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Kampfkunst Kurzgeschichten

Tigerkralle, Löwenzahn - Teil 5

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„Wenn Sie mich fragen, dann lohnt es sich wirklich, es selbst zu versuchen“, sagt der ehemalige Bäckermeister, der in dem rechten Haus wohnt, zu dem Kampfkunstmeister. „Eine professionelle Landschaftsgärtnerei verlangt da schnell fünf- oder sechstausend Euro für eine Komplettsanierung. Das erspart zwar die harte Arbeit, aber dabei entgehen einem auch der ganze Spaß und die Freude, wenn man es selbst geschafft hat.“

Der Blick des Tiger-Stilisten fällt auf den Garten seines Gesprächspartners. Dieser ist gut in Schuss, aber auf eine andere Art, als bei dem Beamten mit zuviel Freizeit. Das Grün lebt. Neben höher gewachsenem Rasen finden sich auch Butterblumen und weitere Beigewächse. Für die Bienen gibt es dort etwas zu holen. In den trotz der Pflege üppigen Büschen und Sträuchern verbergen sich die Jungvögel während der Brutsaison. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht sofort deutlich wird, es war ohne Zweifel mit viel Aufwand verbunden, sein Anwesen zu so einem naturnahen und dennoch gepflegten Paradies zu machen. Harte Arbeit eben, oder wie es in China hieß ...
„Kung Fu“, sagt der Shifu laut.

„Wie meinen?“, fragt der Nachbar des rechts gelegenen Grundstücks.
Der Meister des Tiger-Stils dreht sich vollständig zu dem netten Herrn anfang siebzig, der einst Bäcker gewesen war und sich immer als ein verlässlicher und angenehmer Mensch erwiesen hatte.
„Sie sprachen so von dem Aufwand, welchen die Pflege meines Gartens bedeuten würde“, sagt der Kampfkünstler weiter. „Es ist ein Ziel, dass nur durch harte aufopferungsvolle Arbeit erreicht werden kann. Das nennen die Chinesen Kung Fu.“
„Ich dachte immer, Kung Fu wäre so ein Kampfsport mit Sprüngen und Tritten und viel Schreien“, erwidert der ältere Mann über den Gartenzaun hinweg. „Ist das nicht so?“
„Irgendwie stimmt das schon“, erklärt der Shifu. „In China betrachtet man die Kampfkünste eben genau in diesem Sinne. Jedoch eben nicht nur die. Auch andere Ziele oder Fähigkeiten werden so umschrieben. Mir ist erst durch Ihre Worte klar geworden, dass auch die Pflege eines Gartens dazu gehört.“
Der ältere Mann nickt und zieht dabei anerkennend die Mundwinkel hinunter. Für einen Moment betrachten die beiden Männer den Löwenzahnacker, ehe der Bäckermeister die Stille bricht.
„Sie betreiben doch auch so einen Kampfsport richtig?“, fragt er.

Fortsetzung folgt ...
Stichworte: erfahrung, kung fu, tiger
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