Vollständige Version anzeigen : KS/KK und Charakterschulung
Dr. Fighter
29-11-2008, 12:44
Hin und wieder wird im Anfänger-Forum nach KK/KS gefragt, die den Charakter schulen. Meiner Meinung nach gibt es das nicht. Wenn überhaupt, hat der Trainer Einfluss darauf, indem er z. B. Schläger toleriert oder nicht.
Ich denke, es ist eher so, dass man sich eine KK/KS bzw. eine Schule sucht, die zum eigenen Charakter passt.
Wie seht ihr das? Gibt es KK/KS die den Charakter grundsätzlich mehr/besser formen als andere?
N Taichigroßmeister kann dir in den Wu Dang Bergen total rational und nur Anwendungsbezogen, Tai Chi beibringen, wärend der gewöhnliche Boxtrainer vom Dorfverein, dich zu einem besseren Menschen machen kann.
Hängt imho vom Trainer ab.
Jede Tätigkeit, die man über eine gewisse Zeit ausübt, bzw jede Umgebung, der man sich dauerhaft aussetzt, formen den Menschen. Wir sind ein offenes System, dass sich im Fluss im Austausch mit der Umgebung befindet. Wir sammeln Erfahrungen und lassen uns prägen, nur so kann der Mensch flexibel genug sein, um mit den sich verändernden Bedingungen umgehen zu können. Das gilt in besonderem Maße für soziale Bedingungen, wobei der Mensch empfänglicher ist, desto jünger er ist.
Natürlich prägen auch Kampfkünste. Das ist aber ein extrem komplexes Prägegefüge, das sich nicht auf einen Leitsatz herunterbrechen läßt, wie etwa "durch Karate wird man zwangsweise so und so", keine einfache Wenn-Dann-Gleichung.
Prägung geschieht auf Basis genetischer Grundlagen, in Wechselwirkung mit vorhergehenden Erfahrungen, bzw entsprechenden Anpassungen. So empfindet ein traumatisiertes Gewaltopfer ein und das selbe Muay-Thai-Training anders, als jemand behüteter vorgeprägtes.
Die Komponenten sind also neben der eigenen Vorprägung (Erfahrungen, Angewohnheiten, Denkweise, Neigungen) der Trainer und alle beteiligten Personen im besonderen, die Art des Trainings und natürlich die Inhalte. So zieht jeder etwas anderes aus seinem Training. Das ist aber eben auch durch die Vorprägung prädestiniert, weshalb sich gewisse Gemüter eher im Aikido einfinden und andere eher im Thaiboxen. Teilnehmer ersterer Richtung bringen meist ein anderes Mindset mit, als letztere, lassen sich auch anders durch das Training beeinflussen. So formt nicht nur Kampfkunst die Übenden, sondern ist ein gemeinsamer Nenner, der nach vorher bestehenden Attributen zusammenführt und abgrenzt. Dadurch mag auch der Eindruck entstehen, man würde so und so durch einen Sport, dabei muss aber unterschieden werden, ob man so wurde, oder ob man bereits so war, und deshalb den Sport auszuüben begann und dabei blieb. Vllt katalysierte die Ausübung dann noch bereits vorhandene Anlagen. Hierbei kann dann aber weniger die Rede von Charakterschule durch das System sein, als vielmehr von eigeninduzierter Charakterentwicklung auf Basis eines vorgefassten Mindsets.
Kampfkunst stellt damit mit seinen formenden Elementen vielmehr einen Katalysator als einen Generator im eigentlichen Sinne dar. Bestehendes wird ausgebaut, nicht erzeugt.
Allerdings gilt dies für eine Welt, in der man sich seinen Weg freiwillig sucht, bzw zu einer Tätigkeit durch Umstände gebracht wird, die einen auch so schon entsprechend geprägt haben (so wird jemand, dessen Eltern ihn in Training zwingen, durch das Training in einer Weise geformt, die er ohnehin schon zur Grundlage seines Wesens machen musste, nämlich das strenge Regime der Eltern, dass sich durch Zwangssituationen prägend auswirkt).
Kampfkunst ist etwas, das man sich sucht, aufgrund und durch die Brille vorher festgelegter Determinanten. Die Entwicklung in der Kunst geschieht dann auch stets in Wechselwirkung mit diesen Determinanten.
Ein Beispiel ist, wie sich verschiedene Menschen in derselben Situation verhalten und entwickeln, etwa das Hereinbrechen eines Krieges. Manche gehen unter, weil ihre Determinanten keine Entwicklung zulassen, die hier tauglich zum Überleben wären. Sie zerbrechen an der psychischen Marter oder entwickeln schlicht keine tauglichen Überlebensstrategien (Hamstermentalität, Networking, Kopf-unten-halten etc). Der einbrechende Umstand ist ein Selektionswerkzeug, das zwar in hohem Maße katalysiert, was in den Menschen bereits angelegt ist, aber nichts neues generiert und jene aussiebt, die nicht die passenden Determinanten mitbringen. Generierend wirkt der Umstand nur für eine Generation die weitestgehend ohne eigene Determinanten in ihn hineingeboren werden ("Kriegskinder"), für diese wird gerade dieser Umstand zur späteren Determinante, zusammen mit anderen, auch genetisch angelegten.
Um den Bogen auf's Thema zu schlagen: Ein Anfänger, der nach einer Charakterschule fragt, bringt höchstwahrscheinlich die Demterminanten mit, die es braucht, um sich in Systemen entwicklen und entfalten zu können, denen eine Charakterschule nachgesagt wird. Es wird nichts erzeugt werden, aber durch das Mindset, dass sie mitbringen, werden sie für sich von bestimmten Praktiken und Haltungen profitieren. Es ist keine einfache Wenn-Dann-Gleichung, wie sie es sich vorstellen, es wird aber dennoch funktionieren.
Natürlich sind starke Persönlichkeiten immer prägend, der Trainer hat eine gute Position, um eine solche Persönlichkeit sein zu können. Das kommt zu allem noch hinzu. Andere Faktoren, die je nach Mindset wirken, sind das Erleben von Gemeinschaft in der Gruppe, uU Disziplin, Unterordnung, Respekt, Verantwortungsgefühl usw. Diese Faktoren wirken nicht auf jeden gleich, aber sie sind gebündelt und in bestimmter Ausprägung in bestimmten Schulen bestimmter Stilrichtung zu finden. Wer also ein Mindset mitbringt, dass in bestimmter Weise auf alles reagiert, was man zB typischer Weise in einem Karate-Dojo findet, der findet hier wiederum eine Charakterschule in eine bestimmte Richtung.
Dr. Fighter
29-11-2008, 13:31
...
:ups: :halbyeaha Dem kann ich nur noch zustimmen.
Killer Joghurt
29-11-2008, 14:54
jede form von übung und ständigen wiederholungen trägt zur charakterbildung bei...
ich habe mit "ja" gestimmt-sonst hätte ich wohl den falschen job:cool:
im judo-system ist die festigung des charakters ein wesentlicher bestandteil.
in sehr vielen anderen kk auch.;)
im judo-system ist die festigung des charakters ein wesentlicher bestandteil.
in sehr vielen anderen kk auch.;)
Und wie genau geschieht das? Wird einfach der Charakter gefestigt, den man vorher hat - ein Mörder wird ein gefestigter Mörder? Oder wird jeder auf ein bestimmtes Ziel hin ausgerichtet, sozusagen charakterlich normiert? Und wodurch genau wird das bewirkt?
vielleicht auch ganz nett zu lesen...
http://www.kampfkunst-board.info/forum/f7/charakterschule-karate-59804/?highlight=charakterschule
Quereinsteiger
29-11-2008, 16:25
Mir kommt vor, dass Sportler - auch speziell die KK-Sportler - recht unterschiedliche Charaktere haben. Das heiß aber nicht, dass KK keinen Einfluß auf den Charakter hat, sondern nur, dass die seine Prägung auf verschiedene "vorgegebene" psychische Konstitutionen unterschiedliche Ergebnisse bringt...
Ich habe für "Sport allegemein formt den Charakter" gestimmt, weil mir vorkommt, dass ALLE ernsthaft trainierenden Sportler einige gemeinsamen Charakterzüge entwickeln: Disziplin, Zielstrebigkeit, Fähigkeit zum bewußten Verzicht (Essen, Fortgehen, was auch immer, wenn`s für den Erfolg wichtig wird), sehr gute Zeiteinteilung, hohe Schmerztoleranz und trotzdem ein "sorgsamer" Umgang mit eigenem Körper...
Ob Sport oder insb. KK zu einem guten, moralisch einwandfreien Menschen macht, glaube ich nicht. - Es gibt leider immer wieder "Exemplare", die ihre Sportfähigkeiten dann zum Bösen verwenden. Gott sei Dank, - recht selten, aber doch.
Erstma Klasse Beitrag von Luggage :)
Ansonsten denke ich das jede Kampfsportart und Kampfkunst Disziplin erfodert und diese wirkt sich sehr positiv auf den Charakter eines Menschen aus.
Der Trainer ist wie gesagt sehr wichtig, weil er praktisch ein Verfechter dieser Disziplin ist.
Sonst sehe ich in den asiatischen Kampfkünsten mehr Raum für philosophische Themen, die sich auch stark auf den Charakter auswirken, aber das ist nur meine bescheidene Meinung.
Dr. Fighter
29-11-2008, 17:16
vielleicht auch ganz nett zu lesen...
http://www.kampfkunst-board.info/forum/f7/charakterschule-karate-59804/?highlight=charakterschule
Man kann auch übertreiben. Was im Anfangspost beschrieben wird, ist für mich eher Erniedrigung als Charakterschule.
Ausserdem machen da einige den Fehler, Höflichkeit mit einem guten Charakter gleichzusetzen. Jedes ********* kann brav "Osu!" sagen.
Faktoren, die für mich einen guten Charakter ausmachen:
-Ehrlichkeit und Loyalität gegenüber einem wohlgesinnten Personen
-Offenheit und Höflichkeit Unbekannten gegenüber, sofern man nicht davon ausgehen kann, dass die Person einem feindlich gesinnt ist
-Niemandem schaden, weil es einem Vorteile einbringt (Feinde ausgenommen)
-Niemandem aus Schadenfreude schaden (Feinde ausgenommen)
-Niemanden ohne sehr guten Grund als Feind betrachten.
-Alles das, was ich hier vergessen habe. :D
Also ich würde sagen, das spezielle Kampfkünste (z.B. Aikido, Wushu) den Charakter anders schulen als z.B Boxen oder Kickboxen. Generell würde ich sagen muss man dabei klar zwischen Kampfkunst und Kampfsport differenzieren, weil diese andere Ziele verfolgen und deshalb auch andere Schulungsmethoden anwenden.
Und wie genau geschieht das? Wird einfach der Charakter gefestigt, den man vorher hat - ein Mörder wird ein gefestigter Mörder? Oder wird jeder auf ein bestimmtes Ziel hin ausgerichtet, sozusagen charakterlich normiert? Und wodurch genau wird das bewirkt?
hallo luggage,
ich beantworte deine fragen mal mit einem kleinen zitat,weil ich es selbst nicht besser formulieren könnte:
"Judo ist nicht ausschließlich ein Weg der Leibesertüchtigung, sondern darüber hinaus auch eine Philosophie zur Persönlichkeitsentwicklung. Zwei philosophische Grundprinzipien liegen dem Judo im Wesentlichen zugrunde. Zum einen das gegenseitige Helfen und Verstehen zum beiderseitigen Fortschritt und Wohlergehen (jita-kyoei) und zum anderen der bestmögliche Einsatz von Körper und Geist (sei-ryoku-zenyo)."
quelle: wikipedia
ich finde mich hier als kk und trainer ganz gut wieder.
ich glaube an die freiheit und an die möglichkeit jedes menschen,sich zum guten zu entwickeln- DO
dazu bemühe ich mich,meinen bescheidenen beitrag zu leisten.:)
Killer Joghurt
29-11-2008, 17:26
Man kann auch übertreiben. Was im Anfangspost beschrieben wird, ist für mich eher Erniedrigung als Charakterschule.
ist ein interessanter punkt, kommt aber eher auf dem typen an als dass man eine pauschale aussage treffen könnte.
Saarbrigga
29-11-2008, 17:36
Sport vermittelt Fairness (zumindest sollte das so sein). Daher stimm ich für Nr. 4.
Dr. Fighter
29-11-2008, 17:47
Sport vermittelt Fairness (zumindest sollte das so sein). Daher stimm ich für Nr. 4.
DAS ist nun wirklich stark vom Trainer abhängig. :D
shenmen2
29-11-2008, 18:02
Ja, Kampfkunst und -sport ist geeignet, den Charakter zu beeinflussen. Die Art und Weise, wie man mit sich, seinem Körper und den Mittrainierenden umgeht, hat dabei mehr Einfluß als irgendein Geschwafel des Trainers. Jemand der 5x pro Woche Boxen trainiert, wird andere Seiten in sich entwickeln, als wenn er 5x Taijiquan trainieren würde.
ich beantworte deine fragen mal mit einem kleinen zitat,weil ich es selbst nicht besser formulieren könnte:
"Judo ist nicht ausschließlich ein Weg der Leibesertüchtigung, sondern darüber hinaus auch eine Philosophie zur Persönlichkeitsentwicklung. Zwei philosophische Grundprinzipien liegen dem Judo im Wesentlichen zugrunde. Zum einen das gegenseitige Helfen und Verstehen zum beiderseitigen Fortschritt und Wohlergehen (jita-kyoei) und zum anderen der bestmögliche Einsatz von Körper und Geist (sei-ryoku-zenyo)."
quelle: wikipedia
Abgesehen von japanischer Terminologie - wo ist der Unterschied zum Fußball?
ich finde mich hier als kk und trainer ganz gut wieder.
ich glaube an die freiheit und an die möglichkeit jedes menschen,sich zum guten zu entwickeln- DO
dazu bemühe ich mich,meinen bescheidenen beitrag zu leisten.:)
An deinem persönlichen Engagement will ich garnicht rütteln - aber was genau passiert denn jetzt wodurch mit dem Charakter im Judo? Und wo führt das hin, wird jeder gleich am Ende? Wo ist der Unterschied zu anderen Sportarten?
Übrigens fällt mir da was zum Judo ein, weil meine Freundin 15 Jahre Wettkampfjudo auf dem Buckel hat und da die eine oder andere Geschichte zur Fairness und Charakterschule von dem Ganzen auf Lager hat, was hierzu passt:
Sport vermittelt Fairness (zumindest sollte das so sein). Daher stimm ich für Nr. 4.
Gerade im Leistungssport, womit ich Sport meine, bei dem es auf das Ergebnis ankommt (Sieg, Punkte), nicht unbedingt auf das Niveau abstelle, bleibt Fairness in aller Regel auf der Strecke, wenn auch vollmundig ständig davon geredet wird. Tiefschläge im Kickboxen sind keineswegs so ungewollt, sie schwächen den Gegner nachhaltig. Im Thaiboxen wird gezielt in die Knie, anstatt auf die Oberschenkel getreten um den Gegner zu behindern. Im Judo, besonders unter Frauen, wird massiv mit Absicht an den Haaren gezogen und auch sonst immer dann unfair gehandelt, wenn es der Richter nicht sieht, oder es die Regeln nur dehnt. Idealisten haben in der Regel keine lange Karriere vor sich, weil sie im Wettkampf einfach auf Vorteile verzichten, die sie mit Können ausgleichen müssen. Bei gleichem Können kommt man weiter, wenn man unfair handelt (und es versteht, sich nicht erwischen zu lassen). So ist das nunmal, wenn man anfängt sich objektiven Bewertungsmaßstäben zu unterwerfen - wo der Leistungssport anfängt, enden Ideale, genauso wie die Gesundheit.
Dr. Fighter
30-11-2008, 13:45
wo der Leistungssport anfängt, enden Ideale, genauso wie die Gesundheit.
Schön gesagt.
Tja, man nehme nur mal den bröckelnden Anstrich im Radsport - es ist immer alles erlaubt, solange es nur niemand laut ausspricht... Tatsächlich wollen die Athleten sicher garnicht dopen, aber es geht eben nicht anders, weil der Konkurrenzdruck es nicht zuläßt. Sowas entwickelt schnell eine unangenehme Eigendynamik.
Dr. Fighter
30-11-2008, 14:55
Tja, man nehme nur mal den bröckelnden Anstrich im Radsport - es ist immer alles erlaubt, solange es nur niemand laut ausspricht... Tatsächlich wollen die Athleten sicher garnicht dopen, aber es geht eben nicht anders, weil der Konkurrenzdruck es nicht zuläßt. Sowas entwickelt schnell eine unangenehme Eigendynamik.
Ich habe etwas im Hinterkopf, dass ein Sportler mal die legalisierung von Doping gefordert hat, weil es Langzeitschäden vermindern kann.
Was hälst du davon? Eigentlich wird das Dopen ja mit vielen Spätfolgen des Sportes in Verbindung gebracht.
Andererseits würde z. B. mehr Muskelmasse sicher die Gelenke schützen, oder?
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