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Kampfkunst Kurzgeschichten

Straßenduell - Teil 5

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„Mir geht es nicht in erster Linie um den Wettkampf“, sagte Jörg. „Ich muss mit mir selbst kämpfen, damit ich überhaupt ins Training gehe. Das ist ein Kampf, den ich einfach nicht verlieren möchte.“
„Das sehe ich sehr ähnlich“, erklärte Klaus. „Ich will mich zwar verteidigen können, hatte aber lustigerweise, seitdem ich regelmäßig trainiere, keine bedrohliche Situation mehr. Das Weiterentwickeln der eigenen Fähigkeiten und der Kampf mit sich selbst ist es, was einen echten Kampfkünstler ausmacht.“
„Genau, Alter!“, bestätigte Berkan. „Ich hab' keine Lust anderen wehzutun. Manchmal ist es unvermeidbar, aber auch da hat man meistens vorher was verpennt. Mit sich selbst zu kämpfen. Das ist es. Das zeichnet einen echten Kämpfer aus. Das ist ehrenvoll.“
Thomas schwieg. Er hatte in den vergangenen Wochen viele Fähigkeiten erworben, die er sich selbst niemals zugetraut hätte. Fünf Kilo hatte er zugenommen. Aus Fett waren Muskeln geworden. Seine Fäuste konnten Eindruck machen. Seine Tritte erzeugten Respekt. War das hier wirklich sein Weg?
„Was haltet Ihr von meinem Kampf mit Georg?“, fragte Thomas unvermittelt.
„Du bist so weit, dass Du gute Chancen hast ihn zu besiegen“, sagte Jörg.
„Und weiter?“, fragte Thomas.
„Es ist falsch für die dumme Bemerkung eines Trottels seine und die eigene Gesundheit aufs Spiel zu setzen“, sagte Klaus.
„Alter, Du hast es zwar drauf den Drecksack fertig zu machen, aber das gibt Dir als Kämpfer noch nicht das Recht es auch zu tun“, sagte Berkan. „Ich meine so moralisch und so. Ich finde das einfach nicht gut.“
Thomas nickte.

Am darauf folgenden Wochenende war der große Kampf. Vanessa hatte sich unter Tränen von Thomas verabschiedet. Sie hatte alles versucht, es ihm auszureden. Sie wollte auch seine Eltern informieren. Davor hatte er aber keine Angst. Thomas war jetzt 18 geworden und hatte ohnehin niemandem gesagt, wo der Kampf stattfinden sollte. So waren es von seiner Seite aus lediglich Berkan, Jörg und Klaus, die ihn begleiteten.
Georg war mit seiner Freundin und drei Kumpels bereits in dem Durchgang des entlegenen Viadukts am Stadtrand angekommen. Er kam Thomas deutlich größer vor als sonst. Das konnte aber auch daran liegen, dass Thomas bewusst seine Brille zuhause gelassen hatte. Der Riese ließ die Fingerknöchel knacken.
„So muss sich David gefühlt haben, als er Goliath gegenübertrat“, dachte Thomas.

„Na, alles fit, Kleiner?“, spottete Georg. „Wenn Du willst, kannst Du auch einfach aufgeben und Dich bei mir entschuldigen.“
„Ich wüsste nicht, wofür“, konterte Thomas. „Aber Vanessa wartet immer noch auf Deine Entschuldigung.“
„Da kann die fette Kuh lange warten“, sagte Georg und grinste. „Bist Du bereit für eine Abreibung?“
„Nein“, sagte Thomas. „Ich denke nicht, dass ich Dir diese Genugtuung gönnen werde.“
Der Schachspieler, der auf dem Weg war ein Kampfkünstler zu werden, brachte seine Figuren in Stellung.
„Kennst Du eigentlich noch meine Freunde hier, Georg?“
Ohne eine Antwort abzuwarten, stelle Thomas sie alle vor.
„Das ist Jörg, er hat mir Tae Kwon Do beigebracht. Und Klaus hier unterrichtete mich im Wing Tschun. Berkan, den Du sicher noch kennst, hat mir Brazilian Jiu-Jitsu Grundlagen vermittelt. Ich verdanke allen drei sehr viel. Sie sind meine besten Freunde und in den vergangenen Wochen haben sie das alle drei mehr als bewiesen. Danke Jungs.“
Der Reihe nach schlug Thomas mit jedem seiner Freunde die Rechten zusammen und nahm sie kurz in den Arm.
„Soll mich das jetzt beeindrucken?“, grummelte Georg verächtlich und auch sein Anhang schien für diese Geste der Verbundenheit nur Spott übrig zu haben.
„Mir geht es nur darum, dass auch Du verstehst, was ich nun sage, Georg“, donnerte Thomas. „Ich habe nämlich erst jetzt verstanden, dass ich Dich nicht dadurch ändern kann, indem ich mit Dir kämpfe. Man kann sich nur selbst ändern und darauf vertrauen, dass dadurch auch die restliche Welt etwas besser wird. Das haben mich die drei gelehrt und deshalb ist unser Kampf hiermit abgesagt.“
„Alter! Gute Ansage“, zeugte Berkan seinen Respekt.
Klaus lächelte und Jörg klopfte Thomas auf den Rücken.
„Willst Du mich verarschen!?“, schimpfte Georg. „Gib zu, dass Du vor mir kneifst und entschuldige Dich, Du Zwerg!“
„Du bist es nicht wert, Georg“, sagte Thomas ruhig. „Ich bemitleide Dich nur.“
„Ich schlage Dir die Fresse ein!“, brüllte der Hüne und ging auf Thomas zu.

Fortsetzung folgt ...

Aktualisiert: 25-04-2018 um 22:05 von Magister Scriptor

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