Wo liegen die Unterschiede im Vergleich von Systema und Krav Maga? [Archiv] - Kampfkunst-Board

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Vollständige Version anzeigen : Wo liegen die Unterschiede im Vergleich von Systema und Krav Maga?



Danni
28-05-2003, 04:25
Halllo ich weiß nicht wirklich ob ich hier nochmal eine Frage zu einem anderen Systemvergleich stellen darf?

Krav Maga, es boomt, es wird gesagt es ist realistisch und praxisbezogen in vieler Hinsicht werden die gleichen Vorteile wie beim Systema genannt.



Nun meine Frage, was meint ihr dazu, habt Ihr Erfahrungen mit den beiden Kampfarten und wo liegen da die Unterschiede?

Israelischer militärischer Nahkampf / russischer Mil.Nahkampf !!

Danke Euch wenn ihr trotzdem antwortet und verzeiht bitte auch wenn es nicht zur überschrift paßt.
:)

Andreas Weitzel
28-05-2003, 08:14
Hallo, Danni,

ich selbst habe noch nie KM trainiert, kann also wenig bis gar nichts zu technischen Unterschieden sagen. Was die Ursprünge und die geschichtliche Entwicklung angeht, so gibt es große Unterschiede zwischen den beiden Kampfkünsten.

KM ist eine KK, die erst in der zweiten Hälftte des 20. Jh. vorwiegend von einem Mann entwickelt wurde. Und zwar aus Elementen vieler verschidenen Stilrichtungen.

Dagegen ist Systema eine selbständige KK mit der eigenen philosophischen und religiösen Basis, die seit Jahrhunderten von vielen Kriegergenerationen entwickelt wurde. Sie beinhaltet u.a. Heilkunst, Gesundheits- und Rehabilitationsgymnastik, Atemschule, Schwert-/Säbelkampf etc.

Gruß
Andreas

Dr. Ralf
28-05-2003, 14:32
Hallo zusammen,


KM ist eine KK, die erst in der zweiten Hälftte des 20. Jh. vorwiegend von einem Mann entwickelt wurde. Und zwar aus Elementen vieler verschidenen Stilrichtungen.

sagen wir lieber mal sie wurde zunächst von einem Mann entwickelt und dann auf der Basis realer Erfahrungen von mehreren israelischen KM Instruktoren weiterentwickelt. Das System steht auch heute noch auf dem Prüfstand und wird immer dann modifiziert, wenn man zu dem Schluss kommt, dass es eine noch bessere Lösung für ein Problem gibt.
KM /M ist in der Tat ein modernes SV System, dessen oberste Priorität die Effektivität ist. Es handelt sich bei KM/M übrigens nicht um ein Militärisches Nahkampfsystem, sondern um ein SV System, welches auch den Bereich des Militärischen Nahkampfs abdeckt.
Tatsächlich enthält KM/M Elemente wie sie auch in vielen anderen Systemen vorzufinden sind. Ein wesentlicher Punkt des KM/M ist aber das Einbeziehen und Berücksichtigen natürlicher Reaktionen in die SV.

D.h. Effekte wie das Zurückzucken wenn man z.B. im letzen Moment etwas auf sein Gesicht zufliegen sieht werden im KM/M als gegeben und als Startreaktionen für weitere Aktionen verwendet. Man versucht also nicht etwas wegzutrainieren, was sich gerade in Bezug auf spontane Aggressionen gar nicht wegtrainieren lässt. D.h. intuitive Reaktionen werden in das System integriert und im Gegensatz zu manch anderen Kampfkünsten (meine natürlich nicht Systema) erfolgt eine Anpassung des Systems auf die einzelne Person und nicht das zwanghafte Hineinzwängen der Person in ein System.

Ich kann mich zu Systema selbst nicht äußern, aber aus dem was ich bisher gelesen und gesehen habe, würde ich z.B. einen Unterschied festmachen wollen (Andreas kann es ja korrigieren, wenn ich mich in Bezug auf Systema hier vertan habe)
Im Systema versucht man durch geeignetes Training den Menschen in die Lage zu versetzen eine SV Situation locker und stressfrei zu überstehen.
Im KMM dagegen geht man davon aus, dass Stress unvermeidlich ist und schult die Leute trotz Stressfaktoren das Richtige zu tun.
Gruß Ralf

munter eingeschenkt
28-05-2003, 14:39
Hey Ralf,
klar lässt sich Zurückzucken wegtrainieren genauso wie der Reflex des Augenschließens. Man muss nur wissen wie :D

Dr. Ralf
28-05-2003, 14:54
Original geschrieben von munter eingeschenkt
Hey Ralf,
klar lässt sich Zurückzucken wegtrainieren genauso wie der Reflex des Augenschließens. Man muss nur wissen wie :D
Also wenn man den Lidschlussreflex so raustrainieren kann, dass er in einer spontanen SV Situation tatsächlich nicht auftritt, dann wünsch ich dir viel Spaß, wenn eine Mücke, Staubkorn, Steinchen usw. in Richtung Auge fliegt?
Macht es Sinn etwas abzutrainieren was uns die Evolution nicht umsonst mitgegeben hat? Was das Zurückzucken angeht so hat auch dieses scheinbar einen evolutionären Vorteil und es gibt durchaus Berichte in denen genau diese Reaktion schon Leben gerettet hat.
Die Frage ist also eher, ob es sinnvoll ist solche Reaktionen wegzutrainieren. Eine weitere Frage ist, ob das, was sich in einem Duellkampf willentlich steuern lässt, auch dann noch so toll funktioniert, wenn man plötzlich und überraschend einem Angriff ausgesetzt ist oder wenn man aus irgendwelchen Gründen (Alkohol oder Übelkeit) etwas indisponiert ist.
Gruß Ralf

munter eingeschenkt
28-05-2003, 15:12
Ich halte es für absolut sinnvoll! Ob es funktioniert oder nicht, ist letztendlich eine Frage der Verinnerlichung. Wer nichts sieht, kann auch nicht zielgerichtet kämpfen, schon gar nicht wenn Waffen im Spiel sind. Aber Du hast recht: das mit den Insekten ist schon ein bisschen nervíg ;) Ich glaube eher, dass Deine Ansicht aus dem KM deswegen dort propagiert wird, weil man üblicherweise nicht genug Zeit hat (z.B. in der Armee) Jedermann so genau wie möglich zu trainieren. Daraus jedoch den Schluss zu ziehen, dass man´s gar nicht trainiert und sich auf natürliche Reflexe verlässt, die so gut wie immer defensiven Charakter haben und das Problem nicht lösen, ist meiner Meinung nach ein dicker Fehler im System.

Wie steht´s damit im Systema?

Dr. Ralf
28-05-2003, 15:28
Original geschrieben von munter eingeschenkt
Ich halte es für absolut sinnvoll! Ob es funktioniert oder nicht, ist letztendlich eine Frage der Verinnerlichung. Wer nichts sieht, kann auch nicht zielgerichtet kämpfen, schon gar nicht wenn Waffen im Spiel sind. Aber Du hast recht: das mit den Insekten ist schon ein bisschen nervíg ;) Ich glaube eher, dass Deine Ansicht aus dem KM deswegen dort propagiert wird, weil man üblicherweise nicht genug Zeit hat (z.B. in der Armee) Jedermann so genau wie möglich zu trainieren. Daraus jedoch den Schluss zu ziehen, dass man´s gar nicht trainiert und sich auf natürliche Reflexe verlässt, die so gut wie immer defensiven Charakter haben und das Problem nicht lösen, ist meiner Meinung nach ein dicker Fehler im System.


Nun da sind wir beide unterschiedlicher Meinung. Natürliche Aktionen sind die schnellsten auf die man zurückgreifen kann, weil sie intuitiv sind und in manchen Fällen sogar auf Reflexe zurückgreifen, sie zu nutzen anstatt durch etwas langsamere antrainierte Reaktionen zu ersetzen muss nicht unbedingt was schlechtes sein. KM/M greift allerdings auch deshalb auf diese Reaktionen zurück weil den Israelis die Versagensrate bei den Leuten die schon jahrelang Kampfkünste gelernt haben und meinten diese Sachen perfekt heraustrainiert zu haben im realen Einsatz einfach zu hoch war. Was du also als Fehler ansiehst bezeichnen andere als Vorteil.
Wie gesagt dies sind andere Erfahrungen als die deinen und wir werden hier auf keine gemeinsamen Nenner kommen. Belassen wir es dabei, dass jeder seinen Standpunkt vertreten hat.
Gruß Ralf

Dr. Ralf
28-05-2003, 15:35
[i]........ Daraus jedoch den Schluss zu ziehen, dass man´s gar nicht trainiert und sich auf natürliche Reflexe verlässt, die so gut wie immer defensiven Charakter haben und das Problem nicht lösen, ist meiner Meinung nach ein dicker Fehler im System.

[/B]
Sorry ich hab noch was vergessen. Hast du jemals eine SV Situation gehabt in der dir jemand versucht hat Sand in die Augen zu schmeißen bevor er angreift, oder ein Getränk ins Gesicht zu schütten.
Ich war in einer solchen Situation dankbar für meinen Lidschlussreflex. Aber das ist ja auch SV und nicht Duellkampf gell.
Gruß Ralf

munter eingeschenkt
28-05-2003, 15:36
Ja war ich schon :) Und weil ich´s gesehen habe, konnte ich mich noch rechtzeitig zielgerichtet bewegen und dann bewusst die Augen schließen als das Zeug fast da war.

OK, wie Du meinst, belassen wir es dabei :)

Dr. Ralf
28-05-2003, 15:50
Dann muss es sich aber um einen lahmen Angriff mit massiver Vorankündigung gehandelt haben (schon alleine aus Reaktionszeitgründen). :D
Gruß Ralf

munter eingeschenkt
28-05-2003, 16:46
Einen :confused: ??? Tausende ... ;)

Clark
28-05-2003, 19:16
Hallo Dr. Ralf, Hallo Munter Eingeschenkt,

gibt es das tatsächlich, Kampfkünste welche die naürlichen
Reflexe wegtrainieren?

Gruß Clark

munter eingeschenkt
28-05-2003, 20:05
Hey Clark,
das hat weniger etwas mit der KK zu tun als vielmehr mit der Methode. Ein Beispiel: Boxer trainieren sich häufig den Reflex ab, kurz die Augen zu schließen, wenn ein Schlag angeflogen kommt. Denn jedes Mal, wenn Du kurz die Augen schließt, weißt Du einen Moment lang nicht wo Du bist, wo Dein Gegner ist, wo Du hinschlägst und wo Dein Gegner hinschlägt. Deswegen sollte man sich Mühe geben, diesen Reflex abzutrainieren. Bei manchen geht das schnell, bei anderen dauert es länger. Ich halte es für sinnvoll, Ralf z.T. eher nicht. Er geht dabei von einem Unterschied zw. Duellkampf aus (also mit Vorwarnzeit und Vorbereitung) und überraschendem Angriff aus, für mich macht das keinen Unterschied. Abtrainiert ist abtrainiert. Aber nun denn, ich kann keine Untersuchungen anführen, die meine Erfahrung stützen. Hör Dich einfach bei anderen um und bild Dir eine eigene Meinung.

Dr. Ralf
30-05-2003, 09:09
Original geschrieben von Clark
Hallo Dr. Ralf, Hallo Munter Eingeschenkt,

gibt es das tatsächlich, Kampfkünste welche die naürlichen
Reflexe wegtrainieren?

Gruß Clark
Hallo Clark,
es gibt natürliche Reaktionen die sinnvoll sind und es gibt natürliche Reaktionen die weniger sinnvoll sind, bzw. von jemandem der sie kennt ausgenutzt werden können.
Nehmen wir z.B. den besagten Lidschlussreflex. Ein Reflex ist eine Reaktion die angeboren ist. D.h. dieser ist vorhanden ohne trainiert worden zu sein. Er hat durchaus seinen Sinn und zwar den, das Auge vor Schaden zu bewahren. In einem Kampf verursacht dieser Reflex allerdings eine gewisse (sehr geringe) Todzeit, die evtl. durch einen Gegner z.B. mit Finten ausgenutzt werden kann.
Deshalb kamen Kampfsportler bzw. Kampfkünstler auf den Gedanken, sich diesen Reflex abzutrainieren. Manche behaupten auch, dass sie dies geschafft haben. Wie sieht es aber tatsächlich aus. Der Reflex wurde nicht abtrainiert, sondern er wird willentlich unterdrückt. D.h. wenn man sich darauf konzentriert, kann man den Reflex unterdrücken. Hierbei entsteht aber auch ein Problem. Wenn man sich darauf verlässt, z.B. in der Kampftaktik, dass der Reflex unterdrückt ist, dann hat man ein Problem, wenn eben genau dies nicht gelingt. Dies ist in den allermeisten Fällen genau dann der Fall, wenn man vollkommen überraschend in eine SV Situation gerät, oder wenn man durch irgendeine Ursache nicht konzentriert bei der Sache ist (z.B. Alkohol oder aber auch aufgrund von Schlagwirkung durch Treffer des Gegners). D.h. genau dann, wenn man sowieso schon massiv Probleme hat, versagen die Mechanismen auf welche man sich verlässt.
Der Ansatz von Krav Maga ist nun nicht zu sagen, dass das Abtrainieren dieser Reflexe absolut sinnlos ist, sondern zu sagen du musst auch agieren können, wenn diese Reflexe auftreten. Hier ein Beispiel: Wenn ein Mensch z.B. nichts ahnend aus einem Haus herauskommt und eine Faust kommt auf sein Gesicht zu, dann reagiert er (sofern er überhaupt noch reagiert) mit hoher Wahrscheinlichkeit so, dass er mit dem angegriffenen Bereich (Kopf) zurückzuckt und die Hände als Barriere zwischen den angegriffenen Bereich und die Gefahr hochreißt. Nach der Erfahrung der Israelis passiert dies selbst Leuten die über Jahrzehnte in Kampfsportarten oder Kampfkünsten ganz andere Bewegungsmuster eintrainiert haben.
Wenn nun so ein Kampfkünstler davon ausgegangen ist, dass er diesen Reflex raustrainiert hat und z.B. nach dem Motto ist der Weg frei stoße vor gleich in den Angriff übergeht, dann findet er sich, wenn ihm obiges passiert also in einer Situation wieder, die zu seinem eigentlichen Kampfgebaren kontraproduktiv ist. Er fängt die Situation mit einem Negativerlebnis an und hat zu einer Rekonfiguration der Situation im Sinne seiner Taktik meistens keine Zeit mehr.
Wenn aber jemand gelernt hat diese Reflexsituation zu akzeptieren und aus dieser Situation heraus zu reagieren, dann hat er deutlich bessere Chancen in einer solchen Situation noch etwas zu machen.
Dies ist u.a. auch der Grund weshalb man Boxern eine so gute Reaktion auch in spontanen Situationen zuschreibt. Diese Leute setzen stellenweise intuitiv genau das um, was ich sage. Das schreckhafte Zurückzucken, wenn sie plötzlich eine Faust vor der Nase haben wird z.B. mit einem Abtauchen und anschließenden Angriffsaktionen verbunden. Dies geschieht durch das häufige Training so schnell, dass das Ganze wie eine geplante Aktion aussieht, wovon die Boxer dann z.T. sogar selbst überzeugt sind. Wenn man sich aber mit den Leuten unterhält dann hört man hin und wieder: Ich weiß gar nicht wie ich die Birne da noch wegbekommen habe.
Also zur Klarstellung, im KMM geht man nicht davon aus, dass man nun immer die natürlichen Reflexe einsetzen muss. Wer z.B. den Lidschluss in einem Duellkampf kontrollieren kann soll und darf dies tun. Wir sagen aber, dass man auch in der Lage sein muss trotz Lidschluss bzw. trotz einer natürlichen Reaktion zu reagieren. D.h. wir lernen Schwächen welche mit hoher Wahrscheinlichkeit unter extremen Bedingungen auftreten können nicht nur zu akzeptieren sondern sie zu unserem Vorteil zu nutzen. In nicht wenigen Fällen haben sich diese natürlichen Reaktionen nämlich als äußerst sinnvoll erwiesen. Und in noch mehr Fällen der realen Auseinandersetzungen hat sich gezeigt, dass das Abtrainieren von natürlichen Reaktionen gerade in spontanen SV-Situation eine hohe Versagenswahrscheinlichkeit hat.
Gruß Ralf

neo1
30-05-2003, 11:06
Hört sich vernünftig und gut an!
Stimme Dr. Ralf zu !

ich weiß nicht, ob es im Systema so etwas wie abtrainieren des Lidschlussreflexes gibt. Bisher hab ich es noch nicht kennengelert!

Für mich macht es aber keinen Sinn, einen Schutzmechanismus, den uns die Natur gegeben hat, abzutrainieren!!

Zum Vergleich Krav maga/Systema kann ich nichts sagen, denn ich kenne Krav maga nicht.

Doch auch Systema ist ein System, welches ständig weiterentwickelt wird, alleine schon dadurch, daß die verschiedensten Menschen, u.a. natürlich auch Soldaten und Polizisten, ihre eigenen Erfahrungen mitbringen!


Gruß neo

neo1
30-05-2003, 11:24
Original geschrieben von Dr. Ralf
[B+
... Im Systema versucht man durch geeignetes Training den Menschen in die Lage zu versetzen eine SV Situation locker und stressfrei zu überstehen.
Im KMM dagegen geht man davon aus, dass Stress unvermeidlich ist und schult die Leute trotz Stressfaktoren das Richtige zu tun.
Gruß Ralf [/B]

Im Systema geht man auch davon aus, daß der Streß unvermeidlich ist, aber man lernt damit umzugehen, indem man ruhig bleibt und Panik vermeidet.

Dies geschieht im Training u.a. dadurch, daß man Übungen in Streßpositionen ausführt: z.B. Ausweichen in "unbequemen" Positionen, Verteidigung gegen mehrere Leute, Limitieren der Möglichkeiten des Verteidigers (Zusammenbinden der Hände/Füße, etc.) oder/ und indem Übungen besonders langsam und kontrolliert ausgeführt werden und somit besonders schwer auszuführen sind.
Die Atmung spielt dabei eine wichtige Rolle, da sie unser (Straß-)Verhalten unmittelbar beeinflußt! So kann man z.B. durch das Arbeiten ohne Luftholen die Psyche sehr gut stärken. Ähnliche Übungen dürften von den Kampfschwimmern bekannt sein.


Durch das langsame Üben lernt das Gehirn besser/intensiver, als durch schnelles Training.

Durch das Systema Training wird der Einzelne individuell so geformt, wie es für ihn jeweils gesund und somit effektiv ist!
Auch hier paßt sich das System an den einzelnen an!

Man kann vor /während / nach dem training sozusagen auch einen "Systemcheck" durchführen, um zu sehen, wo die Problembereiche sind.

Ebenso kann man sich vor/während einer Streßsituation mit der Atmung etc. darauf vorbereiten /den Zustand verbessern.



Gruß neo

Andreas Weitzel
30-05-2003, 12:05
Hallo,

im Systema unterscheidet man u.a. zwei Methoden: a) Das Training, das auf vorhandenen Grundreaktionen basiert, und b) das Training, das optimale Reaktionen schult.

Ein Beispiel für die Variante a): Man wird plötzlich angegriffen. Als Reaktion zuckt man mit dem Kopf oder dem Körper zurück und versucht, sich mit den Händen zu schützen. Das Training wird darauf aufgebaut. Daraus entsteht z.B. eine folgende Reaktion im Kampf: Man weicht mit dem Oberkörper nach hinten aus, blockt oder greift dem Angriffsarm und schlägt kompromisslos zurück. Diese Reaktion ist durchaus für einen realistischen Kampfbrauchbar.

Ein Beispiel für die Variante b): Man lernt, jeden Druck (Angriff, Gewalt etc.) zu vermeiden, also ihm nachzugeben und auszuweichen. Also zuckt man im Kampf nicht einfach zurück, sondern man bewegt sich gleich so, daß der Angriff am eigenen Körper vorbei geht. Als weiteres geht man nicht mit eigenen Händen dem Druck entgegen, sondern man bewegt sich in eine für sich selbst bequeme und für den Angreifer unbequeme Position, aus der man seinen eigenen Angriff fortsetzt, ohne den Gegner zu belasten und unter Druck zu setzen, um seine Reaktionen nicht hervorzurufen.

Die Variante a) wird meistens dann verwendet, wenn man eine größere Gruppe in einer sehr kurzen Zeit einigermaßen kampftauglich machen will. Dabei soll man an dem Lehraufwand sparen. Außerdem wird kein großer Wert auf die kämpferischen Fähigkeiten jedes Einzelnen gelegt. Das Ziel ist lediglich, ein paar Grundbegriffe beizubringen, die dem Lernenden größere Überlebenschancen geben würden. Diese Methode würde gut für größere militärische und polizeiliche Sturmtruppen (z.B. Fallschirmjäger) passen.

Die Methode b) kostet relativ viel Lehr- und Lern/Trainingsaufwand, mehr Zeit und psychische Kraft, weil nur individuell möglich. Dafür bietet sie eine optimale psychische, körperliche und taktische Vorbereitung auf einem äußerst hohen Niveau. Diese Methode würde für kleinere Eliteeinheiten (wei z.B. Antiterroreinheiten) passen.

Beide Methoden sind für ihre jeweiligen Zwecke gut und berechtigt und werden im Systema zweckgemäß verwendet.

Gruß
Andreas

Dr. Ralf
30-05-2003, 12:33
Hallo Andreas,
na dann sind die prinzipiellen Vorgehensweisen von KMM und Systema ja gar nicht so verschieden.
Die beiden von dir erwähnten Ansätze a und b, werden im KMM auch gelehrt, d.h. das Ausnutzen natürlicher Reaktionen, sowie das Vorgehen im vorbereiteten Falle.
Ich denke zu einer kompletten Ausbildung gehört nicht nur das eine oder das andere sondern beides.
Natürlich ist im vorbereiteten SV Fall z.B. eine Aktion aus dem Sidestepp heraus evtl. günstiger als aus der natürlichen Ausweichbewegung (nach hinten) heraus.
Nur sollte auch derjenige der langfristig trainiert aus der natürlichen Ausweichbewegung heraus agieren können, falls ihm die in der Hektik der Aktion eben doch passiert.

Aber ich denke da unterscheiden sich unsere Ansätze prinzipiell nicht.
Wo es sichtbar Unterschiede gibt, ist dann letztlich eher in der Ausführung der jeweiligen Vorgehensweise für den Fall A oder B.

Im KMM versucht man so einfach wie möglich vorzugehen und auf komplexe Vorgehensweisen zu verzichten, da die Versagenswahrscheinlichkeit mit der Komplexität der Aktion wächst.

Ich denke, dass sowohl KMM als auch Systema Systeme sind, die in der Realität für die Realität entwickelt wurden und dass mit beiden Systemen eine vernünftige Ausgangsbasis für die SV geschaffen werden kann.
Ein Vergleich ist denke ich schwierig, wenn man nicht beide Systeme ausreichend kennen gelernt hat. Viele Dinge werden von den jeweiligen Vertretern der Systeme so beschrieben, dass man zum Schluss kommt es handelt sich um ein und das selbe. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass man gleiche Prinzipien durchaus auf unterschiedliche Art und Weise umsetzten kann. Die Unterschiede zeigen sich in der Umsetzung und sind verbal nicht immer unbedingt so einfach rüberzubringen. Letztendlich spekuliere ich hier über Systema und du spekulierst über KMM.
Somit bleibt dem Einzelnen eigentlich nur beide Systeme selbst mal kennen zu lernen und dann u. a. auch je nach Verfügbarkeit vor Ort sich für das eine oder das andere zu entscheiden. Letztendlich ist für den Einzelnen häufig eher entscheidend, wie man mit dem Lehrer vor Ort oder mit der Gruppe vor Ort auskommt, bzw. ob das entsprechende System vor Ort überhaupt angeboten wird. Ich denke vernünftige SV bekommt man bei beiden Systemen.
Gruß Ralf

Andreas Weitzel
30-05-2003, 12:45
Hallo, Ralf,

was den Vergleich von unseren Kampfünsten angeht, so stimme ich Dir 100% zu. Deswegen spreche ich hier auch nicht von KM/KMM, sondern nur von Systema. Und deswegen sprichst Du nicht von Systema, sondern nur von KMM. Den endgültigen Vergleich und die persönliche Entscheidung muß dann der interessent selbst machen :)

In einem Punkt möchte ich Dir aber widersprechen:
Die beiden von dir erwähnten Ansätze a und b, werden im KMM auch gelehrt, d.h. das Ausnutzen natürlicher Reaktionen, sowie das Vorgehen im vorbereiteten Falle. Ich habe nie von dem Vorgehen in einem vorbereiteten Fall gesprochen. Es geht NUR und AUSSCHLIESSLICH um unvorbereitete und spontane Reaktionen. Der Unterschied ist eigentlich einfach:

Methode a) Man reagiert zunächst, wie es gerade kommt, und dann versucht das Beste daraus zu machen;

Methode b) Man reagiert von Anfang an optimal.

Gruß
Andreas

Dr. Ralf
30-05-2003, 13:07
Original geschrieben von Andreas Weitzel
Hallo, Ralf,

...
In einem Punkt möchte ich Dir aber widersprechen:Ich habe nie von dem Vorgehen in einem vorbereiteten Fall gesprochen. Es geht NUR und AUSSCHLIESSLICH um unvorbereitete und spontane Reaktionen. Der Unterschied ist eigentlich einfach:

Methode a) Man reagiert zunächst, wie es gerade kommt, und dann versucht das Beste daraus zu machen;

Methode b) Man reagiert von Anfang an optimal.

Gruß
Andreas
Nun dann liegt hier wahrscheinlich ein Missverständnis in meiner Argumentation und vielleicht tatsächlich ein Unterschied in unserer Vorgehensweise vor. Unter a verstehe ich Situationen in denen man so überrascht wird, dass die natürliche Reaktion eintritt. Unter b verstehe ich Situationen in denen ich aufgrund eines rechtzeitigen Erkennens optimiert vorgehen kann.

Solltest du davon ausgehen natürliche Reaktionen durch reichlich Training so heraustrainieren zu können, dass in jedem Falle eines Überraschungsangriffes die optimale Antwort abgerufen werden kann, dann haben wir hier tatsächlich einen massiven Unterschied.

Wir glauben, dass auch noch so viel Training den Menschen nicht davor schützen kann, in bestimmten Situationen, welche sehr unvermittelt eintreten in natürlich vorgegebene Verhaltensmuster zurück zu verfallen. Deshalb nimmt das Training aus solchen Situationen heraus einen nicht geringen Teil des KMM ein. Wenn mich Maor richtig informiert hat (und ich habe keinen Grund dazu, dies nicht anzunehmen) dann ist dies auch bei den israelischen Spezialkräften gerade im Antiterrorbereich (Bezug auf dein erstes Posting) der Fall.
D.h. also hier scheinen tatsächlich unterschiedliche Erfahrungen und damit verbunden unterschiedliche Vorgehensweisen vorhanden zu sein.
Gruß Ralf

Danni
05-06-2003, 02:09
Hmm, na ja durch die verschiedenen Threads und Ausführungen über Krav Maga und Systema kam bei mir überhaupt nicht erst die Frage auf, ob nun die beiden KK effektiv seien oder nicht, noch die Frage welches besser ist.

Ich denke beide Denkansätze von Euch beiden, Dr. Ralf und von Andreas sind gut und überlegenswert über das Verhalten in verschiedenen Ausgangssituationen.
Ob nun das eine Trainingdchema besser ist oder nicht, ist ist ja eher sekundär.

Man bekommt durch das Trainingschema des jeweils anderen auf neue Trainingsansätze für das eigene Training und das finde ich gut.

Ich finde beide Erklärungen sehr gut und schlüssig beide für sich.

Die Diskussion über das Abtrainieren der Reflexe...
Nun ja für einen Box-oder Muay Thai Kampf, X Fight usw. mit Sicherheit nützlich, ergo Duellphase...hmm aber man muss ja auch die Kontra-Erklärung verstehen, wo Situationen aufgezeigt werden, die einem das Augenlicht kosten könnten, so der Reflex wirklich erfolgreich wegtrainiert wäre, wenn so etwas überhaupt möglich ist. Wohl doch eher nur unterdrückt??

Ich habe Muay Thai trainiert und im Kampf(Ring) schaffe ich das auch den Reflex, wie wir es trainierten zu unterdrücken aber.....ABER wenn ich auf den Fahrrad sitze und gerade über Gott und die Welt nachdenke und vor mich hinträume und ein Insekt überrraschend auf mich zufliegt, direkt auf eines meiner Augen, tja dann funktioniert der Reflex sehr NORMAL, weil keine Konzentration darauf warund...und das ist auch gut so.
Ich gebe Dr. Ralf recht. Kommt man in eine Überraschungssituation wird man unweigerlich mit den Augen flunkern, ist man dann aber im Kampf .... ergo mitten drin.... dann, dann nicht mehr.

Meine Efahrung !!!

Danke Leute für Eure Erklärungen, sie haben mir weiter geholfen und sie waren alle gut !!!!:klatsch:

Tengu
05-06-2003, 14:24
Kommt man in eine Überraschungssituation wird man unweigerlich mit den Augen flunkern - Vor allem, wenn diese recht attraktiv ist.... ;) .

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Reflexe sind meiner Meinung nach dazu da, ausgenutzt bzw. ausgebaut zu werden, nicht unterdrückt.

Gruß

Tengu