arnisador
15-02-2003, 12:57
Aus der Süddeutschen:
(SZ vom 15.2. 2003) - Es soll wieder ein sauberer Krieg werden.
„Es wird ein Massensterben unter Zivilisten geben“
Ein neuer Golfkrieg würde nach Schätzungen von Wissenschaftlern bis zu 260000 Menschen das Leben kosten.
von Christina Berndt
Um das Regime in Bagdad zu zerstören, wollen die USA ähnlich vorgehen wie in allen vergleichbaren Situationen der letzten Zeit: vornehmlich aus der Luft und möglichst ohne viel Blutvergießen.
100 tote US-Soldaten in Golf- und Afghanistankrieg
Tatsächlich wird die Zahl der toten US-Soldaten wohl wie schon im Afghanistankrieg und im ersten Golfkrieg überschaubar bleiben. In beiden zusammen starben nicht einmal hundert Amerikaner.
Menschliches Leid wird es dennoch zuhauf geben – vor allem unter der Zivilbevölkerung im Irak. Und, das ist neu:
Diesmal fürchten auch die Menschen in jenen Ländern um ihre Gesundheit, auf deren Boden der Krieg gar nicht stattfindet.
Das Massensterben findet nicht auf dem Kriegsfeld statt
Biologische und chemische Waffen könnten selbst in Deutschland Opfer fordern, falls es dem Irak oder Terroristen, die mit Saddam Hussein sympathisieren, tatsächlich gelingen würde, sie in den Nato-Staaten einzusetzen.
Drei umfangreiche Berichte über die Folgen eines weiteren Irak-Kriegs für die Menschheit wurden in den vergangenen Wochen publik.
Neben den Vereinten Nationen und der britischen Sektion der „Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges“ (IPPNW) errechnete auch die Weltgesundheitsorganisation ein Schreckensszenario.
Bis zu 260000 Menschenleben könne der Krieg unmittelbar fordern, so die Befürchtungen.
Sich anschließende Bürgerkriege in der Golfregion würden die Zahl der Opfer um rund 20000 erhöhen, und auch nach dem Krieg stürben vermutlich weitere 200000 Menschen, weil ihre Gesundheit zerstört ist.
Epidemien und Hungersnöte setzten ihnen noch zusätzlich zu. „Die Folgen eines Krieges sind natürlich sehr schwer zu kalkulieren“, räumt Ute Watermann von IPPNW Deutschland ein. „Sicher ist aber, dass es zu einem Massensterben unter den Zivilisten kommen wird.“ Denn die militärischen Ziele der USA lägen im Irak oft in den großen Städten.
Ärztliche Hilfe aber wird den Studien zufolge während des Kriegs kaum möglich sein: Hilfsorganisationen können wegen permanenter Luftangriffe und auf Grund ausgedehnter militärischer Sperrgebiete gar nicht zu den Bedürftigen gelangen. Schon jetzt ist die irakische Bevölkerung unterversorgt.
„In den Krankenhäusern gibt es Operationssäle, mit denen man wegen fehlender Ersatzteile nichts mehr anfangen kann, und in ganz Bagdad arbeitet nur noch eine einzige Blutbank“, sagt Ute Watermann.
Die gezielte Zerstörung von Elektrizitätswerken, Wasserwerken und Arzneimittelfabriken könne dazu führen, dass die Menschen im Irak „schließlich am banalsten Durchfall sterben“.
Vor Infektionskrankheiten fürchtet sich indes auch die Bevölkerung in den Industrienationen.
Allerdings machen ihr tödliche Viren und Bakterien wie Pocken und Milzbrand Angst.
In den USA wurde bereits verbreitet, dass eine von Terroristen ausgelöste Pockenepidemie bis zu eine Million Amerikaner töten könne. Eine westliche Regierung nach der anderen hat sich bereits mit Impfstoffen gegen die eigentlich ausgerotteten Pocken versorgt.
„Erhöhte Gefahrenlage“
Auch die Bundesregierung geht von einer „erhöhten Gefahrenlage“ aus. Für 100 Millionen Menschen – mehr als es Deutsche gibt – hat sie Antiserum bestellt. Gegen die meisten anderen möglichen Kampfstoffe gibt es ohnehin keinen Impfstoff.
Vielen Fachleuten erscheinen die Ängste vor B- und C-Waffen allerdings übertrieben.
Sie weisen auch darauf hin, dass Gasmasken zum Schutz vor Chemiewaffen oft nutzlos sind, da viele Menschen sie gar nicht richtig anwenden könnten (in Israel sind während des ersten Golfkriegs zwölf Menschen darunter erstickt).
Auch die Impfung gegen Pocken schade mehr als sie nutze. Einer von zehntausend Impflingen erkranke an einer Gehirnentzündung, warnt der Göttinger Virologe Reiner Thomssen. Sie könne bleibende Behinderungen zur Folge haben oder sogar tödlich sein.
Boykott der Kliniken
Selbst in den USA boykottieren deshalb Hunderte von Kliniken die groß angelegte Pocken-Impfkampagne, die Präsident George Bush initiiert hat. Von 500000 Krankenhausangestellten haben sich erst 687 bereiterklärt, daran teilzunehmen.
Schließlich haben kalifornische Forscher jüngst im New England Journal of Medicine ausgerechnet, dass eine Impfung der gesamten US-Bevölkerung 500Todesopfer fordern würde – mehr als die erwarteten Verluste unter den Soldaten.
Gruß
Martin
(SZ vom 15.2. 2003) - Es soll wieder ein sauberer Krieg werden.
„Es wird ein Massensterben unter Zivilisten geben“
Ein neuer Golfkrieg würde nach Schätzungen von Wissenschaftlern bis zu 260000 Menschen das Leben kosten.
von Christina Berndt
Um das Regime in Bagdad zu zerstören, wollen die USA ähnlich vorgehen wie in allen vergleichbaren Situationen der letzten Zeit: vornehmlich aus der Luft und möglichst ohne viel Blutvergießen.
100 tote US-Soldaten in Golf- und Afghanistankrieg
Tatsächlich wird die Zahl der toten US-Soldaten wohl wie schon im Afghanistankrieg und im ersten Golfkrieg überschaubar bleiben. In beiden zusammen starben nicht einmal hundert Amerikaner.
Menschliches Leid wird es dennoch zuhauf geben – vor allem unter der Zivilbevölkerung im Irak. Und, das ist neu:
Diesmal fürchten auch die Menschen in jenen Ländern um ihre Gesundheit, auf deren Boden der Krieg gar nicht stattfindet.
Das Massensterben findet nicht auf dem Kriegsfeld statt
Biologische und chemische Waffen könnten selbst in Deutschland Opfer fordern, falls es dem Irak oder Terroristen, die mit Saddam Hussein sympathisieren, tatsächlich gelingen würde, sie in den Nato-Staaten einzusetzen.
Drei umfangreiche Berichte über die Folgen eines weiteren Irak-Kriegs für die Menschheit wurden in den vergangenen Wochen publik.
Neben den Vereinten Nationen und der britischen Sektion der „Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges“ (IPPNW) errechnete auch die Weltgesundheitsorganisation ein Schreckensszenario.
Bis zu 260000 Menschenleben könne der Krieg unmittelbar fordern, so die Befürchtungen.
Sich anschließende Bürgerkriege in der Golfregion würden die Zahl der Opfer um rund 20000 erhöhen, und auch nach dem Krieg stürben vermutlich weitere 200000 Menschen, weil ihre Gesundheit zerstört ist.
Epidemien und Hungersnöte setzten ihnen noch zusätzlich zu. „Die Folgen eines Krieges sind natürlich sehr schwer zu kalkulieren“, räumt Ute Watermann von IPPNW Deutschland ein. „Sicher ist aber, dass es zu einem Massensterben unter den Zivilisten kommen wird.“ Denn die militärischen Ziele der USA lägen im Irak oft in den großen Städten.
Ärztliche Hilfe aber wird den Studien zufolge während des Kriegs kaum möglich sein: Hilfsorganisationen können wegen permanenter Luftangriffe und auf Grund ausgedehnter militärischer Sperrgebiete gar nicht zu den Bedürftigen gelangen. Schon jetzt ist die irakische Bevölkerung unterversorgt.
„In den Krankenhäusern gibt es Operationssäle, mit denen man wegen fehlender Ersatzteile nichts mehr anfangen kann, und in ganz Bagdad arbeitet nur noch eine einzige Blutbank“, sagt Ute Watermann.
Die gezielte Zerstörung von Elektrizitätswerken, Wasserwerken und Arzneimittelfabriken könne dazu führen, dass die Menschen im Irak „schließlich am banalsten Durchfall sterben“.
Vor Infektionskrankheiten fürchtet sich indes auch die Bevölkerung in den Industrienationen.
Allerdings machen ihr tödliche Viren und Bakterien wie Pocken und Milzbrand Angst.
In den USA wurde bereits verbreitet, dass eine von Terroristen ausgelöste Pockenepidemie bis zu eine Million Amerikaner töten könne. Eine westliche Regierung nach der anderen hat sich bereits mit Impfstoffen gegen die eigentlich ausgerotteten Pocken versorgt.
„Erhöhte Gefahrenlage“
Auch die Bundesregierung geht von einer „erhöhten Gefahrenlage“ aus. Für 100 Millionen Menschen – mehr als es Deutsche gibt – hat sie Antiserum bestellt. Gegen die meisten anderen möglichen Kampfstoffe gibt es ohnehin keinen Impfstoff.
Vielen Fachleuten erscheinen die Ängste vor B- und C-Waffen allerdings übertrieben.
Sie weisen auch darauf hin, dass Gasmasken zum Schutz vor Chemiewaffen oft nutzlos sind, da viele Menschen sie gar nicht richtig anwenden könnten (in Israel sind während des ersten Golfkriegs zwölf Menschen darunter erstickt).
Auch die Impfung gegen Pocken schade mehr als sie nutze. Einer von zehntausend Impflingen erkranke an einer Gehirnentzündung, warnt der Göttinger Virologe Reiner Thomssen. Sie könne bleibende Behinderungen zur Folge haben oder sogar tödlich sein.
Boykott der Kliniken
Selbst in den USA boykottieren deshalb Hunderte von Kliniken die groß angelegte Pocken-Impfkampagne, die Präsident George Bush initiiert hat. Von 500000 Krankenhausangestellten haben sich erst 687 bereiterklärt, daran teilzunehmen.
Schließlich haben kalifornische Forscher jüngst im New England Journal of Medicine ausgerechnet, dass eine Impfung der gesamten US-Bevölkerung 500Todesopfer fordern würde – mehr als die erwarteten Verluste unter den Soldaten.
Gruß
Martin