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Kampfkunst Kurzgeschichten

Der Wochenendritter - Teil 1

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Jaston de Frac der 13te wog den Anderthalbhänder kurz in der Rechten und fasste dann mit der behandschuhten Linken die Waffe an der Klinge. Seine Wölfe waren mal wieder mit Feuereifer dabei sich für die Schlacht zu stählen. Der Herr des Marktes würde zufrieden sein.
In jenem Sommer vor etlichen Jahren hatte der Haufen kampfkunstbegeisterter Schwertschwinger, welcher sich „Die Schwarzen Wölfe“ nennt, sein Lager auf der Wiese vor einer kleinen Burg aufgeschlagen, wo erst zum fünften Mal ein mittelalterlicher Markt mit Spektakulum veranstaltet wurde. Der verantwortliche Organisator war ein Vetter zweiten Grades eines guten Freundes des Leitwolfes, und das Rudel hatte bereitwillig zugestimmt für die richtige Atmosphäre zu sorgen.
Die Gewandungen aus dem 13. bis 16. Jahrhundert waren angelegt, und wurden in passenden Abständen auch gewechselt, um den Marktbesuchern 400 Jahre raues Kriegshandwerk zu präsentieren. Aber wie eingangs erwähnt ging es den Schwarzen Wölfen schon damals nicht in erster Linie darum, beeindruckend auszusehen. Vielmehr wollten sie die Tradition der Waffenkunst jener vergangenen Zeiten aktiv bewahren. Ganz ohne Showelemente war es ihr erklärtes Ziel, zu verstehen, zu begreifen und auch zu zeigen, wie vor dem Siegeszug der Schusswaffen auf Leben und Tod gekämpft wurde.

Alexander Nagelius zu Feuerstein, der in seiner Rolle als Landsknecht wieder einmal vollständig aufging, focht zur Leibesertüchtigung mit Varro zu Halazestat. Während Alexander einen Anderthalbhänder schwang, hatte sich Varro mit der neuerworbenen Hellebarde bewaffnet. Die Wahl der Waffen versprach ein spektakuläres Übungsgefecht und die Traube an Zuschauern, welche sich hinter dem Absperrband aus Flachs eingefunden hatte, beklatschte jedes Manöver.
Mit dem längeren Tötungswerkzeug ausgestattet, hatte Varro die Ehre zu eröffnen. Dabei folgte er dem vom Rudelführer antrainierten Muster. Ein Hieb oder Stich erfolgte zu Kopf oder Bein, woraufhin der Übungsgegner zu einer Parade gezwungen wurde. Sobald die Aktion klar war, wählte Varro die jeweils andere Höhe als sein neues Ziel. Der Reichweitenvorteil der Waffe ermöglichte ihm auch bisweilen, die Seite seines Angriffs zu variieren.
Alexander jedoch war keineswegs wehr- oder chancenlos, sondern hatte ebenfalls von Jaston eine Strategie erlernt, welche ihm den Vorteil erarbeiten konnte. Wie eine Raubkatze, die zum Sprung bereit war, lauerte er hinter seiner Klinge darauf, dass sich Varro für ein Angriffsziel entschied. Im denkbar letzten Moment kreuzte er mit dem Schwert den Stiel der Hellebarde und brachte die lange Waffe damit mehr als einmal zu Boden. Stabile, aber eilige Schritte trugen ihn aus der gefährlichen Wirkungszone der Spitze und in die Reichweite, um einen Hau gegen Varros Hände oder Arme zu führen. Das gelang nicht immer, da Varro versuchte, den Konter möglichst schwer zu machen, und auch danach trachtete, die Distanz wieder zu erhöhen. So war es stets eine knappe Angelegenheit, und der Rudelführer nutzte die verschiedenen Ergebnisse des Schlagabtauschs, um mit lauter Stimme und rollengerechten Formulierungen den Zuschauern Erläuterungen zur dargebotenen europäischen Kampfkunst zu geben.

Er hatte gerade seine Ausführungen mit einem derben Söldnerwitz über die Länge der Pike eines Mannes gewürzt, welchen die anwesenden Kinder noch nicht verstanden, als sein Auge auf den Ritter samt Gefolge fiel. Dessen Blick und Gehabe verriet nichts Gutes und dieser erste Eindruck sollte auch nicht trügen.
„Nettes Geplänkel“, tönte der Recke lautstark und arrogant. „Gegen einen geübten Schwert- und Schildkämpfer hätte weder der eine noch der andere eine Chance.“
Damit war der Fehdehandschuh geworfen.

Fortsetzung folgt ...

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Diese Geschichte ist eine Fiktion. „Die Schwarzen Wölfe“ gibt es jedoch wirklich. Sie haben schon ähnliche Dinge erlebt. Ein Besuch auf ihrer Website dient dem besseren Verständnis. Dort erhält man einen hervorragenden Einblick in die Aktivitäten der sympathischen HEMA-Gruppe:

https://die-schwarzenwoelfe.jimdo.com/

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Du möchtest hier einmal eine Geschichte über Deine Kampfkunstschule oder Sparringsgruppe lesen? Du wärst gerne mal die Hauptfigur in Deiner persönlichen Martial-Arts-Story? Dann schicke mir doch einfach eine PM mit Deinen Erfahrungen.

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