchen und erhält ein Training on the job. Na ja, und dann arbeitet man sich langsam hoch...

Ich habe mir sagen lassen, daß sowohl Lernfortschritt als auch Spaßfaktor größer sind als wenn man nen halbes Jahr nur Technik drillt.

Falls mich jemand um eine UE Doppelwaffen bittet, was zum Glück selten genug vorkommt, kann ich recht schnell erklären, wie die Waffen zusammen funktionieren. Aber das Einschleifen der Bewegungsmuster ist eine Menge Arbeit, für die ich derzeit keine andere Möglichkeit als try and error sehe. Und da jeder Gegner ein Individuum ist, muß man die Bewegungen ständig korrigieren. Die meisten Leute geben dann relativ schnell auf... :rolleyes:

Gruß

Jörg B.
13-03-2006, 12:04
Es gibt da den Ansatz, die Leute sofort ins kalte Wasser zu werfen. Man macht eine Einführung in die Grundtechniken, drückt dem Kandidaten eine Holzwaffe in die Hand und dann darf er sich einen Gegner aussuchen und erhält ein Training on the job. Na ja, und dann arbeitet man sich langsam hoch...

Ich habe mir sagen lassen, daß sowohl Lernfortschritt als auch Spaßfaktor größer sind als wenn man nen halbes Jahr nur Technik drillt.


Und der Absturz, wenn's an auch nur etwas komplexere Dinge geht, ist vorprogrammiert.

Ich halte davon überhaupt nichts.

T. Stoeppler
13-03-2006, 12:34
Für mich ist die Didaktik nach Themenbereich verschieden gestaltet.

Jede Kampfkunst hat ihre taktischen und technischen Konzepte und ihre eigene Bewegungslehre.

- Techniken kann man meist recht simpel vormachen.
- Taktiken kann man in speziellen Übungen praktisch und theoretisch vermitteln. Das ´rüberzubringen ist aber schon weniger leicht.
- Bewegungen muss man fühlen, hier wirds dann kniffelig.

Ich ziehe es eigentlich vor, einen minimalen Satz and formeller Technik zu zeigen und genauer auf die Taktik und die Bewegungsmethodik einzugehen.
Meine Zielsetzung geht dahin, dass die Leute, mit denen ich trainiere, selbst auf den Trichter kommen - von da an kann man dann auch mit formell komplexeren Bewegunsmustern weiter arbeiten.

Diese Art von Didaktik ist natürlich scheinbar weniger schnell fortschreitend, aber so wird ein auch von "innen" gestütztes Fundament aufgebaut. Das hält üblicherweise am Besten.

Gruss, Thomas

Gasmann
13-03-2006, 14:12
Ich halte davon überhaupt nichts.
Mußt du auch nicht. ;)


Und der Absturz, wenn's an auch nur etwas komplexere Dinge geht, ist vorprogrammiert.
Wo du die komplexeren Dinge ansprichst... Man kann sich nicht auf alles gleichzeitig konzentrieren. Schritte, Körperbewegungen, Waffenbewegungen, Zusammenhang zwischen Körper und Waffe... das muß man sich einzeln herauspicken und daran arbeiten. Die Reihenfolge ist m.E. nicht so wichtig, ebensowenig die Art der Übung - so lange man das Klassenziel im Auge behält.

Ich halte es auch für wichtig, daß der Schüler (und nicht nur der) möglichst früh lernt zu improvisieren.


Meine Zielsetzung geht dahin, dass die Leute, mit denen ich trainiere, selbst auf den Trichter kommen
Da schließe ich mich an. Kämpfen bedeutet zuerst verstehen und dann umsetzen.

Kleine Story am Rande: Nen Trainingspartner von mir hat in Island gelernt. Sein Stil ist etwas anders, was aber zunächst nicht weiter auffällt. Als wir uns neulich in einem etwas intensiveren "Fachgespräch" ausgetauscht haben, ist mir klar geworden, daß er nach völlig anderen Bewegungsprinzipien arbeitet. Daß etwas ähnlich aussehen und doch so verschieden sein kann, das hat mich überrascht.

Gruß

T. Stoeppler
13-03-2006, 14:45
Daß etwas ähnlich aussehen und doch so verschieden sein kann, das hat mich überrascht.

Die Welt ist voller Überraschungen, nicht? ;)

Bewegungsprinzipien müssen aber gelernt werden, und formell muss man sie auch umsetzen können. Da sollte man nicht improvisieren, das gibt nur Käse zum Schluss.

Gruss, Thomas

Gasmann
13-03-2006, 15:24
Mein Motto dazu: Improvisiere aus dem Prinzip, aber nicht das Prinzip. :)

T. Stoeppler
13-03-2006, 16:05
Also das kann man so unterschreiben.

Gruss, Thomas

Alte Kampfkunst
14-03-2006, 10:13
Joachim Meyer (1570) schreibt sinngemäß (und das wiederholt), dass der Leser / Schüler, wenn er die von Meyer genannten Techniken bzw. Übungen eingehend entsprechend Meyers Anweisungen trainiert und verstanden hat, eigene Sequenzen, die den Konzepten des Fechtens (bzw. Meyers Stil) entsprechen, entwickeln kann.

Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen behandelt Meyer den theoretischen Unterbau nicht explizit sondern baut auf das praktische Verständniss desselben, welches sich durch regelmäßiges Training entwickelt.

Die Erfahrung zeigt, das viele Fechter die Konzepte wissen, aber deutlich weniger sie auch verstanden haben und im Fechten umsetzen können.

Im Unterricht spreche ich die Konzepte an, gehe aber nicht davon aus, das irgendeiner der Schüler sie zu diesem Zeitpunkt umsetzen kann. Das schönste Konzept nutzt nichts, wenn man technisch nicht in der Lage ist, es umzusetzen. Die schönste Technik funktioniert nicht, wenn man sie nicht ensprechen den zugrundeliegenden Konzepten ausführt. Also üben wir. Irgendwann, wenn der Schüler so weit ist, wird er es wirklich verstehen und ab dann ist es Bestandteil seines Fechtens.
Der Zeitpunkt dafür richtet sich nach dem jeweiligen Erfahrungshorizont. Ich als Lehrer kann meinem Schüler das Machen von Erfahrungen nicht abnehmen. Aber wenn es (bzw. er) soweit ist, kann ich ihm die Gelegenheit geben, die notwendige Erfahrung zu machen. Und dann ist plötzlich "alles ganz einfach".

Gruß

Stefan

M.Hampel
14-03-2006, 15:20
Meine Erfahrung ist, dass es sinnvoll ist, mit einer "einfachen" Waffengattung zu beginnen, bei uns ist das Säbelfechten nach Hutton. Erklärt ist das Ganze in der Zeit, die man bräuchte um den Säbelteil von 'Cold Steel' zu lesen. Ich schätze mal etwa eine Stunde. Vieleicht auch zwei. Die graue und vermeintlich einfache Theorie (nach Hutton) wäre damit erklärt. Aber!

Nun beginnt (auch nach Hutton) der Drill. Die Terminologie auf Zuruf des Lehrers umzusetzen kann dabei jeder so schnell, wie er acht Hiebe und acht Paraden und deren Varianten erlernen kann. Je nach Begabung und Vorwissen kann der eine oder andere schon mal gut fünf mal wieder zum Training erscheinen, bevor es wirklich komplett ohne jedesmal gross erklären klappt.

Damit haben wir nur eine gemeinsame Basis.

Nun können Combinations bis zum Abwinken gelernt werden in deren Verlauf der aufmerksame und verantwortungsvolle Lehrer die Prinzipien erklärt und sein nicht minder aufmerksamer Schüler eigene Erfahrungen machen wird. Es sind oft die einfachen Dinge, die dann zu echten Erleuchtungen führen, z.B. wenn jemand die von Hutton und dem Lehrer hundertmal angemahnte Körperhaltung plötzlich selber als hilfreich fühlt. Oder wenn er 'seine eigene' Parade auf eine Finte Unterhau gefolgt von Oberhau gefunden hat. Es steht alles in den Büchern, es ist kein Geheimnis und doch freut man sich, als hätte man den Stein der Weisen gefunden obwohl man ja schon alles in der ersten Stunde (s.o.) gehört hat.

Das wiederholt sich dann, wenn man das Fühlen mit der Klinge lernt, die Mensur einzuschätzen versteht und schlägt in Fazination um, wenn man ein kleines Arsenal an Möglichkeiten wie die Finte, Battuta, eine aufwändigere Fussarbeit, etc. hat.

Da man die Theorie zwar schnell überflogen hat, sich aber nicht alles merken kann (sowohl Hirn als auch Muskel müssen lernen) hat sich bei uns gezeigt, dass ein Ablauf aus Aufwärmen, gemeinsames Footwork, Combinations und jedesmal zum krönenden Schluss eine Technik wie eben Finte, Battuta, Cavation oder Coupe oder Erkenntnisse zur Mensur, Schliessen und Treten aus der Linie usw. die optimale Mischung sind.

Attacke-Parade-Riposte sichern das Überleben der ersten Sekunden, das ganze abgefahrene Zeug hilft nur dem, der diese ersten Schritte drauf hat.

Nach etwa sechzehnmal Training (bei uns einmal die Woche für drei Stunden dementsprechend nach etwa vier Monaten) sind dann Anfänger so fit, dass sie ein erstes, halbfreies Gefecht suchen und nicht nur staunen, wenn sie einen Treffer einstecken müssen, sondern daraus lernen.

Zusammenfassung, um auf Robertos Ausgangsfragen zurück zu kommen:

Zuerst gibt's bei uns Säbelfechten
- Was sind die Attacken? Das wird gelernt, bis es sitzt.
- Was sind die Paraden? Das wird gelernt, bis es sitzt.
- Attacken und Paraden in Combinations. Immer wieder, denn man lernt nie aus.
- Weitere Techniken, s.o. Immer wieder, denn man lernt nie aus.
- Ich stimme Roberto zu. Einschränkung: Ich kann keine Aussagen zu Asiatischen KKs machen und auch nicht vergleichen.

Marcus