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Kampfkunst Kurzgeschichten

#notme - Teil 3

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Sie war gelähmt. Vollkommen handlungsunfähig. Ihr Körper weigerte sich aufzustehen und sich dem Willen des Mannes zu widersetzen. Während sie sah, wie die Hände sich unnatürlich langsam bewegten, rasten ihre Gedanken mit einer Geschwindigkeit, die einem Quantencomputer in ferner Zukunft zur Ehre gereicht hätten.

„Was geschieht hier?“, stellte sich die junge Frau selbst die entscheidende Frage, und ihr Selbst war es auch, das ihr antwortete.
„Du wirst von einem fremden Mann nachts im Park angegriffen“, hallte ihr die Erkenntnis entgegen. „Das ist statistisch gesehen sehr unwahrscheinlich, aber dir passiert es heute.“
„Statistisch unwahrscheinlich?“, fragte Susanne erneut ihr Selbst.
„Ganz genau“, erhielt sie als Antwort. „Nüchtern betrachtet ist es wahrscheinlicher, dass dein Freund Jonas dich vergewaltigt, als dass dies ein Fremder im nächtlichen Park versucht. Du hast aber das Pech hier einem solchen Typen begegnet zu sein.“
„Er will mich vergewaltigen?“, kam es der jungen Frau erschrocken ins Bewusstsein.
„Genau deshalb ist er gerade dabei seine Hose zu öffnen“, erläuterte die andere Stimme in Susanne. „Aufgrund der Kälte und der Tatsache, dass du nicht darauf vorbereitet bist, wird es sicher sehr schmerzhaft. So wie er aussieht, hat er vielleicht auch eine Krankheit zu übertragen. Aber es gibt auch gute Nachrichten.“
„Gute Nachrichten?“, fragte Susanne ihr Selbst, und zeigte damit ihre aufkeimende Verwirrung.
„Nun, du bist derart in der Schockstarre gefangen, dass du von dem Akt kaum etwas mitbekommen wirst“, sagte ihre innere Stimme. „Zudem schützt dich die Pille davor von ihm schwanger zu werden. Das ist doch beides positiv, oder nicht?“

„Aber wenn er das jetzt tut, dann werde ich mein Leben lang an diesen Moment zurückdenken und darunter leiden.“
„Das ist richtig“, bestätigte ihr Selbst. „Vermutlich wird sich einer oder mehre Psychiater an dir eine goldene Nase verdienen.“
„Außerdem könnte ich mir eine gefährliche Krankheit einfangen, die mir mein Leben versaut.“
„Auch das ist korrekt“, sagte die innere Stimme. „Unter Umständen verlierst du auch die Fähigkeit, selbst einmal Mutter zu werden.“
„Und was passiert, wenn ich mich jetzt weigere mitzumachen?“
„Es besteht die Gefahr, dass er dich deshalb tötet ... jedoch ...“
„Was?! Was jedoch?!“
„Nun, das ist in der Tat sehr unwahrscheinlich“, erklärte ihr Selbst. „Du erinnerst dich doch noch, was du vor vier Jahren in Amerika gelernt hast. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt es anzuwenden.“
Susanne erinnerte sich bruchstückhaft. Tief in ihrem Bewusstsein hatte sie die Ausbildung während des Schüleraustauschs vergraben. Mit der Tochter ihrer Gastfamilie war sie einmal in der Woche zum Selbstschutztraining gegangen. Was hatte sie damals denn gelernt?
„Zieh deine Hose aus, Bitch!“, befahl der Mann.
Da war es plötzlich da. Ein Gefühl. Ein Gedanke. Eine klare Botschaft. Susanne sagte sie sich selbst. Nein! Sie schrie sie sich direkt in ihr Bewusstsein:
„Not me!“

Diese zwei unscheinbaren englischen Worte brannten sich in ihr Gehirn und lösten Mechanismen vom Anbeginn der Evolution des Homo sapiens aus. Die Botschaft war klar:
„Du bekommst mich nicht! Weder heute, noch an einem anderen Tag!“
Susanne sprang auf und hob die linke Hand in Richtung des Mannes. Mit der rechten griff sie in ihre Jackentasche und umfasste das Smartphone. Zweifel wichen Entschlossenheit. Angst wich Zorn. Aus der Angststarre wurde Kampfbereitschaft. Das Adrenalin wusste nun, was es zu tun hatte.
Ihr Angreifer hielt verdutzt in der Bewegung inne. Seine Hand verharrte am Gürtel. Der Blick der jungen Frau verhieß für ihn nichts Gutes und ihre Stimme unterstrich diesen Eindruck deutlich.
„Stopp! – Nein! – Feuer! Feuer! – Polizei!“

Fortsetzung folgt ...

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Dir gefallen die „Kampfkunst Kurzgeschichten“? Informationen zu meinem ersten Roman findest Du hier im Forum: https://www.kampfkunst-board.info/fo...er-Achtsamkeit

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