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Kampfkunst Kurzgeschichten

Wirbelnde Fäuste - Teil 2

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Achmeds erster Blick galt seinem zu Boden gestürzten Gegner. Rund 10.000 Trainingsstunden in den letzten zwanzig Jahren hatten sich ausgezahlt. Er hatte in der Gefahr einfach funktioniert. Glücklicherweise war der Angreifer allem Anschein nach nicht zu schwer verletzt worden. Er atmete noch, war bei Bewusstsein und nicht mit dem Kopf auf den Beton geknallt. Aber nun galt es erst einmal die Lage zu sondieren. War es wirklich vorbei?

Achmeds Blick streifte über die entsetzten Zuschauer und blieb an dem kleinen Jungen mit den blonden Haaren und den großen Augen hängen, der seinen Papa stolz anstrahlte. Dass Peter den Kampf gesehen hatte, war dem Choy Lay Fut-Lehrer alles andere als recht. Ein Vorbild, welches Probleme mit Gewalt löst, wollte er beim besten Willen nicht sein. Was würde Inge sagen, wenn sie das mitbekäme? Achmed musste bei diesem Gedanken unwillkürlich schlucken. Er zwang sich jedoch erfolgreich, seine Umgebung zu beachten und das zahlte sich aus. Schnell stiegen nacheinander vier weitere Männer aus dem Kleinbus aus. Sie waren zwischen 20 und 50 Jahre alt und allem Anschein nach Familienangehörige des kampfunfähigen Angreifers. Ihren Unmut über die Niederlage ihres Clanmitglieds taten sie im Zorn auf Arabisch kund. Achmed versuchte, die Worte schnell zu verstehen, war aber dadurch einen Moment beschäftigt. Sein aktiver Wortschatz war extrem eingerostet und auch sonst erarbeiten sich seine Eltern damals ihre Deutschkenntnisse, indem sie mit dem ältesten Sohn der Familie die Sprache der neuen Heimat geübt hatten. Dennoch konnte er heraushören, dass die vier Männer ganz klar die Absicht entwickelten, ihn in die ewigen Jagdgründe zu befördern.

Der Kung Fu-Kämpfer wog seine Chancen ab. Ins Auto zu springen und wegzufahren war keine Option. Sein kleiner Sohn war noch hier und aufgrund der Aussagen des Juniors bestand die Gefahr, dass die Angreifer ihn als Ersatzopfer wählen konnten. Peter zu greifen und zu verschwinden hätte sicher nicht funktioniert. Da wären die Gegner noch rechtzeitig dazwischen gewesen. Also galt es zu reden.
„Halt! Bleiben sie, wo sie sind! Es ist alles vorbei! Wir rufen die Polizei!“, schmetterte Achmed den vier zunächst entgegen.
Dann wiederholte er den Ausruf auf Arabisch. Zumindest versuchte er das. Alle Vokabeln hatte er einfach nicht mehr sicher präsent. Erst einige Wochen nach dem Vorfall konnte er mit seiner Mutter zusammen rekonstruieren, dass er zwar die Zeitformen verunstaltet hatte, aber grundsätzlich die richtige Aussage mit den gewählten Worten transportierte.

Warum die Erkenntnis es mit einem Arabischstämmigen zu tun zu haben bei den vier Männern alle Sicherungen durchbrennen ließ, konnten auch die spätere polizeilichen Ermittlungen nicht einwandfrei klären. Fakt war auf alle Fälle, dass sie unmittelbar zum Angriff übergingen.
Blinder Zorn kann ein gefährlicher Kraftverstärker sein, macht jedoch auch überlegte Handlungen geradezu unmöglich. Dass die Gegner sich sicherlich schon in ihrem Leben geprügelt hatten, meinte der Kampfkünstler zu erkennen. Aber gegen seine berechnenden Strategien und geschulten Verhaltensmuster konnten sie nichts entgegensetzen.

Der erste Angreifer versuchte, Achmed mit beiden Händen vor die Brust zu stoßen. Mit der Rechten räumte der Verteidiger von außen den linken Arm beiseite und kontrollierte so auch die Rechte des Gegners. Eine linke Gerade zur Nase und ein rechter Schwinger beendeten die Kampffähigkeit des Aggressors. Achmed flüchtete zwischen den abgestellten Fahrzeugen hindurch und seine Angreifer folgten ihm.
Das nächste Clanmitglied kassierte einen seitlichen Tritt in die kurzen Rippen und stolperte so gegen das geparkte Auto, dass seine Angehörigen ihm nicht durch die Lücke folgen konnten. Drei wirbelnde Fäuste mit links, rechts und wieder links, die alle von oben geführt waren, schlugen mit solcher Wucht ein, dass der Mann hart mit dem Kopf gegen eine Windschutzscheibe prallte. Achmed flüchtete derweil an den nächsten Fahrzeugen vorbei. Ein jüngerer Gegner hatte die Autos umrundet und kam ihm mit einer rechten Geraden entgegen. Achmed ging nach links aus dem Angriff heraus und feuerte einen rechten Rückhandschlag gegen den Hals des Gegners. Der Treffer krachte nur so durch Mark und Bein und beförderte auch diesen Angreifer zu Boden.

Der Choy Lay Fut-Meister fuhr herum und suchte nach dem letzten kampffähigen Gegner. Dieser war zum Kleinbus zurückgekehrt und kam nun aus der geöffneten Seitentür heraus. In seiner Hand hielt er einen großen Schraubenschlüssel.

Fortsetzung folgt ...

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