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Kampfkunst Kurzgeschichten

Fighter Mum - Teil 4

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Als sie ihren Sohn viele Stunden später zur Kampffläche gehen sah, machte das Mutterherz in Constanzes Brust einen deutlichen Sprung vor Stolz. Ihr ‚Tiger‘ war auf dem Weg zu seinem ersten Turnierkampf. Wie würde er sich schlagen? Wäre er enttäuscht, wenn es härter wurde als er erwartet hatte? War er auch ausreichend vorbereitet? Millionen von Gedanken schwirrten durch ihren Kopf, als sie auf einmal von der Seite her angesprochen wurde.

„Guten Tag, ich kenne Sie nicht, sind Sie neu hier?“
Als Großstadtkind hatte Constanze nur ein bedingtes Verständnis für die Gepflogenheiten der Landbevölkerung. Sie versuchte aber, bewusst höflich zu sein.
„Guten Tag, ja ich bin tatsächlich zum ersten Mal hier“, antwortete sie in Richtung des Herrn um die sechzig mit dem deutlichen Bierbauch und dem darüber hängenden Kampfanzug, der mit dem schwarzen Gürtel zusammengehalten wurde.
„Sie sind mit dem Joshua hier, oder? Sind sie sein Kindermädchen?“
„Nein“, antwortete die Mutter langgezogen und wieder einmal an diesem Tag um ihre arg gebeutelte Beherrschung ringend. „Er ist mein Sohn.“
„So, so“, gab der alte Kämpfer von sich. „Das sieht man aber gar nicht.“
„Er kommt eben mehr nach seinem Vater.“
Der gealterte Taekwondoin nickte langsam verstehend, als ob dies eine welterschütternde neue Erkenntnis wäre.
„Ja“, verkündete er schließlich. „Es ist nur so, der Tim, also das ist mein Enkel. Das ist der beste Kämpfer hier von unserem Verein in der Altersklasse. Der ist ganz schön stark. Ich dachte mir, dass sage ich besser mal vorher. Nicht, dass der Joshua zu enttäuscht ist, wissen Sie?“
Constanze lächelte.
„Challenger accepted“, dachte sie sich.

„Keine Sorge“, antwortete sie. „Joshua wird damit umgehen können.“
In diesem Moment dreht sich ihr Söhnchen auf der Matte zu ihr und verbeugte sich mit angelegten Händen. Die dicke Schutzausrüstung machte ihn deutlich breiter.
Constanze erwiderte den Gruß.
„Du musst dich doch nicht zurückhalten, Tiger. Zeig‘ einfach, was du gelernt hast.“
Der alte Kämpfer schaute sie nun verwirrt an. Sie streckte ihm die Hand entgegen und schüttelte seine dargereichte kraftvoll.
„Constanze Marquardt, 4. Dan. Ich trainiere meinen Sohn.“
Danach genoss sie, wie ihr Filius den etwas größeren, aber auch schwereren Lokalmatador mit einer Serie von baldeungchagi, dwichagi und apchagi mehrfach über die Matte trieb. Total chancenlos beendete die Kampfrichterin für diesen das Aufeinandertreffen und das Schluchzen von Tim war quer durch die Halle zu hören.
„Ich denke, ich muss Josh doch sagen, dass er es nicht so hart angehen soll“, erklärte Constanze, ganz Fachfrau, dem älteren Taekwondoin. „Er trainiert seit seinem vierten Lebensjahr täglich mit meinem Mann und mir. Da ist er eine etwas andere Gangart gewohnt als die übrigen Kinder. – Ja, ich denke, das sollte ich besser tun. Sie entschuldigen mich bitte.“
Mit einem strahlenden Lächeln ließ sie den Mann stehen, der seinen schnappenden Unterkiefer kaum noch unter Kontrolle zu haben schien und nahm ihren zu ihr gelaufenen siegreichen Tiger auf den Arm.

Ende.

Post Scriptum: Diese Geschichte ist all jenen Müttern und Vätern gewidmet, die ihre kleinen Kampfkünstler auf ihrem Weg begleiten.

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