Schulmedizin: Heilkunde und Wissenschaft?
Bei den aktuellen Diskussionen um pramedizinische Methoden fordern ja nicht wenige, dass diese Methoden mittels doppelt verblindeteter, randomisierter Studien getestet werden müssten, um eingesetzt zu werden um ihre Wirksamkeit wissenschaftlich nachzuweisen.
Wenn man dann interessiert nachfragt, welcher Anteil der anerkannten und tatsächlich angewandten schulmedizinischen Methoden diesem Kriterium entspricht, erhält man meist keine Antwort, oder die, dass das jetzt nix mit dem Thema zu tun hat.
Daher mache ich das hier zum Thema.
Chirurgische Methoden werden z.B. aus naheliegenden Gründen eher selten in placebokontrollierten klinischen Studien auf Wirksamkeit und getestet.
Dabei ist der Placeboeffekt um so größer, je größer der Eingriff (Operation > Spritze > Pille).
Weltweit gibt es wohl ca. 20 Studien, die die Wirkung von chirurgischen Eingriffen mit einer Scheintherapie vergleichen.
Dabei zeigte sich bei Eingriffen, deren Wirkungsweise plausibel erscheint, dass die Wirkung (zumindest auf die Symptome) komplett auf den Paceboeffekt zurückzuführen ist:
- Gelenkspülung/ Knorpelglättung bei Kniearthrose
- Mit einem Laser Löcher in die Herzwand brennen, um die Durchblutug anzuregen.
- Unterbinden des Blutflusses der Brustwandaterie bei anfallartigen Brustschmerzen aufgrund einer Erkrankung der Herzkranzgefäße
Schein-Op: der Placebo-Effekt täuscht auch Chirurgen
Das heißt nicht, dass es den Patienten durch den Eingriff nicht besser ging.
Im Gegenteil, im letzten Beispiel ging es sogar 80% besser.
Nur konnte die gleiche Besserung (z.B. bessere Kniebeweglichkeit und weniger Schmerzen bei der Knieathroskopie) auch erzielt werden, wenn man dem Patienten nur vortäuschte, er sei operiert worden.
Der Arzt als Heilkundler ist IMO gut beraten, in seiner Behandlung Placeboeffekte zu nutzen und einen Noceboeffekte zu vermeiden.
Dabei hat er natürlich das Problem, dass seine Patienten nicht einfach so belügen kann.
Ein Paramediziner, der an die Wirksamkeit seiner Methode glaubt (oder auch ein Arzt, der Paramedizin einsetzt) ist da im Vorteil und wahrscheinlich auch überzeugender.
Arzneimittel müssen hierzulande für eine Zulassung Ihre Wirksamkeit in RCT-Studien (randomisiert und kontrolliert) nachweisen.
In der Homöopathie-Diskussion wurde eine Metastudie gepostet, die zu dem Ergebnis kam, dass von 110 zufällig ausgewählten placebokontrollierten Studien zur Wirksamkeit schulmedizinischer Heilmittel 92% das Kriterium "doppelt verblindet und adäquat randomisiert" nicht erfüllten.
Von den 9 verbleibenden Studien, die diese Hürde schafften, hatten nach Meinung der Autoren nur 6 eine ausreichende Studiengröße.
Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? Comparative study of placebo-controlled trials of homoeopathy and allopathy : The Lancet
Das zusammen mit Hinweisen auf enstprechende Manipulation von Studien seitens der Pharmafirmen bietet IMO ein ernüchterndes Bild bzlg. der Evidenzbasis der real praktizierten Medizin.
Prof. Wilhelm Niebling, Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft:
Zitat:
Da der überwiegende Teil der Studien von den Herstellern veranlasst und auch finanziert wird, haben wir mit großer Sicherheit ein vollkommen verzerrtes Bild, was die Wirksamkeit und das Nebenwirkungsprofil unserer Medikamente anbelangt. Wir Ärzte können das in der alltäglichen Praxis kaum beurteilen, da wir ja nur einzelne oder wenige Patienten mit einzelnen Medikamenten behandeln, und wir dadurch keine allgemeingültigen Rückschlüsse auf die Wirksamkeit oder auch das Nebenwirkungsprofil der eingesetzten Medikamente ableiten können.
[...]
Wir haben drei Leitlinien gefunden, die sich bei ihren Empfehlungen auf die manipulierten Studien gestützt haben. Das ist natürlich eine Katastrophe, weil es das an sich sinnvolle Instrument 'Leitlinie' in der Wahrnehmung der Ärzte beschädigt.
Gefälschte Pharmastudien - Fernsehen :: SWR Fernsehen :: SWR odysso :: Startseite | SWR.de
Dazu kommt, dass man von Statistiken (Studienergebnisse) nicht einfach auf den Einzelfall schließen kann, sondern höchstens eine Wahrscheinlichkeitsaussage treffen, so dass das Ziel "Wissenschaftlichkeit" teilweise mit dem Ziel "beste Behandlung im konkreten Einzelfall" kollidiert.