Vollständige Version anzeigen : Kempo <-> Karate?
Sebastian
19-05-2003, 19:52
Hi,
es gibt ja Kempo Karate,
was ist nun der Unterschied, bzw. was sind die Unterschiede zwischen Okinawas Kempo und dem heutigen Karate-Do ?
Grüße
KK
Kempo, die japanische Schreibweise für Quanfa (in beiden Sprachen "Methode der Faust") waren eigentlich chinesische Kampfmethoden, die von Handelsreisenden, Priestern, Emigranten usw. nach Okinawa gebracht wurden. Bis der Einfluss der Japaner (Meiji-Periode) wuchs, pflegten die Okinawaer (schreibt man die so?) eine intensive Beziehung zu den Chinesen. Mit dem japanischen Einfluss begannen sich die Kampfmethoden stärker zu verändern, man wurde "nationalistischer" und man wollte etwas eigenes. Elemente wurden aus den Systemen herausgenommen, anderes vereinfacht oder "begradigt". Alles wurde irgendwie direkter, nicht so verspielt, wie die Chinesen. Ähnliche Entwicklungen findet man in vielen Dingen, wie zum Beispiel der Architektur oder der Kunst.
Irgendwann (lt. diverser Bücher im 19 Jh.) etablierte sich nebenher der Begriff Karate, allerdings wurden (und werden) beide Begriffe parallel verwendet. "Kara" "Te" ... diese beiden Worte, die heute mit "Leere Hand" übersetzt werden, bedeuteten ursprünglich "Chinesische Hand". Erst Funakoshi kam auf die die Idee, ein anderes Schriftzeichen zu wählen, das genauso ausgesprochen wurde. So wurde aus Kara = Chinesisch dann das Kara = Leer, das man aber auch als Ku = Himmel lesen kann. Japanisch muss ne ziemlich umfangreiche Sprache sein ...
Kempo-Karate ist ein Zwitter aus dem okinawischen Karate und dem chin. Quanfa, sozusagen ein Schritt in die Vergangenheit. Im Gegensatz dazu identifizieren sich die meisten Kempo-Stile (egal, ob Europa, Hawaii, Amerika oder sogar Japan und Okinawa) eher mit dem Karate, als mit dem Quanfa. Naja, keine Ahnung, warum. Man sollte die Wurzeln nicht "verleugnen". Ich selbst habe ewig gebraucht, um die Wurzeln meines Kempostiles heraus zu finden, aber das Wissen um die Geschichte macht immer auch ein bisschen Stolz - man ist sozusagen ein Teil der Geschichte.
Gruß
Dirk
Sebastian
19-05-2003, 21:35
Danke für die umfassende Information :)
Hallo!
Es gibt noch andere Deutungsmöglichkeiten.
Anfang bis Mitte des 10. Jahrunderts lebten Chinesen in Japan die dort unterrichteten. Zur Unterscheidung wurde dies Kenpo genannt. So ist z.B. Inyo Ryu Kenpo Karate entstanden. Der Meister des Gründers war ein Chinese, der ein sogenanntes Juji? Kenpo lehrte. Dies verband der Inyo Ryu Gründer Hirayama mit Karate.
Das heutzutage der Begriff Kenpo häufiger benutzt wird, ist wohl eher Mode. Klingt vielleicht cooler.
Michael Kann
27-05-2003, 11:49
Hmmmm ... ich denke, dass sich Kenpo deshalb als Begriff durchgesetzt hat, weil es in Amerika sehr populär ist und in Europa nur die wenigsten wissen, dass es Kenpo/Kempo gibt!
Gruß
Mike
Dann gibt es ja noch Linds Shotokan Kempo Karate, dass er als rückbesinnung auf das originale Okinawa-Te verstanden haben möchte.
mfg,
Luggage
Goshinsatori
28-05-2003, 07:51
Hi,
ja, das MÖCHTE er, aber ich sehe das etwas anders.
Okinawa-Kempo ist etwas besonderes und man findet es heute in Europa nur selten vor. W. Lind nimmt Shotokan, modifiziert es und nennt es dann Shotokan-Kempo-Karate.
Naja.. ich möchte damit niemanden angreifen, aber richtig ist das IMHO nicht. Wo sind die Prinzipien des Kempo wie Keil-Prinzip, Gleichzeitigkeit etc....???
Wo ist die Abhärtung der Faust und des Körpers ??Diese Art des Kempo ist viel zu statisch und unflexibel, gibt aber eine sehr gute Basis her
Ich habe diese Dinge noch auf keinem Video des BSK gesehen.
Ich denke, W. Lind hat die richtigen ansätze, interpretiert die Dinge aber falsch.
Michael Kann
28-05-2003, 08:35
Original geschrieben von Goshinsatori
Hi,
ja, das MÖCHTE er, aber ich sehe das etwas anders.
Okinawa-Kempo ist etwas besonderes und man findet es heute in Europa nur selten vor. W. Lind nimmt Shotokan, modifiziert es und nennt es dann Shotokan-Kempo-Karate.
Naja.. ich möchte damit niemanden angreifen, aber richtig ist das IMHO nicht. Wo sind die Prinzipien des Kempo wie Keil-Prinzip, Gleichzeitigkeit etc....???
Wo ist die Abhärtung der Faust und des Körpers ??Diese Art des Kempo ist viel zu statisch und unflexibel, gibt aber eine sehr gute Basis her
Ich habe diese Dinge noch auf keinem Video des BSK gesehen.
Ich denke, W. Lind hat die richtigen ansätze, interpretiert die Dinge aber falsch.
mmmmmmhhhhh ... ist dies nicht bei allem eine Frage der Interpretation? Wenn mir MEINE Interpretation besser gefällt, da sie zu MIR besser paßt, als die Interpretation des ANDEREN, ist deshalb meine Interpretation RICHTIG?
Gruß
Mike
Hallo Mike,
ich denke Deine Interpretation ist richtig wenn.
1.) Du mit Deiner Interpretation eine SV-Situation auf Leben und Tod überlebst und
2.) Du Dir im Training keinen körperlichen Schaden (Gelenke, ...) zufügst.
Ansonsten ist ALLES Interpretationssache.
Tschüssi
Ike
Goshinsatori
28-05-2003, 09:44
HI,
ja, natürlich, wann ist eine Interpretation richtig und wann falsch, das kann keiner sagen.
Aber ich habe ja schließlich auch zwei Beispiele gebracht, was Hr. Lind falsch macht. Abgesehen davon, daß die ART und WEISE der statischen Bewegungen so auf Okinawa nie unterrichtet wurde und auch heute nicht wird.
Hallo Goshinsatori,
warst Du schon mal auf Okinawa - wie trainiert man denn dort so?
Äußerungen wie: "wann ist eine Interpretation richtig und wann falsch, das kann keiner sagen"
passen nicht zu: "was Hr. Lind falsch macht"
Auch ein Herr Lind hat klipp und klar das Recht, die traditionellen Kampfkünste in seiner Art und Weise zu interpretieren.
Tschüssi
Ike
Goshinsatori
28-05-2003, 10:06
HI,
ich selbst war nicht auf Okinawa, aber mein Lehrer und zwar viele JAHRE !
Das hat aber alles nichts mit dem Thema zu tun.
Jeder hat das recht seine Meinung zu sagen, aber man wird wohl kritisieren können und dürfen. Denn dazu ist das BOARD da.
Hr. LIND mach das meiner Meinung nach FALSCH. Wenn ihr anderer Meinung seit, ok, dann begründet das aber bitte und Thematisiert hier nicht INTERPRETATION sondern kommt zum eigentlichen THEMA und schreibt doch mal EURE Meinung !:rolleyes:
Michael Kann
28-05-2003, 10:09
Hey Jungs, locker bleiben ...
Mich hat nur interessiert wie das mit dem interpretieren und dem richtig und falsch ist! Daran scheiden sich bekanntlich, und das haben wir hier gemerkt, die Geister!
Meine Frage hat sich geklärt ... Danke!
Gruß
Mike
Das einzige, was ich mit Bestimmtheit über Hr. Lind sagen kann, ist: Mit wachsendem Bekanntheitsgrad sinkt seine Kritikfähigkeit. Aber ich glaube, das trifft auf sehr viele Meister zu, die ihre Kunst vorrangig kommerziell betreiben. Leider.
@Goshinsatori: Wenn er seinen Stil als Rückbesinnung verstanden haben will, ist das nicht gleichbedeutend mit: "Ich mache eigentlich Okinawa-Te und nenne es nur anders". Heutzutage findet man ja eine vergleichbare Analogie in der Modewelt: Styles der 60er, 70er oder 80er Jahre werden adaptiert - aber nicht kopiert. Die heutigen Schlaghosen, die sich an den 60ern orientieren, weisen modernere und bessere Materialien sowie bequemere Schnitte auf, die dem Stand der heutigen Zeit entsprechen. Das ist eine Rückbesinnung im Sinne des Fortschrittes.
Gruß
Dirk
Michael Kann
28-05-2003, 10:23
Original geschrieben von Bokuto
Kempo, die japanische Schreibweise für Quanfa (in beiden Sprachen "Methode der Faust")
Hi Dirk, dachte immer es hätte ursprünglich "die chinesische Hand" geheißen oder die "chinesische Methode sich mit blanken Händen zu Verteidigen"? Dies würde sich ja u.a. auch mit anderen Stilblüten wie Tang Soo Do (korea.) und Tang Shou Dao (chin.) decken! Oder wie siehst Du das?
Original geschrieben von Bokuto
[B] Im Gegensatz dazu identifizieren sich die meisten Kempo-Stile (egal, ob Europa, Hawaii, Amerika oder sogar Japan und Okinawa) eher mit dem Karate, als mit dem Quanfa. Naja, keine Ahnung, warum. Man sollte die Wurzeln nicht "verleugnen". Ich selbst habe ewig gebraucht, um die Wurzeln meines Kempostiles heraus zu finden, aber das Wissen um die Geschichte macht immer auch ein bisschen Stolz - man ist sozusagen ein Teil der Geschichte.
Den Grund dafür hast Du schon benannt, Nationalstolz der Japaner und eine tiefe Abneigung gegen China! Dies komischerweise, denn wie die Schrift aufzeigt waren diese Völker vermutlich mal ein Volk! Sprachlich hat man sich auseinanderentwickelt, doch das lesen der Schrift ist beiden fast im vollen Umfang (lt. einem jap. Stundenten der öfter China bereist) möglich! Dafür spricht auch, dass nach der Überlieferung die Urbevölkerung Japans von Siedlern die über das Meer kamen verdrängt und eigentlich ausgerottet wurden!
Gruß
Mike
Hallo Goshinsatori,
"ich selbst war nicht auf Okinawa, aber mein Lehrer und zwar viele JAHRE !"
Die Frage bleibt: Wie trainiert man denn dort so?
"Hr. LIND mach das meiner Meinung nach FALSCH. Wenn ihr anderer Meinung seit, ok, dann begründet das aber bitte und Thematisiert hier nicht INTERPRETATION sondern kommt zum eigentlichen THEMA und schreibt doch mal EURE Meinung !"
Wenn Herr Lind das Okinawa-Te FALSCH interpretiert, dann würde das heißen, an Deinen zwei Beispielen:
JEDER, der Okinawa-Te betreibt, benutzt außschließlich das Keil-Prinzip.
JEDER, der Okinwaa-Te betreibt, bentzt außschließlich das Gleichzeitigkeitsprinzip.
Falls - und wirklich nur falls, ich war noch nie auf Okinawa - es Okinawa-Te Stile gibt, die davon abweichen, dann interpretiert Lind NICHT falsch.
Im Übrigen glaube ich, dass auf den Begriff Kempo zu sehr herumgeritten wird. Es sind sich ja nun alle einig, dass es ein Modebegriff ist, der darauf hinweisen soll, dass hier Traditionalisten am Werk sind.
Tschüssi
Ike
Hallo Bokuto,
"Das einzige, was ich mit Bestimmtheit über Hr. Lind sagen kann, ist: Mit wachsendem Bekanntheitsgrad sinkt seine Kritikfähigkeit. Aber ich glaube, das trifft auf sehr viele Meister zu, die ihre Kunst vorrangig kommerziell betreiben. Leider."
Das ist leider wahr - aber auch begründbar.
Mit steigendem Bekanntheitsgrad wird man einfach immer häufiger angegriffen - und häufig genug zu Unrecht.
Irgendwann platzt jedem mal der Kragen. Wünschenswert wäre natürlich die Einstellung: "Kratzt mich alles nicht."
Andererseits wird das wiederum als Schwäche interpretiert. Dumme Falle - so oder so.
Tschüssi
Ike
Hi Mike,
Kempo und Quanfa sind identisch in der Schreibweise und mit der Bedeutung (in etwa "Methode der Faust"). Du würfelst jetzt gerade meine Aussage zu Karate mit der Aussage zu Kempo durcheinander. Karate bedeutete früher tatsächlich "Chinesische Hand", aber man schrieb es nicht mit den Kanji für Quanfa/Kempo. Darüber hinaus haben, und das meinst du jetzt sicher, die Okinawaer und die Japaner das Wort Kempo ursprünglich mit unterschiedlichen Bedeutungen besetzt. Kann sein, dass man in Okinawa tatsächlich "Chin. Faust" meinte (wenn ja, dann auf jeden Fall "Faust", nicht "Hand").
Was die Stilblüten betrifft: Vielleicht ist es so ähnlich, wie mit dem Kempo. Also per Definition Quanfa-Stile, die ins Ausland wanderten, und sich dort veränderten. Richtung Japan, Okinawa, Amerika und Europa sagte man Kempo dazu, Richtung Malaysia und Indonesien hiessen diese Stile Kuntao. Wer weiss, vielleicht haben die Koreaner auch ein eigenes Wort dafür ...
Gruß
Dirk
Michael Kann
28-05-2003, 11:04
@Dirk ... danke! Woher beziehst Du Deine Infos?
@Ike
Original geschrieben von CeKaVau
Im Übrigen glaube ich, dass auf den Begriff Kempo zu sehr herumgeritten wird. Es sind sich ja nun alle einig, dass es ein Modebegriff ist, der darauf hinweisen soll, dass hier Traditionalisten am Werk sind.
Nö! Wieso sind sich alle einig? Für mich ist Kempo keinesfalls ein Modebegriff! Sicherlich gibt es einige, die gern mit dem Kempo werben weil er dem was sie tun einen "historischen" Anstrich gibt! Dies macht sich im Marketing gut, Motto "gibt es schon ewig, also muß es gut sein!"
Gruß
Mike
@Mike: Gute Frage, konkret kann ich dir das nicht beantworten. Insgesamt ist es ein Stückwerk aus Quellen verschiedenen Ursprunges (Internet, div. Bücher, Lind's Lexikon, Gespräche, ...). Da, wo ich die meisten Übereinstimmungen finde, denke ich, dass man der Wahrheit am nächsten kommt. Aber manchmal liege ich da auch falsch und verbreite aus Versehen Klischees oder falsche Überlieferungen weiter.
Gruß
Dirk
Michael Kann
28-05-2003, 11:53
Wer nicht ;) Menschlich!
Gruß
Mike
Ich sehe das Karate des BSK so, dass hier versucht wird, einzelne 'moderne' Elemente aus dem Karate wieder zu entfernen und durch Elemente zu ersetzen, die man sich in 'älteren' Stilen abgeschaut hat. Für mich hat dies daher nichts mit 'traditionellem' oder ursprünglichem Karate zu tun, wie dies von Seiten des BSK propagiert wird. Ich würde die Karateinterpretation des BSK an sich allerdings nie als falsch bezeichnen (selbst wenn ich bei einzelnen Sachfragen durchaus anderer Meinung bin).
An sich ist die Verwendung des Namens Shotokan für mich auch ein Indiz dafür, dass es sich hier nicht um 'traditionelles' Okinawa Karate sondern um 'modernes' Karate im Sinne Itosus und Funakoshis handeln soll...
Okinawa Kempo selbst ist meines Wissens außerdem ein eigener Stil und keineswegs mit Okinawa Karate (Te) zu verwechseln (oder liege ich da falsch?)...
Goshinsatori
03-06-2003, 10:13
HI,
ich denke nicht, daß Okinawa-Kempo und Okinawa-Karate unterschiedle Stile sind.
Ich denke, Okinawa-Kempo ist wesentlich älter. Das wurde zu einer Zeit auf Okinawa unterrichtet, als es noch Familiensysteme waren, bzw. nur dem Adel vorbehalten war.
Im Goshin-Ryu-Kempo z.B. wurde immer nur der erstgeborene Sohn des Fürsten unterrichtet.
Okinawa-Te ist wohl eine Art Nachfolger des Okinawa-Kempo, bzw. die neuere Variante....
Michael Kann
05-06-2003, 07:44
Ich bin davon überzeugt, dass keiner der heute praktizierten Stile noch dem Original gleicht!
Gruß
Mike
Goshinsatori
05-06-2003, 08:21
HI,
woher nimmst du diese Überzeugung ???
Michael Kann
05-06-2003, 08:29
Schreib sie mir mal auf und wir begutäugeln sie ein wenig!
Gruß
Mike
@Goshinsatori
Meine Frage kam daher, dass ich den Ausdruck 'Okinawa Kempo' bislang nicht kannte und daher ein wenig im Internet surfte. Dort stieß ich auf einen gleichnamigen Stil der 1953 von Nakamura Shigeru (1895-1969) gegründet wurde. Die Bezeichnung Kempo wurde und wird meines Wissens primär für Stile verwendet, die mit hiermit auf ihre chinesische Herkunft hinweisen wollen.
Der Ausdruck Okinawa Te ist mir selbstverständlich sehr wohl geläufig als Sammelbegriff für Shuri Te, Naha Te und Tomari Te, wobei ich mir natürlich die Frage stelle, ob es sich hierbei um technisch eigenständige Stile handelt oder ob hiermit lediglich eine geographische Einteilung gemacht wird. Dass es für diese Stile eine Vorläufer-Kampfkunst namens Okinawa Kempo gegeben haben soll, habe ich jedenfalls noch nie gehört...
Michael Kann
12-09-2004, 13:28
Bitte hier nur noch zum Thema Kempo weiter schreiben ...
vBulletin v4.2.5, Copyright ©2000-2025, Jelsoft Enterprises Ltd.