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Seiten 151-155: Bunkai der Bewegungen 11 bis 17 (Ellbogenannahme [Hiji-Uke], Rückseitige Faust [Uraken])
Ich wähle dieses Beispiel aus Heian Sandan, weil meine Argumentation mit leicht zugänglichen (deutschsprachigen) Quellen nachvollziehbar ist. Higaki zieht drei Kuden für sein Bunkai dieser Stelle heran:
(1) Nehmen Sie mit beiden Händen an
(2) Greifende Hand
(3) Schrittwechsel
Anhand dieser Unterweisungen kommt er zu zwei Bunkai, bei denen jeweils in der ersten Phase der gegnerische Angriffsarm von der Außenseite her angenommen wird. In der zweiten Phase folgt ein Konterschlag mit dem Faustrücken, dem sich in der dritten Phase jeweils eine werfende Technik anschließt. Laut Higakis ausführlichem Prolog, handelt es sich bei seinen Bunkai um die versteckten Techniken des historischen Karate.
K. Mabuni war einer der beiden Lehrer S. Kubotas, von dem Higaki vorgeblich sein Bunkai-Wissen erhielt. K. Mabunis Sohn, Kenei (geb. 1918), äußert sich in seinem Buch „Einladung zum Budō-Karate“ von 2001, das 2007 auf deutsch als „Leere Hand“ herauskam, u.a. zum Bunkai. Dabei erwähnt er ab S. 103, daß ein bestimmter Bewegungsablauf nur dann vollständig verstanden werden könne, wenn man um die „ganz bestimmten örtlichen, historischen und gesellschaftlichen“ Verhältnisse Okinawas weiß. Er lenkt die Aufmerksamkeit auf die Haltung der „Hände am -eigenen- Busen“ (Futokoro-De), was eine ziemlich wörtliche Übersetzung für eine Haltung ist, die wir in Deutschland in mehr oder weniger ähnlicher Weise als „Hände in den Taschen“ kennen. Bedingt wurde diese Haltung natürlich durch die spezielle japanische Kleidung. K. Mabuni erklärt damit eine Geste aus der Kata Gojūshiho, doch es ist leicht nachvollziehbar, daß es sich um dieselbe Geste wie eben in Heian Sandan handelt. Bei einem plötzlichen Angriff kann der Karateka ohne Veränderung seiner Haltung unverzüglich den gegnerischen Arm annehmen. Dieselbe Geste wird bei Higaki aber in der dritten Phase zu einem Wurf.
General C.K. Ch'i (1528-1588) beschrieb in einem seiner Militärhandbücher eine Geste, die ich ganz klar als Vorläufer der Bewegungen 11 bis 17 aus Heian Sandan ausmache (vgl. mein Buch ab S. 86). In den Anmerkungen C.K. Ch'is findet sich kein Hinweis auf eine werfende Technik – vielmehr handelt es sich um eine durchgehend schlagende Aktion zur Niederwerfung des Feindes. Wohlgemerkt handelt es sich dabei sozusagen um die historische Uranwendung.
Die Bewegung von General Ch'i in der Momentaufnahme der Abbildung in Deinem Buch ähnelt tatsächlich eher der Goju Ryu Kata Saifa.
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Ich will damit nun nicht ausdrücken, daß diese Bewegungen nicht als Würfe oder was auch immer interpretiert werden dürfen – allein die historische Grundlage, mit der sich Higaki ja zu legitimieren sucht, ist – wie eben in diesem Beispiel – nicht immer wirklich gegeben!
Ferner bezeichnet Higaki seine Anwendungen mit Namen, die so im Daitō-Ryū Aiki Jū-Jutsu auftauchen, nämlich „Bunkai 1“: Arm-Verwickel-Wurf (Ude-Garami-Nage) und „Bunkai 2“: Verwickelnder Wurf (Karami-Nage). Daß im Autorenprofil Daitō-Ryū als eine von Higaki studierte Kampfkunst auftaucht, ist somit auch kein Zufall. Selbstverständlich bleibt die Frage, ob er die Würfe, die er als Bunkai für diese Bewegungen angibt, nun von S. Kubota lernte oder einfach aus dem Daitō-Ryū übernahm und diesen Bewegungen anheftete, unbeantwortet bzw. sie wird gar nicht erst gestellt.
Schließlich gebraucht Higaki quasi denselben Wurf wie für sein „Bunkai 2“ an dieser Stelle bereits 10 Seiten zuvor (S. 144). Dort erläuterte er sein „Bunkai“ für die Bewegungen 4 bis 7. Obwohl die Bewegungen an den beiden Stellen der Kata sich dann doch ziemlich unterscheiden, schafft er es, daß beide dieselbe Anwendung erhalten (abgesehen von zwei Kleinigkeiten).
Die werde ich mir mal angucken.