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WSLVT
17-12-2002, 13:28
Hallo.
Angeregt durch Jörgens Wing Chun-Test, und meine Lektüre von Büchern wie "Asian Fighting Arts" von Smith oder "Practical Tai Chi Chuan" von Dan Docherty, habe ich mir noch einmal Gedanken über die Begriffe "Hart" und "Weich" in Bezug auf die verschiedenen Kampfstile gemacht.
Ein kurzes Fazit vorweg:
Ich glaube dass diese Begriffe vollkommen in die Irre führen. So wie ich das sehe beruhen sie lediglich auf Fehlinterpretationen und schlampigen Übersetzungen der chinesischen Terminologie.
Es gibt nämlich in Wirklichkeit kein Hart und Weich beim kämpfen, wie sollte das auch konkret aussehen?
Kraft/ Bewegungsenergie kann nicht hart oder weich sein, sie wird für eine spezifische Bewegung bei jedem Menschen durch die gleichen spezifischen Muskeln erzeugt, da gibt es kein "hart" oder "weich", sondern nur mehr oder weniger.
Aus meiner Sicht kann man nur unterscheiden zwischen "inneren" und "aüsseren" (internal /external) Stilen, wobei sich "innere" Stile für mich nur dadurch von aüsseren unterscheiden, dass sie mit ihrer Kraft /Angriffsenergie versuchen intelligenter umzugehen (zusätzlich natürlich auch dadurch dass sie sich verstärkt mit Gesunderhaltung, innerer Einstellung, Atmung , und ähnlichen Dingen die für den direkten Kampf von nebensächlicher Bedeutung sind, beschäftigten).
Der Krafteinsatz (die Chinesen unterscheiden begrifflich zwar verschiedene Arten des Krafteinsatzes, der Grundbegriff "jing" ist aber überall gleich) in den "inneren" Stilen sollte locker, dynamisch, nachgebend, flexibel,ökonomisch und in hohem Maße fokussiert sein (aber nicht weich). Desweiteren wird mehr wert auf dass erlernen von guter Körpermechanik gelegt als in "aüsseren" Stilen.
Ausserdem gibt es sowieso keine rein "inneren" oder rein "aüsseren" Stile, ALLE Stile sind Mischstile, wobei in manchen sicher der Schwerpunkt bei den "inneren" Aspekten liegt (z.b. Tai Chi, Pa kua), und bei anderen (z.b. Choy Lai fut, Shaolin Quan) werden "aüssere" Methoden bevorzugt.
Ein Beispiel für eine VORWIEGEND "innere" Trainingsmethode ist z.b. statisches Standtraining, Beispiele für VORWIEGND "aüssere" Methoden sind Training mit Gewichten oder Holzpuppentraining.
Allgemein möchte ich noch anmerken dass ich nicht glaube dass man jemals zu einem vorzeigbaren Ergebnis kommt, wenn im Training von Beginn an eine "Weichheit" (jetzt sag ich es auch schon) praktisch simuliert wird, die man sich eigentlich erst durch jahrelanges Üben aneignen kann, und auch nur dann wenn man den Weg von "hart" (steht hier bei mir für exzessiven, unflexiblen, wenig zielgerichteten Krafteinsatz, wie er bei jedem Anfänger zu beobachten ist) zu "weich" gegangen ist (das meinte Bruce Lee auch mit seinem "daily decrease" als Trainingsziel). Andersherum ist der Weg leider nicht begehbar, und wer das glaubt wird spätestens unter Druck (im Training oder im Ernstfall) feststellen dass er scheitert. Wer hofft nach Jahrzehnten "weichen" Übens plötzlich besondere Fähigkeiten zu erlangen, wird mit dieser Hoffnung zu Grabe getragen zu werden.
Über anregende Diskusionen würde ich mich sehr freuen.
Hier noch ein interessantes Interview mit einem Tai Chi Meister: www.taiji-qigong.de/jumin_jin.html

Suleiman
17-12-2002, 17:13
Ich denke wir haben da die gleiche Meinung. Hart bedeutet meiner Meinung nach, dass du eher darauf aus bist, die Kraft deines Gegners zu zerstören, indem du sie direkt angreifst. Vielleicht in Richtung Karate. Die weichen Stile sind darauf aus, die Kraft zu neutralisieren, indem sie sie umleiten oder absorbieren. Die harten/äußeren Stile stärken die Muskelkraft im besonderen, die weichen/inneren die Fexibilität. Mit Flexibilität meine ich jetzt nicht das Spagat, sondern das Gespür für den eigenen Körper. Auch oder gerade was Struktur, Kräftegefüge angeht. So sensibilisiert reagiert man auf einwirkende Kräfte wohl anders als in harten Stilen und entwickelt seine eigenen auch anders.