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Kampfkunst Kurzgeschichten

Straßenduell - Teil 2

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„Wie bist ausgerechnet Du auf diese überaus geistreiche Idee gekommen den übelsten Nachwuchsschläger der Stadt zum Duell herauszufordern?“, fragte Klaus.
Verlegen trat Thomas von einem Fuß auf den anderen.
„Er hat Vanessa beleidigt, als wir aus dem Kino kamen“, sagte Thomas.
„Vanessa? Die dicke Blonde, die mit uns in Geschi geht?“, fragte Jörg.
„Pass auf, was Du sagst!“, fauchte Thomas.
„Lass mich raten: Georg hat auch sowas zu Ihr gesagt, oder?“, fragte Berkan.
„Seine Worte waren ’fette Kuh’ und Vanessa hat fast angefangen zu heulen“, sagte Thomas zerknirscht. „Ich habe ihm dann mal die Meinung gesagt.“
„Und wegen der Aussage von so einem hirnverbrannten Vollhonk kommst Du auf so ein saublöde Idee?“, fragte Klaus. „Du willst uns doch verarschen. Georg klatscht Dich mit einer Hand auf dem Rücken weg.“

Diese Einschätzung konnte Thomas seinem Freund wirklich nicht übel nehmen. Georg war ein Hüne wie aus einem Barbarencomic. Fast zwei Meter groß und mit einer Statur gesegnet, die in ihren Proportionen dem deutlich kleineren Berkan entsprach, machte er durch seine schiere Präsenz bereits Eindruck. Immer sehr kurz geschorene hellbraune Haare und nordische Tätowierungen an Armen und Hals trugen das ihre dazu bei, dass der Malergeselle, den die Jungs noch von der Grundschule her kannten, immer auffallen musste. Hinzu kam sein hitziges Temperament. Georg besaß einen beeindruckenden Ruf als Straßenkämpfer. Dabei hatte er nie eine Kampfsportschule von innen gesehen. Seine Referenzen waren keine Gürtelprüfungen oder Ausbildungszertifikate. Die Sozialstunden, welche er bisher ableisten musste, und auch ein sogenannter Warnschussarrest wegen Körperverletzung sprachen für sich.

„Ich habe mitbekommen, dass er vor ein paar Wochen den Türsteher vom Gold97 umgeschickt haben soll“, sagte Berkan. „Alter, der gehört weggeschlossen.“
„Was ich nicht verstehe, warum Ihr Euch erst in zwei Monaten verabredet habt“, warf Jörg ein. „Nach allem, was ich mitbekommen habe, macht der Georg normalerweise nicht lange rum.“
„Wir waren auch kurz davor, dass es knallt“, sagte Thomas. „Aber dann gingen seine Freundin und Vanessa dazwischen. Er hat irgendwelche Auflagen und deshalb hat er meine Herausforderung vertagt.“
Klaus schüttelte den Kopf.
„Also, Du willst uns sagen, dass Du den denkbar schlimmsten Schläger zu einem Zweikampf herausgefordert hast, weil er Deine Fast-Freundin beleidigt hat?“
Thomas nickte.
„Bist Du bekloppt?“, fragte Klaus fassungslos. „Das kann Vanessa doch unmöglich wollen.“
„Sie will es auch nicht“, sagte Thomas und straffte seine Haltung. „Ich will es. Es ist eine Frage der Ehre.“

Für einen Moment herrschte Stille, dann lachten Berkan, Jörg und Klaus los. Aus Verlegenheit lachte Thomas mit.
„Damit ist alles klar“, meinte Berkan, nachdem sich alle wieder gesammelt hatten. „Was willst Du jetzt von uns?“
„Ich möchte, dass Ihr mich vorbereitet.“
„Was?“, fragte Jörg.
„Ich möchte, dass Ihr mich trainiert“, sagte Thomas. „Ihr drei seid alle erfahrene Kampfkünstler. Du lernst doch immer noch Tae Kwon Do, Jörg?“
„Ja“, bestätigte der Angesprochene unsicher.
„Und Deine Leidenschaft für dieses Wing Tschun* hast Du uns schon oft gezeigt, Klaus“, sagte Thomas.
Klaus nickte mit dem Kopf hin und her.
„Wie heißt das, was Du nach dem Ringen angefangen hast, Berkan?“, fragte Thomas.
„Brazilian Jiu-Jitsu“, sagte Berkan.
„Wenn Ihr drei nicht aus mir in zwei Monaten einen Kämpfer machen könnt, der gegen Georg nicht voll untergeht, dann kann es niemand.“
Kurz schwiegen sich alle vier jungen Burschen an. Dann fand Klaus als erster wieder das Wort.
„Thomas, Du bist verrückt“, sagte er. „Aber wenn alle mitmachen, dann können wir Dich vielleicht soweit bekommen, dass Du selbst einsiehst, was für eine dumme Idee das ist.“
„Ich finde es cool, wenn wir wieder regelmäßig was zusammen unternehmen“, sagte Berkan.
„Na, dann ist es beschlossen“, sagte Jörg. „Machen wir aus unserem Lauch einen Streetfighter.“

* Hierbei sei das Augenmerk auf die Aussprache des Stils gelegt und nicht auf eine bestimmte Richtung oder Tradition.

Fortsetzung folgt ...

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