Grade und Titel im Budo [Archiv] - Kampfkunst-Board

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Michael Kann
29-01-2003, 11:30
Hallo alle zusammen,

habe mir soeben den Artikel zum obigen Thema von Shizuya Sato zu gemüte geführt. Da ich die Interna der IMAF nicht kenne, kann ich schlecht etwas dazu sagen ... was mich bei diesem Artikel etwas irritiert ist die Art und Weise wie versucht wird sich gegenüber anderen abzuheben.

Mich interessiert vor allem, ob in der IMAF nach Euren Erfahrungen alles geregelt verläuft, oder ob sich dort, entgegen der Darstellung in diesem Artikel, nicht auch ein Wust aus "Vitamin B", Machtspielen, Graduierungsgeschenken usw. auftut. Dabei möchte ich, dass mit belegbaren FAKTEN gearbeitet und SACHLICH vorgegangen wird! Ich werde jeden Beitrag, der sich nicht an diese Regelung hält editieren ...

Hier nun der o.g. Bericht ....
Grade und Titel im Budo
von Shizuya Sato
Leitendes Vorstandsmitglied des Kokusai Budoin.

Es gibt nur sehr wenige Organisationen in Japan (Kendo, laido und Kyudo Renmei), die berechtigt sind, einzelne Personen, zur Anerkennung besonderer Errungenschaften um das Budo, Titel zu verleihen. Kokusai Budoin, IMAF, ist eine der wenigen Gruppen, die offiziell dazu berechtigt sind. Es ist in Japan einfach nicht möglich, Titel zu verleihen, ohne dazu hinreichend berechtigt zu sein. Wenn eine Gruppe oder Person dies tatsächlich tun würde, so würde dies eine elementare Kränkung der Gemeinschaft der Kampfkünste darstellen.

Die Vergabe von Titeln wurde von der Dai Nippon Butokukai initiiert, einer Organisation, die von der japanischen Kaiserfamilie unterstützt wurde. Vor dem zweiten Weltkrieg war es Sinn und Zweck der Dai Nippon Butokukai, Budo in ganz Japan zu unterstützen und zu koordinieren. Die Auszeichnung einzelner Personen mit Grad und Titel war eine Form der Unterstützung. Die Mitglieder der Kaiserfamilie wurden für jeweils eine Amtsperiode Vorsitzende der Organisation. Prinz Kuni no Miya (der Vater von Prinz Higashi Kun!) war einer der engagiertesten Unterstützer des Budo und genießt in Japan hohes Ansehen für seine Verdienste um die Kampfkunst.

Als die Kokusai Budoin, IMAF, 1952 gegründet wurde, war Prinz Kaya (der Großneffe des Prinzen Kuno no Miya) der erste IMAF-Chairman. Der zweite IMAF-Chairman war Prinz Higashi Kuni (Sohn des Prinzen Kuno no Miya). Die Mitglieder der kaiserlichen Familie gaben der Kokusal Budoin, iMAF, die ausdrückliche Erlaubnis, die Titel Renshi, Kyoshi, Hanshi und Meijin zu verleihen. Die Titel waren gedacht als einzelne Schritte auf dem Weg - Zeichen, daß ein gewisses Niveau an Können und Verständnis erreicht worden war. Ein Renshi, der Träger des 4.Dan ist, kann sich nach einem bestimmten Zeitraum und einem bestimmten Lernfortschritt für den 5.Dan qualifizieren. Später können dann Personen, die außergewöhnliche Fähigkeiten nachgewiesen haben, den Kyoshi-Titel erhalten. Die Wenigen, die die höchsten Grade des 8.Dan und darüber erreicht haben, können schließlich mit dem Hanshi ausgezeichnet werden.

Die Geschichte des Budo ist sehr alt und vielfältig, und als lebendige Kunst muß Budo wachsen und sich weiterentwickeln. Einer der bemerkenswertesten Aspekte der Kampfsportarten heutzutage ist das Wachstum, das sie in den vergangenen 20 Jahren außerhalb von Japan erlebt haben. Budo hat eine weltweite Popularität erlangt und die Zahl von ernsthaft interessierten Schülern steigt in einigen Ländern jährlich.

Man muß allerdings von Anfang an große Sorgfalt bei der Wahl des Unterrichtsortes walten lassen. Einen kompetenten und qualifizierten Lehrer zu finden ist der erste - und vielleicht wichtigste Schritt. Man muß fleißiges und mühevolles Üben auf sich nehmen und bereit sein, viele Jahre für das Erlernen dieser Kunst aufzuwenden, doch all diese harte Arbeit kann ohne richtige Führung nur wenig fruchten.

Um sich in Japan für den 6.Dan zu qualifizieren, muß man viele Jahre bei einem hervorragenden Lehrer in die Lehre gegangen sein. Um den 7.Dan zu erreichen, muß man über 10 Jahre lang von einem berühmten Lehrer unterrichtet worden sein und muß herausragende persönliche Verdienste um das Budo nachweisen können. Tausende japanischer Jugendlicher praktizieren Kendo, Judo oder eine andere Kampfkunst. Natürlich üben nicht alle diese Künste im Erwachsenenalter weiter aus; doch wenn man die Zahl der Ausübenden mit der Zahl derjenigen vergleicht, die den 6.Dan oder noch höhere Auszeichnungen erlangt haben, zeigt sich, daß nur sehr wenige so hohe Grade erreicht haben.

Es ist heutzutage allzu üblich, daß man von einzelnen Personen hört, sie seien Träger des 8., 9. oder gar des 1 0.Dan. Man stößt immer wieder in Zeitschriften, auf Veranstaltungsplakaten oder in der Postwerbung auf solche Anzeigen. In diesem Zusammenhang muß eine Reihe von Fragen vorab geklärt werden:
1. Wo hat diese Person gelernt?
2. Wer war sein/ihr Lehrer?
3. Wie lange hat er/sie dafür praktizieren müssen?
4. Hat er/sie jemals Unterricht in Japan erhalten?

Diese Fragen müssen gestellt werden, um die Wahrheit herauszufinden und klarzustellen, ob jemand wirklich qualifiziert ist!

Die Ziele des Kokusai Budoin, IMAF sind, das Bewußtsein und Verständnis des echten Budo zu fördern. Die Publikation von einschlägigem Material, die Veranstaltungen von Seminaren und die Verleihung von Graden und Titeln sind einige Wege, mit denen das IMAF-Hauptquartier in Japan versucht, die Mitglieder in der ganzen Welt zu unterstützen. Die Anforderungen für die Vergabe von Titeln und Graden sind notwendigerweise sehr streng und man muß viele Jahre lang lernen, um sich dafür qualifizieren zu können. Tatsächlich liegt die wahre Errungenschaft der Kampfkünste in der Festigung von Geist, Körper und Seele, die durch das Tägliche Üben erreicht wird.

Man kann also sagen:"Das Wichtigste im Budo ist, was man auf seinem Weg lernt."

heijoshin
14-02-2003, 08:24
Hallo,

ich finde eigentlich nicht, daß man versucht sich hier von anderen Organisationen abzuheben. Die IMAF hat nunmal eine der längsten Traditionen in Japan.
Was ich aber das Besondere an diesem Artikel finde, ist, daß er versucht, den Leuten ein wenig eigenständiges Denken und Hinterfragen einzuflößen. Denn es ist ja nicht unübersehbar, daß sich eine wahre Graduierungsflut auftut. Auf einen Lehrgang eines 3. Dans wird schon gar nicht mehr gegangen, es muß schon mindestens ein 9. Dan sein, der diese Graduierung auch noch in mindestens drei anderen Disziplinen besitzt. Am besten ist noch eine neugegründete Stilrichtung und ein Soke- oder gar Dai-Soke Titel. Das ist typische westliche Mentalität. Es wird nur nach vermeintlichen Titeln geschaut. Hat jemand promoviert, steigt er auf der gesellschaftlichen Leiter gleich ein paar Stufen weiter. Das er seine Promotion vielleicht auf den Cayman Islands und der dortigen Universität erworben hat, mag man leicht übersehen.

Genau diese Misere versucht IMHO dieser Artikel anzusprechen. Das man hinterfragen soll, wo, bei wem, wielange der Mensch bei dem man lernen will, selbst gelernt hat.

Wer frei von Fehlern ist, darf aber gerne den ersten Stein werfen in Bezug auf Graduierungsgeschenke oder Machtspiele. Ich denke mal, es wird keine einzige Organisation geben (hier oder in Japan oder sonstwo), die sich von solchen Dingen frei sprechen kann. Wo immer es eine Hierarchie gibt, kommen solche Dinge vor.

Le Lôi
14-02-2003, 08:40
ich muss nur jeweils schmunzeln, wenn ich homepages oder flyers von leuten sehe, welche jeweils hinter ihrem namen noch ihre x-verschiedenen graduierungen (natürlich alle höher als er 5. dan) anpreisen. da sieht man leute mit zusammen gezählt zwischen 50 und 100 dan graden. ist natürlich verlockend für dessen schüler, wenn der lehrer soviele grade besitzt, so bekommt auch der schüler höhere grade ab. und für viele leute ist dies verdammt wichtig. wie traurig!
ich will nicht sagen, dass man nicht verschiedene stile lernen kann, doch lernen und lernen ist nicht dasselbe.

gruss

Michael Kann
14-02-2003, 08:53
@ heijoshin

Ist die IMAF frei von diesen "Vorgängen"?

Mir bleibt letztlich ja keine andere Möglichkeit als nach diesem Artikel diese Frage zu stellen!

Gruß
Mike

Goshinsatori
14-02-2003, 09:07
HI,

die IMAF ist genau die Organisation, die sich nicht an ihre eigenen Grundsätze hält oder wie ist es zu erklären, daß ein Blau-Gurt zur IMAF wechselt und nach 3 Monaten 1.Dan ist :mad:

heijoshin
14-02-2003, 09:56
@Michael Kann:

ich kann diese Frage nicht beantworten. Mich hat Politik oder Funktionärsdasein noch nie interessiert.

Aber ich denke irgendwelches Gemauschel findet man vom Kindergarten bis hinein in der Bundestag oder auch in gemeinnützige Verbände. Es kann sich niemand davon freisprechen.
Die grundsätzliche Aussage über Titel finde ich aber weiterhin erwähnenswert. Wichtige Aussagen sind hierLernfortschritt und Fähigkeiten und die Fragen wo, bei wem und wie lange. Alles andere ist nebensächlich und in meinen Augen Belohnungen auf dem Weg. Und ich denke, darauf legt der Autor des Artikels seinen Schwerpunkt. Auch das es nicht um technische Fähigkeiten geht, sondern auch um persönliche Verdienste um das Budo, daß heißt sich Einsetzen für die Verbreitung oder einen guten Ruf des Budo. Es genügt nicht alleine jeden Tag ins Training zu kommen und danach gleich wieder zu verschwinden.
Aber es gibt ja auch Kampfsportarten bei denen es keine Graduierungen gibt, da kommen dann die oben genannten Fragen nach Lehrer und Zeit zum Tragen. Aber ich denke, selbst hier, wo es scheinbar keine Hierarchie gibt, wird es Grabenkämpfe geben. Das ist nunmal des Menschen eigen.

Als Abschluß: Graduierungen sind IMHO nur für Westler eingeführte Dinge, die das Ego befriedigen

arnisador
14-02-2003, 12:11
Hallo.
Den Artikel, den Sato geschrieben hat finde ich gut. Ob es in seiner Organisation allerdings alles glatt läuft weiß ich nicht.
Dazu nur folgendes: Ich habe mal ein paar Monate in einem DAKO-Dojo trainiert, die ja meines Wissens zu IMAF gehört. In meinen Augen hatte der dortige Trainier nicht die technische und geistige Reife, die ich persönlich von einem 3.Dan (und mehrere Graduierungen in anderen KKen erwarte. (Aber dieses ist ja nur eine subjektive Aussage, die nicht unbedingt etwas über die Organisation sagt!).
Was mich dazu noch interessieren würde ist folgendes:
[list=1]
Gibt es einen Unterschied zwischen Japan und dem Rest der Welt (im Bezug auf die Graduierungspraxis)?
Sind IMAF und Kokusai Budoin das Gleiche, oder gibt es da noch einen kleinen aber feinen Unterschied?
[/list=1]

Noch etwas allgemeines:
Ich halte von diesen ganzen Graduierungen nicht viel. Ich finde ein System besser, wo ich zu einem guten Lehrer gehe (den finde ich, in dem ich Satos Fragen frage), bei diesem trainiere, bis er mir irgendwann sagt, daß er mir (technisch) nichts mehr beibringen kann. Dann gehe ich zum nächsten Lehrer.
Für mich sind die Kampfkünste etwas, daß ich für mich selbst praktiziere. Es ist mir völlig wurscht, ob andere mich für einen Anfänger halten oder nicht. Daher denke ich, Graduierungen stehen der Entwicklung des Charakters entgegen, und zwar umso stärker, je höher die Graduierung ist. Ich denke wenn jemand (durch ehrliches Training) den 5.Dan erreicht hat, sollte er soviel geistige Reife entwickelt haben, daß es ihm egal ist, ob er einen 6. Dan erhält oder nicht (als Beispiel habe ich da immer den einen Schüler Funakoshis im Kopf, der von diesem den 5.Dan erhielt und als F. starb, nie wieder eine höhere Graduierung annahm.)
Der Wettlauf um Dangraduierungen läßt sich mit den Einkommen von Wirtschaftsbossen vergleichen:
Ab einem gewissen Einkommen kann man sich fast alles kaufen was man will. Trotzdem fordern Spitzen-Manager immer wieder höhere Einkommen und zwar nicht um sich noch mehr kaufen zu können, sondern nur um sich von ihren Kollegen abzusetzen, die dann weniger verdienen = Wer am meisten verdient ist der Beste. Also ist es nichts weiter als ein Wettlauf um Status und Prestige, der aber letztendlich nichts über die Qualität eines Managers aussagt.
All dieses sind sehr primitive Verhaltensmuster und von einem Meister der Kampfkünste erwarte ich, daß er diese abgelegt hat!
Ich hoffe es ist einigermaßen klar geworden was ich damit Ausagen wollte, denn wenn ich jetzt meinen Text nochmal lese, bin ich mir da nicht so sicher :rolleyes: :) !
Gruß
Martin