jet_black
17-04-2009, 15:02
Viele von euch werden jetzt sicherlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und schreien:"Ooooh nein, nicht schon wieder!!! Das ist doch schon längst totdiskutiert!!!", oder ähnliches. Ich möchte hier ja auch Capoeira nicht in den Himmel loben, sondern einfach Stoff zum Besprechen und Nachdenken bieten, um aufzuzeigen, dass Capoeira auch zur SV genutzt werden kann. Hier gehts los:
Meiner Meinung nach, hat Capoeira zwei Seiten, ähnlich dem Ying-Yang Prinzip. Die eine Seite, welche für das helle und softe steht, beinhaltet das gemeinsame Spiel in der Roda, das Musizieren, Singen und Gruppengefühl. Die andere, dunkle und harte Seite ist auf die Ursprünge und den eigentlichen Zweck von Capoeira zurückzuführen. Nämlich als um 1820 datierte Briefe der Militärkommission in Rio de Janeiro, Beschwerden über „bei Unruhen festgenommene Capoeira-Neger“ getätigt wurden. Sie verwendeten zu dieser Zeit ein sehr brutales und Ursprüngliches Capoeira, bei welchem viele akrobatische Elemente fehlten, nicht musiziert wurde (obwohl es zu dieser Zeit das Berimbau schon in Brasilien gab) und teilweise mit blanken Messern und Rasierklingen gekämpft wurde.
Aufgrund des ursprüngliches Sinnes des Capoeira (des getarnten Erlernens einer Verteidigungsart) und den Techniken seiner „Roots“, eignet sich Capoeira für die eigene Verteidigung.
Körperwaffen die man im Capoeira als „Angriffsart“ verwenden kann, sind:
- Kopf
- Fäuste
- Unterarme
- Ellbogen
- Füße
- Knie
- Schienbeine
Diese Körperwaffen sind für, direkt gegen den Gegner gerichtete Angriffe geeignet, da sie in anderen Kampfsportarten / Kampfkünsten ebenso Körperwaffen sind und beim Capoeira sowieso in ständiger Bewegung sind, was zum einen für den Gegner sehr unvorhersehbar ist und zum anderen sind sie so schnell in eine schwungholende Position gebracht, ohne vorher großartige Anzeichen einer kommenden Angriffsbewegung zu signalisieren.
Ich denke dass jeder, der diese Zeilen hier liest, sich schon ein wenig mit dem Thema Capoeira auseinandergesetzt hat und ich deshalb den kulturellen Aspekt und das „Spiel“ in der Roda nicht nähernd erläutern muss.
Es wird viel behauptet, dass Capoeira-Techniken viel zu lange brauchen, um den Gegner zu erreichen. Dabei wird aber übersehen, dass die damit gemeinten Techniken unter anderem Namen, ebenso in anderen Kampfkünsten und –Sportarten vorkommen. Selbiges gilt für Fausttechniken, die unverständlicherweise so gut wie gar nicht in vielen Vereinen gelehrt werden, weil es dort meist um das „Spiel“ in der Roda geht und nicht um den Selbstverteidigungsaspekt. Festzustellen ist, dass es im Capoeira wirksame Fuß- und Fausttechniken gibt, wie in vielen anderen Kampfkünsten auch. Schließlich wurde Capoeira nicht umsonst als eine KAMPFkunst entwickelt und fand in blutigen Auseinandersetzen von Brasiliens Straßen Anwendung.
Auch beinhaltet Capoeira fast hauptsächlich Ausweich- und Meidbewegungen um den „Angriffen“ zu entgehen. Geblockt wird beim Capoeira nur, wenn ein Ausweichen nicht mehr möglich ist. Diese Verlassen auf Ausweichbewegung ist ein riesiger Vorteil gegenüber dem Blocken von Angriffen auf der Straße. Man stelle sich einmal vor, jemand wird mit einem Messer angegriffen. Jeder von uns, hat doch sich schon einmal die unschönen Ergebnisse einer Messerstecherei gesehen, sei es als Zeuge, oder auch auf Bildern. Durch die ständigen Ausweichbewegungen meidet man den Kontakt mit dem angreifenden Körperteil und der Angriffswaffe und kann sich so besser vor Verletzungen schützen.
Natürlich ist es sehr sinnvoll, dass als Selbstverteidigung angewandte Capoeira, für den Moment des „Kampfes“, seiner akrobatischen Elemente und Ausschmückungen zu berauben und sich auf die passenden und wirksamen Techniken zu beschränken. Somit begeht man keinen Stilbruch mit der Kunst des Capoeira, sondern man besinnt sich auf die Ursprünge und Urväter dieser Kampfkunst und verwendet sie zu dem Zweck, zu dem sie erschaffen wurde.
Als erstes sollte man die Ausweichbewegungen angehen, da sie die Bewegungen und das Hauptelement eines jeden Capoeirista sind.
„Ginga“: Ok, niemand wird und sollte in einem Straßenkampf die Ginga nutzen und durchziehen. Ich finde die Ginga ist einfach ein schönes Training für untere und seitliche Ausweichbewegungen, welche sehr wohl in einem Straßenkampf sinnvoll sind. Z.b. kann man, ist man erst mal mit dem eigenen Körper seitlich und etwas unterhalb der Achselhöhle des Gegners, auch schöne Ellbogentechniken anwenden. Aber während eines Kampfes sollte man nicht in der Ginga rumhamplen und auch nicht die Capoeiratypische Armhaltung, sondern eine schöne Deckung einnehmen.
„Negativa“ und „Role“: Die Negativa ist eine tiefe Bodenstellung aus der man einige Bein- oder Handtechniken auf die Beine des Gegners anwenden kann. Role ist die schwungvolle Bewegung in eine aufrechtere Position.
„Queda de quatro – Sturz auf alle viere“: Eine Stellung, in die man in einem Kampf auch mal unfreiwillig geraten kann. Man wird geschubst, stolpert oder wird nach hinten getreten und liegt plötzlich auf allen vieren, mit dem Rücken zum Boden. Man hebt das Gesäß etwas an, sodass Kontaktpunkte zum Boden nur Hände und Füße sind. Hieraus kann man viele tiefe Beintechniken und Hebel einbringen, um den Gegner zu Fall zu bringen.
Nachdem ich nun auf ein paar Meidbewegungen eingegangen bin (vieles kommt ja auch Situationsbedingt und spontan ganz anders und man weicht für sich oft am besten aus), kommen wir nun zu effektiven Tritttechniken des Capoeira, die in einem Kampf Verwendung finden können.
„Armada“: Dieser Tritt ist eigentlich ein schön eingedrehter Roundhouse Kick. Ich denke, er bedarf keiner Erklärung, da er nach dem selben Prinzip ausgeführt wird, wie z.B. beim Taekwondo. Erst bewegen sich Kopf und Oberkörper, zuletzt folgt der Unterkörper.
„Queixada – Kinnlade“: Dieser Tritt ist eigentlich ein etwas höherer Frontkick auf Kinn- oder Brustbereich gezielt.
„Bêncao – Segen/Wohltat“: Dieser Tritt ist ein reiner Pusher, der mit ziemlicher Wucht auf den Brustkorb gezielt wird. Eine gute Technik, um Abstand zum Gegner zu gewinnen.
„Martelo-em-Pé“: Ein schneller und explosiver Schnapptritt. Er wird mit Hüfteinsatz schnell, direkt und seitlich auf Bauch-/Brustbereich des Gegners geführt.
Als nächster Punkt wären Techniken zu erwähnen, die den Gegner aus dem Gleichgewicht bringen.
„Rasteira“: Aus einer tiefen Stellung heraus, zieht man mit einem gestreckten Bein ein Bein/die Beine des Gegners weg, sodass er zu Fall kommt. Auch gut anzuwenden, wenn der Gegner gerade einen Tritt an den Mann bringen will und er nur auf einem Standbein steht.
„Negativa com Tesoura“: Eine Beinschere mit beiden eigenen Beinen um das oder die Beine des Gegners. Es wird eingedreht, um so den Gegner zu Fall zu bringen.
„Banda-de-Costas“ – Breitseite von hinten“: Ein Beinfeger, bei dem man fast seitlich zum Gegner steht und mit dem Bein, welches nahe am Gegner ist, eins oder beide Beine des Gegners wegfegt.
„Acoite-de-Braco – Arm-Peitsche“: Gut anzuwenden gegen einen bewaffneten Hieb- oder Stichwaffenangriff von oben. Man ergreift den angreifenden Arm und gleichzeitig ein Bein weit am Oberschenkel. Nun wirft man den Gegner mit einer runden Bewegung.
„Vingativa“ – Rache“: Eine Mischung aus Beinfeger und dem Zufallbringen des Gegners mit dem eigenen Oberkörper.
Dann gibt es da noch Schlagtechniken, doch diese habe ich bereits in meinem letzten Post des Threads zur Kampftauglichkeit des Capoeira beschrieben.
Ich hoffe sehr, dass ich hier mal einen kleinen Einblick geben konnte, dass Capoeira sehr wohl zur Verteidigung und Anwendung im Straßenkampf geeignet ist, wenn man solche für den Kampf unnötigen Bewegungen, wie das Rad, den Salto, den Handstand, etc. weglässt.
Dieser Text / Dieses Thema ist natürlich offen für Diskussionen und Kritik.
Bin mal gespannt, wie ihr diesen Text seht und ob ich eure Meinungen zur SV-Tauglichkeit von Capoeira ein wenig ändern konnte.
Grüße,
jet_black
Meiner Meinung nach, hat Capoeira zwei Seiten, ähnlich dem Ying-Yang Prinzip. Die eine Seite, welche für das helle und softe steht, beinhaltet das gemeinsame Spiel in der Roda, das Musizieren, Singen und Gruppengefühl. Die andere, dunkle und harte Seite ist auf die Ursprünge und den eigentlichen Zweck von Capoeira zurückzuführen. Nämlich als um 1820 datierte Briefe der Militärkommission in Rio de Janeiro, Beschwerden über „bei Unruhen festgenommene Capoeira-Neger“ getätigt wurden. Sie verwendeten zu dieser Zeit ein sehr brutales und Ursprüngliches Capoeira, bei welchem viele akrobatische Elemente fehlten, nicht musiziert wurde (obwohl es zu dieser Zeit das Berimbau schon in Brasilien gab) und teilweise mit blanken Messern und Rasierklingen gekämpft wurde.
Aufgrund des ursprüngliches Sinnes des Capoeira (des getarnten Erlernens einer Verteidigungsart) und den Techniken seiner „Roots“, eignet sich Capoeira für die eigene Verteidigung.
Körperwaffen die man im Capoeira als „Angriffsart“ verwenden kann, sind:
- Kopf
- Fäuste
- Unterarme
- Ellbogen
- Füße
- Knie
- Schienbeine
Diese Körperwaffen sind für, direkt gegen den Gegner gerichtete Angriffe geeignet, da sie in anderen Kampfsportarten / Kampfkünsten ebenso Körperwaffen sind und beim Capoeira sowieso in ständiger Bewegung sind, was zum einen für den Gegner sehr unvorhersehbar ist und zum anderen sind sie so schnell in eine schwungholende Position gebracht, ohne vorher großartige Anzeichen einer kommenden Angriffsbewegung zu signalisieren.
Ich denke dass jeder, der diese Zeilen hier liest, sich schon ein wenig mit dem Thema Capoeira auseinandergesetzt hat und ich deshalb den kulturellen Aspekt und das „Spiel“ in der Roda nicht nähernd erläutern muss.
Es wird viel behauptet, dass Capoeira-Techniken viel zu lange brauchen, um den Gegner zu erreichen. Dabei wird aber übersehen, dass die damit gemeinten Techniken unter anderem Namen, ebenso in anderen Kampfkünsten und –Sportarten vorkommen. Selbiges gilt für Fausttechniken, die unverständlicherweise so gut wie gar nicht in vielen Vereinen gelehrt werden, weil es dort meist um das „Spiel“ in der Roda geht und nicht um den Selbstverteidigungsaspekt. Festzustellen ist, dass es im Capoeira wirksame Fuß- und Fausttechniken gibt, wie in vielen anderen Kampfkünsten auch. Schließlich wurde Capoeira nicht umsonst als eine KAMPFkunst entwickelt und fand in blutigen Auseinandersetzen von Brasiliens Straßen Anwendung.
Auch beinhaltet Capoeira fast hauptsächlich Ausweich- und Meidbewegungen um den „Angriffen“ zu entgehen. Geblockt wird beim Capoeira nur, wenn ein Ausweichen nicht mehr möglich ist. Diese Verlassen auf Ausweichbewegung ist ein riesiger Vorteil gegenüber dem Blocken von Angriffen auf der Straße. Man stelle sich einmal vor, jemand wird mit einem Messer angegriffen. Jeder von uns, hat doch sich schon einmal die unschönen Ergebnisse einer Messerstecherei gesehen, sei es als Zeuge, oder auch auf Bildern. Durch die ständigen Ausweichbewegungen meidet man den Kontakt mit dem angreifenden Körperteil und der Angriffswaffe und kann sich so besser vor Verletzungen schützen.
Natürlich ist es sehr sinnvoll, dass als Selbstverteidigung angewandte Capoeira, für den Moment des „Kampfes“, seiner akrobatischen Elemente und Ausschmückungen zu berauben und sich auf die passenden und wirksamen Techniken zu beschränken. Somit begeht man keinen Stilbruch mit der Kunst des Capoeira, sondern man besinnt sich auf die Ursprünge und Urväter dieser Kampfkunst und verwendet sie zu dem Zweck, zu dem sie erschaffen wurde.
Als erstes sollte man die Ausweichbewegungen angehen, da sie die Bewegungen und das Hauptelement eines jeden Capoeirista sind.
„Ginga“: Ok, niemand wird und sollte in einem Straßenkampf die Ginga nutzen und durchziehen. Ich finde die Ginga ist einfach ein schönes Training für untere und seitliche Ausweichbewegungen, welche sehr wohl in einem Straßenkampf sinnvoll sind. Z.b. kann man, ist man erst mal mit dem eigenen Körper seitlich und etwas unterhalb der Achselhöhle des Gegners, auch schöne Ellbogentechniken anwenden. Aber während eines Kampfes sollte man nicht in der Ginga rumhamplen und auch nicht die Capoeiratypische Armhaltung, sondern eine schöne Deckung einnehmen.
„Negativa“ und „Role“: Die Negativa ist eine tiefe Bodenstellung aus der man einige Bein- oder Handtechniken auf die Beine des Gegners anwenden kann. Role ist die schwungvolle Bewegung in eine aufrechtere Position.
„Queda de quatro – Sturz auf alle viere“: Eine Stellung, in die man in einem Kampf auch mal unfreiwillig geraten kann. Man wird geschubst, stolpert oder wird nach hinten getreten und liegt plötzlich auf allen vieren, mit dem Rücken zum Boden. Man hebt das Gesäß etwas an, sodass Kontaktpunkte zum Boden nur Hände und Füße sind. Hieraus kann man viele tiefe Beintechniken und Hebel einbringen, um den Gegner zu Fall zu bringen.
Nachdem ich nun auf ein paar Meidbewegungen eingegangen bin (vieles kommt ja auch Situationsbedingt und spontan ganz anders und man weicht für sich oft am besten aus), kommen wir nun zu effektiven Tritttechniken des Capoeira, die in einem Kampf Verwendung finden können.
„Armada“: Dieser Tritt ist eigentlich ein schön eingedrehter Roundhouse Kick. Ich denke, er bedarf keiner Erklärung, da er nach dem selben Prinzip ausgeführt wird, wie z.B. beim Taekwondo. Erst bewegen sich Kopf und Oberkörper, zuletzt folgt der Unterkörper.
„Queixada – Kinnlade“: Dieser Tritt ist eigentlich ein etwas höherer Frontkick auf Kinn- oder Brustbereich gezielt.
„Bêncao – Segen/Wohltat“: Dieser Tritt ist ein reiner Pusher, der mit ziemlicher Wucht auf den Brustkorb gezielt wird. Eine gute Technik, um Abstand zum Gegner zu gewinnen.
„Martelo-em-Pé“: Ein schneller und explosiver Schnapptritt. Er wird mit Hüfteinsatz schnell, direkt und seitlich auf Bauch-/Brustbereich des Gegners geführt.
Als nächster Punkt wären Techniken zu erwähnen, die den Gegner aus dem Gleichgewicht bringen.
„Rasteira“: Aus einer tiefen Stellung heraus, zieht man mit einem gestreckten Bein ein Bein/die Beine des Gegners weg, sodass er zu Fall kommt. Auch gut anzuwenden, wenn der Gegner gerade einen Tritt an den Mann bringen will und er nur auf einem Standbein steht.
„Negativa com Tesoura“: Eine Beinschere mit beiden eigenen Beinen um das oder die Beine des Gegners. Es wird eingedreht, um so den Gegner zu Fall zu bringen.
„Banda-de-Costas“ – Breitseite von hinten“: Ein Beinfeger, bei dem man fast seitlich zum Gegner steht und mit dem Bein, welches nahe am Gegner ist, eins oder beide Beine des Gegners wegfegt.
„Acoite-de-Braco – Arm-Peitsche“: Gut anzuwenden gegen einen bewaffneten Hieb- oder Stichwaffenangriff von oben. Man ergreift den angreifenden Arm und gleichzeitig ein Bein weit am Oberschenkel. Nun wirft man den Gegner mit einer runden Bewegung.
„Vingativa“ – Rache“: Eine Mischung aus Beinfeger und dem Zufallbringen des Gegners mit dem eigenen Oberkörper.
Dann gibt es da noch Schlagtechniken, doch diese habe ich bereits in meinem letzten Post des Threads zur Kampftauglichkeit des Capoeira beschrieben.
Ich hoffe sehr, dass ich hier mal einen kleinen Einblick geben konnte, dass Capoeira sehr wohl zur Verteidigung und Anwendung im Straßenkampf geeignet ist, wenn man solche für den Kampf unnötigen Bewegungen, wie das Rad, den Salto, den Handstand, etc. weglässt.
Dieser Text / Dieses Thema ist natürlich offen für Diskussionen und Kritik.
Bin mal gespannt, wie ihr diesen Text seht und ob ich eure Meinungen zur SV-Tauglichkeit von Capoeira ein wenig ändern konnte.
Grüße,
jet_black