Schnellen Schrittes trat er genau vor den Achtjährigen und beugte sich zu ihm hinunter. Die Miene des Wing Chun-Lehrers wirkte versteinert. Seine Augen erschienen als feine Schlitze. „Glaubst du allen Ernstes, dass du weißt, was abgeht?!“, föhnte er dem Burschen entgegen. „Du hast nicht einmal die leiseste Ahnung vom richtigen Weg! – Wir müssen dich ständig auf diesen zurücksetzen und trotzdem stolperst du immer wieder in die falsche Richtung! – Höre auf, zu denken, dass du schon ein Adler ...
In der nächsten Übung nutzten die beiden Kampfkunsttrainer große Trittpolster, um ihren Zöglingen passenden Widerstand für ihre Fauststöße zu geben. „Denkt immer daran, wir zielen bei anderen Kindern nur auf die Brust und auf die Arme!“, schärfte Juliano den Schülern ein und stemmte sich hinter das Trainingsgerät. Alle Mädchen und Jungen schlugen kräftig die geforderten fünf Sekunden lang in das Polster. Alle, bis Ingmar an die Reihe kam. Seine beiden Tritte mit den fast sauberen Sportschuhen ...
Laut schreiend liefen die Kinder durcheinander. Ihnen beim Fangenspielen zuzusehen, bedeutete für Juliano immer eine große Freude. Die zwanzig anwesenden Jungen und Mädchen im Alter von fünf bis acht Jahren teilten mit ihm und seiner im vierten Monat schwangeren Frau Susann die Leidenschaft für das Wing Chun. Jene chinesische Kampfkunst bildete die Grundlage für den Selbstbehauptungskurs, welcher in den Zeiten der ausklingenden Corona-Pandemie den Kleinen die Selbstsicherheit für ihren Alltag vermittelte. ...
Vielleicht erschrocken, aber zumindest überrascht machte der Rothaarige einen Schritt zurück. Johannes hatte einen 70 Zentimeter langen und drei Zentimeter breiten Kampfstock aus seinem Rucksack gezogen und damit einmal vor sich die Luft zerteilt. Das Rattanholz war rot gefärbt, wobei die Farbe schon an mehreren Stellen abgefallen oder ausgebleicht erschien. Ein schwarzes Tapeband war in der Vergangenheit mehrfach um den oberen Teil gewickelt worden, um ausgefaserte Gebrauchsspuren zu überdecken. ...
Zu Johannes‘ Überraschung setzte sich nur der Rothaarige in Bewegung, um ihm zu folgen. Die anderen beiden Burschen lümmelten bei einem Automaten mit Softdrinks herum. Ganz klar: Das roch nach einem Kampf. Der Schüler merkte förmlich, wie sein Körper Adrenalin ausschüttete. Es galt nun, besonders achtsam zu werden. Das Letzte, was er heute gebrauchen konnte, war eine Schlägerei gegen vielleicht drei Gegner. Abhauen war nicht wirklich eine Option. Er wollte unbedingt den Zug bekommen und musste ...