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Kampfkunst Kurzgeschichten

Wirbelnde Fäuste - Teil 3

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Das Werkzeug war fast einen halben Meter lang und sah schwer aus. Warum so ein großes Ding in dem Kleinbus mitgeführt wurde, erschloss sich Achmed nicht. Aber ein Treffer damit hätte sicherlich erhebliche Verletzungen zur Folge. Noch war der Gegner ein ordentliches Stück entfernt und der Verteidiger hatte den Vorsatz diesen Abstand zu halten, bis er sich selbst eine improvisierte Waffe greifen konnte oder die hoffentlich schon von einem Zuschauer verständigte Polizei eingetroffen war. Dann machte aber jemand unter den Umstehenden etwas wirklich Dummes.

„Vorsicht, Papa!“, schrie Peter. „Der ist bewaffnet!“
Der Angreifer wendete sich dem kleinen Jungen zu und zeigte Anstalten in dessen Richtung zu gehen. Peter war vor Schreck wie versteinert, als er den zornigen Blick des Mannes sah. Er wich zwar ein wenig zurück, war aber nicht in der Lage zu fliehen. Das sah auch sein Vater. Ein Mechanismus vom Anbeginn der Evolution aktivierte sich daraufhin in Achmeds Unterbewusstsein. Niemand würde seinem Sohn etwas antun, solange er noch am Leben war!

Schreiend stürzte der Choy Lay Fut-Meister in Richtung des letzten kampffähigen Gegners und schaffte es dadurch tatsächlich, dessen Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. Ein schwerer Schraubenschlüssel wurde geschwungen und zielte in einem waagrechten Schlag auf den Schädel des zu allem entschlossenen Vaters.

Das Distanzgefühl eines Choy Lay Fut-Kämpfers ist nahezu sprichwörtlich. Beinahe tänzerisch wicht Achmed nach hinten aus und ließ den Angriff an sich vorbeiziehen. Dann sprang er vor. Die Rechte packte den Waffenarm des Gegners, der den Schraubenschlüssel bereits auf den Weg zu einem Rückhandschlag brachte. Der kräftige Zug des Kung Fu-Kämpfers riss den Angreifer aus dem Gleichgewicht. Ein mächtiger Schlag mit der Handfläche klatschte in den Nacken des Aggressors, der davon geschockt die Waffe fallen ließ. Achmeds folgender rechter Schwinger beendete die Auseinandersetzung. Polizeisirenen waren zu hören, als der Meister seinen Sohn auf den Arm nahm.

Im Trainingsraum von ‚Sifu Achmeds Buk Sing Choy Lay Fut Zentrum‘ hatten sich die fünfzehn Teilnehmer der heutigen Kinderklasse bei der großen Galeriewand versammelt und betrachteten den ausführlichen Zeitungsartikel, während sie den letzten Worten ihres Lehrmeisters lauschten.
„... und dann sammelte die Polizei die Schlägerbande ein und ich schaffte es an diesem Tag einfach nicht mehr rechtzeitig zum Unterricht“, beendete Achmed seine Geschichte.
„Krass“, sagte ein 13 Jahre alter Junge mit asiatischer Abstammung.
„Denen hast du aber wirklich in den Hintern getreten, oder Sifu?“, fragte eine Zwölfjährige mit unverkennbar afrikanischen Vorfahren.
„Nun ja, so würde ich das nicht nennen ... Aber ja, die Burschen haben ganz schön Prügel bezogen“, sagte Achmed und musste schmunzeln.
„Sifu-Papa, wie ging es danach eigentlich weiter?“, wollte der inzwischen acht Jahre alte Peter von seinem Vater wissen.
„Du kennst doch die Geschichte“, erwiderte der Angesprochene überrascht. „Das kannst du doch selbst erzählen.“
Sein Sohn grinste zufrieden, als sich nun alle Augen auf ihn richteten.
„Also, die Polizei stellte im Auto der Bösen allerlei Beute sicher“, begann Peter seinen ergänzenden Vortrag. „Das waren nämlich ausgemachte Ganoven. Weil sie sonst ins Gefängnis gekommen wären, flüchteten sie irgendwohin ins Ausland und sind nie wieder zurückgekommen. Deshalb hat der Bürgermeister auch Papa ... also Sifu ... zu dem Kampf gratuliert.“
„Aah!“, kam von mehreren der Jungen und Mädchen um Peter herum.
„So, jetzt ist aber die Pause vorbei“, ermahnte Achmed. „Von alleine lernt man kein Kung Fu. Man muss schon bereit sein hart an sich zu arbeiten. Weiter geht’s!“

Die Kinder begaben sich auf die Trainingsfläche und gingen wieder die einzelnen Schritte der Übungsformen durch. Peter warf noch einmal einen Blick auf den Zeitungsartikel, der ein Bild von Achmed und dem Bürgermeister zeigte. ‚Mit wirbelnden Fäusten gegen das Verbrechen‘ war die Überschrift. Er war schon sehr stolz auf seinen Papa, lächelte und folgte schnell den Trainingskameraden. Schließlich musste er noch viel üben, um auch so gut zu werden.

Ende.

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