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Vollständige Version anzeigen : WSL: Was ich durch meine Kämpfe lernte.



rince
19-05-2007, 22:04
Ich hab einen sehr schönen Text von Wong Shun Leung gefunden, welchen ich euch nicht vorenthalten will. (hoffe er wurde noch nicht gepostet)
Viel Spaß beim lesen.

Wong Shun Leung: Was ich durch meine Kämpfe lernte


Wong Shun Leung war der wohl kämpferisch erfolgreichste Mann des gesamten Ving Tsun. Kaum einer hatte so viel praktische Erfahrung wie er. In diesem Artikel, der in einer englischsprachigen Zeitschrift erschien, legt er einige Punkte dar, auf die man im Training achten sollte.


Das Kämpfen, über das ich in diesem Artikel sprechen möchte, ist nicht das, was man aus dem Box-Ring kennt. Boxen ist durch alle möglichen Regeln eingeschränkt und hat sich zu einem Spiel oder Sport entwickelt, was mit dem wirklichen Kämpfen nichts mehr gemeinsam hat. Über was ich hier sprechen möchte, ist das “wirkliche Kämpfen”, in dem es keine Regeln und Einschränkungen gibt - sei es eine Auseinandersetzung auf der Straße oder ein Kampf, dem beide Gegner zugestimmt haben.

Kämpfen hängt von sehr vielen Voraussetzungen ab. Körperbau und Stärke des Gegners kann und wird das Ergebnis des Kampfes unmittelbar beeinflussen, deshalb ist der Ausgang des Kampfes nur schwer vorhersehbar. In dem Buch “Die Kunst des Krieges” von Sun Zi heißt es:

“Lege dir vor einer kriegerischen Auseinandersetzung zuerst einen Plan zurecht, der den Sieg sicherstellt, und dann erst führe deine Armee in die Schlacht; wenn du keine Strategie hast und dich nur auf rohe Gewalt verlässt, ist der Sieg nicht mehr sicher.”

Diese Methode kann Einfluss auf den Gegner nehmen im Sinne von Ursache und Wirkung. Nun, ich befürchte, ein Artikel von dieser Größe kann nicht alles Aspekte des Kämpfens genau erläutern. Aber jetzt möchte ich die häufigsten Fehler besprechen, die Ving Tsun Leute begehen, damit wir lernen können, sie zu vermeiden.

1. Chi Sau

Das Chi Sau ist ein Reflex-Training, das immer wieder geübt werden muss, um geschickt, schnell und wachsam reagieren zu können. Nur dann wird man den grundlegenden und wesentlichen Anforderungen des Ving Tsun Systems gerecht werden:

- unterbreche was kommt - folge dem, was weggeht - stoße vor, wenn die Hände frei sind; handle ohne zu denken

Dies sind die Grundprinzipien, die wenn sie richtig verstanden und im Chi Sau geübt wurden, den Ving Tsun Kämpfer geistig und körperlich auf die Auseinandersetzung mit dem Gegner vorbereiten. Man wird also von Anfang an mit der Kontaktsituation vertraut. Erklärt man den Anfängern das Chi Sau nicht ganz genau, werden sie den Möglichkeiten im Chi Sau zuviel Zeit widmen, und ihre eigene Form von Chi Sau entwickeln, bis sie schließlich vollkommen falsches Chi Sau üben, was sie vom eigentlichen Weg abringen wird. Wenn man zum Beispiel zu sehr versucht, an den Händen des anderen zu kleben, wird man sich angewöhnen, die Hände des Gegners nachzujagen. Das widerspricht den wichtigsten Kampfprinzipien des Ving Tsun.

Am Anfang der 1. Form des Ving Tsun (Siu Nim Tau), bekommt man gelehrt, dem Gegner immer frontal gegenüber zu stehen, um eine vorteilhafte Position herzustellen, noch bevor der Kampf eigentlich begonnen hat. Die Fauststöße können dann entlang der kürzesten Linie geführt werden und der direkteste Angriff gestartet werden kann, bevor es zu einem Armkontakt mit dem Gegner kommt. Die 1. Form des Ving Tsun sagt nicht, dass man Chi Sau mit seinem Gegner machen soll. Die Bewegungsmöglichkeit der Hände ist so groß und der Versuch, den Händen nachzujagen zeugt von Dummheit; man geht nach links, weil der Gegner eine Drehung nach links macht, dann geht man wie er nach recht s und so weiter. Mit dem Ergebnis, dass man seinem Gegner ermöglicht, die eigenen Aktionen zu bestimmen und man sich schließlich in einer passiven Rolle wiederfinden wird. Man ist nicht mehr fähig, das beabsichtigte Ziel zu treffen. Man wird man seinem Gegner ausgeliefert sein, wenn man den Händen nachjagt. Wie ein Mann, der den Karren vor das Pferd spannt. Im Kampf sollte man sein Ziel ganz genau im Auge behalten und nur einen Gedanken im Kopf haben, den Gegner auf dem kürzesten und einfachsten Weg zu attackieren. Nur wenn der eigene Angriff gestoppt wird und man seine Bewegung ändern muss, um zu treffen, erst dann kommt das Chi Sau zum Einsatz. Als Mittel zum Zweck und um den Kampf zu gewinnen.



2. Dem Gegner die Möglichkeit geben, als erster zuzuschlagen

Sieg oder Niederlage hängt oft davon ab, wer von den beiden Kämpfern die erste Gelegenheit zum Angriff nutzt. Wie Sun Zi sagte:

“Wenn eine eindringende Truppe bei ihrem Vorstoß einen Fluss überqueren muss, ist es geschickt, zu warten bis die halbe Armee den Fluss passiert hat und dann den Angriff zu starten.”

Man wird den doppelten Erfolg haben und den halben Aufwand benötigen, wenn der Angriff zur richtigen Zeit eingeleitet wird, so dass die Absicht des Gegners und seine Bewegungen zu erkennen sind. Wenn man diese Strategie verfolgt, wird es für den Gegner ganz schwierig, seinen Körper neu zu koordinieren, Vorwärts- oder Rückwärtsgehen ist praktisch unmöglich und die Niederlage ist für ihn nicht mehr zu vermeiden. Ein häufiger Fehler von unerfahrenen Ving Tsun Kämpfern ist es, die Fauststöße aus zu großer Entfernung abzufeuern. Es bleibt zuviel Abstand zwischen dem Gegner und ihnen selbst. Ein so plumpes Vorgehen ermöglicht dem Gegner, zuerst zuzuschlagen.

Deshalb sollte man im Kampf niemals ungeduldig sein. Starte keinen Angriff bis du nur noch einen Schritt von deinem Gegner entfernt bist; dann starte einen plötzlichen Angriff, um den Gegner völlig unvorbereitet zu erwischen. Durch einen Überraschungsangriff bekommt man den Vorteil, einen zusätzlichen Schritt in Richtung des Gegners zu machen. Damit wird es für ihn extrem schwierig, rechtzeitig zu reagieren. Er wird dann verzweifelt versuchen, einen halben Schritt nach links, rechts oder gerade zurück zu gehen. Das macht es verdammt leicht, in Kontakt mit dem Gegner zu bleiben und die Oberhand zu behalten, indem man das Gleichgewicht und die Position des Gegners beeinflusst. Du solltest deshalb vermeiden, ihm die Chance zu geben, als erster anzugreif en und ihm die Möglichkeit nehmen, die Situation zu beherrschen.

3. Verabschiede dich von falschen Vorstellungen

Eine falsche Vorstellung vom Kämpfen sorgt nur für Nervosität. Die Ving Tsun Theorie ist tatsächlich fehlerfrei, falls man sie 100% anwenden kann. Aber eine Theorie ist eben nur eine Theorie, ein Mensch kann niemals perfekt sein. Menschen machen zu der ein oder anderen Zeit Fehler. In einer normalen Kampfsituation sind die meisten Gegner mehr oder weniger gleich groß und stark. Jeder hat zwei Hände und zwei Füße, Stärken und Schwächen und so weiter. Jeder hat die gleichen Voraussetzungen und muss hart kämpfen. Der wichtigste Faktor ist das Geschick, das ein Kämpfer besitzt.

Wenn die Möglichkeit zu gewinnen 70% beträgt, gibt es immer noch eine Wahrscheinlichkeit von 30% angegriffen zu werden. Bei Boxweltmeisterschaften muss auch der Gewinner viele Treffer einstecken, bevor er den Kampf für sich entscheiden kann. Heutzutage prahlen viele Ving Tsun Lehrer und verwandeln absichtlich viele Dinge in Geheimnisse. Sie führen ihre Schüler mit Kindermärchen irre. Das ist der Gipfel der Schande. Es wäre eine viel bessere Idee, die Schüler geistig und körperlich auf den Kampf vorzubereiten und sie mit der Wirklichkeit des Kämpfens vertraut zu machen; ganz besonders mit der Tatsache, dass man während des Kampfes wahrscheinlich einen oder mehrere Schläge einstecken muss. Dann wird man nicht von falschen Voraussetzungen ausgehen und nicht überrascht sein.

4. Vermeide um jeden Preis zu zögern

In einem Kampf müssen sich beide Kämpfer innerhalb einer gewissen Distanz bewegen, wo sie sich gegenseitig angreifen können. Beide haben die gleiche Möglichkeit anzugreifen, es ist jedoch keine Zeit, über Fauststöße oder Tritte nachzudenken. Das Geschick und die Erfahrung, die man sich durch das Trai ning angeeignet hat, wird nun voll zum Tragen kommen. Der Ausgang des Kampfes ist mehr oder weniger offen, er wird von einem der beiden Kämpfer bestimmt. Egal was geschieht, man darf niemals zögern, wenn der Kampf einmal begonnen hat. Zögert man, bekommt man viele unnötige Schwierigkeiten. Die hohen Tritte aus den Filmen, die aufeinander folgen und mit großer Leichtigkeit ausgeführt werden, sind in der Wirklichkeit unmöglich. Wenn man sie in einem echten Kampf einsetzt, ist es schwierig, wenn nicht unmöglich, ein zweites Mal zu treten, falls der erste Tritt schon getroffen hat.

Entweder der Gegner stürzt oder nicht. Er wird nicht mehr an der gleichen Stelle sein, um von irgendeiner nachfolgenden Tritt-Technik getroffen zu werden. Falls der Gegner von einem Side-Kick getroffen wird und in einer geraden Linie zurück geht, hat man vielleicht die Möglichkeit, immer wieder zu treten. Aber die Gesetze der Physik machen so eine Situation sehr unwahrscheinlich. Wenn der Gegner Angst hat, wird er zurückspringen und der zweite Tritt wird daneben gehen, genauso wie der erste Tritt nicht getroffen hat. Der Rhythmus ist falsch, das ist wie beim Tanzen und in der Musik. Nur wer zögert wird geschlagen. Man muss vor oder zurück wie es die Situation erfordert, ansonsten wird die Chance zu gewinnen in Sekundenbruchteilen verschwinden.

Die obigen Punkte werden dir nicht zeigen wie man gewinnt. Aber sie werden dir ermöglichen, deine Fehler so weit wie möglich zu verringern. Wenn du gewinnen willst, wird es davon abhängen, ob du bereit bist, hart und beharrlich zu üben. Es wird von deinem Willen zu gewinnen, von deiner Beharrlichkeit, von deiner körperlichen Kraft, von deinem Selbstvertrauen und so weiter abhängen. Mit anderen Worten “Herz und Verstand” (die Fähigkeit ruhig zu kämpfen und dabei völlige Kontrolle über Körper und Geist zu haben). Erreicht man das, hat man das Rüstzeug, um einmal ein echter Kämpfer zu werden.

Wong Shun Leung.

Quelle (http://wingchun-online.de/blog/wendelin/2006/06/27/wong-shun-leung-was-ich-durch-meine-kampfe-lernte/)

AdamP
19-05-2007, 22:47
Also mir gefällt der Text sehr. Würde gern wissen wann und wie er ursprünglich enstanden ist und veröffentlicht wurde. Weiß jemand etwas mehr darüber?

Hab den Text auch schon vorher einmal auf Are you ready to think???? (http://www.thinkingmansstyle.de.vu) gelesen.

flavoursaver
20-05-2007, 02:26
2. Dem Gegner die Möglichkeit geben, als erster zuzuschlagentext bekannt :) was ich mir aber nicht verkneifen kann: soviel zu kernis "Der Letzte wird der Erste sein"... riiiiiiiiiiiesige erkenntnis seinerseits :p

Sportler
20-05-2007, 02:27
Insgesamt ein schöner Text, aber:



Das Kämpfen, über das ich in diesem Artikel sprechen möchte, ist nicht das, was man aus dem Box-Ring kennt. Boxen ist durch alle möglichen Regeln eingeschränkt und hat sich zu einem Spiel oder Sport entwickelt, was mit dem wirklichen Kämpfen nichts mehr gemeinsam hat.

Ich hoffe, wir sind uns einig, dass ein Vollkontakt"Sportler" auch "auf der Straße" nicht so dumm aus der Wäsche kuckt, wie uns der gute Wong hier erzählen will/wollte...

Habe mal von einem VT-Trainer gehört, dass VT im Grunde ein Boxstil ist, bei dem man eben über die Zentrallinie geht. Am Ende sieht man aber eben kein Chi Sao oder dergleichen, sondern es ähnelt eben dem Boxen - wobei der VTler natürlich seine gelernten Prinzipien einsetzt.
Weiß nicht, inwieweit das noch VT-Wahrheit ist, der Trainer, von dem ich das hab gilt wohl gemeinhin als "abtrünnig", auch wenn ich nicht weiß, wie er fachlich im Vergleich zu anderen VTlern ist.

SpikeSpiegel
20-05-2007, 02:37
@sportler


liess dir mal lieber den text nochmal in ruhe und voller aufmerksamkeit durch anstatt so ne dumme behauptung aufzustellen ...

wahrscheinlich hast du nicht verstanden,was der "gute wong" erzählen wollte...

FCVT
20-05-2007, 10:00
Insgesamt ein schöner Text, aber:



Ich hoffe, wir sind uns einig, dass ein Vollkontakt"Sportler" auch "auf der Straße" nicht so dumm aus der Wäsche kuckt, wie uns der gute Wong hier erzählen will/wollte...

Habe mal von einem VT-Trainer gehört, dass VT im Grunde ein Boxstil ist, bei dem man eben über die Zentrallinie geht. Am Ende sieht man aber eben kein Chi Sao oder dergleichen, sondern es ähnelt eben dem Boxen - wobei der VTler natürlich seine gelernten Prinzipien einsetzt.
Weiß nicht, inwieweit das noch VT-Wahrheit ist, der Trainer, von dem ich das hab gilt wohl gemeinhin als "abtrünnig", auch wenn ich nicht weiß, wie er fachlich im Vergleich zu anderen VTlern ist.


rrrrrüüüüüüüüschtüüüüüüüüüüüsch......

AdamP
20-05-2007, 10:39
Ich hoffe, wir sind uns einig, dass ein Vollkontakt"Sportler" auch "auf der Straße" nicht so dumm aus der Wäsche kuckt, wie uns der gute Wong hier erzählen will/wollte...
Da sind wir uns einig :)
In dem Text hat er auch nicht behauptet, dass ein Boxer sich nicht verteidigen oder kämpfen kann.
Sondern nur, dass er in diesem Artikel nicht von dem Kampf spricht, den man in einem Boxring sieht... beschränkt durch Regeln.

creep
20-05-2007, 13:37
Ziemlich beschränkt ist die ewige Regel-Diskusion!

Sportler
20-05-2007, 14:23
anstatt so ne dumme behauptung aufzustellen ...


Vielen Dank für diese konstruktive Kritik! :rolleyes:

...

:wuerg:

Zum Thema: Hatte Nachtschicht und war müde. Das erste, was ich gelesen habe, war der Seitenhieb auf Boxer. Habe mir den Text nicht 100%ig durchgelesen, aber das war das, was hängengeblieben ist.

Wenn Wong damit meinte, dass Boxer eben im Ring nicht wirklich kämpfen, dann ist das natürlich klar. Wenn er aber meint, dass ein Boxer durch die "Regeln", nach denen er normalerweise kämpft auf der Straße beschränkt ist, dann kann ich da nur widersprechen.

Aber hey, klär mich doch auf, du Schlaumeier.

Edit: Danke, AdamP. Dann hab ich das falsch verstanden. Bin es von WT-Texten gewohnt, dass erstmal Seitenhiebe auf andere KKs kommen. Auch wenn Wong nie so war, hab ich das erstmal so aufgefasst.
Naja, dann bleib ich dabei, schöner Text, kann man sich zu Herzen nehmen.

.Hel
20-05-2007, 16:03
hmm, schöner text, besonders erfreut mich diese passage:


Heutzutage prahlen viele Ving Tsun Lehrer und verwandeln absichtlich viele Dinge in Geheimnisse. Sie führen ihre Schüler mit Kindermärchen irre.

wen könnte er damit woh, gemeint haben?;)


Das ist der Gipfel der Schande.

fidne ich auch