Zitat:
...17. April: Eine Schwangere ist in der Uni-Klinik in Erlangen an Covid-19 gestorben, Multiorganversagen, sie stammt hier aus der Gegend. Der Fall hat viele schockiert. Eine Unternehmerin mit einem großen Betrieb, sie war erst 41 Jahre alt. Das ist das erste Mal, dass ich höre, Schwangere könnten zu geschwächt sein, um Covid-19 durchzustehen. Hieß es aus China nicht, das Virus sei für Schwangere keine besondere Gefahr? Wenigstens ihr Baby hat überlebt.
Vor Kurzem habe ich meinen 89-jährigen Vater zum ersten Mal wieder besucht, statt immer nur zu telefonieren. Er wohnt im Parterre und kam ans Fenster, ich stand im Garten. So haben wir uns unterhalten. Ich bin froh, dass es ihm gut geht.
...Janine Pöss, Leipzig
18. April: Heute war ein schlimmer Tag. Ausgerechnet an ihrem Geburtstag mussten wir die Schwester des jungen Italieners anrufen und ihre Eltern. Es war klar, dass wir den Patienten trotz aller Maßnahmen der modernen Medizin nicht mehr retten können. Diese Entscheidung haben wir alle gemeinsam im Team getroffen. Ich habe mich dann in den frühen Morgenstunden mit meinem italienischen Kollegen, Livio Bertagnolli, am Bett des Patienten getroffen. Den Anruf hat Herr Bertagnolli übernommen. Er hat das Telefon ans Ohr des Sterbenden gehalten, sodass die Familie ihm einige letzte Worte sagen konnte. Er ist dann auch sehr schnell verstorben. Wir haben Trennwände aufgestellt und die leichte Narkose der Mitpatienten vertieft, damit sie möglichst wenig mitbekommen.
Für uns alle war das ein Riesenkraftakt. Ich arbeite jetzt seit 13 Jahren als Ärztin, schon seit der dritten Klasse wollte ich den Beruf ergreifen. Ich habe schon viele Patienten in den Tod begleitet, und ich glaube auch, dass ich das eigentlich gut kann, aber der Tod dieses jungen Patienten war sehr belastend für mich. Ich musste danach erst einmal eine Stunde an die frische Luft. Anschließend haben wir, die ganze Station, in der Küche einen Kaffee getrunken. Ich habe der Schwester des Verstorbenen im Namen aller geschrieben, dass wir sehr traurig seien, dass wir ihrem Bruder sehr gerne geholfen hätten und dass sein Tod für uns sehr schwer zu akzeptieren sei. Dass wir an die Familie und sie dächten, dass sie sich melden könne und dass wir hoffen, dass sie die Kraft haben, die nötig ist. Was uns auch stark beschäftigt: Er hatte keine Vorerkrankungen. Er war anscheinend ein komplett gesunder Mann. Das macht die Sache noch schlimmer. Das Pflegepersonal hat ein Patiententagebuch für ihn geführt. Das wird jetzt übersetzt und zu seiner Familie nach Italien geschickt. (...)
Was auch deutlich wird: dieser Virus ist in seiner Wirkung unbekannt gewesen für die Ärzte, man machte u. korrigierte Fehler z.B. mit der Medikamentierung u. Beatmung. Es gab viel Kollegialität u. Wissensaustausch und obwohl man einiges gelernt hat, steht man immer noch recht am Anfang mit den Erkrankungsfolgen und den Viruseffekten. Ein tückischer Virus, der viele ältere Leute mit Vorerkrankunge tötete aber auch einige junge und kerngesunde. Die erste Welle brachte viele an die Grenzen ihrer Belastung.