Formless16
27-04-2007, 16:46
Interessanter Artikel von Chris Kent, den ich in einer alten budo-karate Zeitschrift gefunden habe:
Jeet Kune Do- eine elitäre Kampfkunst?
"Manchmal ist es leichter, Menschen Dinge zu sagen,die sie hören wollen,anstatt Wahrheiten,vor denen sie die Augen verschließen.Ähnlich ist meiner Meinung nach die Situation im Jeet Kune Do: Das gesamte Konzept mag hervorragend sein, aber es ist wie jede andrere philosophische Überzeugung oder Praxis auch, nicht für jeden geeignet.
Bei dieser Behauptung werden bei vielen sicher die Alarmglocken aufheulen, und so mancher wird sich fragen:Was soll das denn jetzt bedeuten?
Um ein wenig Licht in diese Angelegenheit zu bringen, will ich zunächst einmal das Wort 'Konzept' kurz beleuchten. 'Konzept' steht für eine Idee oder einen Gedanken, für eine allgemeingültige Sache oder einer Gruppe von Sachen. Demnach handelt es sich hier um einen abstrakten Begriff. Und wenn es abstrakt wird, dann wird es bekanntlich auch schwierig.
Bruce Lee und das Jeet Kune Do
Bruce Lee lebte, atmete und träumte gewissermaßen Kampfkunst. Es war die Passion seines Lebens. Während ein Durchschnittsmensch jeden Tag ein gewisses Trainingspensum erfüllt, vertiefte sich Bruce Lee total in die Kampfkünste und das fast 24 Stunden am Tag. Er war ein Kampfkünstler, ein Athlet und ein Gelehrter. Als Kampfkünstler erforschte er zahlreiche Kampfsysteme, Methoden und Techniken. Deren Stärken und Schwächen lokalisierte er und erschuf Konterbewegungen gegen verschiedene Angriffe und Verteidigungen. Er testete, adaptierte und modifizierte seine Arbeit, um deren Funktionalität zu prüfen. Als Athlet war er ein wandelndes Beispiel für außerordentliche Fitness. Seine körperlichen Attribute waren geprägt von enormer Kraft, Schnelligkeit und Flexibilität. Als Gelehrter verbrachte er zahllose Stunden mit dem Studium des menschlichen Körpers. Und dies in jedweder Form des Kampfes und alle Arten von Philosophie, klassischer sowie moderner, westlichen sowie östlichen Ursprungs. An diesem Punkt setzen meine Überlegungen an. Wenn Bruce Lees Verständnis für die Kampfkunst durch diese umfangreiche Ausbildung zustandekam, wie kann man sich nur durch zwei- oder dreimaliges wöchentliches Training (wobei man sich in der restlichen Zeit meist auch nur wenig oder garnicht mit der Kampfkunst auseinandersetzt) erhoffen, das Jeet Kune Do in seiner Ganzheit zu verstehen?
Mit Verstehen meine ich nicht ein intellektuelles Verständnis(theoretisches Wissen), sondern ein 'arbeitendes Wissen' (Verständnis basierend auf Erfahrung).
Kampfkunst total
Das Jeet Kune Do befasst sich mit dem Kampfkünstler in seiner Gesamtheit, da hier die körperliche, emotionale und spirituelle Seite gefordert wird. Es basiert auf Selbst-Wissen. Ein JKD-Mann muss sich selbst in- und auswendig kennen. Es will jedoch nicht jeder unbedingt die Zeit und Energie aufbringen, um sich selbst wirklich kennenzulernen. Dies bedeutet sehr viel Arbeit- und vieles davon ist nicht immer sehr bequem. Sich selbst ins Gesicht zu schauen, kann eine befreiende Wirkung haben, ist jedoch nicht immer nur eine angenehme Erfahrung. Einige Leute glauben, sich selbst zu kennen, in Wirklichkeit kennen sie aber nur ihre Stärken und lehnen es ab, ihre Schwächen zu sehen oder kennenzulernen.
Das Selbstwissen, das durch das Jeet Kune Do kultiviert wird, geht Hand in Hand mit Selbsthilfe.
Man braucht sich heute nur einmal umschauen. Überall gibt es unzählige Angebote, die sich mit der Selbsthilfe bzw. Selbstfindung befassen. Diverse Bücher, Videos und Seminare sind gefüllt mit großartigen Konzepten, Ideen und Philosophien, wie man sich selbst befreien und als Individuum wachsen kann. Trotzdem gibt es eine Menge Menschen, die sich nicht entwickeln. Warum? Einige Leute sind nicht bereit oder willens, sich selbst zu helfen. Sie sehen nicht einmal dieses Material an, das Ihnen möglicherweise helfen könnte. Andere lesen es oder hören zu, aber unternehmen nichts. Wieder andere unternehmen etwas, jedoch nicht genug, so dass sich wirklich etwas ändern würde.
Den Verstand entwickeln
Das Jeet Kune Do, so Bruce Lee es verstand, soll einen dazu bringen, seinen 'wahrnehmenden Verstand' zu entwickeln. Leider bevorzugen einige Leute einen 'abhängigen Verstand'. Dies gibt Ihnen ein Gefühl der Sicherheit, denn sie brauchen aus dem einen oder anderen Grund eine formalisierte Struktur, die sich bei manchen in Gürtelfarben und Urkunden niederschlägt.
Ein zehnjähriger Kampfkünstler ist nach meiner Erfahrung noch nicht bereit für die totale Freiheit des Jeet Kune Do bzw. die Verpflichtung und Verantwortung, die dazu nötig ist. Dan Inosanto bemerkte hierzu einmal:" Du musst irgendwo anfangen. Auch ein Kind muss erst etwas lernen, bevor es Freiheit ausdrücken kann."
Mein Lehrer Dan Inosanto benutze oft eine biblische Analogie:
'Wenn du jemandem einen Fisch gibst ernährst du ihn nur einen Tag. Lehre ihn jedoch das Fischen, und du hast ihn für den Rest seines Lebens ernährt.'
Das Problem ist hier allerdings, dass es anscheinend viele Menschen gibt, die das 'Fischen' nicht nicht lernen wollen. Sie ziehen es vor, jeden Tag gefüttert zu werden. Ihre Einstellung ist folgende: "Ich will nicht für mich selbst denken, selbst nach Antworten suchen". Das ist der Grund, warum ich mich von dir unterrichten lasse und dich dafür bezahle". Einer der Gründe, warum Bruce Lee seine JKD-Schulen schloß, war wohl das Gefühl, seine Schüler könnten den Trainingsalltag als die Wahrheit ansehen und das Schulprogramm zu ihrem Weg erklären. Ich persönlich glaube, dass es einen weiteren Grund gab: Bruce sah ein, wie schwierig es für jemanden sein musste, die gleichen Erfahrungen zu machen, die er gemacht hatte und das es daher viele einfacher fanden, ihm zu folgen. Ihren Glauben in ihn zu setzen oder passiv darauf zu warten, bis ihnen der Weg gezeigt würde.
Jeet Kune Do- kein leichter Weg!
Um das Jeet Kune Do wirklich zu verstehen, um das Maximum herauszuholen, muss man drei wichtige Voraussetzungen erfüllen.Man muss gleichzeitig Kampfkünstler, Athlet und Gelehrter sein. Eben genau so, wie Bruce Lee es war.
Als Kampfkünstler sollte man den Körper und jede Art von Kampfsportbewegungen studieren.
Als Athlet hat man die Verwantwortung, ein hohes Level im Bereich der persönlichen Fitness zu erreichen und auch zu erhalten. In seinen persönlichen Notizen vermerkte Bruce: "Die Erhaltung der Gesundheit ist ein Dienst an sich selbst. Wenigen scheint bewusst zu sein, dass es so etwas wie eine körperliche Moral gibt."
Als Gelehrter sollte man in Erfahrung bringen, nachforschen und nachprüfen, was in der Vergangenheit gesagt und getan wurde. Merkmal eines gebildeten Geistes ist es nicht nur, über Wissen zu verfügen. sondern auch zu wissen, wie und wo man das Wissen findet, wenn man es benötigt. Wichtiger jedoch als nur diese Dinge zu lesen, sollte es sein, sei im täglichen Leben anzuwenden. Ebenso wichtig ist es zu wissen, welche Ziele man in den Kampfkünsten verfolgt. Bruce Lee wusste, was er erreichen wollte, körperlich,mental,emotional und spirituell. Wenn man nur vage Vorstellungen darüber hat, was man möchte, hat man weder die Freiheit, eine neue Richtung einzuschlagen (falls sich die Gelegenheit bietet), noch eine solide Wegbeschreibung, die einen zum Ziel führt.
Einige Menschen wollen nunmal die Wahrheit nicht sehen, sei es in den Kampfkünsten oder in sich selbst. Das Jeet Kune Do bietet für mich in erster Linie die Möglichkeit zur Selbstbefreiung. Es ist eine Form der geistigen Annäherung an die Kampfkünste- und damit eine Philosophie. Der optimale Nutzen des Jeet Kune Do wird daher nur dann gegenwärtig, wenn man bereit ist, weiterzustreben und tiefer vorzudringen. Falls dies für Dich zutrifft, dann ist Jeet Kune Do vielleicht der richtige Weg für dich. Falls nicht, wäre es besser, wenn Du für Dich einen anderen Weg findest."
Text: Chris Kent aus dem karate-budo-journal 1996
Jeet Kune Do- eine elitäre Kampfkunst?
"Manchmal ist es leichter, Menschen Dinge zu sagen,die sie hören wollen,anstatt Wahrheiten,vor denen sie die Augen verschließen.Ähnlich ist meiner Meinung nach die Situation im Jeet Kune Do: Das gesamte Konzept mag hervorragend sein, aber es ist wie jede andrere philosophische Überzeugung oder Praxis auch, nicht für jeden geeignet.
Bei dieser Behauptung werden bei vielen sicher die Alarmglocken aufheulen, und so mancher wird sich fragen:Was soll das denn jetzt bedeuten?
Um ein wenig Licht in diese Angelegenheit zu bringen, will ich zunächst einmal das Wort 'Konzept' kurz beleuchten. 'Konzept' steht für eine Idee oder einen Gedanken, für eine allgemeingültige Sache oder einer Gruppe von Sachen. Demnach handelt es sich hier um einen abstrakten Begriff. Und wenn es abstrakt wird, dann wird es bekanntlich auch schwierig.
Bruce Lee und das Jeet Kune Do
Bruce Lee lebte, atmete und träumte gewissermaßen Kampfkunst. Es war die Passion seines Lebens. Während ein Durchschnittsmensch jeden Tag ein gewisses Trainingspensum erfüllt, vertiefte sich Bruce Lee total in die Kampfkünste und das fast 24 Stunden am Tag. Er war ein Kampfkünstler, ein Athlet und ein Gelehrter. Als Kampfkünstler erforschte er zahlreiche Kampfsysteme, Methoden und Techniken. Deren Stärken und Schwächen lokalisierte er und erschuf Konterbewegungen gegen verschiedene Angriffe und Verteidigungen. Er testete, adaptierte und modifizierte seine Arbeit, um deren Funktionalität zu prüfen. Als Athlet war er ein wandelndes Beispiel für außerordentliche Fitness. Seine körperlichen Attribute waren geprägt von enormer Kraft, Schnelligkeit und Flexibilität. Als Gelehrter verbrachte er zahllose Stunden mit dem Studium des menschlichen Körpers. Und dies in jedweder Form des Kampfes und alle Arten von Philosophie, klassischer sowie moderner, westlichen sowie östlichen Ursprungs. An diesem Punkt setzen meine Überlegungen an. Wenn Bruce Lees Verständnis für die Kampfkunst durch diese umfangreiche Ausbildung zustandekam, wie kann man sich nur durch zwei- oder dreimaliges wöchentliches Training (wobei man sich in der restlichen Zeit meist auch nur wenig oder garnicht mit der Kampfkunst auseinandersetzt) erhoffen, das Jeet Kune Do in seiner Ganzheit zu verstehen?
Mit Verstehen meine ich nicht ein intellektuelles Verständnis(theoretisches Wissen), sondern ein 'arbeitendes Wissen' (Verständnis basierend auf Erfahrung).
Kampfkunst total
Das Jeet Kune Do befasst sich mit dem Kampfkünstler in seiner Gesamtheit, da hier die körperliche, emotionale und spirituelle Seite gefordert wird. Es basiert auf Selbst-Wissen. Ein JKD-Mann muss sich selbst in- und auswendig kennen. Es will jedoch nicht jeder unbedingt die Zeit und Energie aufbringen, um sich selbst wirklich kennenzulernen. Dies bedeutet sehr viel Arbeit- und vieles davon ist nicht immer sehr bequem. Sich selbst ins Gesicht zu schauen, kann eine befreiende Wirkung haben, ist jedoch nicht immer nur eine angenehme Erfahrung. Einige Leute glauben, sich selbst zu kennen, in Wirklichkeit kennen sie aber nur ihre Stärken und lehnen es ab, ihre Schwächen zu sehen oder kennenzulernen.
Das Selbstwissen, das durch das Jeet Kune Do kultiviert wird, geht Hand in Hand mit Selbsthilfe.
Man braucht sich heute nur einmal umschauen. Überall gibt es unzählige Angebote, die sich mit der Selbsthilfe bzw. Selbstfindung befassen. Diverse Bücher, Videos und Seminare sind gefüllt mit großartigen Konzepten, Ideen und Philosophien, wie man sich selbst befreien und als Individuum wachsen kann. Trotzdem gibt es eine Menge Menschen, die sich nicht entwickeln. Warum? Einige Leute sind nicht bereit oder willens, sich selbst zu helfen. Sie sehen nicht einmal dieses Material an, das Ihnen möglicherweise helfen könnte. Andere lesen es oder hören zu, aber unternehmen nichts. Wieder andere unternehmen etwas, jedoch nicht genug, so dass sich wirklich etwas ändern würde.
Den Verstand entwickeln
Das Jeet Kune Do, so Bruce Lee es verstand, soll einen dazu bringen, seinen 'wahrnehmenden Verstand' zu entwickeln. Leider bevorzugen einige Leute einen 'abhängigen Verstand'. Dies gibt Ihnen ein Gefühl der Sicherheit, denn sie brauchen aus dem einen oder anderen Grund eine formalisierte Struktur, die sich bei manchen in Gürtelfarben und Urkunden niederschlägt.
Ein zehnjähriger Kampfkünstler ist nach meiner Erfahrung noch nicht bereit für die totale Freiheit des Jeet Kune Do bzw. die Verpflichtung und Verantwortung, die dazu nötig ist. Dan Inosanto bemerkte hierzu einmal:" Du musst irgendwo anfangen. Auch ein Kind muss erst etwas lernen, bevor es Freiheit ausdrücken kann."
Mein Lehrer Dan Inosanto benutze oft eine biblische Analogie:
'Wenn du jemandem einen Fisch gibst ernährst du ihn nur einen Tag. Lehre ihn jedoch das Fischen, und du hast ihn für den Rest seines Lebens ernährt.'
Das Problem ist hier allerdings, dass es anscheinend viele Menschen gibt, die das 'Fischen' nicht nicht lernen wollen. Sie ziehen es vor, jeden Tag gefüttert zu werden. Ihre Einstellung ist folgende: "Ich will nicht für mich selbst denken, selbst nach Antworten suchen". Das ist der Grund, warum ich mich von dir unterrichten lasse und dich dafür bezahle". Einer der Gründe, warum Bruce Lee seine JKD-Schulen schloß, war wohl das Gefühl, seine Schüler könnten den Trainingsalltag als die Wahrheit ansehen und das Schulprogramm zu ihrem Weg erklären. Ich persönlich glaube, dass es einen weiteren Grund gab: Bruce sah ein, wie schwierig es für jemanden sein musste, die gleichen Erfahrungen zu machen, die er gemacht hatte und das es daher viele einfacher fanden, ihm zu folgen. Ihren Glauben in ihn zu setzen oder passiv darauf zu warten, bis ihnen der Weg gezeigt würde.
Jeet Kune Do- kein leichter Weg!
Um das Jeet Kune Do wirklich zu verstehen, um das Maximum herauszuholen, muss man drei wichtige Voraussetzungen erfüllen.Man muss gleichzeitig Kampfkünstler, Athlet und Gelehrter sein. Eben genau so, wie Bruce Lee es war.
Als Kampfkünstler sollte man den Körper und jede Art von Kampfsportbewegungen studieren.
Als Athlet hat man die Verwantwortung, ein hohes Level im Bereich der persönlichen Fitness zu erreichen und auch zu erhalten. In seinen persönlichen Notizen vermerkte Bruce: "Die Erhaltung der Gesundheit ist ein Dienst an sich selbst. Wenigen scheint bewusst zu sein, dass es so etwas wie eine körperliche Moral gibt."
Als Gelehrter sollte man in Erfahrung bringen, nachforschen und nachprüfen, was in der Vergangenheit gesagt und getan wurde. Merkmal eines gebildeten Geistes ist es nicht nur, über Wissen zu verfügen. sondern auch zu wissen, wie und wo man das Wissen findet, wenn man es benötigt. Wichtiger jedoch als nur diese Dinge zu lesen, sollte es sein, sei im täglichen Leben anzuwenden. Ebenso wichtig ist es zu wissen, welche Ziele man in den Kampfkünsten verfolgt. Bruce Lee wusste, was er erreichen wollte, körperlich,mental,emotional und spirituell. Wenn man nur vage Vorstellungen darüber hat, was man möchte, hat man weder die Freiheit, eine neue Richtung einzuschlagen (falls sich die Gelegenheit bietet), noch eine solide Wegbeschreibung, die einen zum Ziel führt.
Einige Menschen wollen nunmal die Wahrheit nicht sehen, sei es in den Kampfkünsten oder in sich selbst. Das Jeet Kune Do bietet für mich in erster Linie die Möglichkeit zur Selbstbefreiung. Es ist eine Form der geistigen Annäherung an die Kampfkünste- und damit eine Philosophie. Der optimale Nutzen des Jeet Kune Do wird daher nur dann gegenwärtig, wenn man bereit ist, weiterzustreben und tiefer vorzudringen. Falls dies für Dich zutrifft, dann ist Jeet Kune Do vielleicht der richtige Weg für dich. Falls nicht, wäre es besser, wenn Du für Dich einen anderen Weg findest."
Text: Chris Kent aus dem karate-budo-journal 1996