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Zitat von
Kusagras
Ein kleines "Lehrstück in Sachen Statistik, hier in Anwendung auf die "Streeck-Studie" zu Heinsberg, inklusive
Hinweise auf durchaus komplizierte mathematische Aspekte (die den meisten eher nicht nachvollziehbar sein dürften)
möglichen Fehlerquellen, insbesondere bei der Übertragbarkeit und der Bedeutung für die Berichterstattung:
Noch ohne paywall auf:
https://www.faz.net/aktuell/wissen/c...-16758326.html
Die in der Studie errechnete Infektionssterblichkeit von 0,36% wurde in zahlreichen Kommentaren als deutliches Zeichen der Entwarnung interpretiert, nach dem Motto: alles halb so schlimm, Covid-19, so das Signal, sei nicht viel gefährlicher als eine Grippe. Deshalb ist es lohnend zu fragen, wie belastbar diese Zahl denn ist.
Was ist denn daran lohnend? Es wurde in wissenschaftlichen Kreisen von Anfang an zwischen (C)CFR und IFR unterscheiden.
Also der Letalität unter den bestätigten Infektionen ((Confirmed) Case Fatality Rate) und die Letalität unter allen Infektionen (Infektion Fatality Rate).
Diesen Screenshot habe ich am 7.3. zum ersten Mal gepostet:
https://www.kampfkunst-board.info/fo...0&d=1583588331
Das stammt aus einer Studie, auf der sich die WHO damals u.A. bei der Angabe der Letalität berief.
Auch kanken, der damals noch in der Verharmlosungsphase war, schätzte aufgrund einer möglichen Dunkelziffer die Letalität (IFR) so um den nun von Streeck et al. geschätzten Wert ein und ist auch nach dem Übergang in die Alarmphase dabei geblieben.
Und auch der Sprecher des RKI hat damals, wie auch schon mehrmals von mir zitiert, darauf hingewiesen, dass die angegebene CFR aus China von 3 bis 4 % vor dem Hintergrund einer damals (für China) angenommen Dunkelziffer von 90% bis 95% betrachtet werden müsse...
...also durch 10 bis 20 geteilt.
Was kommt dann raus?
Wenn man sie durch 10 teilt 0,3% bis 0,4%
Was hat der Steeck nun "überraschenderweise" gemessen?
0,37% mit einer 95%-Konfidenzintervall von 0.29% und 0.45%.
Der Fehler der dabei IMO noch gemacht wird, ist der gleiche, auf den ich schon weiter vorne hin wies:
Wenn man während einer laufenden Infektion die aktuell Toten durch die Infizierten teilt, sind da Leute dabei, für die man noch nicht weiß, ob die überleben oder sterben.
Je nachdem, wie fortgeschritten bzw. dynamisch die Epidemie ist, kann man damit die wahre Wahrscheinlichkeit, an der Infektion zu sterben, mehr oder weniger unterschätzen:
Unter der Annahme, dass es ca. 10 Tage von der Messung einer Infektion, bis zum Tod dauert, hatte ich
zur Veranschaulichung des erwähnten Effekt am 5.3 in den Verlauf der bestätigten Fälle in China und außerhalb von China und dann mit einem Pfeil markiert, durch welche Infektionszahl die am 5.3 bekannten Toten eigentlich geteilt werden müssten..
... und mit einer Linie verdeutlicht, durch welche die tatsächlich geteilt werden, wenn man einfach die aktuell bekannten Toten durch die aktuell bekannten Infektionen teilt:
https://www.kampfkunst-board.info/fo...1&d=1583463330https://www.kampfkunst-board.info/fo...2&d=1583469499
Auch auf diese Verzerrung wurde übrigens Anfang März von dem RKI-Sprecher hingewiesen und in der oben genannten Studie, auf die die WHO ihre Mortalitätszahlen bezieht, berücksichtigt.
Hier daraus die Verteilung der Zeit von Krankenhauseinweisung bis zum Tod:
https://www.kampfkunst-board.info/fo...3&d=1588911602
Ich weiß jetzt also nicht wieso das Streeck-Ergebnis eine Entwarnung sein soll?
Was ist da groß anders, als an den bisherigen Schätzungen?
Was soll denn die Warnung gewesen sein, die da zurückgenommen wird?
Warum soll man - um Streecks Metapher mal aufzugreifen - sich nun auf dem Friedhof nicht mehr fürchten?
Welchen "Geist" meint Streeck denn als nicht existent nachgewiesen zu haben?
Hat er nun gezeigt, dass sich die Epidemie- ohne Maßnehmen - nicht wie eine logistische Funktion mit einem Reproduktionsfaktor von 2 bis 3 verhält?
Hat er gezeigt, dass der Virus einen Selbstzerstörungmechanismus oder eine Halbwertszeit hat, so dass die Epidemie in 8 Wochen von alleine aufhört?
Ich hoffe ja nicht, das seine Darstellung in populärwissenschaftlichen Formaten etwas damit zu tun hat, dass er offensichtlich Politikern nahe steht und bei der medienwirksamen Vor-Präsentation der Studie auch Laschet aufgetreten ist, bei dem wohl nicht nur ich den Verdacht habe, dass er sich - im Rennen um die Nachfolge Merkels - von dem Maßnahmen-Hardliner Söder durch die Forderung von Lockerungen abgrenzen will...
Achtung Satire!:
Reine Provokation? Laschet setzt Mindestabstand in NRW auf 1,49 Meter herab
okay, zurück zum obigen Zitat:
Die in der Studie errechnete Infektionssterblichkeit von 0,36% wurde in zahlreichen Kommentaren als deutliches Zeichen der Entwarnung interpretiert, nach dem Motto: alles halb so schlimm, Covid-19, so das Signal, sei nicht viel gefährlicher als eine Grippe. Deshalb ist es lohnend zu fragen, wie belastbar diese Zahl denn ist.
für sehr lohnend halte ich es also nicht, nun zu schauen, ob die obere Grenze des von Streeck angegeben Konfidenzintervalls für die IFR nun (wenn man es auf Deutschland überträgt) statt bei
0,45% bei 0,7% liegt, weil man auch die Unsicherheit bei der Hochrechnung der 7 (in Worten: sieben) Toten auf ganz Deutschland mit berücksichten müsse.
Im Gegenteil, es macht eine Nebendiskussion auf, die die Gefährlichkeit von COVID-19 auf die Letalität (IFR) reduziert.
Was ja auch die Abschnittsüberschrift:
Die maßgebliche Größe zur Beurteilung der Gefährlichkeit
und die Aussage im betreffenden Abschnitt:
Die „wahre“ Infektionssterblichkeit lässt sich möglicherweise erst am Ende der Pandemie zuverlässig bestimmen. Doch ist sie maßgebliche Größe zur Beurteilung der Gefährlichkeit der Pandemie. Denn nur sie lässt abschätzen, welche Belastungen dem Gesundheitssystem drohen.
Naja, Tote belasten eher die Bestattungsunternehmen als die Intensivstationen.
Für das Gesundheitssystem ist es maßgeblich, wie viele Leute Bedarf an medizinischer Behandlung, insbesondere intensivmedizinischer Behandlung haben. Und in welchem Zeitraum dieser Bedarf auftritt.
Und das hängt neben der Gefährlichkeit des Virus für einen tatsächlich Infizierten vor allem auch damit zusammen, wie viele Leute sich infizieren können und wie leicht und damit schnell das geht.
MERS hast eine Letalität von 30%. Solange man sich aber von Kamelen fern hält, ist man wohl relativ safe.
Auch SARS 1 war für den Infizierten gefährlicher, aber es war nicht so leicht, sich anzustecken.
Also: ich finde es gut, dass die Statistik (die Streeck ja nach eigener Aussage den Biometrikern überlassen hat), von jemandem, der eine harte Naturwissenschaft studiert hat, diskutiert bzw. kritisiert wird.
Allerdings kann es die allgemeine Bevölkerung auch auf dem falschen Pfad bestätigen, nur auf die IFR zu schauen und dann Grippevergleiche anzustellen.
Der Chef der RKI hat ja beim Kurswechsel nicht gesagt, "wir haben die Letalität unterschätzt" (sondern sinngemäß) "wir haben die exponentielle Entwicklung unterschätzt".
Dazu kommen noch andere Faktoren, wie eventuelle Langzeitschäden auch bei milden Verläufen.