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Kampfkunst Kurzgeschichten

Der siebte Kreis der Karate-Hölle - Teil 1

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Noah liebte Karate. Der Shotokan-Stil war seine Welt. Seit dem siebten Lebensjahr trainierte er regelmäßig. Über 14 Jahre hatte er bisher Erfahrungen sammeln dürfen. Von zunächst nur vier Trainingseinheiten pro Monat entwickelte sich sein Hobby bald zum bestimmenden Teil seines Lebens. Drei bis fünf Mal in der Woche war er mittlerweile im Dojo. Wenn er doch einmal keine Zeit hatte am Unterricht teilzunehmen, dann trainierte er eben daheim oder wo auch immer er gerade war.

Seinen 2. Dan trug er mit Stolz. Der dritte schwarze Gürtel würde ebenfalls nicht mehr allzulange auf sich warten lassen. Selbst als Trainer hatte er sich mittlerweile im Dojo einen Namen gemacht. Sein Ding war die Team-Kata. Er beherrschte es, sowohl Teams vorzubereiten, als auch sie anzuführen. Ein erster Platz bei der Schweizer Karatemeisterschaft und zwei zweite Plätze hatte er mit seinem Team bisher holen können. Die Erfolge der von ihm zumindest mittrainierten Teams hatten über alle Altersklassen hinweg das Dutzend bereits überschritten.

Heute war wieder ein Montagabend und er kam mit seinen beiden Vereinskameraden zum Training. Noahs Team war eine ungewöhnliche Mischung. Während er mit tiefschwarzem Haar und der Körpergröße von 1,74 die Spitze bildete, hatte er zwei Hünen an seiner Seite. Der erste war der 1,95 große Martin. Lange hellblonde Haare und stahlblaue Augen verbunden mit einer Schulterbreite, die ihresgleichen suchte, erweckten den Anschein, dass der Karateka echte Wikinger als Vorfahren gehabt haben musste. Der Zweite war Till. Nur unwesentlich kleiner als Martin und fast genauso breit gebaut bildete er einen kaum zu übertreffenden Kontrast. Er war als Baby adoptiert worden und seine Vorfahren kamen ohne jeden Zweifel aus Afrika.

Neidische Konkurrenten warfen Noah, Martin und Till gerne vor, dass ihre Zusammensetzung die Wettkampfrichter positiv beeinflusste. Die drei hatten sich aber angewöhnt, solche von Neid geprägten Unterstellungen zu ignorieren. Als Team harmonierten sie auf der Matte genauso wie außerhalb des Dojos und so gab es ihrer Ansicht nach auch nichts an ihren Erfolgen auszusetzen. In der Tat war an diesem Abend wieder deutlich zu sehen, wie perfekt harmonisch die drei ihre Unsu Kata mit Leben erfüllten. Ja, das war dynamisches explosives Karate in Reinform. Selbst ihr sonst überkritischer Sensei war zufrieden mit dem, was das Team heute im Training zeigte.

„Sehr gut, Männer!“, lobte der Sensei.
Die drei Karateka verbeugten sich.
„Noah, hast Du bitteschön einen Moment für mich?“
„Jawohl, Sensei“, sagte Noah.
Die beiden gingen etwas abseits.
„Weißt Du, Noah“, sagte der Sensei. „Die Selma ist krank geworden. Ich brauche jemanden, der ihren Kurs am Mittwoch übernimmt.“
Noah schluckte.
„Den im Gemeindehuus?“
„Genau den.“
„Gibt es keinen anderen, der das machen kann?“, frage Noah.
Der junge Karateka hatte die Hoffnung, dass dieser Kelch an ihm vorbeigehen würde. Die Erwachsenengruppe am Mittwochabend im Gemeindehaus zeichnete sich durch drei Dinge aus:
1. Die Teilnehmer waren alle über vierzig.
2. Sie hatten alle noch keine Gürtelprüfung abgelegt.
3. Sie waren nach seinem Wissen allesamt vollkommen talentfrei.
„Leider nöd“, sagte der Sensei. „Wenn Du es nicht übernimmst, dann müsste es ausfallen. Das wäre schon schade, odr?“
Noah nickte.
„Also gut, dann mache ich das eben.“
Bei sich dachte er:
„Willkommen im siebten Kreis der Karate-Hölle!“

Fortsetzung folgt …
Stichworte: karate, kata, team, trainer
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Kommentare

  1. Benutzerbild von Reimeansrespect
    Klingt ja schon mal spannend.