Vollständige Version anzeigen : Physik des Karate - ein Erklärungsversuch
Hallo!
In verschiedenen Threads hier im Board war in letzter Zeit häufig von technischen Prinzipien die Rede, die Teilaspekte der Karatetechnik anbetrafen.
Der Umstand, daß es dazu mitunter zwar hitzige Diskussionen, jedoch nie den Versuch gab, die Karatetechnik und deren Wirkungsmechanismen halbwegs vollständig zu erklären, hat mich veranlaßt, diesbezüglich doch einmal einen Versuch zu unternehmen. Natürlich will ich nicht die gesamte Karatetechnik mit allen Teilaspekten versuchen zu erklären, sondern vielmehr einige physikalische Prinzipien ergründen.
Eins noch vorweg:
Aus leidiger Erfahrung weiß ich, daß argumentatives Arbeiten nicht immer gemocht wird und daher mitunter als arrogante Rechthaberei mißverstanden wird.
Daher hier ausdrücklich der Hinweis, daß mein Beitrag als Aufforderung zur Diskussion verstanden werden soll und daß er nicht etwa gedacht ist, DAS Karate, sondern das Karate, welches ich gelernt habe und noch lerne, zu beleuchten.
Wenn jemand anderer Meinung sein sollte, bitte ich um möglichst detalierte Erläuterungen, um das "Andere" der jeweiligen Meinung auch nachvollziehen zu können. Kommentare wie "Du arrogantes A....loch" sind dafür nur sehr begrenzt hilfreich.
Zur Sache:
Im Wesenstlichen sind es zwei Problemkreise, die beim Erlernen der Karatetechnik zu beachten und zu erlernen sind, nämlich
1. wie Energie erzeugt wird und
2. wie diese Energie auf das Zielobjekt übertragen werden kann.
Aus dem Physikunterricht wissen wir, daß bei mechanischen Energieerzeugungsmodellen im Wesentlichen zwei Faktoren in die Berechnung einbezogen werden: die Masse und die Geschwindigkeit.
Beide Faktoren wirken auf die erzeugte Energie, wenn auch unterschiedlich, dem Prinzip nach aber doch in der Form ein, als daß eine Steigerung der Faktoren auch einen Energiezuwachs mit sich bringt.
Der Masse will ich weiter unten noch ein wenig Raum geben, daher zunächst einige grundsätzliche Überlegungen zur Geschwindigkeit.
Wer den Körper schnell machen will, muß zunächst verstehen, wie er funktioniert.
Natürlich ist es die Muskelkraft, die den Körper bewegt und damit schnell macht. Dabei ist jedoch zu beachten, daß einzelne Muskeln immer im Zusammenspiel mit ihrem Gegenspieler (Antagonisten) betrachtet werden müssen und zwar dergestalt, daß, wenn sich ein Muskel spannt, die resultierende Bewegunsschnelligkeit immer nur so hoch ausfällt, wie es der jeweilige Gegenspieler durch seinen Spannungszustand zuläßt. Das will heißen, daß eine schnelle Bewegung immer nur dann gelingt, wenn der Gegenspieler eines beteilgten Muskels dies durch größtmögliche Entspannung auch ermöglicht.
Demzufolge läßt sich sagen, daß eine schnelle Bewegung nicht etwa eine möglichst entspannte Bewegung ist, sondern eher eine Bewegung frei von UNNÖTIGER Spannung. Diese Unterscheidung ist wichtig.
Damit ist zum oben unter 1. genannten Problemkreis eigentlich schon viel gesagt, da klargestellt ist, daß beim Karate unter Einsatz der Körpermasse mittels Geschwindigkeit Energie ERZEUGT wird.
Klargestellt ist jedoch noch nicht, wie diese Energie unter Beachtung der verschiedenen zu Verfügung stehenden Massen erzeugt und dann auch übertragen wird.
Zur Erklärung dieses Problemkreises möchte ich verschiedene Fallgruppen bilden.
A. Der federnde Schlag
Am einfachtsen zu verstehen ist der Fall, daß durch eine exorbitante Beschleunigung eine so hohe Geschwindigkeit erzielt wird, daß selbst kleinste Massen zu einer solch hohen Bewegungsenergie führen, daß diese ausreichend ist, die Festigkeit des Zielobjekts zu überwinden (= Zerstörung oder Deformation) oder wenigsten Bewegungsenergie auf diese zu übertragen, indem dessen Masseträgheit überwunden wird (z.B. Wegstoßen des Gegners).
Selbstredend müssen die hierbei eingesetzten Massen vergeichsweise klein sein, wie z.B. bei einer Gewehrkugel, da große Massen die für diese Fallgruppe notwendige Geschwindigkeit mit menschlischer Kraft nicht erreichen können.
Die Energieübertragung findet bei dieser Fallgruppe durch Übetragung der hohen Bewegungsenergie, die maßgenblich durch die hohe Geschwindigkeit erzeugt wurde, statt. Die bei diesem Modell entstehende Bewegungsnergie ist aufgrund der ihrer Höhe und in Abhängigkeit vom getroffenen Zielobjekt (das hierfür natürlich klug ausgewählt sein muß) so überschießend, daß sie die nach dem 3. Newtonschen Satz auch auf Erzeugersystem zurückwirkende Energie auffängt.
Gut vorstellen kann man sich das anhand eines Gummiballes, der normalerweise von einer Wand abprallt. Wird dieser Gummiball aber so hoch beschleunigt wie ein Hochgeschwindigkeitsgeschoß, durchschlägt er die Wand und fängt die auf ihn rückwirkende Energie wegen der hohen Eigenenergie ab.
Wir sehen sehr gut, daß dieses System aber schnell an seine Grenzen stößt: Zum einen ist die menschliche Fähigkeit, Massen hoch zu beschleunigen, sehr begrenzt. Zum zweiten unterstellt dieses Modell, daß die in Abhängigkeit von der Beschaffenheit des Zielobjektes (vor allem dessen Masse) auf das Erzeugersystem rückwirkende Energie immer durch ein hohes Maß überschießender Energie kompensiert werden kann.
Demzufolge ist der Anwendungsbereich dieses Prinzips auf einige Fallgruppen begrenzt, namentlich bei Zielen, die keine allzu hohe Eigenmase aufweisen und die durch geringe Elastizität nur wenig Energie absorbieren.
Namentlich aber auch auf Techniken, bei denen eben nicht so hohe Massen beschleunigt werden müssen. Das sind die sog. federnden Schläge, also schnell geschnappte Techniken, wobei Uraken-uchi hier als Präzedenzfall gelten kann, da es auch Schlagtechniken gibt, die sich eher eines durchdringenden Wirkprinzips bedienen (wie z.B. Tettsui-uchi).
So wie es aber auch bestimmte Stoßtechniken gibt, die sich, in Abweichung vom sonst bei den Stoßtechniken vorherrschenden durchdringenden Prinzip, eines federnden Mechanismusses bedienen.
Schließlich bleibt für diese Fallgruppe noch zu beleuchten, wie die auf die Schlaghand rückwirkende Energie nicht dazu führt, daß im schlimmsten Fall die Festigkeit der eigenen Hand überwunden wird.
Zum Glück wurde durch medzinisch-physikalische Untersuchungen nachgewiesen, daß die Rechnung nicht so einfach ist, daß man nur die "Härtegrade" von z.B. Faust und Zielobjekt zu vergleichen brauche, um festzustellen, welche Materie die andere zu durchdringen in der Lage sei. Vielmehr ist es so, daß z.B. die menschliche Hand allein wegen ihres Aufbaus viel "härtere" Zielobjekte "zerschlagen" kann.
Allein dies hilft aber nicht vollends, so daß es im Moment des Auftreffens zusätzlich eines stabilisierenden Anspannens z.B. der Hand bedarf.
B. Der durchdringende Schlag
Aufgrund der Begrenztheit des federnden Prinzips wird im Karate ein zweites, im Shotokan sogar bedeutsameres, Prinzip verwendet: Zur relativ kleinen Masse von z.B. der Hand wird zur Energieerzeugung die Masse des gesamten Körpers hinzuaddiert.
Dies verlangt natürlich eine der (recht schnellen) Bewegungsgeschwindigkeit der Hand angepaßte Bewegungsgeschwindigkeit des Körpers, was sehr schwer ist und zu erreichen eines der maßgeblichsten Ziele des Grundschultrainings darstellt.
Wird aber allein dadurch, daß wir hier mit dem gesamten Körper arbeiten, auch automatisch die Masse des gesamten Körpers gegen das Ziel in Form von sich entäußernder Energie eingesetzt?
Nein.
Um das zu verstehen ein Beispiel: Stellen wir uns einen mit Wasser gefüllten Ballon vor, den wir auf den Boden fallen lassen. Der Ballon hat eine recht hohe Masse und wird durch die Schwerkraft beschleunigt, kann dieses hohe Potential aber nur begrenzt umsetzen, da die Masse des Ballons in sich nicht fest genug ist. Das leicht deformierbare Wasser führt dazu, daß der Ballon beim Auftreffen quasi "breitläuft".
Damit uns das beim Karate nicht auch passiert, müssen die vielen durch Gelenke miteinander verbundenen Einzelmassen des Körpers zu einem festen Verbund werden. Dies gelingt durch Körperspannung, welche die Gelenke fixiert.
Aber auch dieses Modell weißt bisher noch einen grundlegenden Fehler auf, da es nämlich unterstellt, daß die bewegte Masse des Körpers Energie in so einem hohen Maße erzeugt, daß sich die Technik in das Ziel "hineinfressen" (also zerstören oder deformieren) oder dieses wegdrücken/-stoßen kann.
Was ist aber, wenn das Ziel zu fest ist, um zerstört oder deformiert zu werden, oder wenn es zu viel Masse hat, um weggedrückt werden zu können, wenn also das Ziel (mehr oder minder) widersteht? Im Extremfall entlädt sich hier die gesamte freigesetzte Energie im Erzeugersystem selbst. Eine grausige Vorstellung!
Nun kann man entgegnen: Selbst schuld! Wer schlägt schon gegen Betonmauern!?
Sicher kein vernünftiger Mensch, aber die Grenzen sind fließend. Was ist genau in diesen Grenzfällen?
In diesem Fall (aber natürlich nicht nur hier) benutzt der Karateka die größte Masse, die man sich überhaupt vorstellen kann: die Erde. Damit sich die auf ihn mit voller Wucht zurückwirkende Energie nicht in ihm entlädt (und sei es "nur" als Bewegungsenergie), fixiert er seinen Körper zwischen seinem Ziel und dem Erdboden, wozu natürlich wieder Spannung vonnöten ist (in diesem Fall sogar ein sehr hohes Maß).
Sehr gute Beispiele für dieses Prinzip sind die langen Fauststöße des Shotokan, die auf einen sicheren Stand gestützt sind.
Schlußfolgerung:
I.
Die Karatetechnik bedarf, um Kraft entwickeln zu können, hoher Bewegungsgeschwindigkeit, die durch ein ausgewogenes Verhältnis von Spannung und Entspannung zustande kommt.
II.
Die Kraftübertragung bedarf darüber hinaus, je nach Anwendungsfall kumulativ oder separat, im Augenblick des Auftreffens folgender Körperspannungen:
- Spannung der Körperwaffe selbst (z.B. der Faust)
- Spannung des Körpers, um dessen verschiedene Teilmassen zu einer großen Masse zu verbinden
- Spannung des Körpers, um diesen in sich fest an einem externen Bezugssystem zu fixieren.
Diese Spannung im Augenblick des Auftreffens ist sehr, sehr kurz. Bei sehr geübten Karateka hat dieser Fokus lediglich eine Dauer von 50 - 100 ms.
MfG
Jens
Karl-Heinz
24-06-2003, 20:47
Hallo Jens,
eine bewusste Spannung ist nicht nötig, weil alle an der Bewegung beteiligten Muskeln, wenn die Technik auf Widerstand stösst automatisch angepannt werden. Das ist ein ganz normaler Regelmechanismus des Körpers.
Diese automatische Spannung sichert das tiefe Eindringen in das Ziel, da diese Spannung vom Körper ja zur Überwindung des Widerstandes erzeugt wird. Diese vom Körper selbst erzeugt Spannung schützt und stabilisiert gleichzeitig auch die Gelenke.
Das Wichtigste ist aber, dass diese Art der Spannung den Vorwärtsimpuls der Technik nicht beendet, sondern bei gleichzeitiger Stabilisierung der Gelenke eher noch verstärkt.
Deine Art der aktiven Spannung BEENDET die Bewegung, was bedeutet, dass die Wirkung oberflächlicher ist. Du schreibst ja selbst, dass die bewusste Spannung, die Du als (Dein) Kime bezeichnest, auch die Gelenke vor Rückstoss schützen soll. Das bedeuten aber gleichzeitig, dass Dein Fokus zwangläufig AUF der Oberfläche des Zieles liegen MUSS. Deine Aussage würde keinen Sinn machen, wenn Du die Technik in das Ziel eindringen lassen würdest und dann erst spannst, zumindest nicht wenn es um die Stabilisierung der Gelenke geht.
Im Vergleich zur Technik mit willentlicher Anspannung des ganzem Körpers im Treffmoment, was wie oben beschrieben die Technik abschliesst, dringt die Technik mit "natürlicher" Spannung tiefer ein.
Man braucht keine Physik zu bemühen, ein einfacher Versuch, den ich immer wieder gerne demonstriere reicht.
Lasse einfach mal einen stabil stehendem Trainingparter eine Pratze oder eine vergleichbares Polster auf die Brust legen und schlage mit Deinem stärksten Gyaku Zuki mit Deiner Kime Version auf dieses Polster. Wenn der Empfänger empfindlich ist, tuts vieleicht ein bischen weh, wenn er richtig atmet wird er in der Regel nur etwas bewegt.
Machst Du das Gleiche mit gleicher Beschleunigung ohne AKTIVE Ganzkörperspannung, wird er deutlich mehr Wirkung spüren, in dem meisten Fällen sogar vor Schmerzen zusammenbrechen.
Das funktioniert sogar noch, wenn man etwas Weiches wie ein bis zwei Kissen als Schutz nimmt. In diesem Fall "verhungert" der Schlag mit aktiver Spannung in der Regel im Polster, während die andere Version noch so deutlich zu spüren ist, dass ein zweiter Versuch in der Regel abgelehnt wird.
Der Grund für die unterschiedliche Wirkung liegt in der oben beschriebenen Tatsache, dass die Muskeln durch den Widerstand zwar automatisch gespannt werden, der Vorwärtsimpuls aber in keinster Weise gestoppt wird, da die Spannung dazu dient, den Widerstand des Zieles zu überwinden, während Deine Art der Spannung, man kann es nicht oft genung sagen, die Bewegung beendet. Das Ziel wird bei der natürlichen Variante mehr bewegt (wenn man nicht schnell genug schlägt) und der Schlag dringt tiefer ein.
Das die Hand und das Handgelenk eine gewisse Vorspannung benötigen ist klar. Mit enspannter Technik ist auch nicht gemeint, dass die Technik schlaff sein soll. Es geht darum, dass nur die Muskeln, die zur Erhaltung der Positur und der Bewegung benötigt werden genutzt werden. Dazu genügt es, die Position einzunehmen und die Bewegung schnell auszuführen. Den Rest macht der Körper ganz von selbst.
Diese von jedem Interessierten reproduzierbaren Versuche sind für mich das Maß mit dem ich die Wirkung einer Technik bewerte oder ein Prinzip überprüfe.
Dieser Satz von Dir ist auch interessant: "Damit sich die auf ihn mit voller Wucht zurückwirkende Energie nicht in ihm entlädt (und sei es "nur" als Bewegungsenergie), fixiert er seinen Körper zwischen seinem Ziel und dem Erdboden, wozu natürlich wieder Spannung vonnöten ist (in diesem Fall sogar ein sehr hohes Maß)."
In den chinesischen "inneren" Kampfkünsten wie Tai Chi Chuan zum Beispiel macht man genau das Gegenteil. Es gibt eine Methode, bei der man frontal auftreffende Energie über entspannte Gelenke an den Boden weiterleitet. Wobei sich alle Gelenke, entlang des "Pfades" von der dem Punkt, wo die Energie des Angreifer auftrifft bis zu den Füssen leicht beugen, was gleichzeitig eine PASSIVE Spannung _in Richtung_ des Angreifers erzeugt. Die Energie kann durch eine schnelle entspannte Streckung der Gelenke wieder an den Angreifer übertragen werden. Das kann ein Push sein, oder ein Schlag. Gute Leute können diese Art von Schlägen mit einer am Angreifer aufgelegten Hand ausführen. Die Bewegung spielt sich in dem Fall innerhalb des Körpers ab, eben durch die Streckung der Gelenke und einer Impulssteuerung des Unterbauches. Es ist eine sehr schnelle Beschleunigung vorhanden, die aber aüsserlich kaum sichbar ist, da sich keine Gliedmassen über eine längere Strecke bewegen, wie es zum Beispiel bei einem Karate Fauststoss der Fall ist.
Jede lokale Spannung, zum Beispiel in den Schultern wird im Tai Chi als grober Fehler angesehen, weil der Energieimpuls der sich streckenden Gelenke entlang des Pfades vom Boden zum Ziel dort unterbrochen würde. So unterschiedlich können Prinzipien sein.
Hier haben wir dann den Fall, dass eine Faust eben nicht über eine längere Wegstrecke beschleuningt wird um Energie zu gewinnen und trotzdem eine enorme Power da ist.
Zugegebenermaßen gibt es nicht viele die das im Tai Chi Chuan wirklich umsetzen können. Das liegt aber nicht am Tai Chi Chuan, sondern daran, dass es heute kaum noch als Kampfkunst unterrichtet wird oder die Prinzipen nicht verstanden werden. In dem Fall handelt es sich um eine Reihenfolger leerer Bewegungen, die ausser Äusserlichkeiten nichts mit Tai Chi Chuan als Kampfkunst zu tun haben. Ich persönlich lasse mich lieber von einem deftigen Zuki am Körper treffen, als von einem Meister der "weichen" Kampfkünste mit einer eher unscheinbaren Technik. Die Leute, die Mal das Vergnügen hatten, auf der Empfängerseite zu stehen wissen was ich meine.
Der kleine Ausflug in die "weichen" Kampfkünste sollte nur klar machen, dass es noch andere Methoden der Powergenerierung gibt, als die, welche Du kennst. Ist aber auch alles nur Physik.
So, jetzt ziehe ich mich aus dieser Diskussion zurück, dass ist mir alles zu anstrengend und so wichtig ist mir das Ganze auch wieder nicht. ;-)
Grüße,
Karl-Heinz
Hallo Karl Heinz,
was Du schreibst erscheint mir zwar stimmig, aber doch nur solange ich unterstelle, daß die Anfangskraft beim Auftreffen auf das Ziel ausreicht um in dieses einzudringen (Weiche Kissen) bei einem harten Ziel (Brustkorb, Schädel etc.) nimmst Du in Kauf auf eben dieses Ziel zu treffen ohne die maximal mögliche Kraft generiert zu haben.
Und maximal ist sie wohl unstrittig im Endpunkt der Bewegung, weswegen Wurfsportler auch erst hier ihr Geschoß loslassen (Oder beim Kugelstoßen würde die Kugel, die ja nicht fest gehalten wird, die Hand vor dem Ende der Bewegung verlassen).
Natürlich bedarf es einer gewissen Eindringtiefe auch bei harten und eher "brüchigen" Zielen weswegen man immer einen Kompromiß eingehen muß.
Daß Kime nicht immer die sinnvollste Art ist Energie beim Impakt zu übertragen ist wohl auch unstrittig, so kann ich z.B. bei Kopftreffern oft mehr Wirkung erzielen wenn ich den Kopf des Gegners maximal beschleunige in der Hoffnung auf eine "Hirnprellung" zumal wenn man Handschuhe trägt.
Aber es wird schon seinen Grund haben, warum im Karate das Makiwara eine größere Bedeutung hat als der Boxsack und umgkehrt das Makiwara beim Boxen gar keine.
Und das viele andere kampfkünste zu anderen Übertragungsergebnissen kommen liegt in meinen Augen eher am taktischen Moment, der Karateka agiert eher mit "Wirkung vor Deckung" wegen der "ultimativ letalen" Grundidee der Kampfsituation. Während andere Künste sich lieber die Option eines zweiten Schlages offen halten wollen.
Und das man bei einer "Fixierung" im Erdboden in der Lage ist mehr Kraft nach außen zu übertragen ist doch eigentlich unstrittig, zumindest schiebe ich mein Auto, wenn ich das denn einmal tun muß, immer so...?!
Karl-Heinz
24-06-2003, 22:41
Hallo Jibaku,
ich habe 1968 angefangen Karate zu trainieren und hatte damals auch die eher harte Version von Kime als Vorbild und war extrem traditionel eingestellt. 3-4 Stunden Training täglich, 7 Tage die Woche war mein ganz normaler Durchschnitt. Ich habe über viele Jahre jeden Tag mindestens ein Stunde Makiwara Training gemacht und kenne die Unterschiede ganz gut. Mein Fausstoss war wegen dieses damals exessivem Makiwara Training sehr stark.
Irgendwann, ich weiss nicht mehr genau was der Grund war, fing ich an diese Ausführung der Technik zu hinterfragen und habe herumexperimentiert. Ich bin zur Einsicht gekommen, dass es zumindest für mich, bessere Methoden gibt kraftvolle Techniken zu generieren. Viele Stunden Vollkontaktsparring mit und ohne Schutzweste haben mir gezeigt, dass ich "ohne" aktive Spannung mehr Wirkung erziehle. Interessanterweise hätte man bei der passiven Form der Spannung auf die Schutzweste auch gleich verzichten können. Die Durchschlagskraft ist einfach grösser.
Die ganze Diskussion ist eh akademisch. Natürlich ist eine Technik mit starker aktiver Spannung im Treffmoment mehr als ausreichend, sofern das Timing stimmt. Über _noch mehr als ausreichend_ braucht man sich ja nicht zu streiten.
Ich mache heute kein Karate mehr und beschäftige mich mit den "weichen" Kampfkünsten.
Was das Auto angeht, ich weiss, das dass "enspannte" Aufnehmen von Energie nicht leicht zu erklären ist.
Es geht auch nicht um wirklich entspannte Neutralisierung von Energie innerhalb des Körpers. Es ist das gleiche Prinzip von dem ich hier die ganze Zeit schreibe.
Man lässt sich quasi passiv durch den Druck spannen. Dadurch ist gewährleistet, dass ausschliesslich die Muskulator die wirklich benötigt wird genutzt wird. Das hat zur Folge, dass die muskulären Gegenspieler der Bewegung ausgeschaltet werden. Das widerum hat zur Folge, dass nichts meine Bewegung abbremst und so erst eine maximale Kraftübertragung möglich wird.
Ein Beispiel dass es vieleicht noch verständlicher macht. Ein normaler untrainierter Mensch der einen Schlag ausführt, spannt in der Regel den ganzen Arm an, auch den Bizeps. Der Widerstand, den der Bizeps dem sich streckenden Arm entgegensetzt wird als ein Gefühl von Kraft interpretiert. Erst der Widerstand lässt einen die Bewegung überhaupt spüren.
Ein wirklich kraftvoller Schlag unter Ausschaltung aller Antagonisten fühlt sich nach garnichts an, es sei den man trifft irgendwas.
Das ist gemeint, wenn man bei den "inneren" Kampfkünsten von enspannt redet. Natürlich werden Muskeln genutzt, nur eben optimal und etwas anders als man das üblicherweise macht. Ein Mensch der nicht in dieser Richtung trainiert tendiert eher dazu, um wieder auf Dein Auto zurückzukommen, alle möglichen Muskeln anzuspannen, die zum Bewegen des Autos nicht benötigt werden. Der so erzeugte Widerstand der Antagonisten fühlt sich für die meisten Menschen "kraftvoll" an. In Wirklichkeit verliert man aber Kraft, da man nicht nur gegen das Gewicht des Autos arbeitet, sondern auch gegen den Widerstand eines Teiles der eigenen Muskulatur.
So, jetzt verabschiede ich mich aber entgültig. Foren sind nichts für mich.
Grüße,
Karl-Heinz
Hallo Karl-Heinz!
Als Erstes möchte ich Dir für Deine ausführlichen Kommentare und Analysen danken. Ich bedaure es sehr, daß Du die "Welt der Foren" nicht als die Deinige ansiehst und sie lieber meidest. Das verhindert Gespräche, auf die ich mich sehr gefreut hätte und wo ich hätte viel lernen können, da aus Deiner Argumentation eine bestimmte Art von Sachverstand ersichtlich ist, den man zu selten antrifft.
Diesbezüglich ein aufrichtiges und respektvolles "OSU!" an Dich!
Letztlich ist es deswegen auch schade, daß Du Deine überaus interessanten Ausführungen in den Kontext einer Betrachtung über die Physik des Karate stellst, da Du mit Deiner Meinung eben genau diese Physik in Frage stellst. Was letztlich dazu führt, daß wir wieder einmal Äpfel mit Birnen vergleichen.
Bitte versteh' mich keineswegs so, daß ich Deine Erfahrungen irgendwie in Zweifel ziehen möchte. Du bist inn jeder Hinsicht der Ältere, wovor ich großen Respekt habe, und Du hast sicher sehr gute Gründe dafür, daß Du Dich letztlich dem Karate abgewandt hast. Selbst davor habe ich großen Respekt.
Jedoch, und das bitte ich Dich zu verstehen, zwingt mich Deine Argumentation, den Rahmen, in dem ich mich nach wie vor wohl fühle und den ich nicht einmal annähernd verstehe, bereits wieder zu verlassen.
Das habe ich vielleicht noch vor mir, kann es aber noch nicht erkennen.
Aus diesem Grund bin ich praktisch auch gezwungen, mir eine Gegenargumentation zu dem, was Du geschrieben hast, "aus den Fingern zu saugen". Bitte, ich wiederhole es noch einmal, sieh dies nicht als Respektlosigkeit an.
Trotz Deiner Ankündigung, Dich endgültig zu verabschieden, hoffe ich, daß Du diese Zeilen trotzdem liest.
OSU!
Vorweg eine nette Anekdote:
Wer C.W. Nicols' "Moving Zen" gelesen hat, erinnert sich sicher an die dort beschriebene Begebenheit, als der Autor auf einen wirklichen Tai-Chi-Meister traf, sich mit dessen Leistungsfähigkeit konfrontiert sah und diesbezüglich Nakayama Sensei um Auskunft bat.
Nakayama's Antwort war so einfach wie verblüffend und offenbarte eine so wohltuend ego-lose Standortbestimmung des Selbst, wie es wohl nur wirkliche Meister zustande bringen. Nakayama antwortete sinngemäß, daß die offensichtlich nahezu übermenschlichen anmutenden Fähigkeiten einiger Tai-Chi-Meister aus der Sicht des "Normalbürgers" genau dies seien: übermenschlich. Für den Normalbürger reiche deswegen "einfaches" Karate.
Um hier gleich vorzubeugen: Ich halte es für begrenzt sinnvoll, über diese Aussage Nakayama's zu diskutieren, denn das einzig Wesentliche der Aussage steht klar geschrieben: Selbst die größten Karatemeister sind sich der Existenz einer Welt, die sich mit unseren Kategorien oder zumindest mit unseren derzeitigen Vorstellungen über unsere Kategorien nicht oder nur schwer erklären läßt, bewußt. Sie wissen aber auch: Es ist eine ANDERE Welt.
Zur Sache:
Wenn ich Dich richtig verstanden habe, läuft Deine Argumentation auf Zweifel bezüglich der Wirksamkeit des Fokussierens der Technik an ihrem Ende hinaus, was Dich dann zu drei Schußfolgerungen führt, daß nämlich
1. die Technik eher weiterzuführen anstatt anzuhalten und
2. das Fokussieren zum "Verdauen" der auf den Karateka zurückwirkenden Kraft nicht geeignet sei und daß schließlich (unabhängig vom Fokussieren)
3. das trotzdem notwendige Maß an Anspannung beim Schlag zur Überwindung des Widerstandes des Zielobjektes Resultat eines natürlichen Spannungsprozesses des Körpers sei, der sich abgekoppelt vom Bewußtsein von selbst einstelle.
Ich hoffe, Dich insoweit richtig verstanden zu haben.
Ich glaube, daß diese Schlußfolgerungen innerhalb des Karatesystems systemwidrig sind, wenngleich sie in anderem Kontext durchaus Sinn zu machen scheinen (und daher an sich "stimmen", aber eben nur nicht beim Karate).
Natürlicher Anspannungsautomatismus anstatt absichtsvollem Spannungsprozeß?
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Wenn man das von Dir beschriebene Tai-Chi-Handauflegen als Grundlage für diese Betrachtung nimmt, vermag ich mir das von Dir Beschriebene halbwegs vorzustellen.
Jedoch nicht, wenn, wie im Karate, eine dezidierte Schlagbewegung vorliegt.
Warum?
Die Muskeln, die dafür sorgen, daß der aufgrund der Masseträgheit des Zieles beim Treffen entstehende Widerstand überwunden wird, sind die gleichen, die bereits während der Beschleunigungsphase des Schlages die Masseträgheit des eigenen Körpers zu überwinden haben. Die Energierichtung ist exakt die gleiche! Und da die Spannung zur Beschleunigung bis zum Treffen auch nicht nachläßt, handelt es sich auch nicht um zwei Spannungen (eine am Anfang und eine am Ende), wenngleich ein kurzzeitiger Spoannungsabfall nach der "Initialzündung" bereits von Nakayama nachgewiesen wurde (was aber nicht bedeutet, daß der Karateka zweimal spannt).
Mit anderen Worten: Die Muskeln, die Du während des Treffens als sich natürlich und dem entsprechenden Widerstand angepaßt sich spannen siehst, sind beim Karateschlag von Anfang an gespannt. Und diese Spannung ist sogar von Anfang an sehr hoch, da zwar die Masseträgheit der Schlaghand geringer sein mag als die des Zieles (und damit die zur Überwindung notwendige Kraft), jedoch besteht beim Karateschlag, da eine erhebliche Wegstrecke zurückzulegen ist, auch aus taktischen Gründen das Erfordernis, die Masseträgheit des eigenen Körpers so schnell wie möglich zu überwinden.
Dies führt dann, wie bereits von Dir und mir dargestellt, im Idealfall unter Ausschaltung der Antagonisten zu einem wirklich schnellen, aber keinesfalls spannungslosen Schlag. Diese Spannung dient zu Anfang der Überwindung der eigenen Masseträgheit, später der des Zieles.
Der von Dir aufgestellte Satz, daß vor dem Treffen lediglich die Muskeln anzuspannen seien, die die Positur halten, ist zwar richtig, gilt aber nur für die Positur. Nach dem 1. Newton-Axiom verharrt ein Körper in Ruhe, wenn auf ihn keine Kräfte wirken, so daß die von Dir geforderte "Minimalkraft" lediglich dem Ausgleich der Schwerkraft dient. Eine Schlagbewegung erfodert demgegenüber aber denknotwendig Spannung, wenn auch idealerweise frei von unnötiger Gegenspannung.
Anmerkung: Diese Spannung ist aber immer noch streng vom sog. Fokus zu unterscheiden. Hier gemeint war lediglich die Spannung für die Schlagbewegung und das Eintauchen ins Ziel.
Weiterführen der Technik anstatt Anhalten?
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Vorweg ist gleich deutlich zu machen (was sich aus dem Vorstehenden aber bereits ergibt), daß der Karateschlag keinesfalls an der Oberfläche des Zieles abstoppt.
Exkurs:
Aber auch dieses "surface hitting" muß es als meisterliche Technik geben, denn anders wäre die ebenfalls vom o.g. C.W. Nicol in seinem Buch beschriebene Fähigkeit von Meister Kanazawa, auf einen Stapel Ziegel schlagen zu können und dabei lediglich einen (vorher bestimmten!) Stein irgendwo aus der Mitte zu zerstören, während die restlichen Ziegel intakt bleiben, nicht zu erklären.
Exkurs Ende.
Wie funktioniert es aber?
Leicht zu verstehen ist der Fall, wo der Karateka auf ein festes, wenn auch brüchiges Ziel schlägt.
Er muß kaum eintauchen und es genügt, die Energie schockartig abzugeben, um das Ziel zu zerstören. Hier bedarf es eines Eintauchens fast nicht, da die zu treffende Materie so hoch verdichtet ist, daß sie "schockbar" ist, da sich hier die Masseträgheit des Zieles von Anfang an bermerkbar macht.
Wie ist es aber bei Deinem "Kissen-Beispiel"?
Die Federn des Kissens weisen nicht die gleiche Dichte auf, daß ein Schocken so ohne weiteres möglich ist. Die Masseträgheit des Zieles macht sich, wenn ich vielleicht nur 2cm in das Ziel eingedrungen bin, nicht bemerkbar, wenn die Oberfläche derartig weich ist.
Aus diesem Grund "verdichtet" der Karateka durch Eintauchen die Materie des Zieles bis zu einem Punkt, wo auch hier die Energie schockartig freigesetzt werden kann.
Ich gebe zu, daß diese Materie sehr schwer verständlich und noch viel schwerer umzusetzen ist. Es ist sehr, sehr schwer, das auf tausendstel Sekunden genaue Timing zu finden, das erforderlich ist, um die Gratwanderung zu bestehen, die entsteht, wenn es gilt abzuwägen, ob der Schlag aufgrund des durch den Widerstand des Zieles stattfindenden Abremsens noch schnell genug ist, daß ein schockartiger Zustand überhaupt noch erreicht werden kann (was auch von der "überschießenden" Bewegungsenergie des Schlages abhängt). Abzuwägen ist dies immer mit dem Grad der bereits vorgenommenen "Verdichtung", ob diese also "schon" so groß ist, daß wir gegen die sich nun bemerkbar machende Masseträgheit des Zieles "anschocken" können.
Genau dies tun wir auch am Makiwara, wo wir das Brett zuerst soweit durchbiegen, daß ein gehöriger Widerstand entsteht, aber nicht so weit, daß dieser Widerstand den Schlag merklich abbremst. Das ist der Moment für den Fokus und wirklich extrem schwer, zufriedenstellend zu erlernen.
Der Fokus selbst aber wiederum dient nur dem Umstand, die Bewegungsenergie aller Teilmassen des Körpers zu übertragen.
Lieber Karl-Heinz, Du sagtest selber, daß es nur wenige Tai-Chi-Meister gibt, die diese Kunst auch kämpferisch umsetzen können. Trotzdem zweifelst Du nicht an der Wirksamkeit des Prinzips.
Was sagst Du, wenn ich das Gleiche für das Karate behaupte? Ist das Prinzip, was ich versucht habe zu erläutern, deswegen schlecht, nur weil an jeder Ecke ein Karatedojo ist und dort bereits Grüngurte anfangen, fleißig ihre Kunst zu hinterfragen, sie deswegen nie lernen werden und es demzufolge nur wenige Meister gibt?
Weiches oder hartes Verdauen?
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Das von Dir geschilderte "weiche Verdauungs-Prinzip" ist überaus beeindruckend und eine der schwierigsten Techniken, die es in der Kampfkunst zu erlernen gibt. Ich erinnere mich, daß ich einmal Meister Asai gesehen habe, wie er sich von hochgraduierten Kämpfern "volle Kanone" angreifen ließ und diese Angriffe mit geradezu läppisch erscheinenden Bewegungen auffing und neutralisierte. Dabei war nicht das geringste Anzeichen von Spannung zu bemerken.
Und trotzdem stimmt der Vergleich nicht.
Das von Dir geschilderte und von mir bei Asai beobachtete Prinzip ist ein defensives Prinzip, daß nur dazu dient, die auf den eigenen Körper einwirkende Kraft zu neutralisieren.
Dieses Prinzip verhindert jedoch, selbst Energie in großem Umfang abgeben zu können, was aber vonnöten ist, wenn ich selbst schlagen will. Und darum ging es hier.
Das 3. Newton-Axiom besagt, daß die Kraft, die von einer Masse auf eine andere einwirkt, die erste Masse in gleicher Weise trifft wie die "Zielmasse" > actio = reactio.
Die Kraft der reactio auszuschalten geht daher nur, wenn ich in entsprechender Weise die Energie der actio zurücknehme. Das beißt sich also die Katze in den *******, so daß nur ein Weg bleibt, nämlich die Kraft der reactio irgendie "auszuhalten" und nach Möglichkeit vielleicht sogar unverbraucht zu reflektieren ... und zwar indem ich mich starr zwischen Erdboden und Ziel fixiere.
Beste Grüße
Jens
Also zuerst einmal Respekt an alle Teilnehmer an diesem Thread - das Niveau ist für eine Diskussion in einem internet - Forum wirklich beeindruckend...
Konkret hätte ich eine Frage an alle Teilnehmenden, in besonderen an Jens, bezüglich der Methoden die ihr in concreto anwendet um die hier beschriebenen Fähigkeiten der Fokussierung, Kraftentwicklung und - übertragung auszubilden?
Benutzt ihr hierzu ausschließlich das klassische Makiwara ?
Welche Fauststöße, -schläge trainiert ihr vorwiegend?
Meint ihr beispielsweise dass der Mawashi Tsuki und der Ura Tsuki automatisch mit dem Oi Tsuki mitgeübt werden?
Welche Art von Makiwara verwendet ihr?
Wieviel Prozent eures Trainings macht Makiwara - Training aus?
Seid ihr der Auffassung, dass (richtig ausgeführte) Kata, in Verbindung mit (richtig ausgeführter) Kihon und dem Maikwara Training Kumite zu weiten Teilen "überflüssig" macht?
- anders formuliert:
...dass der Hauptanteil des Karate mit Abstand Kata sein sollte, mit den _notwendigen_ Ergänzungen Makiwara und Kihon, und dass Kumite eher Nebensache ist?
Ich bin mir erstens durchaus im klaren, dass dieser Beitrag vom ursprünglichen Thema etwas abweicht und zweitens, dass die Fragen ein sehr breites Spektrum aller möglichen Themengebiete ziemlich unlinear abdecken, aber die Hoffnung auf vernünftige Antworten hat mich hier her getrieben :)
Weiters weiß ich, dass die meisten der oben genannten Fragen wohl ein Lehrer irl behandeln sollte, dummerweise komme ich von einem Verein, in dem fast ausschließlich Wettkampf - kata trainiert wird und man "Makiwara" nicht mal vom hören - sagen kennt...
Freundliche Grüße,
xyto
Hallo xyto,
vielen Dank für Dein Interesse an meiner Meinung.
Bitte nimm es mir nicht übel, daß ich heute keinen Versuch unternehmen kann, auf Deine Fragen zu antworten, da ich gerade vom Training nach Hause gekommen und mordsmäßig müde bin.
Morgen bin ich wieder fit ... ;-)
Gruß
Jens
Also erst einmal auch von mir ein riesen Kompliment insbesondere an Jens und Karl Heinz. Ihr führt Diskussionen auf einem Niveau, welches ich bis jetzt noch nirgends sonst gefunden hab. Ich hätte da noch eine Frage zu der Physik, falls es nicht den Rahmen sprengt.
Wie sieht es mit der Drehung der Faust aus? Es gibt ja Kampfkünste, die die Faust nicht eindrehen z.B das Jeet Kune Do oder Wing Chun und offenbar auch einige Karatestile(?). Wo liegt da der Unterschied und die Vor- und Nachteile(Stärke, Wirkung, Trefferfläche etc)
Dies soll auf keinen Fall zu einer Diskussion führen welche KK nun die bessere sei! Es geht mir einfach nur um die Physik des Schlages...
Karl-Heinz
26-06-2003, 11:43
Hallo xyto,
ich wollte eigentlich nur noch lesen, aber ich gebe Dir zu Deinen Fragen gerne eine Antwort. Ich muss in der Vergangenheit antworten, da ich diese Art des Trainings schon lange nicht mehr mache.
Frage: Benutzt ihr hierzu ausschließlich das klassische Makiwara ?
Antwort: lese weiter unten....
Frage: Welche Fauststöße, -schläge trainiert ihr vorwiegend?
Meint ihr beispielsweise dass der Mawashi Tsuki und der Ura Tsuki automatisch mit dem Oi Tsuki mitgeübt werden?
Antwort: Jede dieser Techniken erfordert eine etwas andere Koordination des Körpers und fordert andere Teile der Muskulatur. Willst Du jede dieser Techniken im Sinne von Makiwaratraining stark machen, musst Du auch jede Technik üben.
Meistens trainiert man aber bestimmte Grundtechniken, wie Gyaku Zuki Oi Zuki, Mae Geri (Kekomi). Ich habe zusätzlich noch sehr viel Yoko Geri Kekomi geübt.
Beim Oi Zuki macht es keinen Sinn, den aus dem Stand zu machen. Besser ist es, wenn man wie beim Kihon einen Schritt nach vorne geht und dann den Oi Zuki macht. Den Gyaku Zuki kann man dagegen bequem aus dem Stand üben.
Wichtig ist es, langsam mit sehr genauer Technik anzufangen und dann langsam zu steigern. Qualität geht über Quantität. In einer Stunde 1200-1500 Techniken sind ein gutes (Spät-) Ziel.
Man sollte auch Vorübungen, wie Liegestütze auf den Knöcheln und den Fingern machen um die Struktur der Hände zu stärken.
Ein paar Worte zum Thema kräftigen der Hand: Es ist viel wichtiger die Muskulatur und die Knochen der Hand und des Handgelenkes zu stärken, als die Hand "unempfindlich" zu machen oder Hornhaut auszubilden oder gar Deformationen zu provozieren. So wie Muskeln auf Trainingsreize mit Anpassung reagieren, reagieren Knochen auf Dehnungs und Stauchungsreize mit vermehrter Kalkeinlagerung, was die Knochen stabiler werden lässt. Liegestütze auf den Knöcheln und den Fingern sind da eine gute Vorübung. Durch langsam aufbauendes Makiwara Training wird der Effekt noch verstärkt.
Frage: Welche Art von Makiwara verwendet ihr?
Ich habe ein Makiwara aus Buche verwendet. Etwa 3 cm dick, 12 cm breit und 170 cm hoch. Darauf ein leicht dämpfendes Material, was es zulässt, dass Holz noch etwas zu spüren. Das ganze dann mit Leinen überzogen.
Man kann es auch klassisch machen und als Polster geflochtenes Reisstroh nehmen. Dann bildet sich aber mehr Hornhaut auf den Knöcheln, was nicht jeder unbedingt will.
Frage: Wieviel Prozent eures Trainings macht Makiwara - Training aus?
Antwort: Bei mir war es ein Virtel bis ein Drittel der Trainingszeit. Bei 3-4 Stunden Training bleibt dann noch genügend Zeit für "normales" Training.
Frage: Seid ihr der Auffassung, dass (richtig ausgeführte) Kata, in Verbindung mit (richtig ausgeführter) Kihon und dem Maikwara Training Kumite zu weiten Teilen "überflüssig" macht?
Kumite ist durch keine andere Trainingsform zu ersetzen. Wenn man kämpfen lernen will, muss man kämpfen.
Partnerübungen, besonders so kooperative Übungen wie man Sie im Karate übt, trainieren Techniken ein, sind aber nicht wirklich eine Vorbereitung für _freies_ Kämpfen.
Dann ist da noch das Problem, dass Kämpfen nicht gleich Kämpfen ist. Wenn Du zum Beispiel perfekt gelernt hast im traditionellen Ramen 0 Kontakt Kumite zu machen, funktioniert das sehr gut gegen Karatekas, die das Gleiche machen.
Ein paar Leute aus unserer Gruppe wollten es damals genauer wissen. Wir haben dann leiche 8 Unzen Handschuhe angezogen und dachten, die realistischere Version des Kampfes mit Kontakt wäre mal eben so zu machen. Man braucht ja NUR nicht mehr zu stoppen und zieht die Technik einfach durch.
Die Realität war anders. Treffer mit Wirkung waren eher zufällig, weil durch das gelerne Stoppen der Technik die Distanz nicht stimmte. Es handelt sich zwar nur um cm, aber diesen gap in der Distanz zu überbrücken und dann auch noch Wirkung zu erzielen, war sehr schwer. Erst nach vielen Stunden Kontakt-Sparring gelang das dann immer häufiger.
Man bekam durch dieses Training auch ein besseres Distanzgefühl im Sinne der Vermeidung von Treffern durch minimale Bewegungen.
Bestätigt wurde das dann auch durch rein traditionell trainierende Karatekas die später zu unserer kleinen Gruppe gestossen sind. Es war im Kampf mit Kontakt mit den "Neulingen" sehr leicht, allein durch die erworbene Fähigkeit die Distanz wirklich zu überbrücken und die Fähigkeit mit Distanz überhaupt besser umzugehen und so durch kleine Meidbewegungen Treffer zu vermeiden, diese zu "besiegen". Das hat sich aber in ein bis zwei Wochen training wieder relativiert.
Es gibt also mehrere Stufen des Kampfes. Man muss selbst entscheiden, was man erreichen möchte. Will man auf traditionellen 0 Kontakt Turnieren kämpfen ist die traditionelle Trainingsmethode ausreichend.
Möchte man mit realen Konfrontation besser zurecht kommen, genügt das nicht, von Anekdoten mal abgesehen. Wenn man in einer SV Situation von einem Grobmotoriker angegriffen wird, kann man warscheinlich die eine oder andere Grundschultechnik auch so ins Ziel bringen.
So, nun konnten wir also im Ramen von Karatetechniken im Kampf ganz gut und wirkungsvoll treffen.
Dann sind Boxer zu unserer "privaten" Gruppe gestossen. Ich habe als Erster aus unserer Gruppe gegen einen Boxer gekämpft, ohne die Füsse zu benutzen, da mich nur der Vergleich der Armtechniken interessierte.
Zum Kampf: Das Distanzspiel und das Abtasten waren kein Problem, da wir das ja mittlerweile gelernt haben, die eigentlichen Angriffe aber schon. Ich habe mit einem sehr schnellen schulmäßigen rechten Gyaku Zuki den Kopf angegriffen. Natürlich wie es sich für gute Grundschule gehört mit tiefer Schulter, ich wusste es ja nicht besser.
Der Boxer ist mit einer kleinen Meidbewegung seines Kopfes dem Schlag nach innen ausgewichen und ich bekam von ihm eine Mischung aus Cross und linken Haken von aussen über meinen gestreckten Arm auf das Ohr. Dabei ist in diesem Ohr das Trommelfell geplatzt. Mein jahrelanges Karatetraining hat mich auf derartige Techniken nicht vorbereitet.
Ich habe mir dann die Boxtechniken angeeignet und Schläge modifiziert. Zum Beispiel habe ich bei einer Technik die in etwa einem Gyaku Zuki entsprach Den Hals kürzer gemacht, bze den Kopf etwas eingezogen und die Schulter des schlagenden Armes etwas hochgezogen um diese Seite des Kopfes zu decken. Dann habe ich mir abgewöhnt, die Hand, die nicht schlägt als Deckung zu nutzen. Man verschenkt so zwar den Vorwärsimpluls den das Zurückziehen der entgegengesetzten Schulter bringt, aber so bedeutend ist der Unterschied nicht.
Die Erlebnisse mit realem Kontakt waren auch einer der Gründe die Idee des Kime als kurze Ganzkörperspannung aufzugeben. Schlicht und einfacht, weil ich festgestellt habe, dass es sehr unwarscheinlich und eher Glückssache ist, den Kampf mit einem Schlag zu beenden. Viele Techniken, die in einem Turnier einen Ippon gebracht hätten, haben oft nur wenig Wirkung erziehlt.
Kime in dieser harten Form steht meiner Meinung nach flüssigen Kombinationen im Wege, aber genau das ist es, worauf es meiner Meinung nach ankommt.
Ich habe lange Zeit traditionell unterrichtet. Wenn ich bei einem Schüler einen Fehler in der Abwehr bemerkt habe, habe ich diesen Fehler korrigiert. Der Schüler sagt Oss und verbeugt sich und macht weiter wie bisher. Nachdem man den Schüler 20 korrigiert hat gibt man es in der Regel auf.
Nimmt man nun die Trainingsmethoden der Vollkontaktkämpfer, erledigt sich das Problem von selbst, weil der Schüler sofort spürt, was er falsch macht. Fehler tun weh. Man hat eine extrem steile Lernkurve. Gute Abwehr ist unabdingbar. Entweder er entwickelt sie oder er hört auf und wendet sich einer anderen Betätigung zu.
Was unsere kleine Gruppe später gemacht hat, hat sich sehr weit vom traditionellen Karate entfernt, so weit, dass ich es eigentlich nicht mehr als Karate bezeichnen möchte. Boxtechniken mit den Armen, dass ganze Arsenal der Thai Ellenbogentechniken, Rückhandschläge und flüssige Hand/Fuss Kombinationen und ganz grundlegende Bodenkampffähigkeiten. Das Letztere kann man heute ganz hervorragend von den BJJ Leuten lernen.
Wenn man im traditionellen Ramen bleiben möchte, braucht man sich das alles natürlich nicht anzutun. Wenn man Karate Do aus philosophischen Gründen betreibt kann man das auch lassen. Wenn man aber wirklich kämpfen lernen möchte, führt kein Weg daran vorbei, eben das auch zu tun. Meine Erfahrungen haben mir gezeigt, dass es ganz wichtig ist, auch mal mit Kämpfern anderer Kampfstile wie Boxern oder Kickboxern, Thaiboxern oder JKD Leuten und auch Judoleuten zu sparren. Das ist ein Realitätscheck und ein Augenöffner. Jede theoretische Diskussion erübrigt sich dann.
Selbst wenn man nach diesen Erfahrungen auf der traditionellen Schiene bleibt, wird sich die Kampfkraft und Kampffähigkeit auf jeden Fall verbessern.
Wie Du siehst, ist Deine Frage ob es irgendeinen Ersatz für das Kampftraining gibt, nicht mit einem Satz zu beantworten. Willst Du grundlegende Kampffähigkeiten _in Deinem System_ erlangen, musst Du gegen Leute kämpfen, die auch Karate machen. Willst Du halbwegs realistisch kämpfen lernen musst Du auch das tun und vor allem Deine systemspezifischen Techniken gegen fremde Stile überprüfen. In dem Fall bin ich mir sicher, dass Du dann die Erfahrungen, die unsere kleine Gruppe gemacht hat wiederholen wirst.
Grüße,
Karl-Heinz
Ergänzung: Natürlich ist Karate mehr als nur kämpfen, aber das war ja nicht die Frage. Selbstverständlich soll man in einer SV Situation auf der Strasse alles versuchen, was einen Kampf vermeidet, notfalls sogar flüchten. Erst wenn überhaupt kein anderer Ausweg besteht soll man kämpfen mit der Absicht den Kampf so schnell wie möglich zu beenden.
Karl-Heinz
26-06-2003, 12:30
Hallo Vegeto,
das mit der Drehung der Faust ist eine gute Frage. Physiologisch betrachtet ist die Drehung richtig.
Stell Dich einfach mal gerade hin und führe einen geraden Fauststoss ganz langsam und entspannt aus. Solbald der Oberarm des schlagenden Armes senkrecht steht hälst Du an.
Jetzt entspanne Dein Handgelenk und Deine Faust vollkommen. Wenn Du nun mit vollkommen entspannter Hand die Schlagbewegung sehr langsam zuende führst, wird die Hand sich ganz natürlich drehen. Fast bis in die Endstellung, die Du von einem normalen Fauststoss her kennst.
Es scheint also aufgrund des natürlichen Zusammenspieles der Armmuskeln und besonders deren Anordnung ganz natürlich zu sein.
Wenn man nun einen vertikalen Fausstoss macht, muss man diese Handstellung "erzwingen". Erzwingen in ganz grossen Anführungszeichen, da in der Praxis der Unterschied wohl so gering ist, dass es sogut wie garnichts ausmacht.
Ich habe Goju Ryu gelernt. In unserer Richtung (Kioshi Ogawa, Tokio Funasako usw) des Goju Ryu gab es auch vertikale Fauststösse, sogar als Kettenfauststösse ausgeführt ;-)))
Ich habe in einer anderen Diskussion gelesen, dass es diese Art der Technik im Karate nicht gibt.
Das wurde allerdings ausschliessich im Kihon trainiert und sah so aus.
Nekoashi Dachi links vor, Gewichtsverlagerung auf das vordere Bein, abdrücken vom Boden, gefolgt von einer Art Mae Geri im Sprung. Landen auf dem Boden in Nekoashi Dachi rechts vor, dann 3 Kettenfauststösse mit vertikaler Faust in dieser Stellung. Das ganze quer durch die Halle und wieder zurück. Schön grundschulmässig also.
Die Fausstösse sahen so aus: Die Arme stehen mit vertikalen Fäusten im Ellenbogen gebeugt vor der Zentrallinie, der hintere Arm stösst mit einem vertikalen Faustoss über die vordere Hand vor, wobei die vordere Hand absinkt und zur Mitte zurückgezogen wird um dann sofort ebenfalls über die vordere Faust mittig nach vorne zu stossen, dass Gleiche dann nochmal mit der anderen Faust. Eine sehr flüssige und schnelle Bewegung mit einer Karateuntypischen Eigenart: Auf irgendeinen Hüfteinsatz wurde vollkommen verzichtet.
Ich möchte garnicht darüber diskutieren, ob das Ganze in dieser Kombination und im Nekoashi Dachi Sinn macht. Aber es gab definitiv Kettenfauststösse, wenn auch nur als Dreierkombination.
Wie auch immer, im normalen Training, Kampf oder Partnerarbeit wurde das nie gezeigt und deshalb wohl auch nie genutzt. Möglich, dasss man das heute garnicht mehr macht.
Grüße,
Karl-Heinz
Hallo Karl-Heinz,
schön, dass Du es Dir noch einmal anders überlegt hast und wieder da bist.
Bevor Du es Dir vielleicht nochmal überlegt, will ich noch schnell eine Frage loswerden.
Ich habe über das von Dir beschriebene (ich weiß nicht, wie ich's genau nennen soll) "durchdringende Kime" nachgedacht.
Ich glaube, dass wir diese Art von Kime bei sogennanten O-To-Baja Techniken verwenden. Kannst Du das, oder jemand anderes, bestätigen?
Oder ist das wieder etwas völlig anderes?
Tschüssi
Ike
Hallo Karl-Heinz,
Zunächst einmal danke für deine umfangreiche Antwort!
Ein paar Fragen haben sich wohl noch ergeben... hoffentlich bleibst du doch noch ein wenig hier ;)
Leider drängt die Zeit im Moment etwas.
Freundliche Grüße,
xyto
Karl-Heinz
26-06-2003, 14:10
Hallo CeKaVau,
"schön, dass Du es Dir noch einmal anders überlegt hast und wieder da bist."
Ich antworte immer sehr gründlich, was viel Zeit erfordert, die ich einfach nicht habe. Deshalb lese ich nur hin und wieder passiv im Forum um zu sehen was so "abgeht". :-)
"Ich habe über das von Dir beschriebene (ich weiß nicht, wie ich's genau nennen soll) "durchdringende Kime" nachgedacht."
Ich nenne das natürliches Kime :-)
Wenn Du Dich locker in Zenkutsu Dachi vor eine Wand stellst, beide Hände auf die Wand legst und nun gegen die Wand drückst, kannst Du deutlich spüren, wie alle Muskeln die dazu dienen die Wand zu überwinden angespannt werden. Besonders deutlich merkst Du das im hinteren Bein. Da baut sich eine massive und vor allem dynamische Spannung IN RICHTUNG WAND auf, unter der Ausschaltung aller Antagonisten. Ein ungehemter Vorwärtsimpuls der gleichzeitig, weil es ja entgegen der Impulsrichtung wäre ein Rückschlagen des Impulses verhindert. Wird der Widerstand des Zieles NICHT ÜBERWUNDEN hat man trotzdem die maximal mögliche Spannung erreicht. Aber eben nicht "an Ort und Stelle" wie beim willentlichen aktiven Anspannen, sondern maximale Spannung, die immer noch einen Vorwärtsimpuls enthält und durch das Ereignis des Treffens auf Widerstand ausgelöst wird und deshalb auch nicht getimed werden muss.
Denke einfach mal nach. Gibt es eine grössere Spannung in Richtung Ziel? Etwa durch das Anspannen des ganzen Körpers im Sinne von einer starren Fixierung ohne Erhaltung des Vorwärsimpulses?
Zu Deiner Frage, die Bezeichnung "O-To-Baja" sagt mir jetzt garnichts. Ich kann Dir leider nicht helfen.
Grüße,
Karl-Heinz
Hallo!
@ Karl-Heinz
Auch ich freue mich, daß Du es Dir wohl doch noch einmal überlegt hast. ;-)
Mit Deinem vorletzten Posting hast Du genau das bestätigt, was ich in meiner Antwort auf Dein erstes Posting bereits hatte anklingen lassen.
Aus Deinen Schilderungen über Deinen persönlichen Werdegang und dem Deiner Gruppe wird deutlich, daß Du und Deine Trainingskameraden Lösungen für die sich im Zusammenhang mit dem Karatetraining ergebenden Probleme zum Schluß letztlich außerhalb der Karatetechnik gesucht und wohl auch gefunden hast.
Ich kann das gut nachvollziehen, wenngleich es nicht mein Weg ist.
Letztlich hast Du selbst diesen Problemkreis ja auch schon angesprochen, nämlich daß unterschiedliche Zielsetzungen im Karate auch unterschiedliche Wege beinhalten.
Jedoch glaube ich, daß man sich dabei nicht einmal auf unterschiedliche Zielsetzungen kaprizieren muß, sondern daß sogar ein und dasselbe Ziel sehr unterschiedliche Wege beinhalten kann. Das klingt zwar sehr einfach und selbstverständlich, beinhaltet aber eine viel tiefgreifendere und grundlegendere Problemstellung:
Dein Weg ist recht häufig anzutreffen, wenngleich ihn nur wenige so lange durchhalten wie Du. Wenn ich Dich recht verstanden habe, bestand und besteht Dein Ziel darin, eine für Dich möglichst effektive Kampfmethode zu finden, und Dein Weg darin, Dir über die Zeit ein individuelles Päckchen, auch über Systemgrenzen weg, zurechtzuschnüren.
Und das ist genau der Punkt, wo es bei mir immer hakt.
Wenn wir einmal unterstellen wollen, daß mein Ziel dem Grunde nach genau das Gleiche ist, so lasse ich, da ich mich schlicht und ergreifend nicht für kompetent genug dafür halte, den Prozeß der Suche nach individuellen Einzelkomponenten "meines Systems" einfach weg bzw. vereinfache und vorverlagere ihn auf den Prozeß der Entscheidung für ein System.
Dies hat bei mir zur Folge, daß sich mein Ziel, das ich ja im Erlernen des erwählten System für verwirklicht halte, gegen den Weg, also das erwählte System zu üben, austausche.
Das klingt natürlich völlig verquast, ist aber eigentlich recht einfach, denn es hat nur eine wirkliche, wenn auch einschneidende Konsequenz zur Folge: Wenn ich bei meinem Studium auf Probleme stoße, suche ich den Fehler ausschließlich bei mir und sehe Handlungsbedarf nicht in der Veränderung des Systems, sondern bei mir.
Letztlich ist dieser Unterschied zwischen uns wohl auch einer der tieferen Hintergründe unserer technischen Diskussion, die dann darauf hinausläuft, daß Du das Kime-Prinzip schließlich über Bord geworfen hast und ich mich, trotz der auftretenden Schwierigkeiten, weiter darin übe.
Ich glaube darüber hinaus, daß dieser Unterschied einer der Gründe für die vielen Verständigungsschwierigkeiten hier im Board (und unabhängig von unserer Diskussion) ist.
ACHTUNG: Ich würde mich wirklich sehr über eine Stellungnahme dazu von Dir, lieber Karl-Heinz, aber auch von anderen, wie z.B. Jibaku, freuen. Danke.
Und noch etwas: Kettenstöße gibt es auch im Shotokan-Karate, sowohl was den dabei fehlenden Hüfteinsatz anbetrifft, als auch bezüglich des Schlagens aus der Mittelinie heraus. Ein schönes Beispiel hierfür sind die Nukite-Kombinationen aus der Gojushiho-Sho.
@ xyto
Obwohl Karl-Heinz schon auf viele Deiner Fragen eingegangen ist, möchte ich, da Du mich persönlich angesprochen hattest, trotzdem noch darauf antworten.
1. Art des Makiwara
Ja, ich benutze auschließlich das klassische Standmakiwara. Ein Eichenbrett, schulterhoch, ca. 15-20 cm breit und sich, seitlich gesehen, nach oben verjüngend bis auf ca. 2 cm Dicke. In meiner Trainingshalle ist am Makiwara ein Fußabtreter als Schlagfläche befestigt, bei mir zu Hause eine alte Kokosmatte.
2. Art der zu übenden Stöße
Ich übe nahezu ausschließlich Choku-Zuki in der Gyaku-Form (also den klassischen Gyaku-Zuki).
3. Werden andere Techniken mitgeübt?
Im Kihon-Training ja, am Makiwara nein.
4. Wieviel Prozent des Trainings fürs Makiwara?
Das Makiwaratraining war und ist bei mir nie Bestandteil des regulären Trainigs gewesen, so daß es mir auch schwer fällt, eine Prozentzahl zu nennen.
Makiwaratraining ist jeden Tag und dessen Wirkung is kumulativ. Es kommt also weniger auf die Anzahl der Schläge und ihre Härte an, als auf die Kontinuität der Übung. Also eben jeden Tag. Ich habe dabei selten mehr als 300 Schläge geübt, wofür ich ca. 15 bis 20 min. brauche.
5. Kumite überflüssig bei ansonstem "richtigem" Training?
Jein. (Ich weiß, daß jetzt ein Schrei durch die Menge geht. ;-))
Laß' es mich kurz erklären: Viele Kampfkünste, bei denen die Entscheidung mit Mitteln herbeigeführt wird, die z.B. nur den Willen des Gegners beugen (vis compulsiva), sind hervorragend in Trainingskämpfen simulierbar (z.B. schmerzhafte Hebel).
Bei anderen Kampfkünsten, die demgegenüber mit absolut zwingender Gewalt arbeiten (vis absoluta), wie dem Karate, gelingt dies nicht. Der Trainingskampf bleibt dort immer eine mehr oder minder gelungene Ersatzhandlung, wo das einzig Wichtige, nämlich die gegen den Willen des Gegners herbeigeführte Entscheidung, nie auch nur annähernd realitätsnah geübt werden kann. Wozu dann Übungskämpfe?
Nun könnte man einwenden, daß es beim Übungskampf noch mehr Dinge zu lernen gibt, als den tödlichen Schlag. Das stimmt, jedoch sind dies allesamt aber Dinge, die sich auch in abgesprochenen Übungsformen üben lassen (z.B. Timing, Distanz, Rhythmus, Überraschung, Widerstand ...).
Natürlich vertrete ich diese Haltung nicht in der Absolutheit, wie sie hier steht. Ein nettes Jiyu-Kumite oder Randori ist von Zeit zu Zeit wirklich sinnvoll, haben aber eben im Karate nicht die Bedeutung, die ihnen von Hardcore-Realitäts-Fans gern beigemessen werden.
Im JKA-Karate haben die Formen Gohon- und Jiyu-Ippon-Kumite die größe Bedeutung. Danach folgt das Kihon-Ippon-Kumite. Jiyu-Kumite ist lediglich Ergänzung.
6. Kata und Makiwara als Hauptbestandteil des Karate?
Ursprünglich sicher ja. Im Budo, und dort speziell im JKA-Karate, liegt der Schwerpunkt auf dem Kihon, was wohl erkenntnistheoretische Gründe hat.
@ vegeto
Falls Du zu Deinen Fragen auch meine Meinung hören willst, muß ich Dich auf den späten Abend vertrösten, da es meine Frau und meine Kinder langsam nicht mehr einsehen, daß ich trotz Urlaub stundenlang vor dem Rechner hocke.
Grüße
Jens
DieKlette
26-06-2003, 18:49
Mich persönlich interressiert bezüglich des Karate die Möglichkeiten einen Impuls zu übertragen. Bisher kenne ich 2 Möglichkeiten Trefferwirkung zu erzeugen :
1. Durch eine schnelle mit Masse vorangetriebene Bewegung, die über das Trefferziel hinausschießt, sprich das Ziel durchdringen soll.
Oder
2. Den Impulsschlag, welcher ebenso beschleunigt wird leicht in den Körper eindringt und mit einer simultanen Endbewegung durch Hüfte und Faustdrehung sowie "verwurzeln" im Boden einen starken Impuls auslöst.
Der Unterschied in der Wirkung ist folgender :
1. Bei einem "geschobenen" Schlag ohne Endpunkt wird das Ziel weggestoßen.
2. Der Impulsschlag hingegen stößt das Ziel nicht von sich sondern läßt es in sich zusammenbrechen.
Ich habe gelehrt bekommen, dass der Impulsschlag eine viel höhere Trefferwirkung als ein gestoßener bzw. geschobener Schlag hat und somit ein völlig anderes Level erreicht wird. Was sind eure Erfahrung mit Impuls und Schubtechniken ?
Einen freundlichen Gruss
Julian
1. Bei einem "geschobenen" Schlag ohne Endpunkt wird das Ziel weggestoßen.
2. Der Impulsschlag hingegen stößt das Ziel nicht von sich sondern läßt es in sich zusammenbrechen.
Eigentlich habe ich andere Erfahrungen, denn so ziemlich alle "Geschwindigkeitsbruchtests" also gerade die, gegen ein Ziel geringer Masse ohne Fixierung, das berühmte Holzbrett am Faden, werden mit durchdringenden Schlägen ohne Kime (Geschoben halte ich hier nicht für angebracht) durchgeführt.
Letztlich kommt es wohl ausschließlich auf die Geschwindikeit an, vorausgesetzt die einwirkende Kraft ist groß genug das Ziel zu zerstören, ob das Ziel zurückgeworfen oder durchdrungen wird.
Das "warum" des Schlages mit Kime hat Jens ja schon ganz gut erklärt, letztlich soll lediglich ein Rücklaufen bzw deformieren des einwirkenden Körpers verhindert werden und so mehr Kraft übertragen werden.
Daß dennoch manches mal o.g. Eindruck entsteht und gerade im Karate auch oft kolportiert wird, liegt in meinen Augen daran, daß der "Impulsschlag" (Ist nicht auch ein schneller durchdringender Schlag ein "Impulsschlag"? Also viel Kraft in kurzer Zeit, ist das nicht sogar das Wesen des Schlages?) eben oft im Punkt seiner maximalen Geschwindigkeit mit einem durchdringenden Schlag in der Beschleunigungsphase verglichen wird, der Vergleich hinkt dann natürlich auch.
Zu den Erfahrungen von Karl-Heinz, sie decken sich eigentlich bis aufs I-Tüpfelchen mit den meinen, allerdings nur im gleichen Kontext.
Meine Rückschlüsse sind nur andere, das Szenario des (Shotokan) Karate ist eben nicht der Kampf gegen einen Boxer (Mit handschuhen), eigentlich ist es im Idealfall sogar gar kein Kampf.
Ich verstehe Karate als eine "Kampf"-Methode in der von einem weit überlegenen (Bewaffneten) Gegner ausgegangen wird, jeglichen Schlagabtausch gegen diesen würde ich verlieren, ich habe nur eine Chance und auf die setze ich alles!
Für dieses Szenario halte ich die Karatetechnik auch relativ geeignet.
Das ist aber glaube ich überall so, will ich Rugby spielen trainiere ich auch nicht Fußball.
Insofern kann man das Szenario des Karate als ungeeignet für die eigene erwartete Aufgabe ansehen, wenn man Effektivität als SV verstanden wissen will und diese wiederum als Notwehr dann ist es das für die allermeisten Fälle in denen ich auf "mildere" geeignete Mittel verwiesen werde sicher auch, aber nicht Karate selbst!
Sucht man den Vergleich zu anderen Kampfkünstlern aber denoch, sollte man allerdings auch etwas Abstand von seiner Grundschultechnik nehmen, was aber auch schon für Randori oder freie Kumiteübungen gilt.
Boxen, Thaiboxen oder was auch immer ist genauso wenig ein realer kampf wie es das Kumite im Karate ist, es kommt immer auf die Prioritäten an, so meinen Kyokushinstilisten die bloße Faust ist ein Zeichen für Realitätsnähe, darum dürfen sie dann nicht zum Kopf schlagen und so mancher Kampf verkommt zu einer Art harten Bauchmuskeltest...?
Auch ergibt sich immer die Frage was denn Effektivität ist, will ich mich auf die mänlichen Ritualzweikämpfe vorbereiten, die sich allerdings leicht vermeiden lassen, glaube ich an den bösen Räuber Nachts im Park (Ich passe nicht recht ins Opferschema) will ich einer Frau Mittel gegen Belästigung oder Vergewaltigung an die Hand geben oder will ich in den Krieg ziehen?
Ich denke, das sind alles unterschiedliche Anforderungen für die eine Pauschallösung zu finden schwierig wird.
SV wird in vielen Internetforen und Gesprächen immer als so eine Art Thaiboxkampf dargestellt (Für den Thaiboxen zu trainieren dann auch ideal wäre) seit einigen Jahren dann noch in Kombination mit BJJ (Wahlweise Sambo, Wrestling etc.) mit meinen Erfahrungen deckt sich das nicht!
Dennoch, den Vergleich mit anderen habe ich immer als sehr Lehrreich empfunden und oft deckt er auch Fehler auf die auch innerhalb des Systems Karate eben solche sind.
Dem Kampf an sich messe ich größere Bedeutung bei als Jens, liegt vielleicht aber auch daran, daß ich versuche den rein subjektiven Spaß daran durch Argumente zu verobjektivieren...
Hallo Jibaku!
"Geschwindigkeitsbruchtests":
Und genau hier liegt der Unterschied, ob jemand für dieses Kunststück nur eine schnelle Bewegung oder einen Karateschlag benutzt.
Der Geschwindigkeitsbruchtest braucht den Fokus nicht dringend, da es reicht, so extrem schnell zu schlagen, daß die geringe Masse des Ziels doch eine ausreichende Trägheitskraft (klingt komisch, heißt aber wirklich so) aufbaut und damit das Ziel "hart" und "brechbar" macht. Das Ziel wiederum ist aber nicht so fest, daß es zum Bruch besonderer Fähigkeiten bedarf.
Das ist relativ leicht und klappt sogar mit Untrainierten, wenn diese nur eine ausreichende Schnellkraftfähigkeit besitzen.
Jetzt versuche aber folgendes:
Hänge das Brett 10cm vor einer Betonwand auf.
Der Untrainierte wird aus Angst vor Verletzung und wegen seiner Unfähigkeit, zu fokussieren, zaghaft schlagen und der eben noch so einfache Test geht nun schief.
Mit dem Karatehieb klappt aber auch das.
Fazit:
Der Geschwindigkeitsbruchtest braucht den Fokus eigentlich nicht. Richtig ausgeführt überprüft er jedoch beide Komponenten des Schlages: Geschwindigkeit und Fokus.
Vor Jahren hatte ich dies mit meiner Schwiegermutter ;-) ausprobiert und dafür den berühmten Zeitungstest bemüht.
Das Durchschlagen der Zeitung gelang ihr mühelos (sie war früher Leistungssportlerin und ist heut' noch recht fit). Als dann ich sie dann überreden wollte, es vor der Wand zu probieren, hat sie gekniffen ...
Gruß
Jens
@ vegeto
Noch kurz zur Faustdrehung.
Physikalisch hilft die Faustdrehung dem Stoß nur insoweit, als daß sie ihn in der Bewegung stabilisieren soll.
Darüber hinaus, das ist aber nichts Physikalisches, sondern eher Physiologisches, gelingt der Fokus mit der Drehung besser. Das ist schlicht eine Erfahrung der Praxis.
Karate-Stile, die die Drehung nicht benutzen, mögen dies vielleicht auch anerkennen, jedoch sie setzen die Schwerpunkte anders, weil sie behaupten, die Fausdrehung würde den engen Verbund von Arm und Oberkörper schwächen. Dies ist also auch eine Frage des Fokus und wird dort schlicht als wichtiger angesehen, als die Faustdrehung.
Komischerweise habe ich jedoch auf einem Video einmal einen Isshin-Ryu-Meister gesehen, der am Makiwara die Drehung benutzt hat, der Stil ansonsten die Drehung aber ablehnt.
???
Bei den Betrachtungen zur Natürlichkeit hat Karl-Heinz schon vieles gesagt.
Anzumerken bleibt nioch, daß genau dieser Umstand, daß sich nämlich in den unterschiedlichen Streckungsphasen des Stoßes unterschiedliche Fausthaltungen als "natürlich" anfühlen, für die Fausstöße in unterschiedlichen Distanzen ausgenutzt wird, so daß ein halber Schlag keine Faustsdrehung, ein Dreiviertelschlag eine Halbdrehung und eine gestreckter Schlag eine volle Drehung nutzt.
Gruß
Jens
P.S: Diese Betrachtung ist aber sehr vereinfachend, da es sehr viele Methoden gibt, mit oder ohne Fausdrehung zu schlagen.
Hier sind einige:
- Ausholstellung vertikal, Endtstellung vertikal (Isshin-Ryu)
- Ausholstellung mit Handfläche nach oben, Endstellung vertikal (Shotokan-Tate-Zuki)
- Ausholstellung mit Handfläche nach oben, Endtsellung mit Faustdrehung, jedoch nur Unterarmrotation, so daß die Ellenbogenbeuge am Ende nach oben zeigt (Goju-Ryu)
- Ausholstellung mit Handfläche nach oben, Endstellung mit Faustdrehung sowie Unter- und Oberarmrotation, wobei Ober- und Unterarm je die Hälfte der Rotation machen, so daß die Ellenbogenbeuge am Ende nach innen zeigt (Choku-Zuki z.B. von Nakayama)
Hallo Jens,
Deine Ausführungen zum Geschwindigkeitsbruchtest unterschreibe ich sofort, sie stehen meinem Posting dazu aber auch in keiner Weise entgegen.
Lediglich die Aussage Julians:
1. Bei einem "geschobenen" Schlag ohne Endpunkt wird das Ziel weggestoßen.
Hielt ich für so nicht haltbar.
Unter physikalischen Gesichtspunkten ist nämlich, wie auch von Dir ausgeführt lediglich die Trägheitskraft des Ziels und dessen Bruchfestigkeit (Eigentlich der Trägheitswiderstand) in Relation zur einwirkenden beschleunigenden Kraft (Und natürlich der Festigkeit des Impaktobjektes) dafür ausschlaggebend ob das Ziel verdrängt oder zerstört wird.
Dafür ist es erstmal ja auch unerheblich ob ich mir danach an der Hauswand die Hand breche, für mich persönlich natürlich nicht.
Aber wo wir gerade so schon dabei sind, welche Vorteile in Bezug auf die Zerstörungskraft siest Du in Kimetechniken bei z.B. Techniken wie einem Mawashi Geri?
Natürlich die Kontrolle, aber durch die Fixierung der Gelenke und verbindenden Muskeln kann ich doch hier eigentlich nicht die Masse des Körpers hinter den "Schlag" bringen, ebenso wie eine Fixierung im Erdboden keinen Sinn macht.
Du subsumierst dies in Deinem Ausgangsposting unter "federnder Schlag".
Ist hier Kime überhaupt sinnvoll? Dient es lediglich der Kontrolle, evtl. der Ästhetik des Karate oder wäre z.B. eine Ausführung wie der "Krokodil*******schlag" im Thaiboxen (Also ähnlich der Art wie Fußballer einen Ball treten) nicht sinnvoller.
Hallo Jibaku!
Das, was Julian als "geschobenen Schlag" bezeichnet und was in ähnlicher Form ja auch Karl-Heinz rüberbringen wollte, ist etwas, was wohl außerhalb der Karatetechnik angesiedelt ist.
Damit lassen sich sicher Superresultate erzielen, führt aber eben auch zu dem, was Julian herausstellte (und was beim Geschwindigkeitsbruchtest "ohne Wand" schlicht nicht auffällt): dem fehlenden Schockeffekt durch den Fokus.
Die Überlegungen zu den Beintechniken sind im Vergleich zur Hand, und davon bin ich überzeugt, im Werdegang des Karate ursprünglich die gleichen gewesen.
Das sieht man daran, daß in älterer Literatur auf die sonst heute übliche Unterscheidung "Hand am Makiwara, Fuß am Sandsack" keinerlei Bezug genommen wird.
Folgendes kommt jedoch hinzu:
Die Fußtechnik bringt es mit sich, daß der schlagende Teil des Körpers hier eine ungleich größere Masse darstellt, als bei der Handtechnik. Das fiel bei den früher genutzten kurzen Fußtechniken zu den unteren Extremitäten nicht so auf, da, wegen des kürzeren Weges, die aus der Beschleunigung resultierende Kraft nicht so groß war. Die Techniken waren demzufolge entweder federnd oder durchdringend besser fokussierbar und unterschieden sich nur wenig von der Handtechnik.
Heute ist dies anders. Die Fußtechnik wird weit geführt, erreicht deswegen bei gleichbleibender Beschleunigung größere Kräfte, die sich aber auch schwerer kontrollieren lassen. UND DAS TRAINIERT KEINE SAU MEHR! Der leichtere Weg ist hier, die höheren Kräfte nach dem Schwungmasseprinzip zu nutzen, was im Regelfall für ein "durchschlagendes" Ergebnis auch noch ausreicht, eigentlich aber kein "richtiges" Karate mehr ist.
Hinzu kommt weiterhin:
Aber selbst wenn man beim Fuß (letztlich aus Faulheit) auf einen ausgeprägten Fokus verzichtet, bliebe trotzdem die aus der hohen Schwungkraft des Beines resultierende, destabilisierende Wirkung auf den Gesamtkörper, was es unbedingt zu vermeiden gilt, da ansonsten Kombinationen wie Mawashi-Geri/Gyaku-Zuki nicht gelingen können.
Daher ist trotzdem ein ausgeprägtes Rückschnappen des Beines unverzichtbar.
Mein Lehrer hatte mit erzählt, daß während seiner Zeit an der Takudai diesbezüglich vergleichende Betrachtungen angestellt worden waren, die zu dem Schluß führten, daß die Karatetechnik die "bessere" sei, die sich jedoch im strikten Zeitmanagment eines 20-jährigen Berufs-Thaiboxers nicht erreichen ließe. Die "richtige" Karatetechnik ist schlicht zu schwer, um damit als junger Mensch in den Ring steigen zu können. (Ich weiß, jetzt wollen mich sicher wieder jede Menge Leute erwürgen, aber damit lebe ich ... ;-))
Gruß
Jens
Hallo Jens,
die Unterscheidung die ich meinte zielt nicht so sehr auf den Unterschied von Hand zu Fußtechniken sondern eher auf gerade Techniken bei denen es Sinn macht durch Kime die Körpermasse in den Schlag zu bringen und kreisförmige bei denen in der Hauptsache das Impaktobjekt, also Hand oder Fuß beschleunigt wird.
Bei geraden Techniken erscheint mir, nur in bezug auf die Schlagwirkung, Kime sinnvoll, da wie schon erklärt dieGesamtmasse möglichst Verlustfrei in die Technik gelegt wird und auch die "Rückstoß" oder Deformationskräfte aufgefangen werden und so die Wirkung erhöhen.
Diese Wirkmechanismen erscheinen mir bei kreisförmigen Bewegungen aber nicht einschlägig, der Mensch ist schlicht zu schwach hier tatsächlich eine vergleichbare Übertragung zu gewährleiten.
Kime zum Auffangen der Rotationskräfte, also zur Kontrolle und als Möglichkeit schneller Folgetechniken dagegen erscheint mir sinnvoll.
Eine größer Wirksamkeit vermag ich allerdings nicht zu erkennen.
Was genau meinst Du mit "Schockeffekt"?
Auch die schiebende Wirkung von Julians "schiebendem Schlag" kann ich nicht erkennen, maßgeblich für die Zerstörung sind in meinen Augen die o.g. Faktoren zum Zeitpunkt des auftreffen des Objektes, schiebe ich danach natürlich weiter und hinter der zerstörten Oberfläche (So sie denn zerstört ist) befindet sich noch etwas schiebe ich natürlich und wenn die Kraft ausreicht bewege ich auch das Objekt aber ich kann den Einfluss auf die vorangegangene Zerstörung nicht erkennen.
Für mich bedeutet Kime möglichst viel Kraft im Moment maximaler Geschwindikeit möglichst verlustfrei zu übertragen.
den Unterschied zwischen beiden Methoden in Bezug auf das fortbewegen des Objektes kann ich eigentlich nur erkennen wenn die Kraft nicht ausreicht das Ziel zu zerstören, wohl aber es weiter zu bewegen, hier stopt die Kimetechnik schlicht.
Ansonsten denke ich, daß bei gleichen (körperlichen) Voraussetzungen mit der (geraden) Kimetechnik im Moment des Impakts mehr Kraft generiert wird.
http://www.arsmartialis.com/spektrum/karate.html
ist in diesem Zusammenhang vielleicht ganz interessant.
Was verwundert sind die Quellenangaben die auf "Spectrum der Wissenschaft" von 1979 verweisen, dann aber sagen der Artikel basiere auf einer MIT Veröffentlichung von 1983.
Na vielleicht haben die Amis doch schon die Zeitmaschine (Oder ich habe wie so oft zu ungenau gelesen)!
Hallo Jibaku,
zur Fußtechnik:
Doch! Die Betrachtungen zur unterschiedlichen Masse bei der "alten und neuen" Technik haben genau die gleichen Auswirkungen, egal, ob die Technik einem Stoß oder Schlag gleicht. Es macht keinen Unterschied, ob ich die Technik wegen des Masseüberschusses "nur nicht aufhalten" oder "nicht zurückschnappen" kann.
daß die federnde, runde Technik diesbezüglich schneller an Grenzen stößt, haben wir doch die ganze zeit besprochen (siehe auch noch einmal weiter unten).
Wenn ich Dich recht verstehe, zweifelst Du daran, ob bei der Fußtechnik der Mensch überhaupt in der Lage sein kann, das für das federnde Prinzip notwendige hohe Maß an überschießender Energie zu produzieren.
Meine Antwort kan ich nur wiederholen: Dies wird umso schwerer, je größer die Trägheitskraft der zu beschleunigenden Masse wird, was mit weiter werdenden Techniken zunimmt.
Deswegen gehen heute die meisten den Weg, eine Art Kime bei der Fußtechnik ganz zu negieren.
Und zur Defintion: Kime meint nicht nur den Fokus des Stoßes, sondern auch die Kraft des Zurückschnappens > federndes und durchdringendes Kime.
Schockeffekt:
Dieser entsteht, wenn beim
a.) Stoß im Augenblich des impact's nicht allein die Masse des Schlagarms/-beines trifft, sondern die Energie des durch Anspannung zu einem Ganzen verbundenen Körpers.
Dabei ergibt sich, durch die Anspannung, ein, wenn auch kurzes, Anhalten des Schlages relativ zum eigenen Körper, jedoch nicht zwingend relativ zum Zielobjekt (Tsuki im Sprung).
Dies hat zum Nachteil, daß die Energie dann so überschießend sein muß, daß das Ziel entweder zerstört oder "weggeschoben" wird, die Technik sich also "Platz fressen" kann, weil man ansonsten vom Ziel abprallt, oder wenigstens so groß, daß die Kraft der durch die Masseträgehit/Festigkeit des Zieles entstehenden Widerstandes kompensiert wird. Das stößt schnell auf Grenzen.
Dem wird dadurch Rechnung getragen, daß beim impact bei Techniken, wo das geht, der Körper kurzzeitig mit dem Boden verankert wird, was dann neben dem Anhalten relativ zum eigenen Körper auch zum Anhalten relativ zum Zielobjekt führt.
b.) beim federnden Schlag durch die, auch aufgrund des Rückreißens nach dem Peitscheneffekt, hohe überschießende Energie aufgrund exorbitanter Geschwindigkeit, was aber auf die bereits oben und in anderen Postings behandelten Einschränkungen trifft.
Gruß
Jens
Hallo Jens,
OK, "Schockeffekt" war mir klar, konnte nur den Terminus (Der ja auch gerne Mißbraucht wird, Ki, Luftkeil etc.) nicht einordnen aber der Rest...?
Kime als Möglichkeit die Körpermasse hinter den Schlag zu bringen und die Deformationskräfte uaufzufangen ja, aber die Funktion beim federnden Schlag, außer der Kontrolle, wird mir nicht klar.
Ich les jetzt noch mal, wenn ichs dann nicht verstehe nehm ich Nachhilfe per PN
Jibaku,
erst beim nochmaligen Überlesen meines und Deines Postings war mir klkar geworden, daß wir uns beim Punkt, was unter Kime zu subsumieren sei, nicht treffen.
Deswegen hatte ich mein Posting geändert, was sich aber mit Deinem letzten Posting überschnitten hat.
Du faßt darunter lediglich diesen Fokus, Brennpunkt ...
Dies teile ich nicht, da sich weder aus dem Begriff Kime, noch aus den für mich maßgeblichen Definitionen ein solches ergibt.
Kime ist für mich ein dynamischer Prozeß, der alles beinhaltet, was den karatetypischen Krafterzeugungs- und -übertragungsmechanismus anbetrifft.
Denzufolge gehört für mich zum Kime das von unnötiger Gegenkraft freie Beschleunigen, genauso wie der Fokus und das Zurückfedern.
Dies kommt auch in der von Nakayama geprägten Kime-defintion zum Ausdruck, wo von "explosionsartiger Ausführung in der kürzesten Zeit, die möglich ist" die Rede ist.
Aber darüber kann man sicher streiten, was letztlich aber egal ist, denn: "Wie es heißt, ist wurscht; wehtun musses!"
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem begriff "Kime", der zunächst erstmal für "Entscheidung" steht, aber auch so etwas wie "Zusammenkommen" bedeutet.
Zwar ließe sich daraus die gängige Fokus-Defintion ableiten, was aber der gängigen Bedeutung und Verwendung des Wortes Kime widerspricht, welche sich in der Redewendung "kime ga aru" findet, was soviel bedeutet wie "Hier ist alles zusammengekommen!" im Sinne von "Hier ist es perfekt.".
Gruß
Jens
Hallo!
Danke nochmal auch an dich Jens, für deine Ausführungen.
Du hast mit deinem posting auch schon einige Fragen vorweggenommen, die ich an Karl-Heinz stellen wollte, namentlich was das Problem des Kumite anbelangt.
Genauer wollte ich auch auf die "Unmöglichkeit" zu sprechen kommen, die sich ergibt den von dir als "vis absoluta" beschriebenen Vorgang auch im Übungskampf realitätsnah zu üben.
Dies ist wohl so nur am Makiwara bzw. in der Kata möglich.
Mit meiner Frage wollte ich auch keineswegs das Kumite als nutzlos abstempeln, aber ist vom Stellenwert wohl geringer als man annehmen sollte, was den Übungseffekt für "reale Kämpfe" angeht.
- obwohl sich einige Aspekte natürlich durchaus üben lassen.
Eine weitere Frage ist mir noch eingefallen, die ich schon mal an anderen Stelle geäußert habe, zu der ich aber auch gerne noch eure Meinung hören würde:
Es wurde bereits die Problematik des Kime bei Halbkreisfußschlägen angesprochen.
Mich würde nun interessieren wie ihr die Stellung eben solcher Techniken im "klassischen Karate" angeben würdet, da beispielsweise in den 26 Shotokan Katas der Mawashi Geri nur einmal vorkommt - und das im Liegen (Unsu)
mfg,
xyto
Hallo xyto,
eigentlich hast Du Dir Deine Frage schon zum Teil selbst andeutungsweise beantwortet, da Du festgestellt hast, daß sich Mawashi-geri in lediglich einer Kata des Shotokan findet; und diese Kata gehört noch nicht einmal zu den 15 stilspezifischen Kata.
Wenn Du jetzt hinzurechnest, was bereits zu den Problemen, die heutzutage durch die Ausführungsweise der Keri-Waza (insbesondere auch Mawashi-Geri) durch viele Sportler entstehen, in diesem Thread anklang, so kannst Du Dir sicher ausmalen, wie nah die heute vielerorts zu beobachtenden Techniken und Kampfweisen am ursprünglichen Shotokan-Konzept sind.
Wenn man das, was heute in Kämpfen als kämpferisches Potential des Shotokan-Karate dargestellt wird, mit dem vergleicht, was sich aus den Kata ergibt, so könnte man meinen, unsere Kunst hätte ihr Gesicht vollkommen verändert.
Diese Entwicklung ist, obwohl sie auch Vorzüge aufweist, vom Grundsatz her meiner Meinung nach zu bedauern.
Viele Grüße
Jens
hihi,
habe ich eben gefunden. Setze ich gleich mal einen Querverweis :)
The Physics Of Karate Strikes (http://www.kampfkunst-board.info/forum/f7/the-physics-of-karate-strikes-65631/)
Grüsse,
A. Dubois
Hallo,
auch hier noch ein bisschen was zum Lesen (Oi-Zuki & Mae-Geri):
http://www.martinofromm.de/Oi_zuki.pdf
http://www.martinofromm.de/Mae_Geri_Ke_komi.pdf
Viele Grüße, Sascha
martin.d
28-09-2007, 07:54
wow, super danke! :D
sowashab ich schon ewig gesucht :halbyeaha
In dem oben verlinkten Text über den Oi-Tsuki, den ich zugegebenermassen zum grössten Teil nicht gelesen habe, ist mir der Teil mit der kinetischen Energie des ganzen Körpers irgendwie komisch vorgekommen. Ich will aber gar nicht die Richtigkeit des Textes diskutieren, sondern etwas anderes zur Diskussion stellen.
Physikalisch habe ich den Vorgang spontan nicht völlig durchdenken können. Mir kam allerdings in den Sinn, dass bei einem Stoss ja Impuls und Energieerhaltung erfüllt sein muss, und dachte darüber nach, dass ich mit einem stossenden Objekt beim Zielobjekt nie eine höhere Geschwindigkeit erreichen kann als das stossende Objekt hatte.
Eine 10 kg (harte) Kugel mit 1 m/s wird eine 100 g (harte) Kugel auch nur auf höchstens 1 m/s bringen, die übertragene Energie ist praktisch dieselbe. Allerdings rollt die 10 kg Kugel dann weiter.
Rein intuitiv, d.h. aus meiner Körperwahrnehmung und Technikerfahrung, würde ich der Translationsbewegung des ganzen Körpers beim Oi-Tsuki keine grosse Bedeutung für die Wirkung der Armtechnik zumessen. Den Verhältnissen nach sollte die Bewegung meines Körpers auf das Ziel zu auch nur einen entsprechenden Effekt haben können, nämlich ein Ziel vergleichbarer Masse dann von mir wegzubewegen. Da mein Ziel bei der Technikwirkung aber nicht Translation (Gegner wegstossen) sondern Schädigung bzw. Kampfunfähigkeit (Nervenstimulation durch schockartige Stosswelle, Knochenbruch o.ä.) ist, bringt mir der Einsatz der Körperbewegung 'nichts'.
Oder anders gesagt:
Wenn mein Tsuki an sich keine Wirkung auf das Ziel hat, erreiche ich mit Einbringen der Körperbewegung auch nur ein Wegstossen, aber nicht plötzlich ein KO oder einen Rippenbruch.
Alle Energie, die ich nicht an das Ziel übertragen kann, muss ich dann aber selber abfangen.
Wie ist Eure Erfahrung mit der Technik? Entspricht oder Widerspricht sie diesen Überlegungen?
In dem oben verlinkten Text über den Oi-Tsuki, Die verlinkte Abhandlung krankt imho daran, dass die schulmäßige Kihon-Ausführung untersucht wurde, die im Real-Kampf keine Rolle spielt (Ausgangs- und Endstellung Tsenkutsu-dachi, Faust von der Hüfte aus ...)
In dem oben verlinkten Text über den Oi-Tsuki, den ich zugegebenermassen zum grössten Teil nicht gelesen habe, ist mir der Teil mit der kinetischen Energie des ganzen Körpers irgendwie komisch vorgekommen. Ich will aber gar nicht die Richtigkeit des Textes diskutieren, sondern etwas anderes zur Diskussion stellen.
Physikalisch habe ich den Vorgang spontan nicht völlig durchdenken können. Mir kam allerdings in den Sinn, dass bei einem Stoss ja Impuls und Energieerhaltung erfüllt sein muss, und dachte darüber nach, dass ich mit einem stossenden Objekt beim Zielobjekt nie eine höhere Geschwindigkeit erreichen kann als das stossende Objekt hatte.
Eine 10 kg (harte) Kugel mit 1 m/s wird eine 100 g (harte) Kugel auch nur auf höchstens 1 m/s bringen, die übertragene Energie ist praktisch dieselbe. Allerdings rollt die 10 kg Kugel dann weiter.
ich hab das topic noch nicht wirklich gelesen, aber mal zu deiner these....
ist das so?! ;)
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/e/e5/Elastischer_sto%C3%9F3.gif/300px-Elastischer_sto%C3%9F3.gif
offenbar nicht
wobei du insofern recht hast, als das das ziel eines schlages immer eine höhere masse hat und die schläge i.d.r. potentiell eher "unelastisch" sind, wo das tatsächlich nie passiert (ganz ganz ganz grob genähert... sind ja alles deformierbare körper)
Rein intuitiv, d.h. aus meiner Körperwahrnehmung und Technikerfahrung, würde ich der Translationsbewegung des ganzen Körpers beim Oi-Tsuki keine grosse Bedeutung für die Wirkung der Armtechnik zumessen. Den Verhältnissen nach sollte die Bewegung meines Körpers auf das Ziel zu auch nur einen entsprechenden Effekt haben können, nämlich ein Ziel vergleichbarer Masse dann von mir wegzubewegen. Da mein Ziel bei der Technikwirkung aber nicht Translation (Gegner wegstossen) sondern Schädigung bzw. Kampfunfähigkeit (Nervenstimulation durch schockartige Stosswelle, Knochenbruch o.ä.) ist, bringt mir der Einsatz der Körperbewegung 'nichts'.
Oder anders gesagt:
Wenn mein Tsuki an sich keine Wirkung auf das Ziel hat, erreiche ich mit Einbringen der Körperbewegung auch nur ein Wegstossen, aber nicht plötzlich ein KO oder einen Rippenbruch.
Alle Energie, die ich nicht an das Ziel übertragen kann, muss ich dann aber selber abfangen.
Wie ist Eure Erfahrung mit der Technik? Entspricht oder Widerspricht sie diesen Überlegungen?
also mal abgesehen davon, dass ich shotokan-karate-zukis zum kotzen finde, dient die körperbewegung einerseits zum distanzüberbrücken, andererseits um die verbindung zwischen trefferzone und erdboden zu schaffen, welche für einen festen schlag nötig ist.
kannst ja mal am sandsack mit einer beliebigen fausttechnik erst stehend und dann im sprung rumprobieren. letztere werden recht wirkungslos sein.
weitere bedeutung: es verstärkt die drehung der schulter, was dann doch direkten einfluss auf die schlagkraft hat. vergleiche hierzu die schadens/KO-wirkung von jab und cross bei boxern. von der armbewegung unterschieden die sich nicht... ein gerader schlag, wohl aber durch hüft-,körper und schulterdrehung, was die wirkung verheerend erhöht.
außerdem ist nur durch den schritt das einsacken richtung des nach dem schritt vorderen beins möglich.
achte bei diesem themenfremden video mal nur auf den step als einleitung (http://www.kampfkunst-board.info/forum/1042872-post3.html)
der erklärt auch was dazu und du kannst dich am sandsack überzeugen, dass es stimmt.
die selbe wirkung hat das einsacken auf das nun vordere bein beim oi zuki
final noch was zum selber wegschieben:
man muss sich selbst in richtung ziel bewegen, weil das einzige, was verhindert, dass man selbst sich selbst wegschiebt die massenträgheit bzw die hohe translationsenergie ist.
vielleicht wird dir das auch so gegangen sein, wie mir: wenn man tritte viel in der luft geübt hat, sodass man ne saubere technik hat und sich dann damit am sandsack probiert, tritt man sich potentiell eher selbst weg, weil man eben beim treten in der luft nie diese bewegung richtung gegner drin hatte und nur diese dafür sorgt, dass die trittkraft den sandsack statt einen selbst wegschiebt.
ist das so?! ;)
offenbar nicht
Stimmt. Ich hatte nicht an Stösse gedacht, wo vorher beide Körper in Bewegung sind. Und ich war (automatisch) davon ausgegangen, dass der stossende Körper nachher ruhen würde oder seine Bewegungsrichtung beibehält. Zumindest wird der andere Fall ja nie geübt. :D
Und unter den Bedingungen trifft meine Annahme, glaube ich, zu.
Sollen wir daraus jetzt schliessen, dass wir beim Mae-geri mehr erreichen, wenn wir nachher selbst umfallen? :D:D
also mal abgesehen davon, dass ich shotokan-karate-zukis zum kotzen finde, dient die körperbewegung einerseits zum distanzüberbrücken, andererseits um die verbindung zwischen trefferzone und erdboden zu schaffen, welche für einen festen schlag nötig ist.
Distanzüberbrücken ja, aber festerer Stand?
Es geht mir auch nicht um das Drehen des Oberkörpers oder solche Anpassungen der Haltung, sondern wirklich um den Schritt vorwärts und die Schwerpunktsbewegung. Dass das Sinn macht, bezweifle ich nicht.
kannst ja mal am sandsack mit einer beliebigen fausttechnik erst stehend und dann im sprung rumprobieren. letztere werden recht wirkungslos sein.
Klar. Energie und Impuls werden auf die beiden stossenden Körper verteilt, umgekehrt dem Masseverhältnis. Stehe ich fest, zählt die Erde zu meiner Masse dazu und ich bleibe in Ruhe.
weitere bedeutung: es verstärkt die drehung der schulter, was dann doch direkten einfluss auf die schlagkraft hat. vergleiche hierzu die schadens/KO-wirkung von jab und cross bei boxern. von der armbewegung unterschieden die sich nicht... ein gerader schlag, wohl aber durch hüft-,körper und schulterdrehung, was die wirkung verheerend erhöht.
siehe oben (Schwerpunktsbewegung bzw. Rotation)
man muss sich selbst in richtung ziel bewegen, weil das einzige, was verhindert, dass man selbst sich selbst wegschiebt die massenträgheit bzw die hohe translationsenergie ist.
Nein, nicht nur.
Du stellst einen Hebel mit Drehpunkt Fuss des Standbeins dar. Über den Tritt wirkt beim Auftreffen ein Drehmoment auf diesen Hebel. Hast Du ein entgegen wirkendes Drehmoment, heben sich beide auf. Das erreichst Du, wenn Du mit dem Schwerpunkt vor der Standfläche stehst (das ist dasselbe wie beim Zenkutsu-dachi: hinteres Bein stützt ab).
Mit der Bewegung, die dann zur Ruhe kommt, lässt Du das Drehmoment wirken, aber nur zum Abbremsen.
Du merkst, was ich meine, wenn Du Dir Deine Haltung vergegenwärtigst, wenn Du jemanden aus dem Stand mit Mae-geri langsam wegdrücken willst. Auch da bremst Dich keine Eigentranslation. Du musst das wirkende Drehmoment mit der Gewichtskraft und mit Körperspannung und Bodenhaftung ausgleichen.
vielleicht wird dir das auch so gegangen sein, wie mir: wenn man tritte viel in der luft geübt hat, sodass man ne saubere technik hat und sich dann damit am sandsack probiert, tritt man sich potentiell eher selbst weg, weil man eben beim treten in der luft nie diese bewegung richtung gegner drin hatte und nur diese dafür sorgt, dass die trittkraft den sandsack statt einen selbst wegschiebt.
Ja, kenne ich. Das liegt genau an dem beschriebenen Ausgleich des Drehmomentes, das im Kihon nicht gemacht werden kann.
Ein bisschen kann man es reinbringen, indem man schaut, ob man in der Endpunkthaltung nach vorne fällt. Wenn nicht, wird es mit einem gestossenen Tritt nichts werden. :rolleyes:
Zum Glück gibt es aber auch den geschnappten Tritt, bei dem das nicht gilt. :D:D:D
Hallo zusammen
interessiere mich zur Zeit besonders für das Thema "Physik und Karate"
Habe die Beiträge alle mit grossem Interesse gelesen. Ich kann insbesondere die schon empfohlene Homepage von ArsMartialis empfehlen. Den allermeisten Ausführungen dort kann ich absolut folgen.
Die Theorie zur Schlagwirkung ist mir aber immer etwas suspekt. Hab mal in grauer Vorzeit Physik studiert und die Analogie zum elastischen Stoß ist mir aus dem Bauch heraus nicht OK.
Der Unterschied ist einfach, dass die Kugel (in dem Fall die Faust) hoffentlich noch am Körper hängt und nicht wie eine Kugel über den Billardtisch rollt. :)
Was haltet Ihr von folgendem Ansatz :
Nach dem Auftreffen verdichtet sich das getroffene Gewebe (Kompression), nach dem schnellen Zurückziehen gibt es eine Dekompression. Die Höhe der Kompression hängt vom Druck ab (entscheidende Grössen :eingebrachte Energie, Fläche + Kraft des Nachschiebens).
Gemäß dem eingebrachten Impuls läuft die Kompressions- Dekompressionswelle in den Körper und kann dort sehr unangenehm werden, insbesondere an Übergängen verschiedener Dicht (Gewebe/Knochen/Organe). :D
Ihr kennt doch sicher den Nierensteinzertrümmerer, der nach dem Prinzip arbeitet. Dort ist die Wirkung auf den Stein teilweise bei der Dekompression grösser als bei der Kompression.
Bin schon mal auf Eure Kommentare gespannt.
JoeBaer
Michael1
01-11-2007, 11:55
Im Prinzip ist das doch der Ansatz der auf arsmartialis gemacht wird - Druck (Kraft/Fläche) als Bezugsgröße für Schlagwirkung.
Was die Wirkung betrifft sind die meisten körpereigenen Strukturen deutlich elastischer als das bei den verhältnismäßig starren Nierensteinen der Fall ist. Die Auswirkungen von dürften kaum in vergleichbarer Weise auftreten.
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