Erstmal alle Bereiche die ein fachliches Wissen vorrausetzen. z.B. mein Bereich die Musikpädagogik. Zusätzlich kommen ab einem bestimmten Alter im Prinzip alle anderen Fachbereiche dazu. Fühlst du dich fachlich gefestigt genug Mathematik bis Englisch zu unterrichten? Also nicht nur den Stoff zukennen sondern auch alles andere drumherum, sodass du jede Frage korrekt beantworten kannst? In meinem Feld werden wir auch so ausgebildet, dass wir Dinge können die wir wahrscheinlich nur in den seltensten Fällen wirklich brauchen. Aber um allen Kindern gerecht zu werden muss man halt auch ein gewisses fachliches Können bei der Lehrperson haben. Und damit meine ich jetzt nicht irgendwie Gitarre spielen A-Dur und D-Dur sondern echtes Können. In Englisch musst du besser Englisch reden als deine Schüler, damit sie ein sprachliches Vorbild haben.
Selbst im Grundschulbereich ist das nicht so einfach. Du kannst bestimmt Leuten 3+4 erklären, aber es gibt viele verschiedene Denkmuster und das ist auch oft der Grund warum einige Menschen Mathematik nicht "beherrschen" da ihnen immer ein Denkmuster reingestampft wurde. Hier geht es oft auch darum nicht nur den Leuten zu zeigen was falsch und richtig ist, sondern auch zu erkennen warum die Leute einen "Fehler" gemacht haben. Es gibt auch Fälle (kann mir jetzt gerade keinen aus der Nase ziehen) wo "falsche" Antworten aus einer anderen Blickrichtung richtig sind. Kinder können dies nicht immer erklären wie sie gedacht haben im Gegensatz zu Jugendlichen oder Erwachsenen. Und wenn der Lehrer nicht den Denkvorgang erkennt und es schlichteinfach als falsch erklärt, dann kann dies zu Frustration führen und irgendwann Lernhemmungen im Bereich Mathematik hervorrufen. Der Schüler hat ja für sich richtige Gedankengänge gehabt.
Und wenn ich mir bestimmte Lehrerinnen anschaue die über 20 Jahre Arbeit ihr System perfektionieren, wo Kinder fast komplett selbstständig lernen mit nur geringer Lehrerhilfe. Das ist halt nicht vergleichbar mit einmal Unterricht machen. Klar kann man sowas sich auch ohne Studium aneignen, aber ein Studium zeigt dir halt sehr viele Möglichkeiten auf von Leuten aus aller Welt die sich ihr gesamtes Leben damit beschäftigen wie man Kinder Dinge beibringen kann. Theorie ist nicht immer "totes Wissen". Zum einem bestimmten Anteil schon, aber man muss sich halt die für sich selber nützlichen Informationen herausfischen, die man in die Praxis umsetzen kann.
Das was du gerade machst ist genau das wovor mich einige Dozenten warnen (und das sind jetzt keine Theoretiker, die keine Ahnung haben, sondern Leute die selber Jahrzehnte an Schulen oder Musikschulen unterrichtet haben). Du sagst dir selber, dass du alles kannst. Verstehe mich nicht falsch, ich will nicht sagen, dass du ein schlechter Pädagoge bist. Mir scheint, dass du vollkommen mit dem Herz dabei bist und Spaß hast und Lust hast auf Erziehung etc. Das ist immer noch das Wichtigste und der beste Theoretiker wird es nicht besser machen können, wenn er keine Lust auf Unterricht hat. Aber bist du in der Lage komplett eigenständig dein Unterricht selbst zu reflektieren? Gerade bei Jüngeren ist das wichtig. Umso Älter deine Zöglinge werden, desto besser können sie sagen was sie stört und dich kritisieren. Kennst du verschiedene Methodiken mit Schülern zu arbeiten? Nicht immer ist die Methodik die man selber entwickelt hat die beste. Gedankenanregungen von anderen Leuten schaden nicht.
Ich habe auch als Zivildienstler (Also nur ein Abitur) mit Behinderten gearbeitet. Teilweise sogar alleine (durch Krankheitsfälle). Aber ich würde mir nicht zutrauen komplett fremde Behinderte auf lange Zeit hin zu korrekt zu betreuen. Das heißt erstmal ihre Situation richtig einschätzen (kognitive, körperliche Fähigkeiten etc.), Hilfepläne schreiben und methodisch umsetzen.
Die Frage ist eben was macht ihr denn genau da wo ihr arbeitet? Die Leute betreuen? Fies gesagt: Das können (konnten) Zivis auch. Da braucht man auch keine Erzieherausbildung ;-)
Was hast du beim Unterricht gemacht in der Schule?
Und Natürlich sind Praktikanten nicht so fähig wie fertig Ausgebildete - deswegen machen sie ja Praktika. Bei meiner Zivildienststellte konnte ich nach 6 Monaten auch besser mit Behinderten umgehen als viele Rehastudentinnen. Ich erinnere mich dabei nämlich an einen Betreungsjob für eine Tagung wo ich gearbeitet habe. Wie die mit den armen Leuten umgegangen sind - da klappten sich bei mir die Zehennägel hoch. Weil sie eben noch keine Erfahrung hatten. Und klar sind Studenten direkt aus dem Studium praktisch noch nicht so versiert wie Jemand der da schon ein paar Jahre gearbeitet hat. Aber das muss sich halt entwickeln.
Um gleich von vornehinein Zweifel vom Tisch zu fegen: Ich habe nach meinem Abitur als Zivildienstleistender mit Leuten gearbeitet, die alle sehr stark behindert waren, fast ausschließlich auch mit Mehrfachbehinderungen. Nach dem Zivildienst wurde ich, bis zum Anfang meines Studiums (etwa 2 Jahre), als Erzieheraushilfe angestellt. Ebenfalls habe ich nach dem Zivildienst eine Stelle an einem Musikgymnasium bekommen. Ich habe in sogenannten Bläserklassen (3-4 Leute) Instrumentalunterricht erteilt und ein Jazzorchester für 7-10 Klasse geleitet. Also ich schreibe jetzt nicht aus der Perspektive eines völligen Theoretikers sondern habe auch schon was gemacht! Im Studium habe ich viele verschiedene Blickwinkel auf meine Tätigkeit gewonnen und kann mich im Nachhinein nochmal reflektieren.