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Kampfkunst Kurzgeschichten

Das Herz des Kämpfers - Teil I

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Johannes war ein waschechter Schönling. Einer Körpergröße von 1,85, hellblonde modisch geschnittenen Haaren und der Figur eines Langstreckenläufers nannte er sein eigen. Eigentlich erwartete man, dass der 17 Jahre alte Gymnasiast keine Schwierigkeiten hätte, die jungen Damen auf sich aufmerksam zu machen. Dennoch war er noch immer Single, was nicht zuletzt an seinen Freizeitbeschäftigungen lag. Neben der Schule nahmen sie fast seine gesamte Zeit in Anspruch und auch an diesem späten Nachmittag war er wieder einmal auf dem Weg zum aktuellen Lieblingshobby.
Dafür galt es in die 15 Kilometer entfernte Nachbarstadt zu kommen. Für Johannes bedeutete dies eine Bahnfahrt, bei der er WhatsApps schreiben und etwas Musik hören konnte. In der angenehmen Frühsommersonne schlenderte er mit dem großen Rucksack zu dem kleinen Ortsbahnhof, auf dem er gefühlt unendliche Stunden seines Lebens verbrachte. Wie um diese Zeit üblich kamen gerade einige Fahrgäste an und verließen das Areal schnellen Schrittes. Als der Schüler die wenigen Stufen bei der Unterführung hinabging, war er zunächst ganz alleine.

Auf der gegenüberliegenden Seite stapften drei junge Männer ebenfalls Treppenstufen zum Bahnsteig hinab. Johannes blickte zu ihnen hinüber. Eigentlich kannte er so gut wie alle 16 bis 21 Jährigen bei sich im Ort. Da er sich freiwillig in der Flüchtlingshilfe engagierte, hatte er auch ein gutes bis freundschaftliches Verhältnis zu den 35 Jugendlichen, die in dem Heim am Stadtrand wohnten. Auch zu diesen gehörten die Neuankömmlinge nicht. Die drei mussten von außerhalb sein, befand Johannes für sich. Sein Blick blieb an einem Kerl in seiner Größe und vermutlich auch seinem Alter hängen. Er hatte grellrot gefärbte Haare und dazu eine von der Sonne ins dunkelbraun verwandelte Hautfarbe. Verbunden mit einer tarnfarbenen Bundeswehrhose und schwarzem T-Shirt mit „Iron Maiden“-Motiv war er deutlich auffälliger als ein bunter Hund. Während der Schüler weiter zu seinem Bahnsteig ging, kreuzten sich ihre Blicke.
„Was guckst du so blöd?!“, wurde ihm von dem Rothaarigem aus der Ferne entgegengerufen.
Die Frage war eindeutig aggressiv. Der fremde Kerl hatte sich dabei aufgerichtet und den Kopf vorgestreckt. Physisch entsprach er in etwa Johannes‘ Statur. Er war allem Anschein nach nicht stärker, aber eben auf Stress aus und hatte zudem zwei Freunde bei sich. Der Angesprochene erinnerte sich daran, was er gelernt hatte, und legte sofort einen Schalter in seinem Gehirn um.

„Entschuldigung“, erwiderte er. „Ich habe dich nur mit jemandem verwechselt.“
Während Johannes das sagte, hatte er beide Handflächen erhoben und damit eine eindeutig beschwichtigende Geste ausgeführt, die klar signalisieren sollte, dass er nicht auf Ärger aus war. Mit Blick zu dem Rothaarigen ging er zunächst ein paar Schritte weiter zum Abfahrtsgleis, wofür er eine Treppe hinauf musste.
Der andere junge Mann war offenbar von dieser souverän vorgetragenen Antwort überrascht. Während Johannes mehrere Meter gutmachte, wechselte er einige schnelle Worte mit den beiden Freunden. An den Blicken und den Gesten in seine Richtung konnte der Schüler ablesen, dass dies nichts Gutes zu bedeuten hatte.

Fortsetzung folgt ...

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