Vollständige Version anzeigen : Von der Xinyi-Speertechnik zum Taijiquan
Karl-Heinz
20-09-2007, 18:54
Ich habe von Stefan Gätzner, dem Macher des "Wuhun (http://www.wuhun.de/) Magazin für Chinesische Kampfkunst" die Erlaubnis erhalten, den Artikel "Von der Xinyi-Speertechnik zum Taijiquan" aus der aktuellen Ausgabe im Neijia Blog zu veröffentlichen.
Ich habe mich für diesen Artikel entschieden, weil er eine interessante Idee zur Herkunft der 13 Grundbewegungen des Taijiquan enthält. Ich kann mir vorstellen, dass diese Theorie in China (und nicht nur dort) sehr kontrovers diskutiert wird. Was sagt ihr zu dieser Theorie?
Von der Xinyi-Speertechnik zum Taijiquan » Neijia Blog (http://www.neijia-forum.info/2007/09/20/von-der-xinyi-speertechnik-zum-taijiquan/)
Nochmals vielen Dank an Stefan. Wer ernsthaft an chinesischer Kampfkunst interessiert ist, sollte sich das Wuhun Magazin (http://www.wuhun.de/) mal ansehen.
Was sagt ihr zu dieser Theorie?
Nun, äh, also,
mich kann diese Theorie leider kein Stück überzeugen.
Ich finde, dass hier Gemeinsamkeiten gefunden werden, die einerseits nichts besonderes sind, weil man in gewisser Hinsicht überall einen ähnlichen Pool an Prinzipien findet (in verschiedenen Stilen und bei verschiedenen Waffen), und außerdem die nur teilweise zu findende Namensgleichheit überbewertet wird.
Ich würde davon ausgehen, dass es eben seit Urzeiten in den chin. Kampfkünsten einen Pool von Prinzipien gibt (wie z.B. spalten, blocken, anlehnen, Schultereinsatz, zurückweichen, greifen mit zwei Händen, ruckartig ziehen, mit einer Drehung ausweichen etc.pp.; im YSB haben wir 64 derartiger Prinzipien), und diese Prinzipien haben sich in verschiedenen Stilen immer wieder zu neuen Mustern und mit anderen Schwerpunkten zusammengefunden, und sie kommen natürlich auch bei Waffen zum Einsatz.
Insofern würde ich den Ursprung dieser Speertechniken wie auch den Ursprung von Taiji eben in diesem uralten Sumpf typisch chin. Prinzipien suchen, und nicht Taiji in Speer oder Speer in Taiji.
Dann könnte man ständig den Ursprung von Stil X in Waffe Y finden, oder umgekehrt.
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Auch ist mir neu, dass im Taiji so großen Wert auf Speer gelegt werden würde. Eigentlich dachte ich, dass das Schewrt die wichtigste und typischste Taiji-Waffe ist, gerade weil der Charakter des Taiji im Schwert am besten ausgelebt werden kann, während insbesondere Speer einen anderen Bewegungscharakter fordert, so dass die eigentlich Taiji-typischen Dinge kaum zur Geltung kommen.
T. Stoeppler
20-09-2007, 20:30
Hallo Karl-Heinz,
Danke für den Artikel.
Ich habe diese Theorie jetzt zum widerholten Male von verschieder Seite gehört, ich kann mir sehr gut vorstellen, dass da etwas dran ist. Gerade in den älteren Aufzeichnungen der Chens wird sehr oft von der Speertechnik gesprochen, das pole-shaking kommt offenbar auch von da her. Und Chen Wang-Ting kam aus dem Militär, der wird von Berufswegen sehr viel mit dem Speer trainiert haben.
@Nagual
Meines Wissens ist die Taiji-Schwertform (Jian) nicht im ursprünglichen Curriculum der Chens enthalten gewesen und kam erst später hinzu.
Schlussendlich ist es aber sekundär, obs stimmt oder nicht, ich finde es auf jeden Fall mal lohnenswert, ein bischen mit der Idee herumzuspielen (also praktisch).
Gruss, Thomas
Meines Wissens ist die Taiji-Schwertform (Jian) nicht im ursprünglichen Curriculum der Chens enthalten gewesen und kam erst später hinzu.
Das scheint tatsächlich so zu sein. Yang Luchan und auch vor ihm verschiedene Chen-Leute waren vor allem für den Umgang mit zwei Waffen bekannt, nämlich Speer und Hellebarde (guandao). Komischerweise ist heutzutage der Speer nicht mehr so weit verbreitet. Wobei im Chen-stil natürlich noch der Langstock bzw. die Lanze geübt wird.
Gruß
Daniel
Karl-Heinz
20-09-2007, 20:56
Hallo Martin,
Auch ist mir neu, dass im Taiji so großen Wert auf Speer gelegt werden würde. Eigentlich dachte ich, dass das Schewrt die wichtigste und typischste Taiji-Waffe ist, gerade weil der Charakter des Taiji im Schwert am besten ausgelebt werden kann, während insbesondere Speer einen anderen Bewegungscharakter fordert, so dass die eigentlich Taiji-typischen Dinge kaum zur Geltung kommen.
Zhu Wenjun von ChinBeKu meint: "Stock ist Grund-Bewegungen der Waffen, Speer ist höchsten Niveau der Waffen."
Quelle (http://www.taiji-lehrer.de/ausbildung/fortbildung_taiji_speer_stock.htm)
Ich kenne es eigentlich auch nur so.
Grüße,
Karl-Heinz
Eskrima-Düsseldorf
20-09-2007, 21:57
Für jemanden der viel mit Waffen trainiert, macht das schon Sinn was er da sagt. Ob es jetzt tatsächlich so ist/war pfhuu ... Der Autor stellt halt eine These auf über die man diskuttieren kann.
Unabhängig davon finde ich diesen Satz sehr schön:
Wushu ist die Kenntnis vom Krafteinsatz in der Bewegung.
Grüße
Christian
Hallo Karl-Heinz,
Zhu Wenjun von ChinBeKu meint: "Stock ist Grund-Bewegungen der Waffen, Speer ist höchsten Niveau der Waffen."
Quelle (http://www.taiji-lehrer.de/ausbildung/fortbildung_taiji_speer_stock.htm)
Ich kenne es eigentlich auch nur so.
Grüße,
Karl-Heinz
danke für das veröffentlichen dieses und der anderen Artikel und Beiträge im Neijia-Blog. Du bringst dort wirklich Schätze zusammen.
Nun aber zu diesem Beitrag. Ich finde diese Sichtweise höchst interessant, zum einem, da ich schon seit langem selber erkannt habe, das die Arbeit mit dem Stock eine "der" Bewegungsgrundlagen bildet, die die Bewegung ansich in eine höhere (höchster Firstbalken) tragende Qualität bringt. Und das nicht nur im TJQ, sondern in allen Bereichen der Bewegung. Somit erscheint es mir nur allzu logisch, das die hier beschriebe Speertechnik als das "Höchste" dargestellt wird.
Mein Wissen um Bewegung sagt mir ganz klar, dort liegt ein Schlüssel zu einem hochwertigen "Bewegungsschatz" verborgen. Doch die richtige Handhabung und Erforschung, also Nutzung dieses Schlüssels, kann nur Früchte tragen, wenn man verstanden hat, das alles in einem selber verborgen liegt und man mit und an sich im Ganzheitlichem Sinne arbeiten sprich dieses entdecken muß. Die äußeren Dinge, wie Stock, Speer, Schwert usw, sind Hilfsmittel und Brücken über die man gehen kann.
Wer also wirklich zu diesen Schätzen durchdringen will, kommt nicht umhin
sein ganzes Leben, sein ganzes Verhalten, also seine Einstellung zum Leben ansich nicht nur zu hinterfragen sondern jegliche Struckur und Schubladendenken aufzulösen. Und das verändert Menschen, das sie frei werden von Neid, Angst, Konkurenz usw.
Das ist für mich die Kernaussage dieser tiefgehenden Tradition.
Beste Grüße,
Torsten
rudongshe
21-09-2007, 09:37
In der Boston-Linie scheint der Speer die geheimnisumwitterte Königsklasse zu sein.
Ich übe ab und an Fa-Jin damit.
Meister Ip bevorzugte wohl den Säbel. Evtl. wegen der mehr kreisenden Arbeit.
Speer/Säbel sind ja typische Kriegerwaffen.
Das Schwert hat den höchsten Stellenwert in der "sozialen" Hierarchie und ist schwer zu führen, weil das Yi permanent über die Klinge gleitet.
Aber ob es das Taiji-Prinzip am besten ausdrückt...?
keine Ahnung.
Aber ob es das Taiji-Prinzip am besten ausdrückt...?
Ein Säbel ist zu simpel in der herkömmlichen Anwendung als dass viele Taiji-typische Dinge vollwertig umgesetzt werden könnten. Wenn man es versuchen würde, würde wohl schnell so etwas wie eine schwert-artige Führung des Säbel rauskommen.
rudongshe
21-09-2007, 10:54
Mhh...was heißt herkommliche Anwendung?
Hast Du Säbel mit Anwendung gelernt?
Aber richtig ist, dass Schwert anspruchsvoller ist.
Mhh...was heißt herkommliche Anwendung?
Beim Säbel gibt es in der Grundschule ja eine eher kleine Handvoll Techniken, welches ja im wesentlichen verschiedene Schneide - und Stichbewegungen sind. Der Säbel ist eine Bauernwaffe, d.h. für Leute gedacht, die schnell was einigermaßen effektives erlernen sollen, ohne sich allzu viel um Körperhaltungen und Aspekte der Kraftabsorbierung und so etwas kümmern zu müssen.
Ein Schwert kann man aber gar nicht vernünftig führen, ohne sich um solch komplexe Sachen mal gründlich gekümmert zu haben.
Weil das Konzept von Taiji aber komplex ist, passt das zum Schwert, würde ich sagen.
Ich bezweifle, dass Bauern mehr mit Säbeln trainiert haben als andere. In der Herstellung ist ein Krummschwert genauso aufwändig wie ein gerades, natürliche Bauernwaffen sind eher Stock, Kriegsgabel etc.
Was der Säbel tatsächlich war, war eine Waffe für die einfachen Fußsoldaten. Normalerweise wurden aber Langwaffen eingesetzt, wie Speer/Spieß oder Hellebarde, der Säbel war dann für den Notfall des Nahkampfes Mann gegen Mann. Das jian, wie man es heute immer kennt, fand sicherlich nicht so häufig Einsatz im Krieg. Allenfalls die kürzeren, breiteren, schwereren Schwerter, oder (in früherer Zeit) die zweihändigen, langen Schwerter. Die leichte Stoßwaffe, die heute in den verschiedensten Stilen geübt wird, war mit Sicherheit von Anfang an auf Duelle ausgelegt. Daher kam diese Waffe auch erst dann in die meisten Kampfkunststile, als der direkte Bezug zum Krieg schon nicht mehr so direkt war, und persönlicher Schutz (bzw. Milizdienst), Arbeit als bodyguard oder einfach nur Rekreation oder Darbietung mehr in den Vordergründ gerückt sind.
Gruß
Daniel
rudongshe
21-09-2007, 16:46
Beim Säbel gibt es in der Grundschule ja eine eher kleine Handvoll Techniken, welches ja im wesentlichen verschiedene Schneide - und Stichbewegungen sind. Der Säbel ist eine Bauernwaffe, d.h. für Leute gedacht, die schnell was einigermaßen effektives erlernen sollen, ohne sich allzu viel um Körperhaltungen und Aspekte der Kraftabsorbierung und so etwas kümmern zu müssen.
Ein Schwert kann man aber gar nicht vernünftig führen, ohne sich um solch komplexe Sachen mal gründlich gekümmert zu haben.
Weil das Konzept von Taiji aber komplex ist, passt das zum Schwert, würde ich sagen.
Ich habe den Säbel als Alltags-Kriegs-Waffe "kennengelernt". Sicherlich einfacher zu lernen als Schwert.
Aber ohne Kraftabsorbierung und ohne Körperhaltung??? Deswegen fragte ich Dich, ob Du Säbel mit Idee der Anwendung gelernt hast bzw. Druck und Zugtests in den einzelnen Bildern bzw. auch Bewegungen.
Aber ohne Kraftabsorbierung und ohne Körperhaltung??? Deswegen fragte ich Dich, ob Du Säbel mit Idee der Anwendung gelernt hast bzw. Druck und Zugtests in den einzelnen Bildern bzw. auch Bewegungen.
Natürlich KANN man beim Säbel auch die ganzen inneren Sachen und viel Komplexität und Niveau in die Sache reinbringen.
Als ich sagte "ohne Kraftabsorbierung und ohne Körperhaltung" (und "allzu viel"!) meinte ich, dass es relativ zum Schwert weniger notwendig und mehr optional ist.
Mag sein, dass es weniger eine Bauernwaffe als die Waffe eines einfachen Soldaten war. Ich habe mich nie großartig mit historischer Kriegsführungskunst beschäftigt.
Auf jeden Fall war es wohl möglich, einen mit Säbel bewaffneten Soldaten in relativ kurzer Zeit auszubilden, um ihn in die Schlacht zu schicken, ohne ihm allzu viel wertvolle Bewegungskunst mitzugeben.
--
Ich habe mich mit herkömmlichen Säbeln lange nicht mehr beschäftigt, und dort nur mal eine Grundschule durchgelernt.
Ansonsten praktiziere ich nur großen Säbel, der wegen seines Gewichts und den Besonderheiten der Führung natürlich viel Struktureinsatz und inneres Arbeiten bedarf.
Wie groß und schwer sind deine Trainingssäbel?
etwas weniger als 3,5kg, offizielle Angabe ist 7 Pfund.
rudongshe
22-09-2007, 12:39
etwas weniger als 3,5kg, offizielle Angabe ist 7 Pfund.
Sind das diese riesigen Bagua-Säbel, diese mörder Zweihänder?
Man führt ihn fast immer einhändig.
Kann sein, dass es auch solche Modelle gibt, die so groß bzw. schwer sind, dass man sie einhändig nicht mehr vernünftig führen kann, und dann zwei Hände genommen werden. Eigentlich nicht unbedingt Sinn der Sache.
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