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Kampfkunst Kurzgeschichten

Der Besen-Stil – Teil 2

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Ebenso ohne erkennbaren Grund unterschied sich die Beschaffenheit des verwendeten Besens von den im Kloster üblichen Werkzeugen. Dieses Reinigungsgerät hatte noch kein anderer Ordensbruder in Händen halten dürfen. Gerüchten zufolge, ruhte es auch nachts immer in unmittelbarer Nähe zur Schlafstätte des Besenmannes. Der Besen war mindestens einen halben Schritt länger als dessen „Brüder“. Der Stiel aus dem hier nicht vorkommenden dunklen Eibenholz war massiv, vierkantig und seine Ecken allesamt rundgehobelt. Das Reisig, welches die Borsten bildete, entstammte ebenso einem solchen Baum. Jeder einzelne Ast schien handverlesen zu sein und fügte sich in ein nahezu harmonisch anmutendes Muster aus knorrigen Zweigen, denen kein Schmutz oder Unrat etwas anzuhaben vermochte. Das Werkzeug musste sehr schwer sein, und der Novize zweifelte nicht einen Augenblick daran, dass es für einen ungeübten Nutzer ein kräftezehrendes Unterfangen sein würde, mit diesem Besen das Kloster zu reinigen.

Vom Reinigungsgerät ging der Blick des jungen Mannes wieder zu dem älteren Ordensbruder, der es ungerührt ungeachtet der Anwesenheit des Novizen mit stoischer Konzentration führte. Keine Anstrengung oder Langeweile, überhaupt keine Gefühlsregung war in jenem Antlitz zu lesen. Der Jüngere erwischte sich dabei, wie er über den Besenmann in seiner absoluten Ergebenheit und Demut nachdachte. Unter den Novizen machten einige Gerüchte die Runde, was dessen Herkunft anging. Manche erzählten, er sei einst der erste der Kampfmönche gewesen und sollte der neue Abt werden. Dies hätte er jedoch abgelehnt, da er einen neuen Kampfstil entwickeln wollte. Als dies nicht klappte, konnte er ob der Schande nicht länger einer der Lehrer der Shaolin sein. Er gelobte aus Scham, von nun an das Kloster zu reinigen. Wiederum andere meinten, er sein ein Prinz, einer der Söhne des Kaisers, der in den Orden eingetreten war, um erleuchtet zu werden. Der damalige Abt erlegte ihm auf, so lange die Räume zu säubern, bis sich die Erkenntnis einstellen würde. Das sei aber in den vergangenen Jahrzehnten nicht passiert.

„Hast du kein Ziel vor dir, mein Schüler?“, hörte der Novize auf einmal die Stimme des Abts hinter sich. „Anderen Brüdern bei der Arbeit zuzusehen hat noch keine Aufgabe im Orden erledigen können.“

Fortsetzung folgt ...

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Stichworte: historisch, shaolin, stab
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