Von Selbstfindung und dem Göttlichen ... [Archiv] - Kampfkunst-Board

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roberto
05-01-2007, 10:52
Da ich in diesem Forum noch keinen Beitrag geleistet habe, anbei ein Abbild meines existentiellen Werdeganges ... meiner Suche:






Von Selbstfindung und dem Göttlichen


Geboren wurde ich in Sanremo, einer ehemaligen Hochburg des Adels und der feinen Gesellschaft an der italienischen Riviera, im Grenzgebiet zu Frankreich. Damals war ich noch Mensch.

Zum ersten Mal sprach ich mit sechs Monaten. Der süße Klang aus meiner jungen Kehle war nicht etwa eines der banalen Kindeswörter für Mutter oder Vater. Nein, es lautete aqua, das italienische Wort für Wasser.

Dies wohl aufgrund meines besonders innigen Verhältnis zu Neptuns Reich oder, und das ist wahrscheinlich der naheliegendere Aspekt, aufgrund meiner schon zu Kindzeit vorhandenen Suche nach dem nährenden Element. Denn wie das Wasser die Erde umhüllt und durchfließt, ist es der Geist der unseren Körper nährt. Doch wo entspringt dieser Geist? Wo versteckt sich dessen Quelle?

Es folgten Jahre des Umherschweifens auf den Wellen der Verzweiflung und der Orientierungslosigkeit. Rassismus konnte mir noch nie vorgeworfen werden und folglich trank ich wahrlich jegliche Philospphie aus allen Herrenländern. Nach einiger Zeit der Besinnung, einer gescheiterten Ehe und vielen verschwendeten Freundschaften, entschloss ich mich zum Handeln. Leider war mein Gehirn derart von Trunk und falscher Hingabe aufgeweicht, dass ich mich, dem Delirium nahe, in die Fänge der Kampfkünste begab.

Meine Odysee der Leiden zog mich durch die Wüste der Systeme und Stile, der falschen Versprechungen, pseudowissenschaftlicher Erklärungsmodelle und der Egomanie. Wüste, weil man weit reist, jedoch seinen Durst nicht zu stillen vermag. Das, liebe Freunde, hängt nicht an der eigenen Unfähigkeit, vielmehr daran, dass es in der Wüste nur wenig Wasser gibt. Wer eine Quelle gefunden hat teilt diese nur ungern und verkauft stattdessen gegen viel Geld wenige Tropfen. Und diese Tropfen werden dann noch teurer weiterverkauft, solange, bis die Letzten an der ausgetrockneten Wasserader verdursten.

Ich war aber wirklich durstig. Nein, ich war vom Durst zerfressen. Dem Tode nahe lag ich hilflos im finsteren Schlaf, als Mars, der Gott des Krieges, welcher dem Tode entpringt, im Traum zu meinem Herzen sprach:

„... es gibt nur drei Dinge, die für eines Mannes Seele wichtig sind: Leben, sterben und sich selbst sein. Geh hin woher Du kommst. Suche wo Du schon immer warst und trinke aus der Quelle, welcher Du entpringst!“

So fuhr ich eiligst, einem Pfeil des Apolls gleich, Richtung Süden. Ich überquerte die Alpen, den Po, machte einen Umweg zurück und verfiel dem Piemont, aß dessen Trüffel und trank dessen Wein, durchquerte das blumige farbenfrohe Ligurien und fand Geborgenheit in den engen Gassen der Altstadt Genuas. Sog die toskanische Kultur und deren architektonische Poesie in meine Lungen, ergözte mich an der Wildheit des Apennins, fand mein kriegerisches Wesen und meine ethnologischen Wurzeln inmitten römischer Säulen und Theater, lauschte der Musik in der Bucht von Neapel, tanzte in Apulien mit dem Erzengel Michael die Tarantella, die pizzica-pizzica, erfrischte meinen Körper mit kalabresischen Zitrusfrüchten und kühlte mein aufgehitztes Gemüt an den schneebedeckten Hängen des Etnas.

Was fehlt dort, dessen ich bedarf? Welch Speis, welch Trank, welch Ausblick? Ruhe und Heiterheit, Gelassenheit und Cholerik. Gegensätze vereint im Gleichklang und ohne Widerspruch. Ich war daheim.

Mars beschenkte mich meiner Wurzeln. Alle Bewegungen, alle Konzepte und Überlegungen, jeglicher Umgang miteinander, im Guten wie auch im Schlechten, entspringen menschlicher Souverenität. Man einigt sich, man trennt sich. Man findet und bleibt oder geht. Die Werte sind Aufrichtigkeit, Genügsamkeit und Respekt. Als Richtlinien dienen Natur und Menschenverstand. Der Zweifel ist ein gern gesehener Gast.

Die italienischen Kampfkünste entsprechen einem guten alten, in Eichenfässern gereiften toskanischen Wein. Sie sind rein, unvedünnt, voll und gehaltvoll, körperreich, geistreich und selbst im Nachgeschmack hocharomatisch. Sie glänzen im dunkelsten Rubinrot, gleich in Qualität doch voller Nuancen.

Durch diese Nuancen, durch diese reine Tiefe und Ehrlichkeit, durch dieses `aus der Quelle trinken´ wuchs mein Verständnis in bezug auf das `sich selbst sein´. Ich wurde wie etliche gute Männer vor mir zum Gott! Um sich selbst zu kennen, um sein Göttliches zu entdecken, muss man wissen woher man kommt. Wer sich kennt, kennt auch andere und vermag zu unterscheiden was oder wer gut und schlecht für ihn ist.

Alles vorteilig sehen zu wollen ist nämlich genauso verklärt, wie alles nachteilig sehen zu wollen. Man muss die Dinge einfach so sehen wie sie sind!



Roberto Laura, (1969 - ?), deut.-ital. Freidenker, Poet, Liebhaber, Tyrann und Demagoge

Michael Kann
05-01-2007, 11:27
Mein Freund,

ich verneige mich in tiefster Ehrfurcht vor Dir ....

nukeone
05-01-2007, 11:28
schön:)