Der Stille
14-05-2008, 11:42
Hallo!
Habe ich gerade im Netz gefunden!
Über das Üben von Taijiquan
von Yang Chengfu ( 1883 - 1936 )
Obwohl die chinesischen Kampfkünste in viele verschiedene Stile und Fraktionen unterteilt sind, ist es wichtig zu wissen, dass alle Techniken beinhalten, die gewissen philosphischen Prinzipien folgen. Vor uns waren viele, die ihre ganze Lebenskraft investiert haben, ohne die Geheimnisse ausgelotet zu haben. Aber wenn ein Schüler ein Tagewerk investiert, wird er die Früchte eines Tagewerkes ernten. Und im Laufe von Tagen und Monaten, wird sich der Erfolg einstellen.
Taijiquan ist die Kunst der Weichheit, die das Harte umschliesst, ist die Nadel versteckt in der Watte. Die Techniken, Physik und Mechanik sind durchtränkt mit wichtigen philosophischen Prinzipien. Jene, die diese Kunst erlernen wollen, müssen durch verschieden Stufen hindurchgehen, denen sie genügend Zeit widmen müssen. Obwohl die Führung durch einen ausgezeichneten Lehrer und das gewissenhafte Training mit Freunden nicht unterschätzt werden dürfen, ist das Wichtigste das tägliche individuelle Üben. Ohne dieses kann man bis an das Ende der Tage diskutieren, oder ein ganzes Jahr sehnsüchtig daran denken; aber sollte man plötzlich kämpfen müssen, wäre man so ohne Substanz wie ein Taiji Schüler am ersten Tag. Die Ahnen sagten:
Du kannst den ganzen Tag denken, ohne ein Resultat zu sehen - besser ist es, etwas ernsthaft zu studieren.
Wenn du es zustande bringst, jeden Morgen und Abend freudig zu Ueben und dich zu verbessern, wird sich der Erfolg einstellen, ungeachtet ob du jung oder alt, männlich oder weiblich bist.
In letzter Zeit haben sich die Anhänger von Taijiquan über das ganze Land ausgebreitet, und es gibt täglich mehr Schulen - das muss gezwungenerweise die Aussichten der Kriegskünste verbessern. Das heisst, dass die wahren Enthusiasten, also die treuen und ehrlichen Schüler, eine Zukunft ohne Grenzen vor sich haben. An Schülern fehlt es heutzutage wahrlich nicht. Leider gibt es aber zwei Arten von Schülern die Probleme bereiten:
1
- Die Ersten besitzen Talent, sind jung und stark und können analysieren und abstrahieren. Sie sind schlauer als der Durchschnitt. Es ist ein Jammer, dass sie, obwohl sie fast nichts erreicht haben, mit dem Erreichten schon zufrieden sind und aufhören weiter zu lernen. Sie sind nicht fähig, sich auf ein grosses Unterfangen einzulassen.
2
- Die Zweiten sind ungeduldig und wollen schnelle Resultate. Sie haben keine Zeit, sich zu entwickeln. Kaum ist ein ganzes Jahr vergangen, haben sie die Soloform, die Schwertform, die Säbelform und die Speerform erlernt. Zwar sind sie fähig die Bewegungen zu imitieren, aber sie wissen nichts von den inneren Prinzipien. Sobald man ihre Form anschaut nach Richtung und Bewegung, nach oberen und unteren, inneren und äusseren Prinzipien - wird man Unstimmigkeiten finden. Will man die Form verbessern, muss man jede einzelne Stellung korrigieren. Aber Korrekturen, die man bei diesem Typ von Schüler am Morgen gemacht hat, sind am Abend sicher schon vergessen. Daher kommt der Spruch: Boxen zu erlernen ist einfach, boxen zu korrigieren ist schwierig. Dieser Spruch will uns lehren, keine schnellen Resultate zu erwarten.
Wenn die jetzige Generation von Schülern ihr eigenen Fehler nicht erkennt und sie später als Lehrer weitergibt, ist das verheerend für die Kampfkünste.
Wenn man anfängt mit Taiji, muss man zuerst die Soloform erlernen. Die Form erlernen heisst, jede Stellung genau so zu erlernen wie sie der Lehrer vormacht. Der Student muss mit äusserster Konzentration sich jedes Details erinnern, sich dazu Gedanken machen und diese Überlegungen in seine Übungen einfliessen lassen. Das nennt man die Soloform erlernen. Während dieser Zeit soll sich der Student auf die innere, äussere, obere und untere Aspekte konzentrieren.
Für den inneren Aspekt heisst das: man soll Bewusstsein gebrauchen und nicht Kraft. Also soll man unten das Qi zum Dantien sinken lassen und oben ein leichte und ätherische Energie am Scheitel spüren.
Für den äusseren Aspekt heisst das: der ganze Körper soll leicht und gelenkig sein, wie wenn die Gelenke verwoben wären von den Füssen, zu den Beinen zu der Hüfte. Lass also die Schultern hängen, beuge die Ellbogen u.s.w.
Wenn man also Anfänger im Taiji ist, soll man sich diese Sätze jeden Morgen und jeden Abend vergegenwärtigen, sie auswendig lernen, bis man sie intuitiv versteht.
Jeder Stand und jede Armbewegung muss jederzeit analysiert werden. Das Verhalten beim Üben soll es möglich machen, das zu suchen, was richtig ist. Erst wenn man eine Form vollendet hat, soll man zur Nächsten schreiten. So wird man durch das Üben weiterkommen. Wenn man diese Anleitung zum Üben befolgt, so wird sich auch im Laufe der Zeit und bei fortschreitendem Können - trotz Korrekturen der Form - nichts an den inneren Prinzipien ändern.
Wenn man die Form übt, sollen die Gelenke des ganzen Körpers entspannt, offen und natürlich sein.
1: man darf das Qi nicht im Mund oder im Bauch hemmen (blockieren)
2: man darf nicht zulassen, dass sich Kraft in den Gliedern, der Hüfte oder Beinen staut.
Diese beiden Ideen werden von vielen Meistern des Nei Quan (innere Kampfkünste) als wichtig erachtet. Sobald diese Meister sjedoch anfangen sich zu bewegen, den Körper ausdrehen, kicken und boxen, fangen sie an, nach Luft zu schnappen und ihre Körper verlieren die Ruhe. Dies geschieht durch das Anhalten des Atems und die forcierte Kraft in den Bewegungen.
1
Wenn man übt, soll der Kopf nicht geneigt, gebeugt oder sonstwie schräg sein. Das nennt man den Scheitel aufhängen (die Spitze des Kopfes ist aufgehängt). Die Idee ist, dass man ein Objekt auf dem Kopf trägt. Vermeide aber das verspannte Aufgerichtet sein. Das ist die Bedeutung von aufgehängt sein.
Obwohl der Blick nach vorne in die Leere gerichtet ist, und der Körperrotation folgt, spielt er in der Umsetzung gewisser Techniken eine wichtige Rolle und vermag die Unzulänglichkeit des Körpers zu ergänzen.
Der Mund scheint offen zu sein und doch nicht offen, geschlossen und doch nicht geschlossen. Atme natürlich, durch den Mund aus und durch die Nase ein. Wenn sich Speichel bildet, spucke ihn nicht aus, sondern schlucke ihn.
2
Der Körper sollte zentriert und aufrecht sein, vermeide nach vorne zu hängen. Das Rückgrat mit dem weilu (coccyx) hängt ohne Neigung senkrecht nach unten. Aber vor allem Anfänger müssen, wenn sie den Wechsel zwischen Öffnen und Schliessen erfahren, sich auch auf das Halten des Brustkastens (containing the chest), Strecken des Rückens, Hängenlassen der Schultern und die Rotation der Hüfte konzentrieren. Ansonsten wird es nach einer gewissen Zeit sehr schwierig, die Form zu korrigieren, und der Übende wird zu Steifheit neigen. Diese Steifheit würde, auch wenn man sehr fleissig und gewissenhaft übt, verhindern, dass man wirklich profitieren kann.
3
Die Gelenke der Arme sollen locker (song) und offen sein. Die Schultern müssen hängen, die Ellbogen müssen gebeugt, und die Handflächen müssen - mit leicht gebeugten Fingern - leicht gestreckt sein.
Benutze dein Bewusstsein, um die Arme zu bewegen, leite das Qi bis zu den Fingespitzen. Im Lauf der Zeit wird die innere Energie durchdringen und rein werden und die Feinheit wird sich automatisch einstellen.
4
Man muss zwischen dem belasteten und unbelasteten Bein unterscheiden; die Bewegungen der Beine beim Heben und Senken sollen wie die einer Katze sein. Wenn der Körperschwerpunkt sich nach links verlagert, ist das linke Bein belastet und das rechte Bein ist unbelastet (leer).Wenn der Körperschwerpunkt nach rechts verlagert wird, dann ist das rechte Bein belastet und das linke leer. Was wir hier leer nennen, ist nicht im Sinne von "Null" leer. Die Energie ist noch nicht unterbrochen, sondern zurückgenommen und verhalten mit der Absicht zum Wechsel, zum Ausdehnen und zum Anspannen. Was wir belastet oder substantiell nennen, ist einfach kraftvoll und natürlich - ohne übertriebenen Einsatz von Energie; denn diese würde ja bedeuten, ungebändigte Kraft einzusetzen. Daraus folgt, dass sich die Beine gemäss der vertikalen Ausrichtung beugen müssen (das vordere Knie ist auf einer Linie mit den Zehen). Missachtet man dieses Prinzip, so nennt man das übertriebene Kraftanwendung. Bei einem Angriff würde der Körper sein zentriertes Gleichgewicht verlieren.
5
Bei den Füssen muss man zwischen dem Tritt mit dem Aussenrist und dem Fersentritt unterscheiden. Bei dem Ersteren soll man sich auf die Zehen konzentrieren. Beim Fersentritt aber konzentriert man sich auf die ganze Fusssohle. Dort wo die Aufmerksamkeit ist, folgt auch das Qi und das Jin (Sehnenkraft) muss unweigerlich nachfolgen. Aber die Gelenke müssen entspannt (song), offen, fein und durchlässig für Energie sein. Während des Kickens ist es sehr leicht, im Körper verkrampfte Energie anzusammeln. Passiert das, dreht sich der Körper auf eine instabile Weise und der Kick wird nicht kraftvoll sein.
Die Taijiquan-Übungen beginnen mit der Solo-Form, danach kommen Push-Hands, Einzelhand, zirkulär, feste Schrittfolge, aktive Schrittfolge, Dalu (grosses Ziehen) und Sanshou (freies Kämpfen). Dann folgen die zusätzlichen Formen wie Schwert, Säbel, Speer und so weiter.
Man sollte jeden Tag nach dem Aufstehen zwei mal die Form üben. Wenn sich am Morgen keine Zeit findet, dann soll zwei mal vor dem zu Bett gehen geübt werden. Während des Tages sollte man sieben bis acht mal üben, mindestens aber einmal. Man sollte aber nicht nach der Einnahme von Alkohol oder unmittelbar nach einem Essen üben.
Der Ort an dem man übt, zum Beispiel ein Hof, Garten oder ein grosses Zimmer sollte über eine gute Durchlüftung und angenehmes Licht verfügen. Schlecht sind Durchzug und Orte, die kalt, feucht und muffig sind. Da die Atmung sich während des Übens vertieft, können Durchzug und Feuchtigkeit den Körper und damit die inneren Organe ungünstig beeinflussen.
Die Kleider, in denen man übt, sollen einfach geschnitten sein. Die Schuhe sollen breit sein und den Zehen genug Platz lassen. Wenn man beim Üben geschwitzt hat, soll man den Körper nicht der Kälte aussetzen oder sich mit kaltem Wasser waschen, denn sonst wird man krank.
Diktiert von Yang Chengfu
Aufgeschrieben von Zhang Hongkui
Englisch von Lous Swaim
aus dem Englischen von Urs Luggen editiert von Birgit Kulhoff
aus: Fu Zhongwen: Mastering Yang-Style Taijiquan
North Atlantic Books, Berkeley ISBN 1-55643-318-2
Habe ich gerade im Netz gefunden!
Über das Üben von Taijiquan
von Yang Chengfu ( 1883 - 1936 )
Obwohl die chinesischen Kampfkünste in viele verschiedene Stile und Fraktionen unterteilt sind, ist es wichtig zu wissen, dass alle Techniken beinhalten, die gewissen philosphischen Prinzipien folgen. Vor uns waren viele, die ihre ganze Lebenskraft investiert haben, ohne die Geheimnisse ausgelotet zu haben. Aber wenn ein Schüler ein Tagewerk investiert, wird er die Früchte eines Tagewerkes ernten. Und im Laufe von Tagen und Monaten, wird sich der Erfolg einstellen.
Taijiquan ist die Kunst der Weichheit, die das Harte umschliesst, ist die Nadel versteckt in der Watte. Die Techniken, Physik und Mechanik sind durchtränkt mit wichtigen philosophischen Prinzipien. Jene, die diese Kunst erlernen wollen, müssen durch verschieden Stufen hindurchgehen, denen sie genügend Zeit widmen müssen. Obwohl die Führung durch einen ausgezeichneten Lehrer und das gewissenhafte Training mit Freunden nicht unterschätzt werden dürfen, ist das Wichtigste das tägliche individuelle Üben. Ohne dieses kann man bis an das Ende der Tage diskutieren, oder ein ganzes Jahr sehnsüchtig daran denken; aber sollte man plötzlich kämpfen müssen, wäre man so ohne Substanz wie ein Taiji Schüler am ersten Tag. Die Ahnen sagten:
Du kannst den ganzen Tag denken, ohne ein Resultat zu sehen - besser ist es, etwas ernsthaft zu studieren.
Wenn du es zustande bringst, jeden Morgen und Abend freudig zu Ueben und dich zu verbessern, wird sich der Erfolg einstellen, ungeachtet ob du jung oder alt, männlich oder weiblich bist.
In letzter Zeit haben sich die Anhänger von Taijiquan über das ganze Land ausgebreitet, und es gibt täglich mehr Schulen - das muss gezwungenerweise die Aussichten der Kriegskünste verbessern. Das heisst, dass die wahren Enthusiasten, also die treuen und ehrlichen Schüler, eine Zukunft ohne Grenzen vor sich haben. An Schülern fehlt es heutzutage wahrlich nicht. Leider gibt es aber zwei Arten von Schülern die Probleme bereiten:
1
- Die Ersten besitzen Talent, sind jung und stark und können analysieren und abstrahieren. Sie sind schlauer als der Durchschnitt. Es ist ein Jammer, dass sie, obwohl sie fast nichts erreicht haben, mit dem Erreichten schon zufrieden sind und aufhören weiter zu lernen. Sie sind nicht fähig, sich auf ein grosses Unterfangen einzulassen.
2
- Die Zweiten sind ungeduldig und wollen schnelle Resultate. Sie haben keine Zeit, sich zu entwickeln. Kaum ist ein ganzes Jahr vergangen, haben sie die Soloform, die Schwertform, die Säbelform und die Speerform erlernt. Zwar sind sie fähig die Bewegungen zu imitieren, aber sie wissen nichts von den inneren Prinzipien. Sobald man ihre Form anschaut nach Richtung und Bewegung, nach oberen und unteren, inneren und äusseren Prinzipien - wird man Unstimmigkeiten finden. Will man die Form verbessern, muss man jede einzelne Stellung korrigieren. Aber Korrekturen, die man bei diesem Typ von Schüler am Morgen gemacht hat, sind am Abend sicher schon vergessen. Daher kommt der Spruch: Boxen zu erlernen ist einfach, boxen zu korrigieren ist schwierig. Dieser Spruch will uns lehren, keine schnellen Resultate zu erwarten.
Wenn die jetzige Generation von Schülern ihr eigenen Fehler nicht erkennt und sie später als Lehrer weitergibt, ist das verheerend für die Kampfkünste.
Wenn man anfängt mit Taiji, muss man zuerst die Soloform erlernen. Die Form erlernen heisst, jede Stellung genau so zu erlernen wie sie der Lehrer vormacht. Der Student muss mit äusserster Konzentration sich jedes Details erinnern, sich dazu Gedanken machen und diese Überlegungen in seine Übungen einfliessen lassen. Das nennt man die Soloform erlernen. Während dieser Zeit soll sich der Student auf die innere, äussere, obere und untere Aspekte konzentrieren.
Für den inneren Aspekt heisst das: man soll Bewusstsein gebrauchen und nicht Kraft. Also soll man unten das Qi zum Dantien sinken lassen und oben ein leichte und ätherische Energie am Scheitel spüren.
Für den äusseren Aspekt heisst das: der ganze Körper soll leicht und gelenkig sein, wie wenn die Gelenke verwoben wären von den Füssen, zu den Beinen zu der Hüfte. Lass also die Schultern hängen, beuge die Ellbogen u.s.w.
Wenn man also Anfänger im Taiji ist, soll man sich diese Sätze jeden Morgen und jeden Abend vergegenwärtigen, sie auswendig lernen, bis man sie intuitiv versteht.
Jeder Stand und jede Armbewegung muss jederzeit analysiert werden. Das Verhalten beim Üben soll es möglich machen, das zu suchen, was richtig ist. Erst wenn man eine Form vollendet hat, soll man zur Nächsten schreiten. So wird man durch das Üben weiterkommen. Wenn man diese Anleitung zum Üben befolgt, so wird sich auch im Laufe der Zeit und bei fortschreitendem Können - trotz Korrekturen der Form - nichts an den inneren Prinzipien ändern.
Wenn man die Form übt, sollen die Gelenke des ganzen Körpers entspannt, offen und natürlich sein.
1: man darf das Qi nicht im Mund oder im Bauch hemmen (blockieren)
2: man darf nicht zulassen, dass sich Kraft in den Gliedern, der Hüfte oder Beinen staut.
Diese beiden Ideen werden von vielen Meistern des Nei Quan (innere Kampfkünste) als wichtig erachtet. Sobald diese Meister sjedoch anfangen sich zu bewegen, den Körper ausdrehen, kicken und boxen, fangen sie an, nach Luft zu schnappen und ihre Körper verlieren die Ruhe. Dies geschieht durch das Anhalten des Atems und die forcierte Kraft in den Bewegungen.
1
Wenn man übt, soll der Kopf nicht geneigt, gebeugt oder sonstwie schräg sein. Das nennt man den Scheitel aufhängen (die Spitze des Kopfes ist aufgehängt). Die Idee ist, dass man ein Objekt auf dem Kopf trägt. Vermeide aber das verspannte Aufgerichtet sein. Das ist die Bedeutung von aufgehängt sein.
Obwohl der Blick nach vorne in die Leere gerichtet ist, und der Körperrotation folgt, spielt er in der Umsetzung gewisser Techniken eine wichtige Rolle und vermag die Unzulänglichkeit des Körpers zu ergänzen.
Der Mund scheint offen zu sein und doch nicht offen, geschlossen und doch nicht geschlossen. Atme natürlich, durch den Mund aus und durch die Nase ein. Wenn sich Speichel bildet, spucke ihn nicht aus, sondern schlucke ihn.
2
Der Körper sollte zentriert und aufrecht sein, vermeide nach vorne zu hängen. Das Rückgrat mit dem weilu (coccyx) hängt ohne Neigung senkrecht nach unten. Aber vor allem Anfänger müssen, wenn sie den Wechsel zwischen Öffnen und Schliessen erfahren, sich auch auf das Halten des Brustkastens (containing the chest), Strecken des Rückens, Hängenlassen der Schultern und die Rotation der Hüfte konzentrieren. Ansonsten wird es nach einer gewissen Zeit sehr schwierig, die Form zu korrigieren, und der Übende wird zu Steifheit neigen. Diese Steifheit würde, auch wenn man sehr fleissig und gewissenhaft übt, verhindern, dass man wirklich profitieren kann.
3
Die Gelenke der Arme sollen locker (song) und offen sein. Die Schultern müssen hängen, die Ellbogen müssen gebeugt, und die Handflächen müssen - mit leicht gebeugten Fingern - leicht gestreckt sein.
Benutze dein Bewusstsein, um die Arme zu bewegen, leite das Qi bis zu den Fingespitzen. Im Lauf der Zeit wird die innere Energie durchdringen und rein werden und die Feinheit wird sich automatisch einstellen.
4
Man muss zwischen dem belasteten und unbelasteten Bein unterscheiden; die Bewegungen der Beine beim Heben und Senken sollen wie die einer Katze sein. Wenn der Körperschwerpunkt sich nach links verlagert, ist das linke Bein belastet und das rechte Bein ist unbelastet (leer).Wenn der Körperschwerpunkt nach rechts verlagert wird, dann ist das rechte Bein belastet und das linke leer. Was wir hier leer nennen, ist nicht im Sinne von "Null" leer. Die Energie ist noch nicht unterbrochen, sondern zurückgenommen und verhalten mit der Absicht zum Wechsel, zum Ausdehnen und zum Anspannen. Was wir belastet oder substantiell nennen, ist einfach kraftvoll und natürlich - ohne übertriebenen Einsatz von Energie; denn diese würde ja bedeuten, ungebändigte Kraft einzusetzen. Daraus folgt, dass sich die Beine gemäss der vertikalen Ausrichtung beugen müssen (das vordere Knie ist auf einer Linie mit den Zehen). Missachtet man dieses Prinzip, so nennt man das übertriebene Kraftanwendung. Bei einem Angriff würde der Körper sein zentriertes Gleichgewicht verlieren.
5
Bei den Füssen muss man zwischen dem Tritt mit dem Aussenrist und dem Fersentritt unterscheiden. Bei dem Ersteren soll man sich auf die Zehen konzentrieren. Beim Fersentritt aber konzentriert man sich auf die ganze Fusssohle. Dort wo die Aufmerksamkeit ist, folgt auch das Qi und das Jin (Sehnenkraft) muss unweigerlich nachfolgen. Aber die Gelenke müssen entspannt (song), offen, fein und durchlässig für Energie sein. Während des Kickens ist es sehr leicht, im Körper verkrampfte Energie anzusammeln. Passiert das, dreht sich der Körper auf eine instabile Weise und der Kick wird nicht kraftvoll sein.
Die Taijiquan-Übungen beginnen mit der Solo-Form, danach kommen Push-Hands, Einzelhand, zirkulär, feste Schrittfolge, aktive Schrittfolge, Dalu (grosses Ziehen) und Sanshou (freies Kämpfen). Dann folgen die zusätzlichen Formen wie Schwert, Säbel, Speer und so weiter.
Man sollte jeden Tag nach dem Aufstehen zwei mal die Form üben. Wenn sich am Morgen keine Zeit findet, dann soll zwei mal vor dem zu Bett gehen geübt werden. Während des Tages sollte man sieben bis acht mal üben, mindestens aber einmal. Man sollte aber nicht nach der Einnahme von Alkohol oder unmittelbar nach einem Essen üben.
Der Ort an dem man übt, zum Beispiel ein Hof, Garten oder ein grosses Zimmer sollte über eine gute Durchlüftung und angenehmes Licht verfügen. Schlecht sind Durchzug und Orte, die kalt, feucht und muffig sind. Da die Atmung sich während des Übens vertieft, können Durchzug und Feuchtigkeit den Körper und damit die inneren Organe ungünstig beeinflussen.
Die Kleider, in denen man übt, sollen einfach geschnitten sein. Die Schuhe sollen breit sein und den Zehen genug Platz lassen. Wenn man beim Üben geschwitzt hat, soll man den Körper nicht der Kälte aussetzen oder sich mit kaltem Wasser waschen, denn sonst wird man krank.
Diktiert von Yang Chengfu
Aufgeschrieben von Zhang Hongkui
Englisch von Lous Swaim
aus dem Englischen von Urs Luggen editiert von Birgit Kulhoff
aus: Fu Zhongwen: Mastering Yang-Style Taijiquan
North Atlantic Books, Berkeley ISBN 1-55643-318-2