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Kampfkunst Kurzgeschichten

Tigerkralle, Löwenzahn - Teil 4

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Der Meister drückt sich vom Boden ab und macht einen Satz in die Luft. Wie die Krallen eines Tigers treffen seine Hände den pensionierten Beamten an den Schlüsselbeinen und reißen ihn augenblicklich hinab auf den perfekt gepflegten Rasen. Während sich die Augen des Opfers weiten, umschließt der Griff der Linken des gealterten Kung Fu-Kämpfers mit der Gewalt eines zugedrehten Schraubstocks den Kragen. Dann schießt die Tigerkralle vor und umfasst mit der Urgewalt eines Raubtiers den Kehlkopf des Oberstudiendirektors a.D.. Ein Zug mit voller Kraft des Arms und ein deutlich zu vernehmendes Krachen und Knacken zeigt, dass hier ein Leben beendet wurde. Ungläubig blickt der Mann in die Augen des Meisters. Dann hört man die Stimme, welche alleine aufgrund der todbringenden Verletzung nur aus der Nase kommen kann:
„Hören Sie mir überhaupt zu? Ich habe Ihnen eine Frage gestellt.“

Der Meister blinzelt. Er schaut hinüber zum linken Zaun, an den der pensionierte Beamte nun gänzlich herangetreten ist und verscheucht mit einigen Wimpernschlägen die letzten Reste des so angenehmen Tagtraums.
„Entschuldigung, ich war in Gedanken“, gibt er ehrlich zu. „Was haben Sie mich noch mal gefragt?“
Mit einem Gesicht, in dem keinerlei Regung zu erkennen ist, schaut der Oberstudiendirektor a.D. zu seinem Nachbarn.
„Es geht mir darum, ob Sie vorhaben eine professionelle Firma mit der Pflege zu beauftragen“, verkündet er schließlich. „Ohne einen gravierenden Ansatz werden Sie hier nämlich nicht allzu viel ausrichten.“
Der Shifu des Hei Hu Quan atmet einmal tief ein und aus und fängt sich auf diese Weise ausreichend, um eine angemessene Antwort zu geben.
„Ich werde es zunächst selbst versuchen“, erwidert er. „Aber daran habe ich auch schon gedacht.“
Der Oberlehrer nickt und verlässt daraufhin wortlos seine Wacht am Zaun. Offenbar hatte er alles gesagt, was er glaubte sagen zu müssen.

Der Meister indessen schüttelt den Kopf und sucht noch einmal nach der Kampfkatze. Der alte Kater ist nicht mehr zu sehen. Dann wendet er den Blick wieder auf die gelbe Blütenpracht auf seinem Anwesen, der er kaum Herr geworden ist.
„Da haben Sie aber noch ganz schön viel harte Arbeit vor sich“, hört er nun über den rechten Zaun klingen.
„Kung Fu“, schießt es ihm durch den Kopf.

Fortsetzung folgt ...
Stichworte: erfahrung, kung fu, tiger
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