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Kampfkunst Kurzgeschichten

#notme - Teil 4

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In ihrer Situation hatte Susanne den Ausruf auf Englisch getätigt. Eben genau so, wie sie es seinerzeit gelernt hatte. Die Verwirrung des Mannes war trotz der schlechten Lichtverhältnisse deutlich in seinem Gesicht abzulesen. Er nahm den Kopf zurück und die Augen wurden größer.
Während sie zur Sicherheit den Ausruf noch einmal auf Deutsch wiederholte, kam ihre Rechte mit dem Smartphone aus der Jackentasche. Ihren Besitz hielt sie gut versteckt an ihrer Seite. Mit den Fingern sicher umschlossen und auf der Oberseite durch den Daumen gestützt, fühlte sich dieses Gerät, auf das sie so lange gespart hatte, für Susanne wie ein Anker ihres Widerstands gegen den Gewalttäter an. Und genau das war es in jenem Moment, der ihr Schicksal bestimmen sollte auch.

Der Mann war gerade einmal eineinhalb Armlängen von ihr entfernt. Umdrehen und weglaufen war für sie daher keine Option. Allzuleicht hätte er sie dann von hinten überfallen können. Susanne ging sicheren Schritts seitlich zurück auf den Weg, ohne den Angreifer aus den Augen zu lassen. Sie war jetzt kein Opfer mehr. Sie würde ein Gegner werden, sollte er ihr zu nahe kommen. In den schlimmsten Albtraum des Mannes wollte sie sich verwandeln. Das musste sie ihm vermitteln.
„Lassen Sie mich in Ruhe!“, brüllte die Abiturientin.

Einiges an theoretischem Wissen hatte Susanne aus der Zeit in den USA bereits fast wieder vollständig vergessen. Hierzu gehörte auch die Erkenntnis, dass schon leichte und keinesfalls gezielte Gegenwehr ausreicht, um einen nennenswerten Anteil von Sexualstraftätern abzuschrecken. Mit einer entschlossenen Verteidigung waren nahezu alle Gewalttäter zu vertreiben. Lediglich ein kleiner Prozentsatz versuchte tatsächlich, den Widerstand seiner Opfer niederzuringen. Doch Statistik ist eine Sache von gebildeten Menschen in beheizten und gut beleuchteten Räumen. In einer Extremsituation gilt nur das, was passiert, unabhängig von der Wahrscheinlichkeit, mit der es für gewöhnlich eintritt.
Susannes Angreifer war an diesem Tag nicht gewillt seine Beute ziehen zu lassen. Ohne ein weiteres Wort machte er einen Schritt vor und versuchte, sie mit beiden Armen zu packen.

Jetzt war Entschlossenheit gefragt. Das hatte die Abiturientin damals gelernt. Wenn sie schon ihre Achtsamkeit vollkommen vernachlässigt hatte, so wollte sie in diesem Punkt nicht auch noch versagen.
Ein Schritt, der einem 100-Meter-Sprinter am Startblock alle Ehre gemacht hätte, trug sie auf den Angreifer zu. Ihre Linke griff in seine rechte Ellenbogenbeuge und ein sofort erfolgender Zug störte das Gleichgewicht des Mannes. Dann schlug der Hammer ein.
Das aus ihrer Hand herausragende Smartphone wurde von ihrer Rechten beschleunigt. Sein stabiles Gehäuse schmetterte, aus Susannes ganzem Körper beschleunigt, gegen den linken Nasenflügel des Täters. Die Abiturientin hörte ein knallendes Bocken, so als ob ein Hammer auf einen Pflock getroffen hätte.
Die Energie war zu groß. Der Mann konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten. Susanne wollte sofort wegrennen, aber instinktiv hatte sich der Mann mit der Linken in ihre Jacke gekrallt. Ungeübt und daher ohne stabilen Stand konnte die junge Frau nicht verhindern von ihm zu Boden gezogen zu werden.

Fortsetzung folgt ...

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Dir gefallen die „Kampfkunst Kurzgeschichten“? Informationen zu meinem ersten Roman findest Du hier im Forum: https://www.kampfkunst-board.info/fo...er-Achtsamkeit

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