Vollständige Version anzeigen : Tai Chi : "Gnadenlosigkeit ist Barmherzigkeit"
Namenloser
22-12-2008, 17:00
Hallo,
in einem kleinen Video über Tai Chi auf youtube habe ich in einem song text gelesen auf English "Mericyless is Mercy" das bedeutet auf deutsch übersetzt sowas wie "Gnadenlosigkeit ist Gnade" denke ich, und ich wollte euch fragen was damit genauer gemeint sein kann, das es all zu sehr mit mehr agressivität etwas bedeuten soll kann ich mir nicht unbedingt vorstellen aber vielleicht irgendetwas in der Art wie man denken soll, nicht zu viel Mitleid haben oder so denke ich, aber ich würde mal gerne auch hören was andere dazu sagen, ich glaube dieses Lied kann auch ein allgemeines Lied oder Hymne vom Tai Chi sein, da geht es um sowas wie "Folge dem Herz" und so Sachen standen noch im Text.
vielen dank und schönen Tag noch.
Trinculo
22-12-2008, 17:07
Wahrscheinlich eine Fehlübersetzung aus dem Chinesischen à la "Der Weg ist das Ziel" ... da würde ich nicht lange drüber nachgrübeln.
bluemonkey
22-12-2008, 17:18
http://www.youtube.com/watch?v=u1toDbaPDQk&eurl=http://video.google.de/videosearch?hl=de&client=firefox-a&rls=org.mozilla:de-DE:official&hs=Eco&resnumiurl=http://i2.ytimg.com/vi/u1toDbaPDQk/hqdefault.jpg
Translation (from the subtitles file):
"My hands do not have strength and power."
"My heart embraces peace and calm."
"Resigning myself to adversity. Seeing richness out of void."
"Violence be turned to peace. There are always guiding fate."
"Dynamic or still. Divide or multiple."
"Follow fate to go in and out of mortal world. Merciless is mercy."
"Follow heart and not be aggressive. Merciless is mercy."
"Dynamic or still. Divide or multiple."
"Follow fate to go in and out of mortal world. Merciless is mercy."
"Follow heart and not be aggressive. Merciless is mercy."
Was ist Gnade? Ein Akt des Vergebens oder der Großherzigkeit? Mitleid oder arrogante Herablassung? Jemanden die Strafe erlassen, obwohl er sie verdient hätte? Was ist Gnadenlosigkeit? Jemanden die Konsequenzen seines Tuns spüren lassen? Auge um Auge, Zahn um Zahn? Ein Akt der Willkür ohne Rücksicht auf die jeweiligen Umstände?
Für mich persönlich ist Gnade immer eine Handlung, die der Mächtige gegenüber dem Ohnmächtigen ausübt - gewährt eben. Steht mir nicht zu, wird mir qua ordre de mufti gewährt. Und, verdammt, darauf kann ich getrost verzichten.
Laoshu
bluemonkey
22-12-2008, 18:07
Für mich persönlich ist Gnade immer eine Handlung, die der Mächtige gegenüber dem Ohnmächtigen ausübt - gewährt eben. Steht mir nicht zu, wird mir qua ordre de mufti gewährt. Und, verdammt, darauf kann ich getrost verzichten.
Laoshu
oder wie der Alte sagte:
Gnade ist beschämend wie ein Schreck.
......
Was heißt das: »Gnade ist beschämend wie ein Schreck«?
Gnade ist etwas Minderwertiges.
Man erlangt sie und ist wie erschrocken.
Man verliert sie und ist wie erschrocken.
Das heißt: »Gnade ist beschämend wie ein Schreck«.
also ist Gnadenlosigkeit eine Gnade, weil man niemanden erschreckt:p
Die einzig sinnvolle Möglichkeit wäre die Überlegung, jemandem gleich den Zahn zu ziehen damit er gar nicht erst wiederkommt, anstatt ihm 3, 4 mal auf die Birne zu geben weil er sich reinsteigert.
Namenloser
22-12-2008, 19:44
http://www.youtube.com/watch?v=u1toDbaPDQk&eurl=http://video.google.de/videosearch?hl=de&client=firefox-a&rls=org.mozilla:de-DE:official&hs=Eco&resnumiurl=http://i2.ytimg.com/vi/u1toDbaPDQk/hqdefault.jpg
hallo,
dane für den kompletten text, das ist genau was ich meine. und die erklärung gnadenlosigkeit ist wie ein schreckt find ich auch ganz gut.
Ich vermute, dass mit dem mercyless-Kram gemeint ist, dass man dem Universum oder "Gott" dankbar sein soll (es also als "Gnade" empfinden" soll), dass das Universum die eigenen Fehler "gnadenlos" widerspiegelt, so dass man also brav lernen kann, und nicht in seiner Unvollkommenheit und eingebildeter Vollkommenheit bleibt (was die falsche Gnade wäre, nämlich wenn die Folgen des eigenen Handeln abgemildert werden würden, damit es nicht so unangenehm ist).
Namenloser
22-12-2008, 22:32
Ich vermute, dass mit dem mercyless-Kram gemeint ist, dass man dem Universum oder "Gott" dankbar sein soll (es also als "Gnade" empfinden" soll), dass das Universum die eigenen Fehler "gnadenlos" widerspiegelt, so dass man also brav lernen kann, und nicht in seiner Unvollkommenheit und eingebildeter Vollkommenheit bleibt (was die falsche Gnade wäre, nämlich wenn die Folgen des eigenen Handeln abgemildert werden würden, damit es nicht so unangenehm ist).
Hm, das ist auch eine interessante etwas andere Ansicht. Vielleicht passt aber auch diese Ansicht mit der anderen zusammen.
Ich habe keine Ahnung, wo dieser Spruch herkommt, aber man kann ihn zwar auf das Universum bezogen ganz ok finden, aber er ist IMO gefährlich, weil damit ja jeder begründen kann, jemanden mal eben zusammenzuschlagen, weil derjenige ihn falsch angeschaut hat. Oder wie die Kirche im Mittelalter großzügigerweise diejenigen gefoltert und verbrannt hat, die von der wahren Lehre abgewichen sind, damit sie ihre "Fehler" schnell korrigieren können.
Trinculo
22-12-2008, 22:39
Klasse morgen oder den Mund.
Was ist Gnade? Ein Akt des Vergebens oder der Großherzigkeit? Mitleid oder arrogante Herablassung? Jemanden die Strafe erlassen, obwohl er sie verdient hätte? Was ist Gnadenlosigkeit? Jemanden die Konsequenzen seines Tuns spüren lassen? Auge um Auge, Zahn um Zahn? Ein Akt der Willkür ohne Rücksicht auf die jeweiligen Umstände?
Für mich persönlich ist Gnade immer eine Handlung, die der Mächtige gegenüber dem Ohnmächtigen ausübt - gewährt eben. Steht mir nicht zu, wird mir qua ordre de mufti gewährt. Und, verdammt, darauf kann ich getrost verzichten.
Laoshu
Kann ich verstehen. Aber Gnade ohne alle Arroganz kann dem Stolz zwar jeden Boden unter den Füßen wegziehen, andererseits aber ganz überwältigend dankbar machen. Im Tal, aber reich gesegnet.
Im Rahmen der Kampfkunst ist mir das allerdings bisher wohl noch nicht zugestossen. Bisher waren meine Partner dabei nie 'gnadenlos' gnädig.
Außer vielleicht mein Meister einmal. Ich hatte ihm versehentlich eine Faust zwischen die Hörner gesetzt, aus dem Augenblick heraus, war gar nicht im Lernziel des Augenblicks enthalten.
War selbst ganz erschrocken und habe ihm dann im Affekt über die Stirn gestrichen.
Das hat mich noch mehr erschrocken, weil ich von meinem regulären Lehrer her eine seinen Stolz affirmierende Reaktion hätte erwarten dürfen.
Aber er nahm das so hin. Tatsächlich trafen wir uns da zum ersten Mal von Herz zu Herz. Wer gab da wem Gnade.
Niemand, die Gnade schwamm im Augenblick, die beteiligten Personen nahmen das so hin...
Kleine, möglicherweise off-topic Bemerkung am Rande - nicht wirklich unbedingt kampfkunstbezogen. :o
Klasse morgen oder den Mund.
Wie bitte? :ups:
Trinculo
22-12-2008, 22:58
Ich dachte, ihr steht hier auf sinnlose Sprüche, in die man alles hineingeheimnissen kann ... Hauptsache keine festlegbare Bedeutung :p
Obiger Spruch ist das Ergebnis der Google-Übersetzung von "Morgenstund hat Gold im Mund" Deutsch -> Englisch -> Französisch -> Russisch -> Chinesisch -> Deutsch. China-Folklore-Bullshit-Bingo zum Selberbasteln, falls jemandem die Glückskekse ausgehen :D
Nachtrag:
Wahrscheinlich handelt es sich nur um die chinesische Übersetzung der englischen Redewendung "you have got to be cruel to be kind", die bekanntlich aus Shakespeares Hamlet stammt ;)
bluemonkey
23-12-2008, 02:56
Kann ich verstehen. Aber Gnade ohne alle Arroganz kann dem Stolz zwar jeden Boden unter den Füßen wegziehen, andererseits aber ganz überwältigend dankbar machen. Im Tal, aber reich gesegnet.
und wenn eine gewohnte Gnade entzogen wird, kann einem das nicht ganz überwältigend undankbar machen?
Das Problem, das Laotse beschreibt, ist wohl die Willkür und Unberechenbarkeit.
Ich hatte ihm versehentlich eine Faust zwischen die Hörner gesetzt, aus dem Augenblick heraus, war gar nicht im Lernziel des Augenblicks enthalten.
hat er geguckt (http://www.youtube.com/watch?v=XCSNf_QB2-A)?:)
War selbst ganz erschrocken und habe ihm dann im Affekt über die Stirn gestrichen.
Das hat mich noch mehr erschrocken, weil ich von meinem regulären Lehrer her eine seinen Stolz affirmierende Reaktion hätte erwarten dürfen.
Aber er nahm das so hin. Tatsächlich trafen wir uns da zum ersten Mal von Herz zu Herz. Wer gab da wem Gnade.
Niemand, die Gnade schwamm im Augenblick, die beteiligten Personen nahmen das so hin...
War da irgendwas gnädig, oder war dieses Wohlgefühl eher die Folge davon, das zwei Personen situationsgerecht ohne Hintergedanken (Stolz bestätigen/ Ego verteidigen) handelten?
Quereinsteiger
23-12-2008, 09:28
Platon schrieb in seinem Dialog Gorgias, dass der Verbrecher so sehr eines Richters bedürfe, wie ein Kranker eines Arztes... Auch der deutsche Rechtsphilosoph Fichte sagte, dass die gerechte Strafe die "Wiederherstellung" des Verbrechers ist und die Anerkennung durch die Gesellschaft als Person. - Einen Stein, der jemandem auf den Kopf gefallen ist, bestraft man nicht, - man schmeißt ihn weg. Einen Verbrecher, - wenn man ihm das Mensch-Sein nicht aberkennt - soll man gerecht bestrafen und wieder in die Gesellschaft aufnehmen... Vielleicht ist das gemeint?
T. Stoeppler
23-12-2008, 10:58
Ich kenne das etwas pragmatischer, John Wang schrieb das mal auf EF:
Wer früher in China eine Schule eröffnet hat, wurde notgedrungenerweise ab und an herausgefordert.
Wenn man bei der ersten herausforderung einem Gegner einen Arm bricht, wird man von nun an jede Woche einem Herausforderer einen Arm brechen müssen, und zwar so lange bis man zu alt und zu schwach dafür wird.
Bricht man bei der ersten Herausforderung dem Gegner aber beide Arme, beide Beine, den Rücken und den Schädel, hat man bis an sein Lebensende Ruhe.
Gruss, Thomas
Ich dachte, ihr steht hier auf sinnlose Sprüche, in die man alles hineingeheimnissen kann ... Hauptsache keine festlegbare Bedeutung :p
Obiger Spruch ist das Ergebnis der Google-Übersetzung von "Morgenstund hat Gold im Mund" Deutsch -> Englisch -> Französisch -> Russisch -> Chinesisch -> Deutsch. China-Folklore-Bullshit-Bingo zum Selberbasteln, falls jemandem die Glückskekse ausgehen :D
Nachtrag:
Wahrscheinlich handelt es sich nur um die chinesische Übersetzung der englischen Redewendung "you have got to be cruel to be kind", die bekanntlich aus Shakespeares Hamlet stammt ;)
Gnade, was für ein gnadenloses posting. Wen meinst du mit "ihr"? Und wenn du nicht darauf stehst, warum gibst du dir dann so viel Mühe und vergeudest deine Zeit mit sinnlosen Übersetzungen und schlag nach bei Shakespeare?
You have got to be kind to be real cruel:D.
laoshu
bluemonkey
23-12-2008, 17:15
Ich kenne das etwas pragmatischer, John Wang schrieb das mal auf EF:
Wer früher in China eine Schule eröffnet hat, wurde notgedrungenerweise ab und an herausgefordert.
Wenn man bei der ersten herausforderung einem Gegner einen Arm bricht, wird man von nun an jede Woche einem Herausforderer einen Arm brechen müssen, und zwar so lange bis man zu alt und zu schwach dafür wird.
Bricht man bei der ersten Herausforderung dem Gegner aber beide Arme, beide Beine, den Rücken und den Schädel, hat man bis an sein Lebensende Ruhe.
:ups::gruebel::rolleyes:
bluemonkey
23-12-2008, 17:28
Platon schrieb in seinem Dialog Gorgias, dass der Verbrecher so sehr eines Richters bedürfe, wie ein Kranker eines Arztes... Auch der deutsche Rechtsphilosoph Fichte sagte, dass die gerechte Strafe die "Wiederherstellung" des Verbrechers ist und die Anerkennung durch die Gesellschaft als Person. - Einen Stein, der jemandem auf den Kopf gefallen ist, bestraft man nicht, - man schmeißt ihn weg. Einen Verbrecher, - wenn man ihm das Mensch-Sein nicht aberkennt - soll man gerecht bestrafen und wieder in die Gesellschaft aufnehmen... Vielleicht ist das gemeint?
Strafe als Dienstleistung des Staates am Verbrecher zur Wiederherstellung der Ehre?
Das würde erklären, warum man in China die Munition für den Genickschuss selbst zahlen muss:o
Es gibt ja auch diese Geschichte von einem buddhistischen Heiligen, dessen Schiff auf einer Reise von Piraten überfallen wurde, die sich anschickten alle Passagiere zu meucheln.
Er hat dann die Piraten aus Mitgefühl getötet.
Nicht aus Mitgefühl für die Passagiere, den sterben oder nicht sterben ist gleich.
Vielmehr aus Mitgefühl für die Piraten, die durch die Tat so immens viel schlechtes Karma angesammelt hätten.
(Er selbst war schon im erleuchtet, daher war sein Karma-Konto schon gelöscht:p)
Vielmehr aus Mitgefühl für die Piraten, die durch die Tat so immens viel schlechtes Karma angesammelt hätten.
Soso, die Buddhisten vom Schlage dieses Heiligen glauben also, die karmischen Handlungen anderen begutachten und bevormunden zu müssen.
Auch frage ich mich, woran der offensichtlich eingebildete Heilige erkannt hat, dass es nicht erleuchtete Piraten waren, die die Passagiere vom Ansammeln von schlechtem Karma befreien wollten.
bluemonkey
23-12-2008, 17:53
Auch frage ich mich, woran der offensichtlich eingebildete Heilige erkannt hat, dass es nicht erleuchtete Piraten waren, die die Passagiere vom Ansammeln von schlechtem Karma befreien wollten.
Als Erleuchteter erkennt er Seinesgleichen:p,
aber guter Einwand, werd ich mir merken:cool:
Als Erleuchteter erkennt er Seinesgleichen:p, Stimmt! Die Frage ist also, ob er nicht grundsätzlich bedenken müsste, ob die Piraten nicht evtl. NOCH wesentlich tiefer erleuchtet sein könnten als er, so dass er das eben nicht erkennen konnte. Schließlich soll es doch so sein, dass eine Erleuchtung immer noch weiter vertieft werden soll, und sich die Erleuchtung von der Nicht-Erleuchtung immer weniger unterscheiden sollte. Gerade hier könnten die Piraten ja absolute Oberexperten gewesen sein (und der Erleuchtete nur neidisch..) ;)
Namenloser
23-12-2008, 20:58
Es heist ja im Text:
"Follow fate to go in and out of mortal world. Merciless is mercy."
Das hat also mit dem Leben selbst zu tun. Das Leben ist in gewisser Sicht gnadenlo, es nimmt uns das Leben, lässt uns alt werde, und weil das so ist wird man wohl als Tai Chi Experte sich diesem Spiel des Lebens anpassen müssen bedeutet es wohl.
Aber es soll wohl nicht bedeuten das wir jeden ärgern sollen und uns mit jeden anlegen sollen.
Es bedeutet mehr das wir die Sachen so sehen lernen sollten wie sie sind und nicht in selbstmitleid unter gehen sollten um die Welt und ihre Dinge, sondern genauso gnadenlos wie die Welt sein sollen in dieser Richtung denken. Die Natur lässt uns alt werden und nimmt uns das Leben.
Aber den ganzen Tag jetzt ärgern suchen gehen bedeutet es nicht, weil man auf sein Herz ja hören muss und das herz bei ärger suchen ziemlich unruhig ist, also sowas natürlich nicht gut ist, weil ärgern immer mehr neuen ärger bedeutet.
Aber es gibt Momente im Leben wo man auch in Selbstmitleid unter gehen kann und hier past dieses Satz ganz gut, ich denke es ist für die eigenen Gedanken gedacht der Hinweis wie man denken soll. Es steht ja auch nicht da, "be so" oder "so" sondern in der Kramatikalen Form "es ist" , also eine Tatsachenaufklärung, im anderen Teilen heist es aber folge deinem Herz und so, das beudetet dann wieder handeln, das andere wohl eher denken.
bluemonkey
24-12-2008, 04:39
Das hat also mit dem Leben selbst zu tun. Das Leben ist in gewisser Sicht gnadenlo, es nimmt uns das Leben, lässt uns alt werde, und weil das so ist wird man wohl als Tai Chi Experte sich diesem Spiel des Lebens anpassen müssen bedeutet es wohl.
Das ergibt Sinn. Es heißt ja auch im Daodejing:
Himmel und Erde sind nicht gütig.
Ihnen sind die Menschen wie stroherne Opferhunde,
Der Berufene ist nicht gütig.
Ihm sind die Menschen wie stroherne Opferhunde.
Das Erinnert mich an den Spruch von Vergil:
"Una salus victis, nullam sperare salutem!" - Ein Heil bleibt dem Besiegten allein, kein Heil mehr zu hoffen!
oder auch der Erkenntnis:
Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst
Im Gegensatz zu den Erlösungsreligionen, die auf Hoffnung ("Glaube, Liebe, Hoffnung") und eine Belohnung im Jenseits setzen, wird hier wohl das Glück in der Annahme der tatsächlichen Begebenheiten gesucht.
Wie z.B. auch im Zen.
Demgegenüber stehen Erkenntnisse der Psychologie, dass eine leicht positiv falsche Weltsicht gesünder ist, als erbarmungsloser Realismus, wie ihn Depressive zeigen.
Aber vielleicht ist die Depression nur ein Durchgangsstadium, dem noch die Akzeptanz fehlt:)
Ausgehend davon wie das Daodejing im Original geschrieben wurde, nämlich in einer dichterischen, freien Künstlerform, kann man sich nicht an die Übersetzung hängen die mal einer vor X Jahren vorgenommen hat. Das ist schwer zu verstehendes Altchinesisch. Daoisten sind nicht "grausam". Grausame Leute wünschen es sich nur. Man kann aber nicht verhindern dass Menschen Leid zustösst. Man kann nur helfen dass sie es überstehen. Realismus und Positivismus schliessen sich nicht aus, sondern arbeiten miteinander. Realismus erklärt mir, welche Möglichkeiten ich habe, Positivismus hilft sich solange zu gedulden bis es möglich ist. Wenn ich z.B. eine Frau die ich nicht "haben" kann gar nicht anstrebe, und das Negative darin erkenne, bin ich frei, das anzustreben was Sinn hat. Z.B. jemanden zu finden mit dem man auch im Guten zusammen leben kann, ohne wie der stroherne Opferhund behandelt zu werden. Oder das was ich nötig habe damit es mir gut geht für mich selbst zu tun, und für niemanden sonst. Lieben kann man sich auch selbst.
Das mit der Gewalt aus dem Dao ist so komplex, dass ich das nicht erörtern möchte. Dazu muss man einige Zeit aus dem Dao leben, bevor es funktioniert. Und damit meine ich nicht nach der Zeitung oder einem Buch leben, sondern aus dem Dao in sich selbst. Das existiert nämlich, man muss nur anfangen das was daher kommt auch akzeptieren zu lernen, auch wenn es "uncool" ist.
Zufällig lese ich gerade ein Buch über die Weltreligionen. Im Kapitel über den "Daoismus" heißt es dort: "Das Buch des "Alten Weisen" erschließt sich dem im daoistischen Denken und im wu-wei Unerfahrenen am ehesten durch langsames Lesen. Dann entpuppen sich die scheinbar paradoxen Formulierungen als schillernde Perlen des Philosophierens."
Zitat aus dem Daodejing
Gib die Heiligkeit auf und verzichte auf Weisheit; das ist für alle hundertmal besser.
Gib die Güte auf und verzichte auf Gerechtigkeit, und alle Menschen werden die Liebe neu entdecken.
Gib die Findigkeit auf und verzichte auf Gewinnsucht, und Räuber und Diebe werden verschwinden.
@bluemonkey
Ich habe selbst unter schweren Depressionen gelitten und kenne eine ganze Reihe von Betroffenen. Brutaler Realismus ist das Letzte, was ich mit dieser Krankheit in Verbindung bringe. Depressionen wünsche ich meinem ärgsten Feinde nicht, auch nicht als Übergangsstadium wohin auch immer.
laoshu
Platon schrieb in seinem Dialog Gorgias, dass der Verbrecher so sehr eines Richters bedürfe, wie ein Kranker eines Arztes... Auch der deutsche Rechtsphilosoph Fichte sagte, dass die gerechte Strafe die "Wiederherstellung" des Verbrechers ist und die Anerkennung durch die Gesellschaft als Person. - Einen Stein, der jemandem auf den Kopf gefallen ist, bestraft man nicht, - man schmeißt ihn weg. Einen Verbrecher, - wenn man ihm das Mensch-Sein nicht aberkennt - soll man gerecht bestrafen und wieder in die Gesellschaft aufnehmen... Vielleicht ist das gemeint?
"Gerechtigkeit" ist jedenfalls ein gutes Stichwort hier.
Man denke nur an "Gnade vor Recht ergehen lassen."
Besser gerecht bestraft werden, als der Gnade eines Einzelnen ausgeliefert zu sein.
Gerechtigkeit ist nicht gnädig - also merciless.
Da es aber langfristig möglicherweise moralisch besser ist für den Bestraften, ist es doch wieder "gnädig" im "schonenden" Sinne.
Daher: Gerechtigkeit (=ohne Gnade/merciless) ist gnädig (=Gnade/mercy)
Oder: Siehe des Herrn Stoepplers Beitrag. :D
guitarsquiddy
07-11-2009, 16:23
Ich habe das Zitat immer als "(Kämpfe nur wenn du musst,aber) wenn der Kampf unausweichlich ist, dann spiel nicht blöd rum" interpretiert. Vielleicht auch so, dass man vor seinem Gegner genug Respekt haben soll, um alle Register zu ziehen. (In modernen Zeiten natürlich insofern entschärft, als dass man niemanden ernsthaft verletzt)
Ist aber natürlich nur das, was ich für mein persönliches Training und die zugrundeliegenden Gedanken herausgelesen habe.
Wir sollten aber evtl. in Betracht ziehen, dass der Autor einfach nur Gegensätze aufgelistet hat.:cool:
Odysseus22
07-11-2009, 17:37
Was ist Gnade? Ein Akt des Vergebens oder der Großherzigkeit? Mitleid oder arrogante Herablassung? Jemanden die Strafe erlassen, obwohl er sie verdient hätte? Was ist Gnadenlosigkeit? Jemanden die Konsequenzen seines Tuns spüren lassen? Auge um Auge, Zahn um Zahn? Ein Akt der Willkür ohne Rücksicht auf die jeweiligen Umstände?
Für mich persönlich ist Gnade immer eine Handlung, die der Mächtige gegenüber dem Ohnmächtigen ausübt - gewährt eben. Steht mir nicht zu, wird mir qua ordre de mufti gewährt. Und, verdammt, darauf kann ich getrost verzichten.
Laoshu
Du hast das meiste schon gesagt.
Es stellt sich die Frage, was man unter "Gnade" zu verstehen hat.
Der große Knackpunkt ist die Abhängigkeit, weil man etwas unverdient erhalten hat. Es geht wohl eher darum, sich nicht den Launen und der Willkür von Mächtigen oder wechselhaften Mitmenschen auszusetzen. Ich würde das aber von der Gnade etwa im Christentum trennen. Jemandem eine zweite Chance zu gewähren, z.B. jugendlichen Verbrechern, ist vielleicht strenggenommen dumm, nur ich finde, man sollte auch alte Klassiker immer mit Augenmaß lesen. Außerdem leben die wenigsten hier so zurückgezogen, dass sie von der Welt nicht berührt werden, also wäre es scheinheilig, wenn man sich ohnehin nicht ganz vom Alltag lösen kann, dann in solchen Bereichen allzu streng zu sein. Man kann ja selbst Gnade walten lassen, soweit es einem sinnvoll und erträglich erscheint, aber im Gegenzug versuchen, so selten wie möglich der "Gnade" (oder Gunst) der Mitmenschen zu bedürfen und sich nicht abhängig zu machen.
taokriegerin
07-11-2009, 18:04
Hm. Also woran ich noch denken musste, dass der Wunsch, Gutes zu tun/ zu schaffen in der Geschichte der Menschheit schon oft zu sehr viel Leid geführt hat. Beispiel aus dem "jetzt": wenn zB Eltern ihre Kinder zu ihrem "Glück" zwingen wollen, geht das oft schief... Die Freiheit des anderen und dass er für sein Leben selber verantwortlich ist zu akzeptieren, kann aber oft als "kalt" oder "mitleidlos" empfunden werden...
Aber das mit "gut" und "böse", einmischen oder nicht einmischen ist ein sehr schwieriges Thema :o
P.S.: Danke für den Post. Kannte zwar das Lied, hatte aber noch nie die Übersetzung gelesen...
und @Trinculo: Ich hatte mal in einem Forum eine Signatur a la: Ein Weiser lernt auch durch einen Misthaufen noch dazu, ein Narr kann auch vom weisesten der Weisen nicht lernen. Weiss den genauen Wortlaut nicht mehr... Aber wenn man mit Hilfe einer Sache etwas verstehen kann, ist das doch etwas wunderbares, ganz gleich ob die Sache jetzt "in echt" "groß" oder "klein" war:)
shenmen2
07-11-2009, 18:16
Zu "Mercylessness is Mercy" fällt mir der (sicher nicht gemeinte) Spruch ein:
Mitleid mit den Wölfen ist Unrecht gegen die Schafe
Mir fallen zwei Dinge ein:
Früher war es (denkt mal an Japan) eine Schande, besiegt zu werden und hatte oft schlimme Konsequenzen. Die Gnadenlosigkeit, den unterlegenen Gegner zu töten, ersparte dem oft ein Leben in Unfreiheit, Verkrüppelung oder Schande, bzw. als Konsequenz den Ehrenselbstmord.
Zum anderen gibt es den Lerneffekt durch Gnadenlosigkeit, wenn Du z.B. im Training für einen Fehler richtig hart rangenommen wirst, wirst du diesen Fehler kaum mehr auf der Straße machen, wenn es wirklich um was geht.
qinghuajia
13-11-2009, 15:34
Ich denke es soll einfach auf den Fluss des Yin und Yang anspielen. Yin und yang zwei Gegensätze ( + und -), welchen dennoch Eins sind. Mercilessness is mercy, Erbarmungsloskeit ist Erbarmen. Wo immer es Erbarmungslosigkeit gibt, gibt es auch Erbarmen und umgekehrt.
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