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Kampfkunst Kurzgeschichten

Corona Fighters - Teil 2

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Carsten ging nun an seinen Boxsack und bearbeitete diesen mit bloßen Fäusten. Immer wieder krachten seine Roundhousekicks und Backkicks in das Trainingsgerät, das mit fortschreitender Zeit deutlich stärker zu wackeln begann. Hätte sich der erfahrene Kickboxtrainer selbst sehen können, er wäre sicher erschrocken. Die Ausführung seiner Techniken ließ einiges zu wünschen übrig. Da stimmte häufig das Timing nicht, der Körpereinsatz fehlte größtenteils und Dynamik konnte man ebenfalls kaum erkennen. Das lag daran, dass sich Carsten in Gedanken immer noch ganz woanders befand. Vor zwei Tagen hatte ihn die erste E-Mail mit einer Kündigung der Mitgliedschaft wegen der Zwangspause erreicht. Gut, das kam von einer Nervensäge. Dieser Kerl mit seiner absoluten Talentfreiheit für das Kickboxen wollte sicher ohnehin nicht mehr kommen. Die Corona-Krise diente ihm lediglich als ein willkommener Vorwand, um schneller aus dem Vertrag auszuscheiden. Doch was würde passieren, wenn nun weitere Teilnehmer von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machten? Ja, es gab staatliche Mittel, die er beantragen konnte. Damit sollte es trotz der hohen Mietkosten für den Gym und seiner Hypothek für das eigene Haus irgendwie möglich sein, ein paar Monate zu überbrücken, oder nicht?

Nach dem linken Roundhousekick schlug sein rechter Hook mit solcher Wucht ein, dass die Wirkung selbst Carsten überraschte. Er bändigte kurz mit beiden Händen den schwingenden Boxsack und versuchte gleichmäßig zu atmen. Existenzängste sind auch für einen harten Kampfsportler eine extrem unangenehme Emotion. Und davon plagten ihn im Moment mehr als genug. Kurzerhand entschloss er sich, sein Training mit einigen Dehnübungen abzuschließen und danach unter die Dusche zu gehen. Dem Tipp eines befreundeten Arztes folgend duschte er kalt. Erst die Beine, dann die Arme, zuletzt der Körper. Immer zum Herzen hin. Das soll die Abwehrkräfte stärken. Zwar gehörte Carsten nicht zu einer der Risikogruppen für einen schweren Verlauf von COVID-19, aber er wollte dennoch nichts unversucht lassen, sich vorzubereiten. Auch in seiner aktiven Zeit als Kickboxer war ihm eine gute Vorbereitung stets sehr wichtig gewesen. Die richtige Ernährung hatte immer einen hohen Stellenwert gehabt. Darum verzichtete er auf ein Frühstück und nach dem Abendessen aß er nichts mehr. Dieses Intervallfasten sollte ebenfalls dabei helfen, die Immunabwehr zu stärken. Damit kam er grundsätzlich klar und deshalb zog er es auch durch. Das konnte nur nicht verhindern, dass sich sein Gemüt und seine Reizbarkeitsschwelle mit jedem Tag des Lagerkollers negativ veränderten.

„Guten Morgen, Schatz“, grüßte ihn seine Frau Bianca mit einem Lächeln.
„Morgen“, antwortete Carsten knapp, während er in Trainingshosen und Sweatshirt, aber barfuß ins Esszimmer stapfte.

Die Fortsetzung folgt am Mittwoch (22.4.) um 17.15 Uhr.

"Kickbox Mom" ist mein neuester Roman. Hier geht's zu weiteren Informationen: https://www.kampfkunst-board.info/fo...79#post3738479

Aktualisiert: 23-04-2020 um 21:20 von Magister Scriptor (Hinweis von Rambat)

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