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Vollständige Version anzeigen : Nachmachen vs. Selbst machen



Hongmen
29-02-2008, 19:55
hi leute

was meint ihr?

sollte es ein persönliches ziel sein, möglichst genau eine/n lehre/r zu "meistern"? oder sollte man auf der grundlage einzelner bzw. verschiedener "lehren", lieber selbst kreieren?

wo liegen jeweils die "pro´s und contra´s"?

liebe grüße

hongmen

HuLong
29-02-2008, 20:37
Wer sagt denn, dass man was kreieren soll? Man lernt die Sachen von seinem Lehrer und sieht was daraus wird. Am Anfang macht man die Dinge immer möglichst so wie man es gezeigt bekommt, aber mit der Zeit entwickelt sich dabei mehr Eigendynamik und jeder macht es dann etwas anders. Aber das ist imho kein bewußtes kreieren, sondern passiert natürlich im Körper durch den Körper.

Gruß

Trinculo
29-02-2008, 21:00
Man sollte etwas nicht auf eine bestimmte Art machen, nur weil der Lehrer sagt, dass man es so und nicht anders machen soll. Hat der Lehrer eine gute Begründung, kann man ja seine Vorgehensweise übernehmen, bis man einen anderen Vorschlag mit einer besseren Begründung erhält :D

Es kommt natürlich darauf an, was man möchte: lernen, zu kämpfen, oder eine bestimmte Linie an die nächste Generation weiterzugeben. Beides hat seine Berechtigung. Weshalb nicht eine Tradition durch "kopieren" erhalten. Hat was von einem Museum ;)

Hongmen
29-02-2008, 21:09
Es kommt natürlich darauf an, was man möchte: lernen, zu kämpfen, oder eine bestimmte Linie an die nächste Generation weiterzugeben. Beides hat seine Berechtigung. Weshalb nicht eine Tradition durch "kopieren" erhalten. Hat was von einem Museum ;)

ich hoffe unsere debatten gehen so weiter wie bisher!;):D

"eine linie an die nächste generation weitergeben", kann aber auch ganz schön nach hinten losgehen. schau dir doch mal die "großen" stile an. siehe was aus denen geworden ist! imo, etwas, dass mit den ursprüngen nichts mehr zu tun hat.

best wishes
hongmen

Trinculo
29-02-2008, 21:28
Ist nicht mein Ding, aber ich akzeptiere, dass jemand kulturelles Erbe erhalten möchte. Ist wie mit Schuhplattler, Zithermusik, und Vinyl-Schallplatten ;)

pilger
29-02-2008, 22:01
Hi Hongmen, hi alle anderen,

ich persönlich versuche seit einigen Jahren, so viel als möglich der Künste auch so in mich aufzusaugen, wie es mir übermittelt wurde und wird. Das klappt auch ganz gut. Sprich, die Formen, die Qi Gong Übungen, die Meditations- aber auch die Kampfübungen nehme ich in mich auf und fülle mich langsam damit. Von daher bin ich sehr stark bestrebt, die Lehren, die mir der von mir ausgeübte Stil bietet zu meistern.
ABER ich merke immer wieder, dass es nicht möglich ist, alles 1:1 zu übernehmen. Dafür ist jeder zu individuell.
Eine solche Kunst ist wie eine Hand, grundsätzlich sieht sie zwar bei jedem gleich aus (z.B. die Form oder best. Atemübungen), aber die Beschaffenheit einer jeden Hand ist anders in Größe, Stärke usw. und nicht zuletzt in ihrem Abdruck bzw. den Fingerabdrücken. Jeder ist anders!
Ich sehe mich also nicht als jemand, der etwas neues kreiert, sondern schon etwas bestehendes möglichst umfangreich lernen und übernehmen möchte, allerdings nicht als billige Kopie, sondern gewürzt mit ner ordentlichen Portion Eigenwürzung, angepasst an meine Fähigkeiten und Bedürfnisse.

Das schöne ist, das sich die Sachen, die ich vorher gemacht habe (z.B. Judo) jetzt wunderbar in das Tai Chi einfügen lassen. Viele Würfe und Hebel unterliegen den gleichen Prinzipien (müssen sie ja auch auf Grund unserer Anatomie) Aber genau deshalb bin ich auch eher der Typ, der eben mehr wirft und hebelt als schlägt und tritt. Hätte ich länger Kickboxen betrieben, würde ich vielleicht Schlag und Tritttechniken bevorzugen. Hätte ich gar nichts vorher gemacht, wer weiß. wo dann meine Spezialität liegen würde.

Und so kommt es halt, dass ich zwar dabei bin, die Kunst zu übernehmen, sie aber gleichzeitig an meine Individualität anpasse und sie schließlich doch nicht mehr ganz die selbe sein wird.

Grüße
Pilger

tsange
29-02-2008, 23:32
sollte es ein persönliches ziel sein, möglichst genau eine/n lehre/r zu "meistern"? oder sollte man auf der grundlage einzelner bzw. verschiedener "lehren", lieber selbst kreieren?


ich glaub, dass du da den karren vor den ochsen spannst und dass die frage, ob du besser einen lehrer oder eine kombination aus mehreren lehrern anpeilen "solltest", sich daraus ergibt, was _dein ganz persönliches_ ziel bzw. deine motivation noch vor der ausführungs- und gestaltungsfrage ist und wie der/die lehrer, den/die du bisher gefunden hast, das gesuchte abdecken.

und diese antwort kann dir niemand ausser dir selbst geben, ebenso wie dir niemand sagen kann, ob und wenn ja wann sich die motivation wandelt und vielleicht anfängt, andere prioritäten zu setzen.

am praktischsten und bequemsten ist es sicherlich, wenn du dich an einen lehrer halten kannst, der den input so genau an deinen jeweils aktuellen stand anpasst, dass dir nie die anregungen ausgehen und du jeweils soviel lernen kannst, wie gerade ohne zwang "in dich hineinpasst". solange die lerngeschwindigkeit ausschliesslich von deiner eigenen aufnahme- und verarbeitungskapazität abhängt, würde ja ein zusätzlicher und verschiedener lehrstoff dann keinen zusätzlichen lernerfolg bringen, sondern auf kosten des laufenden lernprozesses gehen.
das kann natürlich trotzdem für dich richtig sein, wenn die neugier auf vielfalt und der spass am kombinieren, vergleichen, anfühlen, auskennen und austoben für dich spannender ist als das vertiefen von dem, was du begonnen hast. wie gesagt: das kann dir meiner meinung nach nur dein eigener stimmigkeitsdetektor verraten.

rudongshe
01-03-2008, 05:39
Morgen,
mein Lehrer hat zunächst ITCCA gelernt, dann auf die variante Gon Soon Chu umgestellt und zum Schluss noch etwas "John Ding" beigefügt.
Maßgabe waren für ihn Anwendung und möglichst "direktes" laufen.

Insofern hat er gelehrte Varianten zusamengefügt. Dann ist er auf Ip's Laufart umgestiegen und lehrt jetzt konsequent diese Laufart.

Von Ip habe ich gehört, dass er manche Bilder anders hätte machen wollen und von seinem Meister Yang Sau Chung sinngenäß gehört: "An der Langform meines Vaters kann ich nicht rumbasteln. Aber an Waffen- und schneller Form schon." Das haben sie dann auch wohl getan.
Es geht also beides: nachmachen und selbermachen.

Der Innere Lehrer sollte einen beim Üben beraten und auch helfen, unstimmigkeiten aufzudecken.
Der Geheime Lehrer zeichnet sich durch Innovation aus.

Karl-Heinz
01-03-2008, 07:05
hi leute

was meint ihr?

sollte es ein persönliches ziel sein, möglichst genau eine/n lehre/r zu "meistern"? oder sollte man auf der grundlage einzelner bzw. verschiedener "lehren", lieber selbst kreieren?

wo liegen jeweils die "pro´s und contra´s"?


Ich muß Detlef recht geben.

Wenn man Noten kennt ist man noch kein Musiker. Wenn man das ABC kennt ist man noch kein Poet. Wenn man Hammer und Meißel hat ist man noch kein Bildhauer. Wenn man eine Form noch so perfekt laufen kann ist man noch kein Kampfkünstler. Das sind alles nur Grundlagen bzw. Handwerkszeuge.

In der Form lernt man Kraftlinien, Ausrichtung, Möglichkeiten Wirkung zu erzielen usw. kennen. Meiner Meinung nach wird die eigentliche Arbeit ausserhalb der Formen geleistet. Man kann dazu traditionelle Übungen nutzen oder wenn man die Prinzipien verstanden hat beliebige eigene Übungen entwickeln die dem gleichen Zweck dienen.

Natürlich geht man, wenn man im traditionellen Ramen bleiben will immer wieder zu den Grundlagen zurück und übt Tonleitern (Form) spielt Etüden (traditionelle ritualisierte Partnerübungen), aber irgendwann muss man sich auch mal "freischwimmen" oder man bleibt sein Leben lang eine Kopie von einem Meister, dessen körperliche Voraussetzung, Erfahrung usw. man einfach nicht hat. Seine Form ist die Summe von allem was er im Leben jemals erfahren und gelernt hat und seinen vor diesem Hintergrund gewonnen Erkenntnissen. Damit das sklavische Nachahmen Sinn macht müßte man sein Leben nachleben.

Nachtrag: Einigen der alten Meister wird nachgesagt, dass sie jeden Schüler individuell unterrichteten. Das wird wohl seinen Grund gehabt haben.

john_doe
01-03-2008, 09:21
Hallo Hongmen!



(...) "eine linie an die nächste generation weitergeben", kann aber auch ganz schön nach hinten losgehen. (...)

Es wundert mich, daß so überrascht bist/tust, wo es doch eigentlich auf der Hand liegt, daß die Popularisierung einer Kunst (hier der Neijias im Ganzen) einerseits in der großen Menge zu einer "Verflachung" der Inhalte führen kann ("Getretener Quark wird breit - nicht stark" ... :D ), doch andererseits auch dazu, daß es ein deutliches Mehr an engagierten und innovativen "Erneurern" bzw. an sorgsamen und ihrer Aufgabe bewußter "Erhaltern" gibt.

Ich sehe dies als einen lebendigen Prozess an - und den gibt es imho schon seit der Entstehung der ersten "Lineages". Wo käme denn sonst die blühende Vielfalt der Stile und Traditionen her?

Deinen Einwand


(...) schau dir doch mal die "großen" stile an. siehe was aus denen geworden ist! imo, etwas, dass mit den ursprüngen nichts mehr zu tun hat. (...)

kann ich deshalb so nicht nachvollziehen. Und - woher willst Du wissen, wie die "großen" Stile in ihren Ursprüngen tatsächlich ausgesehen haben?

Also, was sorgst Du Dich?


Schöne Grüße,
john_doe

WuWei
01-03-2008, 09:46
Ich gebe zu, ich habe mir nicht alles durchgelesen, möchte aber trotzdem gerne was schreiben.
Ich denke man soll dem Lehrer nichts nach machen, aber seinen Korrekturen vertrauen. Ein Lehrer sollte auf einem ganz anderen Level sein (höher natürlich)
beruht das was er macht auf einer ganz anderen Erfahrungsfülle und kann unter Umständen schädlich für einen selber sein wenn man versucht es 1 zu 1 nach zu machen, es ist ja auch jeder verschieden und dem nach muss das Prinzip dem Körper individuell angepasst werden. Dabei halte ich es allerdings falsch etwas neues zu Kreieren, das entfernt sich dann oft zu weit vom Taiji. Das Prinzip ist meiner Meinung nach gut so wie es ist, da muss man nichts neu Kreieren. Es muss, meiner Meinung nach, nur auf einen selber zugeschnitten werden.

Jochen Wolfgramm
01-03-2008, 09:59
Ich sehe das Ganze als einen langen und sehr defizielen Prozeß.

Zuerst sollte der Schüler, mangels Wissen und Erfahrung, seinem Lehrer alles so genau wie nur möglich nachmachen. Gerade die Art der Bewegung kann hier entscheidend sein. Eigene Interpretationen sind zu diesem zeitpunkt völlig fehl am Platze.

Nach Jahren ist der Schüler, und dies wird sicherlich von einem guten Lehrer erkannt und angemahnt, fähig tiefer zu dringen und die Prinzipien und Bewegungen auf seine Verhältnisse umzusetzen. Er fängt an mit den Prinzipien zu leben, sie zu verstehen.

Nach abermals einer zeit des Lernens und Ergründens ist der Schüler fähig mit seinen Erfahrungen und WIssen aus dem Gelernten evtl. zu arbeiten. Jetzt kann er Dinge zusammenführen und interpretieren. Evtl. sogar neues schaffen.

Ich schreibe bewusst "evtl" da doch viele zu dieser Stufe nie kommen, es leider nur nicht merken! ;)

GilesTCC
01-03-2008, 10:32
Ich sehe das Ganze als einen langen und sehr defizielen Prozeß.

Zuerst sollte der Schüler, mangels Wissen und Erfahrung, seinem Lehrer alles so genau wie nur möglich nachmachen. Gerade die Art der Bewegung kann hier entscheidend sein. Eigene Interpretationen sind zu diesem zeitpunkt völlig fehl am Platze.

Nach Jahren ist der Schüler, und dies wird sicherlich von einem guten Lehrer erkannt und angemahnt, fähig tiefer zu dringen und die Prinzipien und Bewegungen auf seine Verhältnisse umzusetzen. Er fängt an mit den Prinzipien zu leben, sie zu verstehen.

Nach abermals einer zeit des Lernens und Ergründens ist der Schüler fähig mit seinen Erfahrungen und WIssen aus dem Gelernten evtl. zu arbeiten. Jetzt kann er Dinge zusammenführen und interpretieren. Evtl. sogar neues schaffen.

Ich schreibe bewusst "evtl" da doch viele zu dieser Stufe nie kommen, es leider nur nicht merken! ;)


Ich kann Mantis hier voll zustimmen. Karl-Heinz eigentlich auch, aber tendenziell erst nachdem man die Phasen, wie von Mantis beschrieben, erlebt hat. Es gibt ja ein paar echte Naturtalente, die unglaublich schnell Wesentliches lernen können und dann auch ihr eigenes, stimmiges Ding erschaffen (und eventuell auch weitergeben können). Alle Achtung! Aber solche Leute sind selten. Dann gibt es auch Leute, die sich für Naturtalente halten, und nach eher oberflächlichen Erfahrungen mit einem etablierten Disziplin schon ihre eigene Kunst ausüben und propagieren, eventuell mit (Gross)Meister-Etikett dazu. (Es sollte sich keiner hier angesprochen fühlen, das ist eine allgemeine Beobachtung ;)).
Und dann gibt es die ganzen Normalos (fast alle von uns, wir müssen uns nicht dafür schämen :D), die, auch wenn sie fleissig und einigermaßen plietsch trainieren, ihre Zeit brauchen, um gongfu aufzubauen und sich zu entwickeln.

Fast alle Leute mit einem +/- selbstentwickelten Stil, den ich kennengelernt habe, (und alle, die mich wirklich beieindrückt haben), haben betont, man sollte erstmal die Basics lange studieren und damit viele eigene Erfahrungen machen, bevor man sich ganz von anderen Lehrern loslöst.

Freischwimmen ist das Ziel für uns alle, klar :). Aber andererseits, einem anderen Lehrer oder Lehre zu folgen, muss längst nicht bedeuten, daß man dies "sklavisch" tut. "Folgen" mit "Versklavung" oder "nicht mehr eigenständig sein" gleichzusetzen, wäre ein bisschen tendenziös. Man rufe sich das Tai Chi-Symbol vors geiste Auge: eine Farbe kann hier "dem Lehrer folgen" bedeuten und die andere Farbe "selber denken, forschen und entwickeln". In dem entstehenden Kreis ist das kein Widerspruch, sondern eine Synergie.

Schöne Grüsse,

Giles

Karl-Heinz
01-03-2008, 11:01
Freischwimmen ist das Ziel für uns alle, klar :). Aber andererseits, einem anderen Lehrer oder Lehre zu folgen, muss längst nicht bedeuten, daß man dies "sklavisch" tut. "Folgen" mit "Versklavung" oder "nicht mehr eigenständig sein" gleichzusetzen, wäre ein bisschen tendenziös.

Damit keine Missverständnisse aufkommen und Deine Interpretation von "sklavisch" mit meinem Satz oben assoziiert wird. Ich meine damit eine 1:1 Kopie einer Form zu laufen (evtl. lebenslang) die man nicht verstanden hat. Die Form eines Meisters ist das Endergebnis einer langen Entwicklung die zu dieser Form geführt hat. Es gibt viele tolle Formenläufer die Formen bis ins kleinste Detail perfekt laufen aber trotzdem keinerlei IMA Fähigkeiten haben weil sie eben nur das Endergebnis eines langen Entwicklungsprozesses kopieren.

Ab einem Punkt ist ein gewisses Verständnis gefragt und vor allem eigenes Forschen. Das kann einem kein Meister abnehmen. Der kann nur den Weg in die richtige Richtung weisen. Es gibt keinen "Nürnberger Trichter" in der Kampfkunst.

Zudem glaube ich, dass die Effektivität bestimmter Linien nicht in der Form begründet liegt, sondern in den Übungen die dort ausserhalb der Formen gemacht werden.

Last but not least habe ich viele Leute kennengelernt die ich als Meister ihrer jeweiligen Kunst bezeichnen würde und die didaktisch nahezu perfekt unterrichten, aber trotzdem kaum Schüler haben die das Können des Lehrers auch nur ansatzweise spiegeln. Für mich ist das ein klarer Hinweis, dass man IMA nicht konsumierten und/oder einfach nur auf dem Wege der Imitation lernen kann. Man muss schon selbst aktiv forschen, und auch mal Sachen in Frage stellen und andere Wege gehen.

GilesTCC
01-03-2008, 11:15
Hi Karl-Heinz,

danke, so verstehe ich deinen Standpunkt in seinen Nuancen viel besser.
Kann ich auch nicht widersprechen :)

Schöne Grüsse,

Giles

tsange
01-03-2008, 11:18
Nachtrag: Einigen der alten Meister wird nachgesagt, dass sie jeden Schüler individuell unterrichteten. Das wird wohl seinen Grund gehabt haben.

versteh ich jetzt nicht. ist nicht jeder unterricht (außer frontalunterricht in riesengruppen) individuell?

Karl-Heinz
01-03-2008, 11:26
versteh ich jetzt nicht. ist nicht jeder unterricht (außer frontalunterricht in riesengruppen) individuell?

Ich meine das im Sinne eines individuellen Eingehens auf die körperlichen Fähigkeiten, Vorlieben und Veranlagungen des Schülers. So das am Ende dieser Schüler im Ramen des Stils seine ganz persönliche Kampfkunst entwickelt. Die nicht einer angenommenen Norm dieses Stils entsprechen muss.

Ich meine damit nicht das jeder Schüler individuell, angepasst an sein Lerntempo das Gleiche lernt.

tsange
01-03-2008, 12:10
Ich meine das im Sinne eines individuellen Eingehens auf die körperlichen Fähigkeiten, Vorlieben und Veranlagungen des Schülers. So das am Ende dieser Schüler im Ramen des Stils seine ganz persönliche Kampfkunst entwickelt.

ah, ok, danke.
ich dachte naiverweise, dass das immer so sei und gar nicht anders ginge. ogott, da tun sich ja abgründe auf - demnach gibt es (und so, wie ich dich verstehe, gar nicht wenige) schulen, wo das ziel darin besteht, lauter abziehbilder vom kursleiter zu produzieren, der selbst bemüht ist, ein abziehbild des nächsthöherrangigen vorbilds zu sein? wie machen die das mit den aspekten jenseits der reinen form? ich versuche mir gerade vorzustellen, wie das gehen soll, sich als klon in eine so archaisch spirituelle situation wie einen kampf hineinzubegeben, und das nach dem prinzip "malen nach zahlen" hinter sich zu bringen (*blanke panik*).

Drachin
01-03-2008, 13:27
ah, ok, danke.
ich dachte naiverweise, dass das immer so sei und gar nicht anders ginge. ogott, da tun sich ja abgründe auf - demnach gibt es (und so, wie ich dich verstehe, gar nicht wenige) schulen, wo das ziel darin besteht, lauter abziehbilder vom kursleiter zu produzieren, der selbst bemüht ist, ein abziehbild des nächsthöherrangigen vorbilds zu sein?

Nun, es ist ja auch für die Schüler sehr bequem, einfach nachzumachen. Nachdenken kann dazu führen, dass was falsch macht, verwirrt ist und das aushalten muss, und feststellen könnte, dass man was überall in der Form immer falschgemacht hat und jetzt vom erkannten Prinzip her umstellen muss.
Viel bequemer, man orientiert sich am Lehrer, und wird gelobt, weil man ihn möglichst gut nachmacht. Sehr schmeichelhaft für beide Seiten.


ich versuche mir gerade vorzustellen, wie das gehen soll, sich als klon in eine so archaisch spirituelle situation wie einen kampf hineinzubegeben, und das nach dem prinzip "malen nach zahlen" hinter sich zu bringen (*blanke panik*).

Es fördert den Bequemlichkeitsaspekt bei Pushing Hands nicht wirklich, einfach nur den Lehrer zu imitieren. :D Ausserdem kann man es nicht, falls er in dieser Hinsicht was drauf hat.

macabre138
01-03-2008, 13:28
Aus Nachmacher wird nichts. Nicht in der Musik, nicht in der Biologie, nicht in der Philosophie, nich in der Literatur, nirgendwo.

Spieler
02-03-2008, 01:15
Aus reinen Nachmachern nicht, aber die meisten "Großen", haben gute Grundlagen kenntnisse gehabt, auf deren Grundlage die dann Improviesieren, Erneuern, Revolutionieren konnten.
Wie willst zu zum Beispiel ein Theorem in der Physik wiederlegen, ohne es gut zu kennen? Oder in der Philosophie usw. usf.
Ich kann nur etwas als untauglich ablehnen, wenn ich es vorher (kennen)gelernt, ge-/überprüft habe und dann daraus Alternativen / Variationen gebildet habe, die ich als besser empfinde bzw. die sich als praktikabler erweisen.
In der KK ist nur das Problem, dass das dann meistens nicht so allgemeingültig gesagt werden kann, wie in den Naturwissenschaften...

laoshu
02-03-2008, 12:22
Um etwas beurteilen, kritisieren oder sogar positiv verändern zu können, muss man sich zunächst ein fundiertes Grundlagenwissen aneignen. In dieser Phase vertraut man auf das Können des Lehrers als Vorbild, das es möglichst genau nachzuahmen gilt. Ohne Kenntnis der Grundrechenarten kann ich weder beurteilen, ob das Ergebnis richtig oder falsch ist, geschweige denn neue Lösungswege finden. Wenn ich die Grundrechenarten kenne, schaue ich mal nach, was man damit alles anfangen kann. Als Lehrer mit europäischen Wertvorstellungen müsste es mein Ziel sein, den Schüler mit allen erforderlichen Kenntnissen auszustatten, so dass er schließlich meinen eigenen Wissensstand erreicht und, das absolute highlight eines Vollblutlehrers, diesen sogar übertrifft. Du weißt, dass du ein guter Lehrer bist, wenn deine Schüler dich angstfrei und mit fundierten Argumenten kritisieren und du von ihnen noch etwas lernen kannst. Leider gibt es wenige Lehrer, die diesem Idealbild entsprechen. Um selbständige Schüler auszubilden und ertragen zu können, muss man selbst in sich gefestigt sein. Wohl dem, der einen solchen Lehrer erwischt hat. Mein asiatischer Lehrer tut sich ausgesprochen schwer mit Individualität. Dabei muss man sich nur die standardisierten Formen des Yang-Stils in den zahlreichen vids ansehen. Selbst die sehen nicht alle haargenau gleich aus. Welcher Bewegungsablauf ist richtig, welcher falsch? Solange ich nicht gegen die Grundprinzipien des taiji verstoße, warum soll ich meine Hand nicht ein wenig anders führen? Ich persönlich kenne allein vier unterschiedliche Varianten der Kranich-Figur. Ach ja, bevor ich es vergesse: Auch Lehrer machen Fehler. Wahre Meister freuen sich über Schüler, die sie darauf aufmerksam machen.
Liebe Grüsse,
laoshu

GilesTCC
02-03-2008, 12:47
@ Laoshu

:beer:, oder wenn das dein Geschmack nicht trifft, dann: :blume:................;)

Einzige Bemerkgung dazu: ein guter Schüler kann anfangen, mich in manchen Hinsichten zu übertreffen, (und ich auch von ihm zu lernen), ohne das er alles was ich selber kann erstmal völlig beherrscht. Aber das nur nebenbei.

Schöne Grüsse,

Giles

macabre138
02-03-2008, 13:10
Ich schrieb auch nie, dass man keine Grundlagen benötige.

Hongmen
02-03-2008, 22:07
etwas was mich bis heute beschäftigt, ist das warum! warum sind so viele stile entstanden? in der waffenlosen kampfkunst geht es ja im grunde nur um zwei dinge. wie wehre ich mich gegen einen angriff, bzw. wie greife ich am besten an.
aus diesem gedanken heraus, oder aus erfahrungen im kampf, sind dann die zich stile entstanden. und wenn man dann mal in die historie der stile schaut, findet man nur immer eine person, die dahinter steht. also denke ich mir, man muss aus seinen erfahrungen die man mit sich selbst gemacht hat, etwas kreieren.
"du musst das in dir finden, was die meister in sich gefunden haben", hat mein lehrer oft zu mir gesagt.
aber natürlich braucht man jemanden, der einem den "kick" gibt.

hongmen

Jörg B.
03-03-2008, 11:28
Selber machen (i.e. seinen 'eigenen Stil' finden) ist m.E. essentiell, aber ohne vorher etwas nachgemacht zu haben (i.e. vorher in einer definierten Form unterrichtet worden zu sein), wird das IMO nichts.

Im jap. Budo gibt es das Konzept von 'Shu-Ha-Ri', was man in etwa mit "Erhalten/Gehorchen-Frei werden/Aufbrechen-Loslassen/Transzendieren" übersetzen könnte.

Dieser Prozess wird aber nicht nur in den jap. KK angewandt, sondern IMO überall.

Jeder westliche Boxer oder Fechter bekommt die Grundlagen (sozusagen die 'reine Lehre') seiner Kunst auf ziemlich ähnliche Weise beigebracht und wird in der Anfangsphase gehalten, so nahe wie möglich an der Idealform zu bleiben. Mit zunehmendem Können und Verständnis wird aber in seiner Ausführung freier und auch individueller, ohne daß dabei die Wurzel des Ganzen unkenntlich wird.

Ist doch überall das Gleiche.

Hongmen
07-03-2008, 16:05
gibt es so eine art "urknall" in den kampfkünsten?
ich gehe mal davon aus, dass ein systematisches, strategisches und taktisches kämfen sich erst über die generationen entwickelt hat. also, dass erfahrung der ursprung der stile ist. ergo, muss man nicht unbedingt einen stil praktizieren, um dann selbst zu kreieren! so kann zb. ein "straßenschläger aus seiner " kunst" einen stil machen, oder?

gruß
hongmen

tsange
08-03-2008, 03:20
so kann zb. ein "straßenschläger aus seiner " kunst" einen stil machen, oder?


einschub:

gibt es eigentlich in kampfstilangelegenheiten sowas wie patentstreitigkeiten, wie bei technischen erfindungen und betriebssystemen? (jetzt mal abgesehen von kommerziellen verwertungsrechten an irgendwelchen verstorbenen meistern)

ein bedarf an "copyright"-verteidigung scheint ja ausreichend zu bestehen - früher ausschliesslich durch geheimhaltung und sehr selektiver weitergabe, inzwischen durch gemischtere gesichtspunkte.

zurück zum thema:
es spricht wohl nichts dagegen, dass jede/r der/die das gerne möchte, das rad neu erfindet. ich stelle mir das halt ein bissl mühsam vor und bin recht dankbar, von den begabungen, leistungen, erkenntnissen und erfahrungen ganzer generationen profitieren zu dürfen.

angenommen, du wärest in einer gefährlichen weltgegend aufgewachsen und hättest von kindesbeinen an rein instinktiv gelernt, hocheffektiv zu kämpfen. und nun wärest du einer der wenigen, die in dieser umgebung überlebt haben, weil dein kampfinstinkt und deine natürliche begabung dich zu einer vollendeten kampfmaschine ausgebildet hätten. dann wäre das zweifellos dein ureigener kampfstil. aber wäre dieser kampfstil auch lehrbar und reproduzierbar oder bliebe er eine einzelerscheinung, gebunden an deine ganz individuellen körper- und charaktereigenschaften?

ein erfolgreicher straßenkampf zeichnet sich ja weniger durch wunderschöne techniken und verfeinerte lebensphilosophie aus als durch entschlossene, völlig skrupellose brutalität und rücksichtslosigkeit. das grundrezept dabei lautet "bleib immer ein paar millimeter oder zentimeter vom schlag des gegners weg und richte soviel schaden an, wie du nur kannst, sobald er durch seine oder deine aktion noch einen bruchteil einer sekunde mit der aufmerksamkeit desynchronisiert ist".

bluemonkey
09-03-2008, 20:06
einschub:

gibt es eigentlich in kampfstilangelegenheiten sowas wie patentstreitigkeiten, wie bei technischen erfindungen und betriebssystemen? (jetzt mal abgesehen von kommerziellen verwertungsrechten an irgendwelchen verstorbenen meistern)

ein bedarf an "copyright"-verteidigung scheint ja ausreichend zu bestehen - früher ausschliesslich durch geheimhaltung und sehr selektiver weitergabe, inzwischen durch gemischtere gesichtspunkte.



Offensichtlich werden Neuentwicklungen als Trademark eingetragen, da wird es wohl irgendwann auch rechtliche Auseinandersetzungen geben. :D

Drachin
09-03-2008, 20:57
@ Laoshu

:beer:, oder wenn das dein Geschmack nicht trifft, dann: :blume:................;)

Einzige Bemerkgung dazu: ein guter Schüler kann anfangen, mich in manchen Hinsichten zu übertreffen, (und ich auch von ihm zu lernen), ohne das er alles was ich selber kann erstmal völlig beherrscht. Aber das nur nebenbei.

Giles

Kleine Frage. Wonach entscheidest Du denn, ob er in einer Sache die zwar sein aber nicht Dein Hauptinteresse ist, besser ist als Du und Du von ihm lernen kannst, oder er es falsch macht und er Deiner Korrektur bedarf?

Grüße,

Drachin