Blöcke als Angriff auf Nervendruckpunkte! [Archiv] - Kampfkunst-Board

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fistfighter
06-10-2002, 13:10
Hallo, ich würde gerne mal wissen, was die Karate Experten von diesem Statement, welches ich vor kurzem im Netz gefunden habe halten:

"In einer Kampfkunst gibt es keine Blöcke, sondern nur Angriffe " George Dillman ( 9. Dan Ryukyu Kempo ).
Er schreibt in seinen Büchern, dass jeder sogenannte Block, ein Angriff auf einen Nervendruckpunkt ist.


Glaubt ihr die Sache mit den Nervendruckpunkten?

(Habe das geliche Thema auch im JKD Forum angesprochen, will hier aber mal die Karate-Leute ansprechen)

sportler
06-10-2002, 13:58
Original geschrieben von WhiteBelt4ever
"In einer Kampfkunst gibt es keine Blöcke, sondern nur Angriffe " George Dillman ( 9. Dan Ryukyu Kempo ).
Ein nachdenkenswerter Satz. Allerdings ist er nicht auf Dillmans Mist gewachsen und hat auch mit Nervendruckpunkten nichts zu tun. Das geht mehr in die Richtung, daß man auch in der Verteidigung nicht die Initiative verlieren sollte und mit jeder Abwehrbewegung gleichzeitig aktiv den eigenen Gegenangriff vorbereiten sollte.


Glaubt ihr die Sache mit den Nervendruckpunkten?
Sagen wir mal so. Ich glaube an Nervendruckpunkte, aber nicht an die Propaganda von Leuten wie Dillman. Natürlich gibt es solche empfindlichen Punkte. Allerdings ist zu Fragen, wie weit mir dieses Wissen in einer dynamischen Kampfsituation mit einem unbekannten Gegner von Nutzen ist. Darüber ist sich übrigends auch der Herr Dillman völlig im klaren. Wenn der nämlich seine magischen Druckpunkte auf Seminaren demonstriert, dann nur an Leuten, die relaxt sind, ruhig vor ihm stehen und die er sich vorher aufgrund ihres Körperbaus ausgesucht hat (zumindest, wenn er Techniken nicht an seinen Assistenten, sondern an fremden Seminarteilnehmern demonstriert). Also unter völlig realitätsfernen Bedingungen. Und selbst dann gibt es noch genug Leute, bei denen das ganze nicht richtig funktionert.

cu
sportler

weudl
06-10-2002, 14:20
Hi,

kann Sportler nur beipflichten. Die Sachen mit den Atemipunkten funktionieren bei einem ruhig stehenden Partner mitunter recht gut. Die praktische Anwendung in einer Kampfsituation schaut allerdings ganz anders aus.

Das gilt natürlich auch generell für den Übergang von Ippon Kumite mit bekannten Angriffen zum Freikampf ohne Regeln. Etwas im Ippon Kumite traumhaft sicher zu beherrschen, bedeutet noch lange nicht, dass man es auch im Freikampf anwenden kann...

Die Sache mit den Blöcken ist so zu verstehen, dass davon ausgegangen wird, dass das "klassische" Kumitekonzept von Block+Gegenagriff schlichtweg zu langsam ist um in einer realen Situation bestehen zu können. Block und Gegenangriff sollten daher zu einer einzigen Bewegung werden oder zumindest in einem Bewegungsfluss ausgeführt werden. Somit wird zB die Ausholbewegung zur Abwehr und der "Block" zum Gegenangriff oder man greift gleich direkt mit dem "Block" an.

Dieses Prinzip wird von vielen anderen Systemen auch verwendet und ist in den Karatekata sehr wohl noch zu finden. Möglicherweise geht die Trennung von Abwehr und Gegenangriff auf Funakoshi zurück, der die ursprünglichen Anwendungen auf Japan nicht unterrichten wollte (ist nur eine Mutmaßung von mir)...

Dojokun
06-10-2002, 15:09
@ weudl

Stimme Dir 100%ig zu!

Auch die Theorie mit Fuankoshi ist mir schon in den Sinn gekommen!

Eine kleine Geschichte:
Bei Bernd Milner sollten wir auf einem Lehrgang versuchen, den Oi-Zuki des Angreifers mit einem Schlag auf einen Nervenpunkt am Unterarm zu blocken.
Geht bei einem langsamen Angriff, den man zudem noch weiß, recht gut. Sobald aber der Angriff unbekannt oder zu schnell ist, wird es nahezu unmöglich, zu treffen.
Wenn der Gegner dannn noch zu allenm Überfluß normale Kleidung trägt, z. B. eine Jacke, wird es nahezu unmöglich!

Und zu Dillman:
Ich kenne ihn nicht.
Ich weiß nur, dass er viele Bücher zu diesem Thjema verkauft.
Ob er seinen 9. Dan verdient hat oder nicht weiß ich nicht.
Aber ein Nicht-Japaner mit dem 9. Dan macht mich immer etwas stutzig.
Nicht dass nur Japaner so "gut" wären...
Aber in einer japanischen Kunst als Nicht-Japaner diesen Grad zu erhalten ist nahezu unmöglich....


Oss

Dojokun

weudl
06-10-2002, 17:30
@Dojokun

Man kann die Sache mit den Atemipunkten natürlich auch bei "statischen" Angriffen einsetzen (Umklammerungen, Würgen,...). Natürlich ist nicht jeder gleich empfindlich, aber dort funktioniert das in der Regel ganz gut. In einem normalen Karaterandori jedenfalls stehen die Chancen recht gering, dass man derartige Dinge sinnvoll anwenden kann.

Ich habe Dillmans Bücher gelesen und einiges daraus auch selber an mir und anderen ausprobiert (natürlich nicht bis zum KO ;)). Was ich probiert habe, funktioniert ganz gut, zumal ich bereits über das Shiatsu bereits gewisse Vorkenntnisse gehabt hatte. Ich halte seine Aussagen diesbezüglich daher für einigermaßen kompetent.

Über seine Graduierung kann ich mir natürlich kein Urteil bilden. Selbstverständlich spricht nichts dagegen, dass jemand der einige Jahrzehnte Kampfkunst betreibt auch eine entsprechende Graduierung hat, ganz egal ob er Japaner ist oder nicht.

Natürlich wird mit derartigen Graduierungen aber auch viel Schund getrieben. Aber was solls. Jeder soll tun was er für richtig hält und wenn jemand unglaubwürdig ist, dann disqualifiziert er sich ohnehin von selber.

Dojokun
06-10-2002, 21:05
weudl, Daumen hoch!

Und Deinen letzten Satz sollten sich manche Leute einmal sehr gut durchlesen!!


OSS

Dojokun

P.S. Ich beschäftige mich seit einigen Jahren auch intensiv mit dem Thema, aber ich bin noch nicht kompetent genug zu beurteilen, ob Dillman einfach nur abgeschrieben hat oder wirklich etwas wertvolles beigetragen hat.
Als Idealist hoffe ich es...

weudl
06-10-2002, 21:19
Unterm Strich wird es wohl egal sein, ob Dillman alles nur abgeschrieben hat oder nicht. Wichtig ist, dass es funktioniert und nicht ob er selber draufgekommen ist. Seinen Beitrag würde ich aber jedenfalls als wertvoll betrachten. Ausführlichere Literatur als seine habe ich jedenfalls noch nicht in die Hände bekommen.

Michael Kann
07-10-2002, 09:14
@weudl
Die Sache mit den Blöcken ist so zu verstehen, dass davon ausgegangen wird, dass das "klassische" Kumitekonzept von Block+Gegenagriff schlichtweg zu langsam ist um in einer realen Situation bestehen zu können. Block und Gegenangriff sollten daher zu einer einzigen Bewegung werden oder zumindest in einem Bewegungsfluss ausgeführt werden. Somit wird zB die Ausholbewegung zur Abwehr und der "Block" zum Gegenangriff oder man greift gleich direkt mit dem "Block" an. Dieses Prinzip wird von vielen anderen Systemen auch verwendet und ist in den Karatekata sehr wohl noch zu finden. Möglicherweise geht die Trennung von Abwehr und Gegenangriff auf Funakoshi zurück, der die ursprünglichen Anwendungen auf Japan nicht unterrichten wollte (ist nur eine Mutmaßung von mir)...

Hi Weudl,

bei einem direkten Vergleich Karate (japanischer Prägung, da es inzwischen selbst auf Okinawa Schulen für Karate gibt ... ) mit Okinawa Te fällt mir immer auf, das dass Okinawa Te häufig mit den s.g. "direkten Kontern" und "Abwehr mit gleichzeitigem Angriff" (wie von Dir beschrieben) arbeitet. Ich selbst bin eher ein Freund der auf Okinawa verbreiteten Variante, erlebe sie leider hier in Deutschland nicht sehr oft ... vielleicht kannst Du mir ein paar Stilvertreter hier in Deutschland oder benachbarten Ausland aufzählen die nach diesen Prinzipien arbeiten? Würde mich schwer interessieren. Habe dies u.a. bei Joachim-Dieter Eisheuer sehen dürfen ... wobei dies gut in die VK-Konzepte des Kyokushinkai paßt.

Gruß
Mike

weudl
07-10-2002, 20:57
Hi Mike,

wirklich viele Schulen hier in Österreich sind mir nicht bekannt, die nach dieses Prinzip propagieren. Und bei Euch in Deutschland kenn ich mich ohnehin nicht aus ;)

Im Shito Ryu ist die Gleichzeitigkeit von Abwehr und Gegenangriff beim Katabunkai jedenfalls nichts außergewöhnliches. Und im Kyokushinkai habe ich dieses Prinzip beim Tai Ki Ken kennengelernt (wird dort als "Geheimtechnik" gehandelt). Möglicherweise hat es Eisheuer auch von dort her.

Michael Kann
08-10-2002, 06:14
Ja, ja ... immer diese Geheimtechniken! ;)

Danke!

Gruß
Mike

weudl
08-10-2002, 07:05
Geheimtechniken heißt in diesem Fall, dass sie früher offiziell erst ab 3.Dan unterrichtet wurden. Glücklicherweise haben wir seinerzeit eine undichte Stelle gefunden und diese Dinge trotzdem kennenlernen dürfen :)

Mittlerweile dürften einige hochrangige Kyokushinkai-Verteter die Sache aber nicht mehr allzu ernst nehmen, da diese Dinge ganz offen bei Sommerschulen unterrichtet werden.

Die Sache mit dem Tai Ki Ken ist technisch eigentlich ziemlich banal. Es gibt einen Block nach außen (wie Uchi Uke) und einen Block nach innen (wie ein Soto Uke der in einen Gedan Barai übergeht). Mit dem Bewegungsfluss der Abwehr wird gleichzeitig der Gegenangriff durchgeführt (war bei uns meist Shotei Jodan). Diesen beiden Aktionen kann man dann eigentlich gegen so gut wie alle Angriffe anwenden.