Folter - ja oder nein? [Archiv] - Kampfkunst-Board

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Vollständige Version anzeigen : Folter - ja oder nein?



graf zahl
12-04-2003, 18:38
Seit einiger Zeit ist eine Diskussion über die Zulässigkeit von Folter im Gange.

Dazu hätte ich ein paar Fragen.

Eigentlich wollte ich eine Umfrage erstellen, aber m.W. läßt das Format keine Mehrfachnennungen zu.

1. Ihr wißt, daß innerhalb weniger Stunden Bombenattentate stattfinden werden, bei denen auch viele Zivilisten sterben werden. Ihr seid Euch sicher, daß jemand, der sich in Eurer Gewalt befindet, Informationen besitzt, die dieses Attentat verhindern können. Er schweigt.
Foltert Ihr?

2. Was, wenn diese Person z.B. eigentlich keine Sympathien mit den Attentätern hat, aber eine Schwester den Aufenthaltsort ihres Bruders -um den es geht- aus persönlicher Sorge um ihn nicht preisgeben will - foltert Ihr sie?

3. Ihr seid der Überzeugung, daß die Aktivitäten einer bestimmten Gruppe nicht innerhalb weniger Stunden, aber langfristig den Menschen, zu denen Ihr gehört, großen Schaden zufügen werden.
Folter ihr, um wichtige Informationen zu erhalten?

4. Foltert Ihr, um die Mitglieder dieser Gruppe durch Demoralisierung von ihrem Tun abzuhalten?

5. Foltert Ihr ihre Familienangehörigen, wenn das der beste Weg ist, um auf sie Druck auszuüben (was vielleicht schwierig sein kann, wenn ihr ihrer nicht habhaft werden könnt oder sonst ihrer Kooperation nicht sicher sein könnt), als Abschreckung für alle anderen?

6. Ihr foltert nie, unter keinen Umständen, auch wenn das den sicheren Tod tausender Unschuldiger bedeutet.

Was macht IHR?
Würde mich interessieren.

Anmerken möchte ich noch, daß Folter über ein paar Schläge hinausgeht.
Im 1. Fall werden bei einem überzeugten Kämpfer ein paar Schläge mit dem Telefonbuch i.d.R. nicht ausreichen.
Es geht darum, den Willen zu brechen.
Im 4. und 5. Szenario geht es gerade um eine nachhaltige Wirkung.

graf zahl
14-04-2003, 12:53
Ist das Thema zu langweilig?
Kann ich kaum glauben.
Zu schwierig?
Oder zu heikel?

Sebastian
14-04-2003, 13:05
mir ists zu heikel, weiss nicht was ich da für eine Position einnehmen soll.

graf zahl
14-04-2003, 13:12
Tja, ist schon ein moralisches Dilemma.
Deshalb ist es ja interessant und deshalb habe ich es so formuliert.

Die faktische Allgegenwart der Folter auf der Welt NUR durch die Bösartigkeit der Menschen zu erklären wäre zu einfach.

Eine Haltung zu solchen Themen zu entwickeln, kann lehrreich sein.

graf zahl
14-04-2003, 20:52
Was ich noch erwähnen wollte:

Die Szenarien sind blutiger Ernst und ich würde sie auch als solche behandeln.

Auch für Szenario 1 gibt es reale Beispiele - nix Kino.

TeleTubbie
14-04-2003, 21:14
Wenn eine Gesellschaft ihren Bürgern bestimmte Rechte und Freiheiten einräumt müssen diese immer und vor allem ohne Ausnahme gelten, auch wenn dies in letzter Konsequenz bedeutet, dass sie sich dadurch selbst zugrunde richtet.
Ließe man Ausnahmen zu hätte dies zur Konsequenz, dass es eine Fülle von Einzelentscheidungen geben würde, die allein der Beliebigkeit des jeweilig Entscheidenden unterliegen.

graf zahl
14-04-2003, 21:36
@Teletubbie:
Tja, ich habe aber nicht gefragt, was Du als weiser abgehobener Gesetzgeber so ganz abstrakt mal festlegst.

Ich habe gefragt was DU konfrontiert mit der REALEN Situation machen würdest.

TeleTubbie
14-04-2003, 21:56
Hi graf zahl,
das kann ich dir nur dann wirklich beantworten wenn ich ganz real und tatsächlich in dieser Situation bin. Solange das nicht der Fall ist bleibt alles nur theoretisches Geschwafel über hätte, würde und könnte...

arnisador
14-04-2003, 22:14
Original geschrieben von TeleTubbie
Solange das nicht der Fall ist bleibt alles nur theoretisches Geschwafel über hätte, würde und könnte...
Sehe ich auch so. Im übrigen ist es ein Unterschied, ob jemand illegalerweise foltert,weil er dies im Augenblick für geboten hält und hinterher dann auch die Folgen seines tuns in Kauf nimmt (Gefängnis), oder ob das ganze gesetzlich erlaubt ist.
Gruß
Martzin

graf zahl
14-04-2003, 22:18
Hallo Teletubbie,
warum habe ich mit genau dieser Antwort gerechnet, nachdem Dein erstes Posting so abstrakt ausfiel...

Was Du in so einer Situation tust, das wirst Du erst dann feststellen, korrekt.
Wie Du auf einen Angriff mit einem Messer reagierst, wirst Du auch erst wissen, wenn und falls Du es überlebt hast.

Aber ich möchte wetten, daß Du Dir schon Deine möglichen realistischen Reaktionen überlegt hast.
Vielleicht sogar möglichst sinnvolle trainiert hast, in der Hoffnung, es möge Dir etwas nutzen - präventiv oder situativ.

Deine Antwort weicht dem moralischen Dilemma aus.


Korrigiere mich, wenn ich mich irre, aber ich lese Deine Antwort als
"Ich hoffe, ich würde es nicht tun, aber ich bin mir nicht so sicher."

graf zahl
14-04-2003, 22:25
Original geschrieben von arnisador
Sehe ich auch so. Im übrigen ist es ein Unterschied, ob jemand illegalerweise foltert,weil er dies im Augenblick für geboten hält und hinterher dann auch die Folgen seines tuns in Kauf nimmt (Gefängnis), oder ob das ganze gesetzlich erlaubt ist.
Gruß
Martzin
Wie darf ich das verstehen?

Du würdest foltern, wenn es Du Deine Interessen für wertvoll genug hältst, dann aber dafür zur Rechenschaft gezogen werden wollen

oder

würdest Du einem Offizier eines Landes, daß sich den betreffenden Konventionen nur eingeschränkt verpflichtet fühlt unter Kriegsrecht bei Bedarf drastische Maßnahmen zubilligen

oder was meinst Du?

EMZET
14-04-2003, 22:56
Folter ist sicherlich moralisch nicht vertretbar aber ich denke in bestimmten Situationen durchaus hilfreich.;) Und wie heisst es so schön? Der Zweck heiligt die Mittel. :rolleyes:



Gruß


EMZET

arnisador
15-04-2003, 09:15
@ graf zahl

Was ich damit meine ist, daß jemand, der es für geboten hält zu Foltern, hinterher auch dafür bestraft wird. Das garantiert, daß man das nicht unbedacht tut, sondern nur dann, wenn eine Ausnahmesituation vorliegt. Dann muß man halt abwägen, was einem wichtiger ist, das Leben der in den von Dir beschriebenen Fällen zu retten oder nicht in den Knast zu gehen.
Gruß
Martin

Michael Kann
22-06-2004, 10:43
Wolfgang Daschner, früherer Vize-Polizeipräsident Frankfurts, muss sich wegen Folterandrohungen gegen den Entführer Jakob von Metzlers vor Gericht verantworten. Das Gericht ließ die Anklage im vollen Umfang zu. Daschner hatte Magnus Gäfgen durch die Androhung von Gewalt zu einer Aussage drängen wollen.

Die Staatsanwaltschaft wirft Daschner die Verleitung zu einer Straftat vor. Er hatte laut Anklage einen Kriminalhauptkommissar angewiesen, Magnus Gäfgen schwere Schmerzen anzudrohen, wenn er nicht den Aufenthaltsort des Jungen preisgebe. Bei einer Verurteilung drohen Daschner maximal fünf Jahre Haft. Die Anklage gegen den 50-jährigen Kriminalhauptkommissar lautet auf schwere Nötigung unter Missbrauch seiner Befugnisse und seiner Stellung als Amtsträger.

Was die Polizisten nicht wussten: Zu diesem Zeitpunkt war Jakob von Metzler bereits tot. Die Ermittler gingen allerdings davon aus, dass der Entführer sein elfjähriges Opfer alleine in einem Versteck zurückgelassen habe und das Kind daher in akuter Lebensgefahr schwebe. Nach der Folterandrohung gab Gäfgen den Ort preis, an dem er die Leiche des Kindes versteckt hatte. Wegen Mordes wurde Gäfgen im Juli 2003 zu lebenslanger Haft verurteilt.

Wegen der Bedeutung des Falls und der Stellung Daschners wurde die Anklage bei einer Großen Strafkammer des Landgerichts erhoben. Aussageerpressung liegt nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht vor; die Polizeibeamten hätten mit der Gewaltandrohung nicht in erster Linie ein Geständnis erreichen, sondern das Kind retten wollen.

Nach Anklageerhebung hatte der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU) Daschner in den Verwaltungsdienst nach Wiesbaden und den Hauptkommissar innerhalb der Frankfurter Polizei versetzt.

Der Prozess vor der 27. Strafkammer findet nicht vor November diesen Jahres statt, wie das Landgericht Frankfurt heute mitteilte.

Tengu
22-06-2004, 10:58
Das Ganze ist wirklich ein heikles Thema. Aber es ist wichtig, sich mal mit dieser Themantik auseinanderzusetzten. Fangen wir wie zivilisierte und teilweise studierte Menschen an und fragen uns nach einer Defintion von Folter:

"Definition von Folter (Anti-Folterkonvention der UN von 1984)

“1. Unter Folter im Sinne dieser Erklärung ist jede Handlung zu verstehen, durch die eine Person von einem Träger staatlicher Gewalt oder auf dessen Veranlassung hin vorsätzlich starke körperliche oder geistig-seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erzwingen, sie zu bestrafen oder sie oder andere Personen einzuschüchtern. Nicht darunter fallen Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich in einem mit den Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen zu vereinbarenden Maß aus gesetzlich zulässigen Zwangsmaßnahmen ergeben, diesen anhaften oder als deren Nebenwirkungen auftreten.

2. Die Folter ist eine verschärfte Form absichtlicher grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe.”


Letzte Aktualisierung dieser Seite: 26. Mai 2001 © amnesty international"


a) Also, wenn ich diese Definition richtig verstehe, dann kann ich die betreffende Person so unter Drogeneinfluß (darf nicht süchtig machen) befragen, daß ich meine Anworten erhalte, sie aber keine Schäden davon trägt.

b) Wenn jemand der Meinung ist, als Privatperson ein bischen herumfoltern zu dürfen, dann irrt er sich. Das ist strafbar!!!

c) Wer die 2. Variante einsetzt, der gehört lebenslang in ein Straflager!

Das sagt schon eigentlich alles aus!!!


Gruß

Tengu

ps.: *tschuldigung* Ich hatte garnicht darauf hingewiesen, wofür ich gevoted hatte. Für NEIN nämlich! Weil, eben die meisten den Unterschied zwischen Befragen und Folter nicht gebacken bekommen!!

Zambo
22-06-2004, 12:33
Wenn es so einfach wäre, wie die Interpretation zu Punkt 1 von Tengu, dann wäre ich einverstanden.
Am Sonsten nicht.
Deutsche Nazis hatten damals auch das Foltern als Polizeiverhörmethode in einigen südamerikanischen Ländern eingeführt.
In Chile gabs sogar eine sehr grosse Folterorganisation, angeführt von einem Deutschen.
Was daraus für ein Dreck geworden ist, sieht man ja.
Die Regierung besteht aus Menschen, und die meisten Menschen sind nunmal korrupt, gleichgültig und noch vieles schlechtes mehr.
Auch wenn in einem extremen Fall viele unschuldige Menschen durch Terroristen getötet werden, wird die Zahl der unschuldig gefolterten Menschen durch den Staat immer grösser sein. Da bin ich mir sicher.
Auch wenn es hart klingt, aber mir ist es lieber, es sterben 100 unschuldige Menschen bei einem Attentat, als dass 1000 Unschuldige gefoltert werden und somit psychisch und physisch bis zum Lebensende gebrandmarkt werden. Abgesehen davon, das die psychischen Folgen nicht nur Auswirkungen auf den Familien- und Bekanntenkreis haben, sondern auch durch Nachwuchs bis zu 3 Generationen weitergegeben werden.
Dem Staat grausames Foltern erlauben: Von mir ein klares NEIN.

Gruss

sumbrada
22-06-2004, 22:09
Ich hab für 6 gestimmt, da die Vergangenheit gezeigt hat, dass die Menschen jede ihnen vom Gesetz gegebenen Möglichkeit des Missbrauchs nutzen.
Dazu muss man sich nur so aufschlussreiche Versuche wie Milgram (http://www.hausarbeiten.de/rd/faecher/hausarbeit/etn/19041.html) oder Stanford (http://www.prisonexp.org/german/slide33g.htm) anschauen.
Die einzige zulässige Frage ist: Wo beginnt Folter?

KindDerNacht
23-06-2004, 20:18
Foltern ist nicht moralisch zu rechtfertigen. Ob ich es tun würde, wenn ich richtig unter Druck stehe weil ich etwas erreichen muß, möglichst schnell um größere Katastrophen zu verhindern, weiß ich nicht. Ich glaube auch nicht, daß das irgendjemand wissen kann. in extemen Situationen handelt man leider manchmal etwas zu exterm.

Kiddie